Index
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);Norm
B-VG Art133 Abs4;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Robl sowie die Hofräte Dr. Mayr und Mag. Berger als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Lechner, in der Revisionssache des S B in W, vertreten durch Dr. Christoph Neuhuber, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Himmelpfortgasse 14, gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes Wien vom 17. Oktober 2017, VGW-151/047/7653/2017-22, betreffend Aufenthaltstitel (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Landeshauptmann von Wien), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Dem Revisionswerber, einem serbischen Staatsangehörigen, wurde auf Grund seines Antrages vom 1. Juli 2016 ein Aufenthaltstitel "Rot-Weiß-Rot - Karte plus" gemäß § 46 Abs. 1 Z 2 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), gültig ab 28. September 2016, erteilt.
2 Mit Bescheid des Landeshauptmannes von Wien (belangte Behörde) vom 12. April 2017 wurde das Verfahren über den Antrag des Revisionswerbers vom 1. Juli 2016 gemäß § 69 Abs. 1 Z 1 AVG (von Amts wegen) wieder aufgenommen (Spruchpunkt 1.) und dieser Antrag gemäß § 11 Abs. 2 Z 4 in Verbindung mit Abs. 5 NAG abgewiesen (Spruchpunkt 2.).
Die belangte Behörde ging davon aus, dass es sich bei dem mit dem Antrag vorgelegten arbeitsrechtlichen Vorvertrag entweder um eine Fälschung oder um eine Gefälligkeitsleistung des Arbeitgebers gehandelt habe, weil der Revisionswerber diese Beschäftigung nie aufgenommen habe. Der Revisionswerber habe daher bewusst falsche Angaben gemacht, um sich den Aufenthaltstitel zu erschleichen. Weiters ging die belangte Behörde mit näherer Begründung davon aus, dass nicht von einer günstigen Prognose hinsichtlich der Erzielbarkeit des erforderlichen Einkommens ausgegangen werden könne. Die Interessenabwägung gemäß § 11 Abs. 3 NAG falle zu Ungunsten des Revisionswerbers aus.
3 Mit dem nunmehr angefochtenen Erkenntnis vom 17. Oktober 2017 wies das Verwaltungsgericht Wien die dagegen erhobene Beschwerde des Revisionswerbers mit der Maßgabe als unbegründet ab, dass zu Spruchpunkt 2. des bekämpften Bescheides der Antrag vom 1. Juli 2016 auf Erteilung eines Aufenthaltstitels "Rot-Weiß-Rot - Karte plus" gemäß § 11 Abs. 1 Z 4 in Verbindung mit § 30 Abs. 1 NAG abgewiesen werde. Dem Revisionswerber wurde der Ersatz der erwachsenen Barauslagen dem Grunde nach auferlegt, die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG wurde für unzulässig erklärt.
Das Verwaltungsgericht gelangte - gestützt insbesondere auf die in den Verhandlungen am 4. August 2017 und am 4. Oktober 2017 durchgeführten Einvernahmen des Revisionswerbers, seiner Ehefrau (M B) und weiterer Zeugen sowie die dabei zu Tage getretenen Widersprüche - zur Auffassung, dass es sich bei der zwischen dem Revisionswerber und M B am 6. September 2014 geschlossenen Ehe um eine Aufenthaltsehe handle, die nur deshalb geschlossen worden sei, um dem Revisionswerber die Erteilung eines Aufenthaltstitels zu ermöglichen. Ein gemeinsames Familienleben im Sinn des Art. 8 EMRK werde nicht geführt. Der Revisionswerber habe sich im Verfahren zur Erteilung eines Aufenthaltstitels auf diese Ehe berufen.
Die Voraussetzungen für die Wiederaufnahme des Verfahrens seien sowohl im Hinblick auf den im Verfahren vorgelegten, nur zum Schein abgeschlossenen arbeitsrechtlichen Vorvertrag als auch in Ansehung der Berufung des Revisionswerbers auf eine Aufenthaltsehe gegeben. Die Voraussetzungen einer Aufenthaltsehe nach § 30 Abs. 1 NAG lägen vor. Da somit der absolute Versagungsgrund des § 11 Abs. 1 Z 4 NAG gegeben sei, habe auch eine Interessenabwägung nach § 11 Abs. 3 NAG zu unterbleiben und der Antrag sei abzuweisen.
4 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.
5 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG vom Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
6 Der Revisionswerber bringt zur Zulässigkeit seiner Revision einzig vor, es liege deshalb eine grundsätzliche Rechtsfrage im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG vor, weil "bislang von der Rechtsprechung nicht eindeutig beantwortet wurde, ob die Interessenabwägung nach Art 8 EMRK unterbleiben kann, wenn die Behörde von einem Versagungsgrund gemäß § 11 Abs 2 Z 4 NAG ausgeht, obwohl dieser im Zeitpunkt der Entscheidung nicht mehr vorliegt".
7 Damit verkennt der Revisionswerber, dass das Verwaltungsgericht zwar im Zusammenhang mit der Wiederaufnahme des Verfahrens (Spruchpunkt 1. des bekämpften Bescheides) auf den ursprünglich vorgelegten arbeitsrechtlichen Vorvertrag eingegangen ist, die Abweisung des Antrags auf Erteilung eines Aufenthaltstitels (Spruchpunkt 2. des bekämpften Bescheides) aber - anders als noch die belangte Behörde - im Hinblick auf die Erfüllung des Tatbestandes des § 30 Abs. 1 NAG auf den absoluten Versagungsgrund des § 11 Abs. 1 Z 4 NAG gestützt hat. In einem solchen Fall ist eine Interessenabwägung gemäß § 11 Abs. 3 NAG (Art. 8 EMRK) nicht vorzunehmen (siehe VwGH 27.4.2017, Ro 2016/22/0014, mwN).
8 Auf die vom Revisionswerber aufgeworfene - schon im Ansatz verfehlte - Frage betreffend das Unterbleiben einer Interessenabwägung bei (nunmehrigem) Vorliegen der Erteilungsvoraussetzung des § 11 Abs. 2 Z 4 NAG kommt es daher schon deshalb nicht an, weil das Verwaltungsgericht die Abweisung des Antrags auf Titelerteilung nicht auf diesen Tatbestand gestützt hat. Zur Beantwortung abstrakter Rechtsfragen auf Grund von Revisionen ist der Verwaltungsgerichtshof nicht berufen (vgl. VwGH 7.12.2016, Ra 2016/22/0108, mwN).
9 In der Revision wird somit keine Rechtsfrage aufgeworfen, der im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme.
10 Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen. 11 Von der Durchführung der beantragten Verhandlung konnte
gemäß § 39 Abs. 2 Z 1 VwGG abgesehen werden.
Wien, am 22. Februar 2018
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2018:RA2018220021.L00Im RIS seit
16.03.2018Zuletzt aktualisiert am
10.04.2018