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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);Norm
B-VG Art133 Abs4;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Thienel und die Hofräte Dr. Lehofer und Mag. Nedwed als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Revision des Dr. U S, Rechtsanwalt in W, vertreten durch die Haslinger / Nagele & Partner Rechtsanwälte GmbH in 4020 Linz, Roseggerstraße 58, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Oberösterreich vom 3. April 2017, LVwG- 700232/5/BP/BD, betreffend Übertretung des EGVG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Landespolizeidirektion Oberösterreich), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurde der Revisionswerber einer Übertretung des Art. III Abs. 1 Z 4 EGVG schuldig erkannt und es wurde über ihn wegen dieser Übertretung eine Geldstrafe in der Höhe von EUR 250,-- (Ersatzfreiheitsstrafe von zwei Tagen) verhängt. Der Revisionswerber habe am 18. März 2016 im Zuge einer Verhandlung in einem gerichtlichen Strafverfahren nationalsozialistisches Gedankengut im Sinne des Verbotsgesetzes verbreitet, indem er (als Strafverteidiger) in seinem Schlussplädoyer, wobei es um das ehemalige Konzentrationslager Mauthausen gegangen sei, folgende Stellungnahme abgegeben:
"er (der Angeklagte) befindet sich außerhalb der anerkannten Geschichtsschreibung, er macht irgendwie Mauthausen zu einer Art Mythos, weil er sagt da marschieren die Leute in die Öfen, bitte, das ist überhaupt nie passiert. Es ist strittig, ob in Mauthausen Vergasungen und Verbrennungen stattgefunden haben, es ist für Hartheim erwiesen und was man seinerzeit - mittlerweile ist das wieder umgeändert worden - in Mauthausen zu Gesicht bekommen hat, ist eine sogenannte Gaskammer, die nachträglich eingebaut worden ist. Es ist wie gesagt unbekannt, ob die jemals dort vorhanden war, weil beim Eintreffen der Amerikaner war das Konzentrationslager komplett leer geräumt, es hat sich keine Gaskammer und kein Verbrennungsofen dort befunden. Es ist also, wenn er sagt, er möchte dort wieder etwas herstellen, was es eigentlich nicht gegeben hat, eine Spintisiererei und realitätsfremd ..."
Aus der im angefochtenen Erkenntnis wiedergegebenen Begründung des verwaltungsbehördlichen Bescheides ergibt sich, dass die Staatsanwaltschaft Wels wegen dieser Äußerungen gegen den Revisionswerber Anklage wegen des Verbrechens nach § 3h Verbotsgesetz erhoben hatte, von dieser Anklage jedoch in der Folge gemäß § 227 Abs. 1 StPO vor Beginn der Hauptverhandlung zurückgetreten war.
Das Verwaltungsgericht sprach aus, dass die Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig ist.
2 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
3 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
4 In seiner außerordentlichen Revision bringt der Revisionswerber zur Zulässigkeit vor, dass eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vorliege, weil das Verwaltungsgericht in drei näher ausgeführten Punkten von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen sei.
5 Erstens habe das Verwaltungsgericht die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zum Doppelbestrafungsverbot außer Acht gelassen. Unter Bezugnahme auf Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes gehe der Verwaltungsgerichtshof davon aus, dass sich nach der Vorgängerbestimmung zur hier relevanten Bestimmung des Art. III Abs. 1 Z 4 EGVG strafbare Handlungen der äußeren Tatseite nach "als Verbreiten nationalsozialistischen Gedankengutes im Sinne der Straftatbestände des Verbotsgesetzes darstellen" (Hinweis auf VwGH 16.12.1991, 90/10/0194). Konsequenterweise habe der Verwaltungsgerichtshof deshalb entschieden, dass jemand, gegen den wegen des Verdachts des Verbrechens nach § 3g Verbotsgesetz ermittelt worden war, diese Ermittlungen (gemäß § 190 Z 2 StPO) aber eingestellt wurden, aufgrund von Art. 4 7. ZPEMRK nicht nach Art. III Abs. 1 Z 4 EGVG bestraft werden dürfe (VwGH 22.11.2016, Ra 2016/03/0083).
6 Diesem Vorbringen ist entgegenzuhalten, dass nach dem dem Revisionsfall zugrundeliegenden Sachverhalt gegen den Revisionswerber zunächst Anklage nach § 3h Verbotsgesetz erhoben worden war und sich demnach lediglich die Frage stellen kann, ob im Hinblick auf den Rücktritt von der Anklage nach dieser Strafnorm ein Verstoß gegen das Doppelbestrafungsverbot nach Art. 4 7. ZPEMRK durch das hier angefochtene Erkenntnis vorliegt.
§ 3h Verbotsgesetz wurde erst durch die Verbotsgesetz-Novelle 1992, BGBl. Nr. 148/1992, eingeführt, sodass das zur Rechtslage vor dieser Novelle - im Hinblick auf die Abgrenzung zu den Verbrechen nach § 3d und § 3g Verbotsgesetz - ergangene Erkenntnis des VwGH 16.12.1991, 90/10/0194, diesbezüglich nicht einschlägig ist. Auch die weiteren in der Revision in diesem Zusammenhang zitierten Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes (22.11.2016, Ra 2016/03/0083, und 13.9.2016, Ra 2016/03/0083) betreffen nicht die Abgrenzung zu § 3h, sondern zu
§ 3g Verbotsgesetz; das diesbezügliche Zulässigkeitsvorbringen ist daher schon aus diesem Grund nicht geeignet, eine Abweichung des Verwaltungsgerichtes von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes aufzuzeigen.
7 Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass der Verfassungsgerichtshof die vom Revisionswerber gegen das auch hier angefochtene Erkenntnis nach Art. 144 B-VG erhobene Beschwerde mit Erkenntnis vom 11.10.2017, E 1698/2017 abgewiesen hat und sich in der Begründung eingehend mit dem Vorbringen des Revisionswerbers im Hinblick auf das Doppelbestrafungsverbot nach Art. 4 7. ZP EMRK auseinandergesetzt hat. Der Verfassungsgerichtshof ist dabei zum Ergebnis gekommen, dass das Verwaltungsstrafverfahren nach Art. III Abs. 1 Z 4 EGVG und das strafgerichtliche Verfahren nach § 3h Verbotsgesetz unterschiedliche Zwecke mit verschiedenen Strafen verfolgen und die Verhängung einer Verwaltungsstrafe wegen Art. III Abs. 1 Z 4 EGVG nach Rücktritt von der Anklage wegen § 3h Verbotsgesetz mit Art. 4 Abs. 1 7. ZPEMRK vereinbar ist.
8 Als zweiten Punkt, in dem eine Abweichung von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vorliege, nennt die Revision das Verneinen einer Bindungswirkung (Sperrwirkung) der "Verfahrenseinstellung" gemäß § 227 Abs. 1 StPO durch das Verwaltungsgericht. Der Verwaltungsgerichtshof gehe in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass eine Einstellung des Ermittlungsverfahrens nach den §§ 190 ff StPO einer neuerlichen Strafverfolgung entgegenstehe, da eine solche Einstellung eine vom Staatsanwalt in Ausübung seines Anklagemonopols getroffene Entscheidung darstelle. Auch ein Rücktritt von der Anklage vor Beginn der Hauptverhandlung gemäß § 227 Abs. 1 StPO stelle eine "rechtskräftige Entscheidung" dar und Art. 4 7. ZPEMRK stehe somit einer neuerlichen Verfolgung wegen "derselben Sache" entgegen.
9 Dieses Vorbringen baut darauf auf, dass es sich nach Ansicht der Revision bei der - hier durch Rücktritt von der Anklage nach § 227 Abs. 1 StPO schließlich ohne Verurteilung beendeten - strafgerichtlichen Verfolgung wegen des Verbrechens nach § 3h Verbotsgesetz und der verwaltungsstrafrechtlichen Verfolgung nach Art. III Abs. 1 Z 4 EGVG um "dieselbe Sache" im Sinne des Art. 4 7. ZPEMRK handle. Dies ist jedoch nach dem bereits zitierten Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes betreffend die vom Revisionswerber in dieser Angelegenheit nach Art. 144 B-VG erhobenen Beschwerde nicht der Fall, sodass auch damit keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aufgezeigt wird.
10 Schließlich meint die Revision, das angefochtene Erkenntnis weiche auch insoweit von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, als es bei der Beurteilung, ob das Verhalten des Revisionswerbers als Verbreitung nationalsozialistischen Gedankenguts anzusehen ist, ausschließlich auf den reinen Text abstelle und den mit der Wiedergabe des Textes verfolgten Zweck sowie die Umstände, unter denen der Text wiedergegeben worden sei, nicht berücksichtigt habe (Hinweis auf VwGH 4.8.1992, 89/10/0122).
11 Dem ist entgegenzuhalten, dass das Verwaltungsgericht im angefochtenen Erkenntnis die Situation, in der der Revisionswerber die Äußerungen getätigt hat (Schlussplädoyer in der Hauptverhandlung), und den Zweck dieser Äußerungen (Verteidigung seines Mandanten mit dem Ziel, für diesen das bestmögliche Ergebnis herauszuholen) ausdrücklich berücksichtigt hat; es ist auch nicht zu erkennen, dass das Verwaltungsgericht dies in einer mit der vom Revisionswerber zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes unvereinbaren Weise getan hätte.
12 In der Revision werden damit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.
Wien, am 22. Februar 2018
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2018:RA2017030063.L00Im RIS seit
16.03.2018Zuletzt aktualisiert am
17.07.2018