Entscheidungsdatum
23.02.2018Index
41/02 Passrecht FremdenrechtNorm
NAG §11 Abs1 Z4Text
Das Verwaltungsgericht Wien hat durch seinen Richter Mag. Pühringer in der Beschwerdesache des A. D. (geb.: 1988, StA: Bosnien und Herzegowina), vertreten durch Rechtsanwalt, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 13. Juni 2017, Zl. MA35-9/3084901-02, mit welchem 1) a) das rechtskräftig abgeschlossene Verfahren aufgrund des Erstantrages auf Ersterteilung eines Aufenthaltstitels "Familienangehöriger" gemäß § 69 Abs. 1 Z 1 iVm § 69 Abs. 3 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 – AVG von Amts wegen wiederaufgenommen wurde, sowie 2) a) der Antrag auf Ersterteilung des Aufenthaltstitels für den Zweck "Familienangehöriger" gemäß § 11 Abs. 1 Z 4 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz – NAG, abgewiesen wurde, und b) der Verlängerungsantrag auf Erteilung eines weiteren Aufenthaltstitels für den Zweck "Familienangehöriger" gemäß § 11 Abs. 1 Z 4 NAG, abgewiesen wurde, den
BESCHLUSS
gefasst:
I. Gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG iVm § 17 VwGVG, §§ 76 Abs. 1 und 53b AVG wird dem Beschwerdeführer der Ersatz der mit Beschluss des Verwaltungsgerichts Wien vom 16. Februar 2018, Zl. VGW-KO-032/136/2018-1, mit € 149,— bestimmten Barauslagen für die zur mündlichen Verhandlung am 14. Februar 2018 in der Zeit zwischen 10:00 Uhr bis 13:25 Uhr beigezogene nichtamtliche Dolmetscherin auferlegt. Der Beschwerdeführer hat der Stadt Wien die genannten Barauslagen durch Banküberweisung auf das Bankkonto mit der Kontonummer IBAN AT16 1200 0006 9621 2729, BIC BKAUATWW, lautend auf "MA6 BA40" mit dem Verwendungszweck "VGW-KO-032/136/2018-1" binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
II. Gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG wird der angefochtene Bescheid in seinem Spruchpunkt 2)b) aufgehoben und das Verfahren in diesem Umfang an die belangte Behörde zurückverwiesen.
sowie
IM NAMEN DER REPUBLIK
zu Recht erkannt:
III. Gemäß § 69 Abs. 1 Z 1 AVG iVm § 11 Abs. 1 Z 4 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz, BGBl. I 100/2005 idF BGBl. I 145/2017, wird der angefochtene Bescheid im Übrigen aufgehoben.
IV. Gegen Spruchpunkt II. dieser Entscheidung ist gemäß § 25a Abs. 1 VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig. Im Übrigen ist die ordentliche Revision unzulässig.
Entscheidungsgründe
I. Verfahrensgang
1. Der angefochtene Bescheid vom 13. Juni 2017 hat folgenden Spruch:
"Rechtsgrundlage: § 69 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz - AVG idgF
§ 70 Abs. 1 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz - AVG idgF
§ 11 Abs. 1 Z 4 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz idgF
1)
a) Das rechtskräftig abgeschlossene Verfahren aufgrund Ihres Erstantrages vom 11.6.2015 auf Ersterteilung des Aufenthaltstitels 'Familienangehöriger' wird gemäß § 69 Abs. 1 Z 1 iVm § 69 Abs. 3 des Allgemeinen Verwaltungsgesetzes - AVG 1991, BGBl. 51/1991 idgF .von Amts wegen wiederaufgenommen. Das Verfahren tritt in den Stand zurück, in dem es sich vor Erteilung des Aufenthaltstitels am 3.12.2015 befunden hat.
2 )
a) Gemäß § 70 Abs. 1 AVG wird gleichzeitig Ihr Antrag vom 11.06.2015 auf Ersterteilung des Aufenthaltstitels für den Zweck 'Familienangehöriger' nach dem Bundesgesetz über die Niederlassung und den Aufenthalt in Österreich (Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz - NAG 2005, BGBl. 100/2005) aufgrund des Eingehens einer Scheinehe gemäß § 11 Abs. 1 Z 4 NAG abgewiesen.
b) Ihr eingebrachter Verlängerungsantrages vom 27.10.2016 auf Erteilung eines weiteren Aufenthaltstitels für den Zweck 'Familienangehöriger' wird ebenfalls aufgrund des Eingehens einer Scheinehe gemäß § 11 Abs. 1 Z 4 NAG abgewiesen."
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die – rechtzeitig erhobene – Beschwerde, mit welcher der Beschwerdeführer die Behebung des angefochtenen Bescheids zur Gänze, in eventu die Zurückverweisung des Verfahrens an die belangte Behörde beantragt.
3. Die belangte Behörde traf keine Beschwerdevorentscheidung und legte die Beschwerde dem Verwaltungsgericht Wien samt der Akten des Verwaltungsverfahrens vor.
4. Das Verwaltungsgericht Wien führte am 14. Februar 2018 eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, in welcher der Beschwerdeführer als Partei sowie eine Vielzahl an Personen als Zeugen einvernommen wurden.
II. Sachverhalt
1. Das Verwaltungsgericht Wien legt seiner Entscheidung folgende Feststellungen zugrunde:
Der am … 1988 geborene Beschwerdeführer ist Staatsbürger von Bosnien und Herzegowina.
Der Beschwerdeführer hat am 9. Mai 2015 in Bosnien und Herzegowina die österreichische Staatsbürgerin K. R., geb. 1979, geheiratet; diese Ehe wurde bislang nicht geschieden oder aufgelöst.
Die Beziehung zwischen dem Beschwerdeführer und seiner Ehegattin hat sich seit ihrem ersten Kennenlernen folgendermaßen entwickelt:
Der Beschwerdeführer hat K. R. im Juni 2014 während eines Besuchs bei Verwandten in Österreich kennengelernt; sie wohnt im selben Haus wie die damalige Unterkunftsgeberin des Beschwerdeführers. Aus dieser ersten Begegnung hat sich in den folgenden Monaten loser fernmündlicher bzw. schriftlicher Kontakt entwickelt; der Beschwerdeführer war in diesem Zeitraum wieder in Bosnien. Im Jänner 2015 besuchte K. R. den Beschwerdeführer schließlich für ein Wochenende in Bosnien, zu diesem Zeitpunkt kamen die beiden als Paar zusammen und hatten das erste Mal Geschlechtsverkehr. Im Frühjahr 2015 besuchte der Beschwerdeführer für ein paar Wochen seine Verwandten in Wien und verbrachte dabei viel Zeit mit K. R., das Paar beschloss, in naher Zukunft zu heiraten. Weil die Eheschließung in Österreich kostspielig gewesen wäre und das Standesamt in Wien erst wieder Termine im Herbst 2015 frei gehabt hätte, beschloss das Paar, in Bosnien zu heiraten. K. R. fuhr deshalb Anfang Mai 2015 nach Bosnien und ehelichte den Beschwerdeführer dort am 9. Mai 2015. Im Anschluss kehrte sie nach Wien zurück, der Beschwerdeführer verblieb in Bosnien und stellte bei der österreichischen Botschaft am 11. Juni 2015 einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels als Familienangehöriger einer Österreicherin.
Im August 2015 fuhren der Beschwerdeführer und seine Ehegattin eine Woche auf Hochzeitsreise nach Neum, Bosnien.
Infolge der erstmaligen Erteilung eines Aufenthaltstitels für den Beschwerdeführer wurde diesem ein Visum D zur Abholung eines Aufenthaltstitels mit Gültigkeit ab 7. Oktober 2015 erteilt. Der Aufenthaltstitel wurde dem Beschwerdeführer am 3. Dezember 2015 in Wien ausgefolgt.
Der Beschwerdeführer lebte ab November 2015 bei seiner Ehegattin in Wien an der Adresse M.-gasse, Wien, und schlief mit ihr in einem Bett. Sowohl der Beschwerdeführer als auch seine Ehegattin waren berufstätig und haben zum gemeinsamen Haushalt beigetragen. Die Ehegattin des Beschwerdeführers hat zwei minderjährige Kinder aus erster Ehe, welche ebenfalls in der ehelichen Wohnung in der M.-gasse leben. Zwischen den Kindern der Ehegattin des Beschwerdeführers und dem Beschwerdeführer bestanden ab seinem Einzug Spannungen – insbesondere zum jüngeren Sohn – weshalb der Beschwerdeführer um den September 2016 herum aus der ehelichen Wohnung auszog und sich eine eigene Wohnung nahm. Seine Ehegattin sieht er seither zwar immer wieder, während der letzten Monate jedoch nicht regelmäßig. Das Verhältnis zwischen dem Beschwerdeführer und seiner Ehegattin hat sich seit dem Auszug erheblich abgekühlt und entemotionalisiert, die beiden haben sich auseinandergelebt. Kommt es zum Treffen zwischen dem Beschwerdeführer und seiner Ehegattin, führen die beiden Gespräche, haben aber keine intime Beziehung mehr. Finanzielle Beziehungen zwischen dem Beschwerdeführer und seiner Ehegattin bestehen derzeit nicht. Seit Februar 2017 lebt der Beschwerdeführer mit E. M. in Wien, E.-gasse zusammen; die beiden führen ein intimes Verhältnis.
Der Ehe des Beschwerdeführers mit K. R. ist bislang kein Kind entsprungen.
Der Beschwerdeführer ist derzeit erwerbslos.
Am 27. Oktober 2016 stellte der Beschwerdeführer einen Antrag auf Verlängerung seines Aufenthaltstitels "Familienangehöriger von Österreicher". Infolge dieses Verlängerungsantrags leitete die belangte Behörde amtswegig ein Verfahren zur Wiederaufnahme des Erstantragsverfahrens ein, welches schließlich im gegenständlich angefochtenen Bescheid mündete.
2. Diese Feststellungen ergeben sich aus folgender Beweiswürdigung:
Das Verwaltungsgericht Wien hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verwaltungsakt, Würdigung des Beschwerdevorbringens und der vom Beschwerdeführer vorgelegten Unterlagen sowie durch Einholung verschiedener Registerauszüge (Sozialversicherungsdaten, Zentrales Melderegister, Strafregister etc). Das Verwaltungsgericht Wien hat in der mündlichen Verhandlung am 14. Februar 2018 den Beschwerdeführer als Partei sowie GrI Ro., Mi. R., Ma. St., H. Ak., Si. R., Al. Sa. und K. R. als Zeuginnen bzw. Zeugen einvernommen.
Für das Verwaltungsgericht Wien haben sich die Angaben des Beschwerdeführers und seiner Ehegattin zum Entstehen ihrer Beziehung und zur Aufnahme ihres Ehelebens in Wien im November 2015 als glaubhaft erwiesen. So konnten die wesentlichen chronologischen Details übereinstimmend wiedergegeben werden, auch hatte das Verwaltungsgericht Wien den Eindruck einer früher zwischen den Eheleuten bestanden habenden tiefen emotionalen Verbindung und intimen körperlichen Beziehung. Die Glaubhaftigkeit der Angaben des Beschwerdeführers und seiner Ehegattin zur ihrem Verhältnis seit dem Jahr 2015 ergibt sich für das Verwaltungsgericht Wien auch daraus, dass die Eheleute die aktuelle Abkühlung und räumliche Trennung ihrer Beziehung offen dargelegt und nicht verheimlicht haben. Geringfügige Abweichungen zwischen den Angaben der Eheleute ergaben sich hinsichtlich der Frage, wann zuletzt ein Abend zu zweit in einem Lokal verbracht wurde bzw. wann sie zuletzt Geschlechtsverkehr hatten. Aus diesen abweichenden Angaben betreffend zudem längere Zeit zurück liegende Ereignisse ist für das Verwaltungsgericht Wien ableitbar, dass die sozialen Interaktionen zwischen den Eheleuten für diese keine besondere Bedeutung mehr haben und keinen besonderen Raum im Gefühlsleben des Beschwerdeführers und seiner Ehegattin mehr einnehmen.
Die Angaben der zahlreichen einvernommenen Zeugen stützen die Angaben der Eheleute insofern, als die Zeugen aus dem engeren Familien- und Bekanntenkreis der Eheleute die Aufnahme einer Beziehung im Jahr 2015 und ein Auseinanderleben der Eheleute seit dem Auszug des Beschwerdeführers im September 2016 bestätigen konnten. Zum Zeitpunkt einer fremdenpolizeilichen Überprüfung am 4. Jänner 2017 an der ehelichen Wohnadresse bestand schon kein gemeinsamer Wohnsitz mehr, was die zurückhaltende Reaktion der Stiefkinder des Beschwerdeführers auf den Vorhalt dessen Bildes erklärt. Aus den Angaben zweier Nachbarinnen der Ehegattin des Beschwerdeführers, wonach sie den Beschwerdeführer vor dem Tag der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht Wien noch nie gesehen hätten, ist für das Verwaltungsgericht Wien nicht zwingend abzuleiten, dass der Beschwerdeführer niemals an der Adresse M.-gasse gewohnt hat, kommt es doch in Wien häufig vor, dass sich Nachbarn in größeren Wohnhäusern auch nach Jahren nicht kennen. Zudem konnte die Zeugin Sa., welche ebenfalls in der M.-gasse lebt, glaubhaft bestätigen, dass der Beschwerdeführer früher dort gelebt hat.
Die Feststellungen zum Verhältnis des Beschwerdeführers zu E. M. ergeben sich zum einen aus den Angaben der Ehegattin des Beschwerdeführers, welche E. M. sofort einordnen konnte und durch ihre unangenehm berührte Reaktion zu verstehen gab, dass sie ein intimes Verhältnis des Beschwerdeführers zu E. M. nicht ausschließt; zum anderen aus einer Einsichtnahme des Verwaltungsgerichts Wien in die öffentlichen facebook-Profile des Beschwerdeführers und der E. M. am Tag vor der mündlichen Verhandlung. Auf diesen – ansonsten spärlich ausgestatteten – Profilen finden sich ausschließlich Fotos des Beschwerdeführers mit der E. M., welche eine enge, über das freundschaftliche hinausgehende Beziehung der beiden nahelegen; so berühren sich die Köpfe der beiden auf einem Foto (Beilage ./2 zum Verhandlungsprotokoll), ein weiteres Foto zeigt die beiden händchenhaltend mit jeweils identen Armbändern (Beilage ./3). Den Angaben des Beschwerdeführers, wonach es sich bei E. M. bloß um eine gute Freundin handle, war angesichts dieser Beweismittel kein Glauben zu schenken.
Die Feststellungen zur aktuellen Beschäftigungslosigkeit des Beschwerdeführers ergeben sich aus dessen eigenen Angaben und einem damit übereinstimmenden Sozialversicherungsdatenauszug.
III. Rechtliche Beurteilung
1. Anzuwendende Rechtsvorschriften:
Die im Beschwerdefall maßgeblichen Bestimmungen des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes – NAG, BGBl. I 100/2005 idF BGBl. BGBl. I 145/2017, lauten:
"§ 11. (1) Aufenthaltstitel dürfen einem Fremden nicht erteilt werden, wenn
[…]
4. eine Aufenthaltsehe, Aufenthaltspartnerschaft oder Aufenthaltsadoption (§ 30 Abs. 1 oder 2) vorliegt;
[…]
(3) Ein Aufenthaltstitel kann trotz Vorliegens eines Erteilungshindernisses gemäß Abs. 1 Z 3, 5 oder 6 sowie trotz Ermangelung einer Voraussetzung gemäß Abs. 2 Z 1 bis 7 erteilt werden, wenn dies zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (Europäische Menschenrechtskonvention – EMRK), BGBl. Nr. 210/1958, geboten ist. Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:
1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthalts und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen rechtswidrig war;
2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens;
3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens;
4. der Grad der Integration;
5. die Bindungen zum Heimatstaat des Drittstaatsangehörigen;
6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit;
7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts;
8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Drittstaatsangehörigen in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren;
9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.
[…]
Verlängerungsverfahren
§ 24. (1) Verlängerungsanträge (§ 2 Abs. 1 Z 11) sind vor Ablauf der Gültigkeitsdauer des Aufenthaltstitels, frühestens jedoch drei Monate vor diesem Zeitpunkt, bei der örtlich zuständigen Behörde im Inland einzubringen; § 23 gilt. Danach gelten Anträge als Erstanträge. Nach Stellung eines Verlängerungsantrages ist der Antragsteller, unbeschadet der Bestimmungen nach dem FPG, bis zur rechtskräftigen Entscheidung über den Antrag weiterhin rechtmäßig im Bundesgebiet aufhältig. Über die rechtzeitige Antragstellung kann dem Fremden auf begründeten Antrag eine einmalige Bestätigung im Reisedokument angebracht werden, die keine längere Gültigkeitsdauer als drei Monate aufweisen darf. Diese Bestätigung berechtigt zur visumfreien Einreise in das Bundesgebiet. Der Bundesminister für Inneres ist ermächtigt, Form und Inhalt der Bestätigung durch Verordnung zu regeln.
[…]
Verfahren im Fall des Fehlens von Erteilungsvoraussetzungen für die Verlängerung eines Aufenthaltstitels
§ 25. (1) Fehlen in einem Verfahren zur Verlängerung des Aufenthaltstitels Erteilungsvoraussetzungen gemäß § 11 Abs. 1 und 2, so hat die Behörde gegebenenfalls nach Einholung einer Stellungnahme des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl den Antragsteller davon in Kenntnis zu setzen und ihm mitzuteilen, dass eine Aufenthaltsbeendigung gemäß §§ 52 ff. FPG beabsichtigt ist und ihm darzulegen, warum dies unter Bedachtnahme auf den Schutz seines Privat- oder Familienlebens (§ 9 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG), BGBl. I Nr. 87/2012) zulässig scheint. Außerdem hat sie ihn zu informieren, dass er das Recht hat, sich hiezu binnen einer gleichzeitig festzusetzenden, 14 Tage nicht unterschreitenden Frist zu äußern. Nach Ablauf dieser Frist hat die Behörde das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl gegebenenfalls unter Anschluss der Stellungnahme des Fremden zu verständigen. Während eines Verfahrens zur Aufenthaltsbeendigung ist der Ablauf der Frist gemäß § 8 VwGVG gehemmt.
(2) Erwächst eine Aufenthaltsbeendigung in Rechtskraft, ist das Verfahren über den Verlängerungsantrag auf Erteilung des Aufenthaltstitels formlos einzustellen. Das Verfahren ist im Fall der Aufhebung einer Aufenthaltsbeendigung auf Antrag des Fremden fortzusetzen, wenn nicht neuerlich eine aufenthaltsbeendende Maßnahme gesetzt wird. Ist eine Aufenthaltsbeendigung unzulässig, hat die Behörde einen Aufenthaltstitel mit dem gleichen Zweckumfang zu erteilen.
(3) Fehlen in einem Verfahren zur Verlängerung eines Aufenthaltstitels besondere Erteilungsvoraussetzungen des 2. Teiles, hat die Behörde den Antrag ohne weiteres abzuweisen.
[…]
Aufenthaltsehe, Aufenthaltspartnerschaft und Aufenthaltsadoption
§ 30. (1) Ehegatten oder eingetragene Partner, die ein gemeinsames Familienleben im Sinne des Art. 8 EMRK nicht führen, dürfen sich für die Erteilung und Beibehaltung von Aufenthaltstiteln nicht auf die Ehe oder eingetragene Partnerschaft berufen.
[…]
Aufenthaltstitel 'Familienangehöriger' und 'Niederlassungsbewilligung – Angehöriger'
§ 47. (1) Zusammenführende im Sinne der Abs. 2 bis 4 sind Österreicher oder EWR-Bürger oder Schweizer Bürger, die in Österreich dauernd wohnhaft sind und nicht ihr unionsrechtliches oder das ihnen auf Grund des Freizügigkeitsabkommens EG-Schweiz zukommende Aufenthaltsrecht von mehr als drei Monaten in Anspruch genommen haben.
(2) Drittstaatsangehörigen, die Familienangehörige von Zusammenführenden sind, ist ein Aufenthaltstitel 'Familienangehöriger' zu erteilen, wenn sie die Voraussetzungen des 1. Teiles erfüllen."
§ 69 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG, BGBl. 51/1991 idF BGBl. I 33/2013, lautet (auszugsweise):
"Wiederaufnahme des Verfahrens
§ 69. (1) Dem Antrag einer Partei auf Wiederaufnahme eines durch Bescheid abgeschlossenen Verfahrens ist stattzugeben, wenn ein Rechtsmittel gegen den Bescheid nicht oder nicht mehr zulässig ist und:
1. der Bescheid durch Fälschung einer Urkunde, falsches Zeugnis oder eine andere gerichtlich strafbare Handlung herbeigeführt oder sonstwie erschlichen worden ist oder
2. neue Tatsachen oder Beweismittel hervorkommen, die im Verfahren ohne Verschulden der Partei nicht geltend gemacht werden konnten und allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens voraussichtlich einen im Hauptinhalt des Spruches anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätten, oder
3. der Bescheid gemäß § 38 von Vorfragen abhängig war und nachträglich über eine solche Vorfrage von der zuständigen Verwaltungsbehörde bzw. vom zuständigen Gericht in wesentlichen Punkten anders entschieden wurde;
4. nachträglich ein Bescheid oder eine gerichtliche Entscheidung bekannt wird, der bzw. die einer Aufhebung oder Abänderung auf Antrag einer Partei nicht unterliegt und die im Verfahren die Einwendung der entschiedenen Sache begründet hätte.
[…]
(3) Unter den Voraussetzungen des Abs. 1 kann die Wiederaufnahme des Verfahrens auch von Amts wegen verfügt werden. Nach Ablauf von drei Jahren nach Erlassung des Bescheides kann die Wiederaufnahme auch von Amts wegen nur mehr aus den Gründen des Abs. 1 Z 1 stattfinden.
(4) Die Entscheidung über die Wiederaufnahme steht der Behörde zu, die den Bescheid in letzter Instanz erlassen hat."
2. Mit dem angefochtenen Bescheid wurde das Erstantragsverfahren des Beschwerdeführers gemäß § 69 Abs. 1 Z 1 AVG amtswegig wieder aufgenommen, weil sich der Beschwerdeführer durch das Berufen auf eine Scheinehe den Aufenthaltstitel erschlichen habe. Unter einem wurde der noch offene Verlängerungsantrag wegen des Erteilungshindernisses des § 11 Abs. 1 Z 4 NAG abgewiesen.
3. Zur Wiederaufnahme:
3.1. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs liegt das "Erschleichen" eines Bescheids dann vor, wenn dieser in der Art zustande gekommen ist, dass bei der Behörde von der Partei objektiv unrichtige Angaben von wesentlicher Bedeutung mit Irreführungsabsicht gemacht wurden und diese Angaben dann dem Bescheid zugrunde gelegt worden sind, wobei das Verschweigen wesentlicher Umstände dem Vorbringen unrichtiger Angaben gleichzusetzen ist. Dabei muss die Behörde auf die Angaben der Partei angewiesen sein und eine solche Lage bestehen, dass ihr nicht zugemutet werden kann, von Amts wegen noch weitere, der Feststellung der Richtigkeit der Angaben dienliche Erhebungen zu pflegen (siehe Hengstschläger/Leeb, AVG § 69 Rz. 12 und die dort zitierte Judikatur).
3.2. Der Beschwerdeführer hat sich bei seinem Erstantrag vor der belangten Behörde auf seine mit K. R. am 9. Mai 2015 in Bosnien geschlossene Ehe berufen. Wie sich aus den im verwaltungsgerichtlichen Verfahren getroffenen Feststellungen ersehen lässt, hatten der Beschwerdeführer und seine Ehegattin zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung (durch Ausfolgung der Aufenthaltskarte) einen gemeinsamen Wohnsitz, haben im selben Bett geschlafen und sind in enger emotionaler und körperlicher Beziehung gestanden. Zum Zeitpunkt der erstmaligen Erteilung eines Aufenthaltstitels an den Beschwerdeführer lag angesichts eines aufrechten Ehelebens iSd Art. 8 EMRK somit keine Scheinehe vor und war es dem Beschwerdeführer nicht gemäß § 30 Abs. 1 NAG verwehrt, sich vor der belangten Behörde auf diese Ehe zu berufen. Weder hat der Beschwerdeführer im behördlichen Verfahren objektiv unrichtige Angaben von wesentlicher Bedeutung gemacht, noch hat er mit Irreführungsabsicht gehandelt.
Die Voraussetzungen für eine Wiederaufnahme gemäß § 69 Abs. 1 Z 1 AVG des in Spruchpunkt 1)a) des angefochtenen Bescheids genannten Verfahrens liegen somit nicht vor. Der angefochtene Bescheid war in diesem Umfang (ersatzlos) zu beheben. Folglich ist auch Spruchpunkt 2)a) des angefochtenen Bescheids zu beheben, weil einem neuerlichen Abspruch über den Erstantrag des Beschwerdeführers vom 11. Juni 2015 die rechtskräftige Titelerteilung durch die belangte Behörde entgegensteht.
4. Zum Verlängerungsantrag:
4.1. Die belangte Behörde hat die Abweisung des Verlängerungsantrags vom 27. Oktober 2016 auf das Erteilungshindernis des § 11 Abs. 1 Z 4 NAG gestützt, weil sich der Beschwerdeführer auf eine Scheinehe berufe.
4.2. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs ist der Scheinehetatbestand des § 30 Abs. 1 NAG unter anderem dann erfüllt, wenn sich der Ehegatte zur Erteilung eines Aufenthaltstitels auf eine Ehe beruft, obwohl kein gemeinsames Familienleben iSd Art. 8 EMRK geführt wird. Dabei erfordert § 30 Abs. 1 NAG nicht, dass die Ehe – quasi in Missbrauchsabsicht – zu dem Zweck geschlossen wurde, einen Aufenthaltstitel zu erlangen, sondern dass zum Zeitpunkt der Entscheidung der Behörde oder des Verwaltungsgerichts kein gemeinsames Familienleben iSd Art. 8 EMRK (mehr) geführt wird (VwGH 27.4.2017, Ro 2016/22/0014).
Nach der dem Verwaltungsgericht Wien vorliegenden Sachlage wohnen der Beschwerdeführer und seine Ehegattin schon seit September 2016 nicht mehr miteinander, sehen sich nur unregelmäßig, führen (auch wirtschaftlich betrachtet) keinen gemeinsamen Haushalt, tragen nichts zum Unterhalt des jeweils anderen bei und hatten schon länger keinen Geschlechtsverkehr mehr. Der Beschwerdeführer ist zudem mittlerweile mit einer anderen Frau liiert.
Das Fehlen eines gemeinsamen Haushalts bzw. eines gemeinsamen Wohnsitzes zwischen Ehegatten kann nicht per se zu der Annahme führen, es fehle das in § 30 Abs. 1 NAG angesprochene gemeinsame Familienleben iSd Art. 8 EMRK (VwGH 19.9.2012, 2008/22/0243). Im Beschwerdefall fehlt es aber an jeglichen Anhaltspunkten für eine aktuell bestehende Wohnungs-, Wirtschafts- oder Geschlechtsgemeinschaft und besteht auch keine ausgeprägte emotionale Verbindung zwischen den Eheleuten mehr. Das Verwaltungsgericht Wien hat daher davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer und seine Ehegattin kein gemeinsames Familienleben iSd Art. 8 EMRK führen, es liegt aktuell eine Aufenthaltsehe iSd § 30 Abs. 1 NAG vor. Ob die Eheleute beabsichtigen, an dieser Ehe festzuhalten, ist für die Beurteilung, ob es sich um eine Aufenthaltsehe handelt, hingegen nicht ausschlaggebend (VwGH 9.11.2010, 2009/21/0279).
4.3. Das Vorliegen einer – formell aufrechten – Aufenthaltsehe berührt nicht die Eigenschaft als Familienangehöriger iSd § 2 Abs. 1 Z 9 NAG (vgl. implizit VwGH 23.11.2017, Ra 2017/22/0081). Der Beschwerdeführer erfüllt damit weiterhin die besonderen Erteilungsvoraussetzungen für den von ihm beantragten Aufenthaltstitels als Angehöriger einer Österreicherin. Der Erteilung steht aber das absolute Erteilungshindernis des § 11 Abs. 1 Z 4 NAG entgegen. Im Beschwerdefall hat nunmehr die belangte Behörde den Verlängerungsantrag wegen des Fehlens dieser allgemeinen Erteilungsvoraussetzung abgewiesen.
Zunächst ist zu klären, diese Vorgangsweise in Hinblick auf § 25 Abs. 1 NAG rechtmäßig ist. Nach dieser Bestimmung hat die Behörde bei Fehlen einer allgemeinen Erteilungsvoraussetzung im Verlängerungsverfahren das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zu verständigen und diesem die Möglichkeit zu geben, eine Aufenthaltsbeendigung durchzuführen. Nur wenn eine solche unterbleibt, hat die Behörde einen weiteren Aufenthaltstitel zu erteilen. Im Gegensatz dazu darf die Behörde einen Verlängerungsantrag gemäß § 25 Abs. 3 NAG nur abweisen, wenn es an einer besonderen Erteilungsvoraussetzung mangelt (vgl. allgemein dazu VwGH 21.3.2017, Ra 2017/22/0016).
In der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs wurde – soweit für das Verwaltungsgericht Wien überblickbar – die Frage, ob bei Vorliegen einer Scheinehe im Verlängerungsverfahren der Verlängerungsantrag abzuweisen oder nach § 25 Abs. 1 NAG vorzugehen ist, bislang nicht ausdrücklich und implizit nicht einheitlich beantwortet:
So hat der Verwaltungsgerichtshof in seinen Erkenntnissen vom 26. Jänner 2012, 2010/21/0417, und vom 27. Jänner 2010, 2009/21/0385, die Abweisung von Zweckänderungsanträgen wegen Vorliegens einer Scheinehe durch die (damals letztinstanzliche) Verwaltungsbehörde bestätigt, ohne auf ein möglicherweise erforderliches Vorgehen nach § 25 Abs. 1 NAG einzugehen. Diese Entscheidungen sind insbesondere vor dem Hintergrund beachtlich, als der Verwaltungsgerichtshof vor Inkrafttreten der Verwaltungsgerichtsbarkeitsreform mit 1. Jänner 2014 nicht nur für Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung zuständig war und auch solche inhaltlichen Rechtswidrigkeiten aufgreifen konnte, die von keiner Verfahrenspartei aufgezeigt wurden. Dass die zitierten Entscheidungen zu Zweckänderungsanträgen ergingen, ändert nichts an deren Maßgeblichkeit für die vorliegende Frage, weil auch bei einem Zweckänderungsantrag bei Fehlen einer allgemeinen Erteilungsvoraussetzung nach § 25 Abs. 1 NAG vorzugehen ist (VwGH 15.12.2015, Ra 2015/22/0024).
Demgegenüber hat der Verwaltungsgerichtshof in mehreren Entscheidungen (VwGH 16.02.2012, 2011/18/0039; 27.1.2011, 2008/21/0633; VwGH 29.6.2010, 2006/18/0484) ein Vorgehen der Niederlassungs- und Aufenthaltsbehörde nach § 25 Abs. 1 NAG bei Vorliegen einer Scheinehe im Verlängerungsverfahren dadurch implizit für rechtmäßig befunden, als er ein Einschreiten der (damals) Fremdenpolizeibehörde nach Verständigung durch die Niederlassungs- und Aufenthaltsbehörde gemäß § 25 Abs. 1 NAG nicht dem Grunde nach angezweifelt hat, ohne die Rechtmäßigkeit des Vorgehens der Niederlassungs- und Aufenthaltsbehörde allerdings ausdrücklich zu behandeln.
Das Verwaltungsgerichts Wien geht mangels eindeutiger höchstgerichtlicher Rechtsprechung dem Gesetzeswortlaut folgend davon aus, dass das Vorliegen des Erteilungshindernisses des § 11 Abs. 1 Z 4 NAG im Verlängerungsverfahren die Behörde bzw. das Verwaltungsgericht nicht zur Abweisung des Antrags berechtigt, weil es sich um keine besondere Erteilungsvoraussetzung handelt. Die Behörde bzw. das Verwaltungsgericht haben in einem solchen Fall vielmehr nach § 25 Abs. 1 NAG vorzugehen.
4.4. Diese Schlussfolgerung wirft die Frage auf, ob ein faktisches Vorgehen nach § 25 Abs. 1 NAG ausschließlich der Verwaltungsbehörde oder auch dem Verwaltungsgericht möglich ist:
§ 25 Abs. 1 NAG beantwortet diese Frage dahingehend, dass der Gesetzeswortlaut ausschließlich "die Behörde" und nicht etwa das im Beschwerdeweg zuständig gemachte Verwaltungsgericht nennt. Aus dieser Formulierung allein kann aber noch kein eindeutiger Schluss gezogen werden, verwendet doch das Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz die Formulierung "Behörde" in vielen Bestimmungen, welche auch vom Verwaltungsgericht verfahrensrechtlich oder bei seiner Entscheidung in der Sache angewendet werden (vgl. etwa § 10 Abs. 2 NAG, § 19 Abs. 2 letzter Satz NAG, § 19 Abs. 6 NAG, § 19 Abs. 8 NAG, § 21 Abs. 3 NAG, § 21a Abs. 5 NAG oder § 25 Abs. 3 NAG). Für die Einleitung des Verfahrens nach § 25 Abs. 1 NAG (ausschließlich) durch die Niederlassungs- und Aufenthaltsbehörde spricht jedoch deutlich § 25 Abs. 1 letzter Satz NAG, wonach während eines Verfahrens zur Aufenthaltsbeendigung der "Ablauf der Frist gemäß § 8 VwGVG gehemmt" ist. § 8 VwGVG normiert die grundsätzlich sechsmonatige Entscheidungsfrist der Verwaltungsbehörde, nicht jedoch jene des Verwaltungsgerichts. Es kann dem Gesetzgeber nicht (die unsachliche und damit gleichheitswidrige Auslegung) unterstellt werden, für den Fall der Einleitung eines Verfahrens nach § 25 Abs. 1 NAG eine Vorkehrung hinsichtlich der Entscheidungsfrist der Behörde geschaffen zu haben, für den Fall der Einleitung dieses Verfahrens durch das Verwaltungsgericht eine vergleichbare Regelung aber ausdrücklich nicht vorzusehen. Eine Anwendung des § 8 VwGVG auf die verwaltungsgerichtliche Entscheidungsfrist scheidet dem Wortlaut der Bestimmung nach aus, auch eine analoge Anwendung des § 8 VwGVG auf das verwaltungsgerichtliche Verfahren wird auszuschließen sein, weil angesichts der Klarheit des Verweises keine planwidrige Lücke, sondern nur eine bewusste Entscheidung des Gesetzgebers angenommen werden kann. Der Wortlaut des § 25 Abs. 1 NAG lässt daher nur die (sachliche) Auslegung zu, dass der Gesetzgeber die Entscheidungsfrist des Verwaltungsgerichts in der Bestimmung deshalb nicht bedacht hat, weil eine solche Bedachtnahme infolge der ausschließlichen Zuständigkeit der Verwaltungsbehörde für die Einleitung des Verfahrens nach § 25 Abs. 1 NAG gar nicht erforderlich ist.
Stellt sich somit – wie im vorliegenden Fall – im verwaltungsgerichtlichen Verfahren heraus, dass im Verlängerungsverfahren eine allgemeine Erteilungsvoraussetzung nicht vorliegt, darf das Verwaltungsgericht die Beschwerde (und damit den dahinter liegenden Verlängerungsantrag des Fremden) nicht abweisen, sondern muss die weitere Verfahrensführung nach § 25 Abs. 1 NAG ermöglichen. In diesem Sinne kann auch die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs vom 15. Dezember 2015, Ra 2015/22/0024, verstanden werden, in welcher das Höchstgericht – obiter – ausführte, dass allein der Umstand, dass im vorliegenden Fall erst das Verwaltungsgericht vom Fehlen einer allgemeinen Erteilungsvoraussetzung ausgeht, an der Maßgeblichkeit des § 25 NAG nichts zu ändern vermöge. Zu welchem prozessualen Schritt das Verwaltungsgericht bei einem Vorgehen nach § 25 NAG angehalten ist, hat der Verwaltungsgerichtshof in dieser Entscheidung – oder anderswo – allerdings bislang nicht ausdrücklich behandelt.
Da nach dem Gesagten eine Verständigung des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl nach § 25 Abs. 1 NAG durch das Verwaltungsgericht ausscheidet, eine solche Vorgehensweise dem Gesetz nach aber geboten ist, hat das Verwaltungsgericht im Rahmen der im zur Verfügung stehenden Entscheidungsmöglichkeiten eine entsprechende Verfahrenseinleitung nach § 25 Abs. 1 NAG durch die Niederlassungs- und Aufenthaltsbehörde herzustellen. Dies kann nur durch die Behebung des beim Verwaltungsgericht angefochtenen Bescheids und die Zurückverweisung des Verfahrens an die belangte Behörde ermöglicht werden, liefe eine (bloße) Behebung des angefochtenen Bescheids ohne weiteren Ausspruch doch in Gefahr, im Sinne der jüngeren Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs als eine "ersatzlose Behebung" und damit eine endgültige Erledigung der beim Verwaltungsgericht anhängigen Verwaltungssache verstanden zu werden (vgl. etwa VwGH 13.12.2016, Ra 2016/05/0058).
Wenngleich die vorliegende Konstellation vom Wortlaut des § 28 Abs. 3 VwGVG nicht ausdrücklich erfasst ist, verbleibt diese Bestimmung als einzig denkbare Rechtsgrundlage, um das anhängige Verfahren wieder an die belangte Behörde zur Einleitung eines Verfahrens nach § 25 Abs. 1 NAG zurückzuführen. Denkbar ist zudem, eine solche Vorgangsweise darauf zu stützen, dass es sich beim Vorgehen nach § 25 Abs. 1 NAG und der Einbindung des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl um einen Schritt zur Ermittlung des entscheidungserheblichen Sachverhalts handelt, welcher nur von der Behörde gesetzt werden kann, von dieser aber unterlassen wurde, weshalb die Zurückverweisung nach § 28 Abs. 3 VwGVG geboten ist.
4.5. Im Zuge des weiteren Verfahrens wird die belangte Behörde zudem zu prüfen haben, ob beim derzeit erwerbslosen Beschwerdeführer der ausreichende Lebensunterhalt iSd § 11 Abs. 2 Z 4 iVm Abs. 5 NAG gegeben ist.
5. Im Ergebnis ist der angefochtenen Bescheid somit insoweit ersatzlos zu beheben, als er in Spruchpunkt 1)a) die amtswegige Wiederaufnahme des Erstantragsverfahrens und die neuerliche Entscheidung über diesen Erstantrag in Spruchpunkt 2)a) verfügt. Insofern der Verlängerungsantrag in Spruchpunkt 2)b) abgewiesen wurde, ist der angefochtene Bescheid aufzuheben und das Verfahren in diesem Umfang gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG an die belangte Behörde zurückzuverweisen.
6. Zu den auferlegten Kosten:
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs ist eine klare und verlässliche Verständigung in einer mündlichen Verhandlung zu gewährleisten (VwGH 19.3.2014, 2013/09/0109). Insoweit hat die antragstellende Partei für die in Rechnung gestellten Gebühren von zu diesem Zweck beizuziehenden nichtamtlichen Dolmetschern aufzukommen (vgl. zur Tragung allfälliger Kosten für die zur vollständigen Ermittlung des Sachverhalts erforderlichen Amtshandlungen VwGH 20.9.2012, 2010/06/0108).
Die Übersetzung in der mündlichen Verhandlung war aufgrund der nicht ausreichenden Deutschkenntnisse des Beschwerdeführers für eine gänzlich unbeeinträchtigte Verständigung sowie zur verlässlichen Erforschung des maßgeblichen Sachverhalts erforderlich; zudem hat der Beschwerdeführer um die Beiziehung eines Dolmetschers ausdrücklich ersucht.
Dem Verwaltungsgericht Wien stand eine amtliche Dolmetscherin oder ein amtlicher Dolmetscher für die bosnische Sprache nicht zur Verfügung. Für die mündliche Verhandlung hat es daher eine externe Person zur Übersetzung beigezogen.
Die Dolmetscherin legte in der Verhandlung am 14. Februar 2018 ihre Gebührennote, der Beschwerdeführer hatte inhaltlich dagegen keine Einwände.
Die in der Gebührennote (nach dem Gebührenanspruchsgesetz – GebAG, BGBl. Nr. 136/1975) verzeichneten Gebühren hat das Verwaltungsgericht Wien geprüft und in der im Spruch genannten Höhe für in Ordnung befunden (vgl. den Beschluss vom 16. Februar 2018, VGW-KO-032/136/2018-1). Die Buchhaltungsabteilung der Stadt Wien wurde zur Bezahlung der Gebühr aus Amtsmitteln angewiesen (vgl. zu alldem § 53b in Verbindung mit § 53a Abs. 2 erster Satz und Abs. 3 erster Satz AVG).
Gemäß § 17 VwGVG in Verbindung mit § 76 Abs. 1 erster und zweiter Satz sowie § 53b AVG hat die beschwerdeführende Partei für diese Barauslagen aufzukommen. Die Gebühren sind nunmehr nach Anweisung an die Dolmetscherin dem Beschwerdeführer aufzuerlegen.
7. Die ordentliche Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG war im Beschwerdefall zuzulassen, soweit mit der vorliegenden Entscheidung Spruchpunkt 2)b) des angefochtenen Bescheids aufgehoben und das Verfahren an die belangte Behörde zurückverwiesen wird. Es liegt nämlich – wie bereits ausgeführt – zu der Frage, ob bei Vorliegen einer Aufenthaltsehe im Verlängerungsverfahren der Verlängerungsantrag abzuweisen oder nach § 25 Abs. 1 NAG vorzugehen ist, keine ausdrückliche und implizit nur eine uneinheitliche Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs vor. Zudem fehlt es an klarer Rechtsprechung hinsichtlich der Frage, ob das Verwaltungsgericht selbst nach § 25 Abs. 1 NAG vorzugehen oder ob das Verwaltungsgericht die belangte Behörde wieder zuständig zu machen hat, um dieser ein Vorgehen nach § 25 Abs. 1 NAG zu ermöglichen.
Hinsichtlich der übrigen Spruchpunkte werden im Beschwerdefall vorrangig beweiswürdigende Fragen aufgeworfen, die vom Verwaltungsgericht Wien nach den in der Rechtsprechung aufgestellten Kriterien gelöst wurden (vgl. aus der ständigen Judikatur zB VwGH 15.9.2016, Ra 2016/15/0049). Im Übrigen sind die zu lösenden Rechtsfragen (etwa, wann eine Aufenthaltsehe vorliegt bzw. wem der Ersatz von Barauslagen aufzuerlegen ist) durch die jeweils zitierte Judikatur geklärt, Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung stellen sich in diesem Zusammenhang nicht.
Schlagworte
Erschleichen eines Bescheides, allgemeine Erteilungsvoraussetzungen, absolutes Erteilungshindernis, Scheinehe, gemeinsames Familienleben, Familienangehöriger, ZuständigkeitAnmerkung
VwGH v. 28.2.2022, Ro 2018/22/0012; AufhebungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGWI:2018:VGW.151.032.15430.2017Zuletzt aktualisiert am
15.03.2022