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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);Norm
B-VG Art133 Abs4;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Holeschofsky und die Hofrätinnen Mag. Dr. Zehetner sowie Mag. Liebhart-Mutzl als Richterinnen bzw. Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Sowa, über die Revision des F H in Wien, vertreten durch Dr. Patrick Ruth, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Kapuzinergasse 8/4, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Tirol vom 31. Jänner 2017, LVwG- 2015/30/2423-12, betreffend Übertretung des Glücksspielgesetzes (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Landespolizeidirektion Tirol),
Spruch
1. den Beschluss gefasst:
Die Revision wird, soweit sie sich gegen Spruchpunkt 1. und 2. des angefochtenen Erkenntnisses richtet, zurückgewiesen.
2. zu Recht erkannt:
Die Vorschreibung der Kosten des Beschwerdeverfahrens im Spruchpunkt 3. des angefochtenen Erkenntnisses wird wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhalts aufgehoben.
Der Bund hat der revisionswerbenden Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 Mit Straferkenntnis der Landespolizeidirektion Tirol vom 20. August 2015 wurde der Revisionswerber der Übertretung des § 52 Abs. 1 Z 1 Glücksspielgesetz (GSpG) mit acht Glücksspielgeräten im Tatzeitraum vom 6. Juni 2014 bis 6. November 2014 für schuldig erkannt; über ihn wurden Geldstrafen in der Höhe von jeweils EUR 1.000,-- (sowie jeweils eine Ersatzfreiheitsstrafe) verhängt.
2 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Landesverwaltungsgericht Tirol nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung die vom Revisionswerber erhobene Beschwerde ab (Spruchpunkt 1.). Es änderte den Spruch des Straferkenntnisses insofern ab, als es die Tatzeit auf "vom 06.06.2014 bis 28.10.2014" einschränkte und die angewendete Strafbestimmung präzisierte (Spruchpunkt 2.). Dem Revisionswerber wurde ein Kostenbeitrag in Höhe von EUR 1.600,-- vorgeschrieben (Spruchpunkt 3.). Weiters sprach das Landesverwaltungsgericht aus, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nicht zulässig sei.
3 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision mit dem Antrag, das angefochtene Erkenntnis kostenpflichtig aufzuheben. Die belangte Behörde erstattete keine Revisionsbeantwortung.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
4 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
5 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
6 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
7 Zum Zulässigkeitsvorbringen der gegenständlichen Revision im Zusammenhang mit der Vorlagepflicht der entscheidenden Gerichte ist zunächst festzuhalten, dass die Voraussetzungen für eine Vorlagepflicht an den Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) gemäß Art. 267 AEUV klar bzw. geklärt sind. Ebenso sind die Anforderungen an eine Prüfung der Unionsrechtskonformität im Zusammenhang mit einer Monopolregelung im Glücksspielsektor durch die nationalen Gerichte geklärt (vgl. EuGH vom 15.9.2011, Dickinger und Ömer, C-347/09, Rn. 83 f; vom 30.4.2014, Pfleger, C-390/12, Rn. 47 ff; sowie vom 30.6.2016, Admiral Casinos & Entertainment, C-464/15, Rn. 31, 35 ff). Diesen Anforderungen ist der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 16. März 2016, Ro 2015/17/0022, durch die Durchführung der nach der Rechtsprechung des EuGH erforderlichen Gesamtwürdigung nachgekommen. Von dieser Rechtsprechung ist das Verwaltungsgericht im Revisionsfall nicht abgewichen. Entgegen dem weiteren Vorbringen steht die angefochtene Entscheidung daher nicht im Widerspruch zum Urteil des EuGH vom 30. April 2014, Pfleger, C-390/12.
8 Ebenso stehen nach den Ausführungen des EuGH in seinem Urteil vom 14. Juni 2017, Online Games Handels GmbH ua, C- 685/15, die Art. 49 AEUV (Niederlassungsfreiheit) und Art. 56 AEUV (Dienstleistungsfreiheit) im Lichte des Art. 47 GRC einem Verfahrensregime wie dem vor dem Verwaltungsgericht geltenden betreffend die amtswegige Ermittlung der Umstände der vom Gericht entschiedenen Rechtssachen nicht entgegen.
9 Die Revision macht auch einen Verstoß gegen das Verbot der reformatio in peius geltend, weil zwar der im Spruch des Landesverwaltungsgerichts angegebene Tatzeitraum gegenüber dem Tatzeitraum im Straferkenntnis eingeschränkt, das Strafausmaß aber beibehalten wurde.
10 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes führt das Verbot der "reformatio in peius" bei einer zu Gunsten des Bestraften erhobenen Beschwerde dazu, dass in der Beschwerdeentscheidung nicht die gleiche Strafe verhängt werden darf wie im Straferkenntnis, sofern in diesem der Tatzeitraum reduziert wird und nicht andere Strafzumessungsgründe heranzuziehen sind als im Erstbescheid (vgl. z.B. VwGH 15.2.2018, 2017/17/0718, mwN).
11 Wenn das Verwaltungsgericht die verhängte Strafe nicht herabsetzt, liegt dennoch kein Verstoß gegen das Verbot der "reformatio in peius" vor, wenn es im Rahmen der vorzunehmenden eigenen Bewertung von Milderungs- und Erschwerungsgründen begründeterweise zur gleichen Strafhöhe gelangt wie die erstinstanzliche Behörde, selbst wenn ein Erschwerungsgrund weggefallen oder ein Milderungsgrund hinzugekommen wäre (vgl. VwGH 18. Oktober 2007, 2006/09/0031). Das Verwaltungsgericht muss in der Lage sein zu begründen, dass andere Umstände vorliegen, die es rechtfertigen, das Ausmaß der verhängten Strafe für angemessen zu halten (VwGH 7.3.2016, Ra 2015/02/0225, mwN).
12 Das Landesverwaltungsgericht hat im Revisionsfall die Beibehaltung des Strafausmaßes trotz Einschränkung des Tatzeitraumes damit begründet, dass nach § 52 Abs. 2 GSpG bei einer Übertretung des § 52 Abs. 1 Z 1 GSpG mit mehr als drei Glücksspielautomaten eine Geldstrafe im Ausmaß von EUR 3.000,- bis EUR 10.000,- zu verhängen gewesen wäre und die tatsächlich verhängte Geldstrafe somit die Mindestgeldstrafe pro Glücksspielautomat um jeweils EUR 2.000,- unterschreite. Die Strafbehörde habe § 20 VStG nicht angewandt und auch für das Landesverwaltungsgericht komme eine Strafmilderung nach § 20 VStG nicht in Betracht. Es könne nicht davon gesprochen werden, dass die Milderungsgründe die Erschwerungsgründe beträchtlich überwiegen würden. Da die Mindeststrafe pro Glücksspielgerät bereits beträchtlich unterschritten worden sei, komme eine weitere Strafherabsetzung nicht in Betracht.
13 Damit hat das Landesverwaltungsgericht aber eine eigene Bewertung der Strafbemessungsgründe vorgenommen. Zu dieser Bewertung enthält die Revision kein Vorbringen. Ein Abweichen des Landesverwaltungsgerichts von der hg. Rechtsprechung zum Verbot der reformatio in peius wurde somit nicht aufgezeigt. Im Übrigen wird angemerkt, dass ein weiteres Unterschreiten der Mindeststrafe nach § 52 Abs. 2 GSpG selbst unter Anwendung des § 20 VStG nicht zulässig wäre.
14 Die Revision war mangels Aufzeigens einer Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG daher - soweit sie sich gegen Spruchpunkt 1. und 2. des angefochtenen Erkenntnisses richtet - nach § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren als unzulässig zurückzuweisen.
15 Hinsichtlich der in Spruchpunkt 3. vorgeschriebenen Kosten für das Beschwerdeverfahren erweist sich die Revision jedoch als zulässig und berechtigt, weil das Landesverwaltungsgericht in diesem Punkt - wie der Revisionswerber zutreffend im Zulässigkeitsvorbringen aufzeigt - von der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen ist.
16 Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 52 Abs. 8 VwGVG wäre es nicht begründet, die Kosten des Beschwerdeverfahrens dem Bestraften aufzuerlegen, wenn das Verwaltungsgericht eine Änderung zugunsten des Beschuldigten vorgenommen hat. Eine solche liegt auch dann vor, wenn der von der Strafbehörde angenommene strafbare Tatbestand eingeschränkt worden ist. Das ist u.a. auch dann der Fall, wenn der Tatzeitraum im Unterschied zur erstinstanzlichen Entscheidung und damit der Unrechtsgehalt zugunsten des Beschuldigten verringert wurde (vgl. VwGH vom 7.6.2017, Ra 2017/17/0017, mwN). Dem Landesverwaltungsgericht war es daher aufgrund der von ihm vorgenommen Tatzeiteinschränkung versagt, dem Revisionswerber den Ersatz der Kosten des Beschwerdeverfahrens aufzuerlegen.
17 Die in Spruchpunkt 3. enthaltene Vorschreibung der Kosten für das Beschwerdeverfahren war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts aufzuheben.
18 Die Kostenentscheidung gründet sich auf den §§ 47ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am 28. Februar 2018
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2018:RA2017170733.L00Im RIS seit
16.03.2018Zuletzt aktualisiert am
03.12.2018