Entscheidungsdatum
22.12.2017Norm
BAO §4 Abs1Text
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich hat durch Hofrat Mag. Röper als Einzelrichter über die Beschwerde von Herrn KL, ***, ***, vom 30. August 2017 gegen den Bescheid des Stadtrates der Stadtgemeinde *** vom 3. August 2017, Zl. V920850/3/2017/4/tl/FW, mit welchem die Berufung des Beschwerdeführers gegen den Abgabenbescheid des Bürgermeisters der Stadtgemeinde *** vom 19. Mai 2017 betreffend Aufschließungsabgabe nach der NÖ Bauordnung 2014 als unbegründet abgewiesen worden war, zu Recht erkannt:
1. Der Beschwerde wird gemäß § 279 Bundesabgabenordnung (BAO) wird Folge gegeben und der Spruch des angefochtenen Bescheid dahingehend abgeändert, als die zu entrichtende Aufschließungsabgabe mit einem Betrag von € 13.936,33 festgesetzt wird.
2. Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) ist nicht zulässig.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
1. Sachverhalt:
1.1. Grundsätzliche Feststellungen:
Herr KL (in der Folge: Beschwerdeführer) ist grundbücherlicher Eigentümer des Grundstückes Nr. ***, KG ***, welches die topographische Anschrift ***, ***, aufweist:
[Abweichend vom Original – Bild nicht wiedergegeben]
„…
…“
(Quelle: imap geodaten des Landes Niederösterreich, Abfrage vom 19. Oktober 2017)
1.2. Verwaltungsbehördliches Verfahren:
1.2.1.
Mit Schreiben des Bürgermeisters der Marktgemeinde *** vom 3. März 1971 wurde dem damaligen Grundstückseigentümer, Herrn IL, mitgeteilt, dass mit Kaufvertrag den Grundstückseigentümern die Verpflichtung auferlegt worden sei, die Kosten für die Herstellung der Straßen zu tragen. Im Jahre 1970 seien die Straßenzüge des gesamten Siedlungsgebietes soweit fahrbar gemacht worden, als der Humus abgehoben und die Beschotterung vorgenommen worden sei. Die Kosten beliefen sich auf insgesamt ATS 166.545,24 und würden diese nach dem Flächenausmaß der Parzellen auf die einzelnen Eigentümer aufgeteilt werden. Die Bauparzelle Nr. *** weise ein Ausmaß von 753 m² auf. Unter Berücksichtigung dieser beiden Faktoren entstehe ein Kostenbeitrag von ATS 2.387,01 (€ 173,47).
1.2.2.
Mit Bescheid des Bürgermeisters der Marktgemeinde *** vom 5. September 1975 wurde dem damaligen Eigentümer die Bewilligung zur Errichtung eines Wohnhauses auf dem verfahrensgegenständlichen Grundstück erteilt. Dieser Bescheid erwuchs in Rechtskraft. Diese Baubewilligung wurde nie konsumiert.
1.2.3.
Mit Schreiben vom 3. Mai 2016 suchte der Beschwerdeführer um die Erteilung der baubehördlichen Bewilligung für den (erstmaligen) Neubau eines Wohnhauses auf dem Grundstück Nr. ***, KG *** EZ *** Grundbuch *** (topographische Anschrift ***, ***) an.
1.2.4.
Mit Bescheid des Bürgermeisters der Stadtgemeinde *** vom 24. Juni 2016, Zl. V131000/10/2016, wurde dem Beschwerdeführer die baubehördliche Bewilligung für den Neubau eines Wohnhauses auf dem gegenständlichen Grundstück unter Erteilung diverser Auflagen erteilt. Dieser Bescheid ist in Rechtskraft erwachsen.
1.3. Abgabenbehördliches Verfahren:
1.3.1.
Mit Abgabenbescheid des Bürgermeisters der Stadtgemeinde *** vom 19. Mai 2017, Zl. V920850/3/2017, wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 38 Abs. 1 Z. 2 NÖ Bauordnung 2014 eine Aufschließungsabgabe im Betrag von € 15.425,22 vorgeschrieben. Begründend wird unter Wiedergabe der Bestimmung des § 38 NÖ Bauordnung 2014 dargelegt, dass bei der Vorschreibung der Aufschließungsabgabe, die aus dem Produkt von Berechnungslänge und Bauklassenkoeffizient und Einheitssatz errechnet werde, die Berechnungslänge mit 27,4226 errechnet worden sei. Der Bauklassenkoeffizient zum Zeitpunkt der Bauplatzerklärung sei mit 1,25 herangezogen worden, während der Einheitssatz im Zeitpunkt der Bauplatzerklärung € 450,- betragen habe. Das Produkt dieser drei Beträge ergebe schließlich die vorgeschriebene Summe von € 15.425,22,-.
1.3.2.
Mit Schreiben vom 10. Juni 2017 erhob der Beschwerdeführer rechtzeitig das Rechtsmittel der Berufung und führte im Wesentlichen aus, dass der Voreigentümer lL bereits im Jahr 1971 die damalig vorgeschriebene Aufschließung mit der Aktenzahl 610/1971/H..a vom 3. März 1971 bezahlt habe. Mit Bescheid vom 26.September 1975, AZ.:153/1975, sei die erste Bauführung bewilligt worden. Wäre die Vorgangsweise der Stadtgemeinde rechtens, wären die finanziellen Vorleistungen nach dem Verbraucherpreisindex aufzurechnen gewesen.
1.3.3.
Mit dem nunmehr in Beschwerde gezogenen Bescheid des Stadtrates der Stadtgemeinde *** vom 3. August 2017, Zl. V920850/3/2017/4/tl/FW, wurde der Berufung der Beschwerdeführers teilweise Folge gegeben und der Spruch des angefochtenen Bescheides dahingehend abgeändert, als von der vorgeschriebenen Aufschließungsabgabe in der Höhe von € 15.425,22 ein Betrag von € 760,27 (i.e. der nach dem Verbraucherpreisindex 1966 valorisierte Kostenbeitrag in der Höhe von S 2.387,01) abgezogen wurde, sodass nunmehr ein Betrag von € 14 664,95 zur Vorschreibung gelange. Begründend wird nach Wiedergabe des bisherigen Verwaltungsgeschehens und der als maßgeblich erachteten Rechtsvorschriften dargelegt, dass auf dem Grundstück des Beschwerdeführers erstmals eine Bauführung stattfinde. Mit der ins Treffen geführten Kostenvorschreibung vom 3. März 1971 sei jedoch lediglich eine Kostenbeteiligung für die Herstellung einer Schotterstraße im gesamten neu erschlossenen Siedlungsgebiet eingehoben worden. Das mit Bescheid des Bürgermeisters der Marktgemeinde *** vom 26. September 1975, AZ. 153/1975, bewilligte Bauvorhaben sei nie durchgeführt worden und die Baubewilligung nach fünf Jahren erloschen. lm Baulandbereich ohne Bebauungsplan betrage der Bauklassenkoeffizient mindestens 1.25, sofern nicht eine Höhe eines Gebäudes bewilligt wird oder zulässig sei, die einer höheren Bauklasse entspreche als der Bauklasse ll.
Bauplatz Fläche Berechnungslänge x BKK. x Einheitssatz = Aufschließungsabgabe
563/35 752.00 m² 27,4226 1.25 450,00 € 15.425,22 €
Von dieser Gesamtsumme sei der bereits für die Errichtung der Schotterstraße geleistete Kostenbeitrag in der Höhe von ATS 2.387,01 abzuziehen. Dieser Schilling-Betrag werde laut dem Verbraucherpreisindex von 1966 dem aktuellen Index angepasst. Im März 1971 habe der Verbraucherpreisindex den Wert von 118,10 und im Mai 2017 den Wert von 517,60 aufgewiesen. Dadurch ergebe sich eine anzurechnende Schillingsumme von ATS 10.461,61, was laut Umrechnung einen Wert von € 760,27 ergebe. Diese Summe sei von der vorgeschriebenen Gesamtsumme in Abzug zu bringen. Dadurch ergebe sich eine tatsächliche Kostvorschreibung für die gegenständliche Aufschließungsabgabe von € 14.664,95.
1.4. Beschwerdevorbringen:
Mit Schreiben vom 30. August 2017 erhob der Beschwerdeführer rechtzeitig das Rechtsmittel der Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich und begründete diesen damit, dass die Kostenvorschreibung vom 3. März 1971 im
Lichte der Sitzung des Gemeinderates vom 12. August 1969, in der ein genauer Schlüssel festgelegt worden sei, der die „Aufschließung“ dargestellt habe, zu bewerten sei. Das belege auch, dass andere Grundstückseigentümer der Siedlung genau unter dem gleichen Schlüssel - wie in der Sitzung vom 12. August 1969 festgelegt - Kostenvorschreibungen erhalten hätten. In weiterer Folge wären bis zum heutigen Zeitpunkt keine Forderungen mehr an diese gestellt worden. Somit habe der Vorbesitzer die Aufschließung bezahlt, sodass das die neuerliche Aufschließungsabgabe nicht einzufordern sei.
1.5. Zum durchgeführten Ermittlungsverfahren:
Mit Schreiben vom 17. Oktober 2017 legte die Stadtgemeinde *** dem Landesverwaltungsgericht Niederösterreich die Beschwerde und den bezughabenden Verwaltungsakt (samt Plänen, Gutachten sowie Einladungskurrende und Sitzungsprotokoll der maßgeblichen Sitzung des Stadtrates) vor.
Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich hat Beweis aufgenommen durch Einsichtnahme in diesen Akt der Stadtgemeinde *** sowie durch Einsichtnahme in das öffentliche Grundbuch
1.6. Beweiswürdigung:
Im Wesentlichen ist der Sachverhalt als unstrittig zu beurteilen und ergibt sich dieser aus dem unbedenklichen Akteninhalt in Verbindung mit dem bekämpften Bescheid, sowie aus dem Vorbringen des Beschwerdeführer, soweit dieses den Feststellungen der belangten Behörde nicht entgegentritt.
2. Anzuwendende Rechtsvorschriften:
2.1. Bundesabgabenordnung BAO:
§ 1. (1) Die Bestimmungen der BAO gelten in Angelegenheiten der öffentlichen Abgaben (mit Ausnahme der Verwaltungsabgaben des Bundes, der Länder und der Gemeinden) sowie der auf Grund unmittelbar wirksamer Rechtsvorschriften der Europäischen Union zu erhebenden öffentlichen Abgaben, in Angelegenheiten der Eingangs- und Ausgangsabgaben jedoch nur insoweit, als in den zollrechtlichen Vorschriften nicht anderes bestimmt ist, soweit diese Abgaben durch Abgabenbehörden des Bundes, der Länder oder der Gemeinden zu erheben sind.
§ 2a. Die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes gelten sinngemäß in Verfahren vor den Verwaltungsgerichten, soweit sie im Verfahren vor der belangten Abgabenbehörde gelten. In solchen Verfahren ist das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) nicht anzuwenden
§ 4. (1) Der Abgabenanspruch entsteht, sobald der Tatbestand verwirklicht ist, an den das Gesetz die Abgabepflicht knüpft.
§ 254. Durch Einbringung einer Bescheidbeschwerde wird die Wirksamkeit des angefochtenen Bescheides nicht gehemmt, insbesondere die Einhebung und zwangsweise Einbringung einer Abgabe nicht aufgehalten.
§ 279. (1) Außer in den Fällen des § 278 hat das Verwaltungsgericht immer in der Sache selbst mit Erkenntnis zu entscheiden. Es ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung seine Anschauung an die Stelle jener der Abgabenbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern, aufzuheben oder die Bescheidbeschwerde als unbegründet abzuweisen.
(2) Durch die Aufhebung des angefochtenen Bescheides tritt das Verfahren in die Lage zurück, in der es sich vor Erlassung dieses Bescheides befunden hat.
(3) Im Verfahren betreffend Bescheide, die Erkenntnisse (Abs. 1) abändern, aufheben oder ersetzen, sind die Abgabenbehörden an die für das Erkenntnis maßgebliche, dort dargelegte Rechtsanschauung gebunden. Dies gilt auch dann, wenn das Erkenntnis einen kürzeren Zeitraum als der spätere Bescheid umfasst.
2.2. NÖ Bauordnung 1969:
Aufschließungsbeitrag
§ 14. (1) Die Gemeinde hat aus Anlaß der Grundabteilung einen Beitrag zu den Herstellungskosten der Fahrbahn, des Gehsteiges, der Oberflächenentwässerung und der Straßenbeleuchtung einzuheben. Der Betrag ist gleichzeitig mit der
Bewilligung der Grundabteilung vorzuschreiben und wird drei Monate nach der Rechtskraft des Grundbuchsbeschlusses fällig. …
(5) Leistungen für den Ausbau der Fahrbahn, des Gehsteiges, der Oberflächenentwässerung und der Straßenbeleuchtung einer an den Bauplatz grenzenden Straße sind auf die Aufschließungsabgabe anzurechnen, wenn sie erbracht wurden:
a) als Geldleistung auf Grund einer Vereinbarung mit der Gemeinde oder
b) als Arbeits- oder Materialleistung mit Zustimmung der Gemeinde.
Durch eine Verordnung des Gemeinderates können Pauschalsätze in Prozenten der Aufschließungsabgabe für einzelne dieser Leistungen festgelegt werden.
2.3. NÖ Bauordnung 2014 idF LGBl. 1/2015:
Bauplatz, Bauverbot
§ 11. (1) Bauplatz ist ein Grundstück im Bauland, das
1. hiezu erklärt wurde oder
2. durch eine vor dem 1. Jänner 1989 baubehördlich bewilligte Änderung von Grundstücksgrenzen geschaffen wurde und nach den damals geltenden Vorschriften Bauplatzeigenschaft besaß oder
3. durch eine nach dem 1. Jänner 1989 baubehördlich bewilligte oder angezeigte Änderung von Grundstücksgrenzen ganz oder zum Teil aus einem Bauplatz entstanden ist und nach den damals geltenden Vorschriften Bauplatzeigenschaft besaß oder
4. seit dem 1. Jänner 1989 ununterbrochen als Bauland gewidmet und am 1. Jänner 1989 mit einem baubehördlich bewilligten Gebäude oder Gebäudeteil, ausgenommen solche nach § 15 Abs. 1 Z 1, § 17 Z 8 und § 23 Abs. 3 vorletzter Satz, bebaut war, oder
5. durch eine nach § 15 des Liegenschaftsteilungsgesetzes, BGBl. Nr. 3/1930 in der Fassung BGBl. I Nr. 190/2013, durchgeführte Änderung von Grundstücksgrenzen ganz oder zum Teil aus einem Bauplatz entstanden ist und nach den damals geltenden Vorschriften Bauplatzeigenschaft besaß.
Aufschließungsabgabe
§ 38. (1) Dem Eigentümer eines Grundstücks im Bauland ist von der Gemeinde eine Aufschließungsabgabe vorzuschreiben, wenn mit Erlassung des letztinstanzlichen Bescheides der Behörde nach § 2
1. ein Grundstück oder Grundstücksteil zum Bauplatz (§ 11) erklärt oder
2. eine Baubewilligung für die erstmalige Errichtung eines Gebäudes oder einer großvolumigen Anlage (§ 23 Abs. 3) auf einem Bauplatz nach § 11 Abs. 1 Z. 2, 3 und 5 erteilt wird.
Die Errichtung eines Gebäudes oder einer großvolumigen Anlage auf einem Bauplatz gilt als erstmalig, wenn auf diesem Bauplatz am 1. Jänner 1970 und danach kein unbefristet bewilligtes Gebäude gestanden ist. Die Aufschließungsabgabe nach Z. 2 ist nicht vorzuschreiben, wenn die Errichtung eines Gebäudes nach § 23 Abs. 3, vorletzter Satz, bewilligt wird. Wird auf demselben Bauplatz ein weiteres Gebäude Gebäude im Sinn des § 23 Abs. 3 erster Satz oder eine großvolumige Anlage errichtet, ist die Abgabe vorzuschreiben. …
(3) Die Aufschließungsabgabe (A) ist eine einmal zu entrichtende, ausschließliche Gemeindeabgabe nach § 6 Abs. 1 Z. 5 des Finanz-Verfassungsgesetzes 1948, BGBl. Nr. 45/1948 in der Fassung BGBl. I Nr. 51/2012. Sie wird aus dem Produkt von Berechnungslänge (BL), Bauklassenkoeffizient (BKK) und Einheitssatz (ES) errechnet:
A = BL x BKK x ES
Bei der Vorschreibung ist jeweils der zum Zeitpunkt der Bauplatzerklärung oder Erteilung der Baubewilligung (Abs. 1) geltende Bauklassenkoeffizient und Einheitssatz anzuwenden. …
(4) Die Berechnungslänge ist die Seite eines mit dem Bauplatz flächengleichen Quadrates:
Bauplatzfläche = BF BL =
(5) Der Bauklassenkoeffizient beträgt:
in der Bauklasse I 1,00 und
bei jeder weiteren zulässigen Bauklasse um je 0,25 mehr,
in Industriegebieten ohne Bauklassenfestlegung 2,00
bei einer Geschoßflächenzahl
o bis zu 0,8 1,5
o bis zu 1,1 1,75
o bis zu 1,5 2,0 und
o bis zu 2,0 2,5
Ist eine höchstzulässige Gebäudehöhe festgelegt, ist der Bauklassenkoeffizient von jener Bauklasse abzuleiten, die dieser Gebäudehöhe entspricht.
Im Baulandbereich ohne Bebauungsplan beträgt der Bauklassenkoeffizient mindestens 1,25 sofern nicht eine Höhe eines Gebäudes bewilligt wird, die einer höheren Bauklasse entspricht als der Bauklasse II. …
(7) Frühere Leistungen für den Ausbau der Fahrbahn, des Gehsteiges, der Oberflächenentwässerung und der Beleuchtung einer an den Bauplatz grenzenden Straße sind auf die Aufschließungsabgabe anzurechnen, wenn sie erbracht wurden:
1. als Geldleistung auf Grund einer Vereinbarung mit der Gemeinde oder
2. als Arbeits- oder Materialleistung mit Zustimmung der Gemeinde.
Mit Verordnung des Gemeinderates dürfen für einzelne Leistungen nach Z 2 Pauschalsätze in Prozenten der Aufschließungsabgabe festgelegt werden.
Eine Geldleistung nach Z 1 ist auf der Grundlage des Baukostenindexes der Bundesanstalt „Statistik Österreich” zum Zeitpunkt der Vorschreibung zu valorisieren.
(8) Die Gemeinde muss eine staubfrei befestigte Fahrbahn für eine neue öffentliche Verkehrsfläche im Bauland herstellen, wenn
- bei einseitiger Bebauung für 70 %,
- bei zweiseitiger Bebauung für 50 %
der Strecke zwischen ihrem Anschluss an das bestehende Straßennetz und dem entferntesten Bauplatz die Abgabe nach Abs. 1 fällig ist. Der Streckenanteil ergibt sich aus der Summe der Länge der Bauplatzgrenzen, die an der Verkehrsfläche liegen.
2.4. Verordnung der Stadtgemeinde *** idF vom 1. Jänner 2011:
§ 1. Der Einheitssatz zur Berechnung der Aufschließungsabgabe wird mit € 450,-festgelegt.
2.5. Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985:
§ 25a. (1) Das Verwaltungsgericht hat im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
(2) Eine Revision ist nicht zulässig gegen:
1. Beschlüsse gemäß § 30a Abs. 1, 3, 8 und 9;
2. Beschlüsse gemäß § 30b Abs. 3;
3. Beschlüsse gemäß § 61 Abs. 2.
(3) Gegen verfahrensleitende Beschlüsse ist eine abgesonderte Revision nicht zulässig. Sie können erst in der Revision gegen das die Rechtssache erledigende Erkenntnis angefochten werden. …
(5) Die Revision ist beim Verwaltungsgericht einzubringen.
3. Würdigung:
3.1. Zu Spruchpunkt 1:
Die Beschwerde ist zum Teil begründet.
3.1.1.
In der Sache ist eingangs festzuhalten, dass die von den Abgabenbehörden der beteiligten Stadtgemeinde der Abgabenfestsetzung zugrunde gelegten Berechnungen außer Streit stehen. Das Beschwerdevorbringen lässt sich vielmehr auf die Frage reduzieren, ob eine Aufschließungsabgabe dem Grunde nach vorgeschrieben hätte werden dürfen bzw. in welchem Umfang bei der Vorschreibung der Aufschließungsabgabe die vom Beschwerdeführer (bzw. dessen Voreigentümer) erbrachten Geldleistungen berücksichtigt bzw. angerechnet hätten werden müssen.
3.1.2.
Nach § 4 Abs. 1 der von den Verwaltungsbehörden (und dem erkennenden Gericht) anzuwendenden BAO entsteht der Abgabenanspruch, sobald der Tatbestand verwirklicht ist, an den das Gesetz die Abgabepflicht knüpft. Angesichts der Komplexität der Sachlage ist zunächst darauf hinzuweisen, dass aus der rechtlichen Konstruktion der Abgabenschuldverhältnisse folgt, dass dieses bereits mit Verwirklichung eines gesetzlich normierten Abgabentatbestandes entsteht. Der Abgabenbescheid ist seinen wesentlichen Merkmalen nach lediglich feststellender Natur. Er bringt den Abgabenanspruch nicht zum Entstehen, sondern stellt den aus dem Gesetz erwachsenden Anspruch lediglich fest (vgl. VwGH vom 25. Juni 2014, Zl. 94/17/0419). Daraus ergibt sich, dass die Abgabenbehörde die Abgabe festzusetzen hat, sobald der Abgabenanspruch entstanden ist. Da sich der Abgabenanspruch der Gemeinde aus der Sicht des Abgabepflichtigen als Abgabenschuld darstellt, ist die Abgabenfestsetzung zulässig, sobald die Abgabenschuld entstanden ist.
Gemäß § 38 Abs. 1 Zif. 2 NÖ Bauordnung 2014 ist dem Eigentümer eines Grundstücks im Bauland von der Gemeinde eine Aufschließungsabgabe vorzuschreiben, wenn eine Baubewilligung für die erstmalige Errichtung eines Gebäudes oder einer großvolumigen Anlage (§ 23 Abs. 3) auf einem Bauplatz nach § 11 Abs. 1 Z 2, 3 und 5 erteilt wird.
Die - erstmalige - Errichtung eines Gebäudes erfolgte auf Grund des in Rechtskraft erwachsenen Bescheides des Bürgermeisters der Stadtgemeinde *** vom 24. Juni 2016, Zl. V131000/10/2016, mit dem die Errichtung eines Wohnhauses bewilligt worden war.
3.1.3.
Demgemäß haben die Abgabenbehörden der mitbeteiligten Gemeinde - dem Grunde nach zu Recht - in der Folge eine Aufschließungsabgabe mit Abgabenbescheid vorgeschrieben. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bei der Festsetzung von Abgaben nach dem Grundsatz der Zeitbezogenheit von Abgabenvorschriften jene Sach- und Rechtslage maßgeblich ist, die zum Zeitpunkt der Verwirklichung des Abgabentatbestandes gegolten hat (vgl. VwGH vom 10. Dezember 2008, Zl. 2005/17/0055, und vom 7. Oktober 2005, Zl. 2005/17/0168). Diesen Überlegungen folgt, dass für das gegenständliche Verfahren der in der maßgeblichen Verordnung des Gemeinderates der Stadtgemeinde *** vom 1. Jänner 2011 festgelegte Einheitssatz von € 450,- heranzuziehen war.
3.1.4.
Nach dem ersten Satz des § 38 Abs. 3 der NÖ Bauordnung 2014, ist die Aufschließungsabgabe eine einmal zu entrichtende, ausschließliche Gemeindeabgabe nach § 6 Abs. 1 Z. 5 des Finanz-Verfassungsgesetzes 1948, BGBl. Nr. 45 in der Fassung BGBl. Nr. 201/2014. § 38 Abs. 7 leg.cit. schreibt vor, dass frühere Leistungen für den Ausbau der Fahrbahn, des Gehsteiges, der Oberflächenentwässerung und der Beleuchtung einer an den Bauplatz grenzenden Straße auf die Aufschließungsabgabe anzurechnen sind, wenn sie 1. als Geldleistung auf Grund einer Vereinbarung mit der Gemeinde oder 2. als Arbeits- oder Materialleistung mit Zustimmung der Gemeinde erbracht worden sind. Der Verwaltungsgerichtshof hat zur insofern vergleichbaren Rechtslage nach der NÖ Bauordnung 1976 dargetan (vgl. VwGH vom 30. Jänner 1992, Zl. 88/17/0144), dass die Abgabepflicht nicht notwendigerweise von der Erbringung der Aufschließungsarbeiten durch die Gemeinde in Hinsicht auf das jeweilige Grundstück abhängig ist. Zwar sind die nach § 14 Abs. 7 der NÖ Bauordnung 1976 als Aufschließungsbeiträge bezeichneten Gemeindeabgaben im Rahmen des Haushaltes der Gemeinde zweckgebunden, müssen aber keineswegs dem betreffenden Grundstück zu Gute kommen. Die Verpflichtung zur Erbringung von Aufschließungsbeiträgen ist grundsätzlich von der tatsächlichen Durchführung der Aufschließung unabhängig (vgl. VwGH vom 28. April 2003, Zl. 2003/17/0026).
3.1.5.
Eine Geldleistung nach § 38 Z. 1 iVm Abs. 7 NÖ Bauordnung 2014 ist auf der Grundlage des Baukostenindexes der Bundesanstalt „Statistik Österreich“ zu jenem Zeitpunkt, in welchem ein Tatbestand nach Abs. 1 leg.cit. erfüllt wird, zu valorisieren.
Das Wesen der Aufschließungsabgabe liegt darin, dass diese einen Kostenbeitrag des Eigentümers eines im Bauland gelegenen Grundstückes zu den (erstmaligen) Herstellungskosten der Fahrbahn, des Gehsteiges, der Oberflächenentwässerung und der Straßenbeleuchtung darstellt.
Unbestritten ist, dass der Voreigentümer in Entsprechung zum Schreiben des Bürgermeisters vom 3. März 1971 den Betrag von ATS 2.387,01 (€ 173,47) entrichtet hat.
Dementsprechend ist diese Geldleistung gemäß § 38 Abs. 7 NÖ Bauordnung 2014 als Eigenleistung auf die Aufschließungsabgabe anzurechnen. Gemäß § 38 Abs. 7 letzter Satz NÖ Bauordnung 2014 ist eine solche Geldleistung auf der Grundlage des Baukostenindexes der Bundesanstalt “Statistik Österreich” zum Zeitpunkt der Vorschreibung zu valorisieren. Die Heranziehung des Verbraucherpreisindex 1966 erweist sich vor diesem Hintergrund als rechtswidrig.
Im Abgabenrecht gilt der Grundsatz der Zeitbezogenheit der Abgaben, sodass die im Zeitpunkt der Entstehung des Abgabenanspruches geltende Sach- und Rechtslage heranzuziehen ist. Auf diesen Zeitpunkt bezieht sich auch die Vorschreibung. Dies folgt im Übrigen auch aus § 38 Abs. 3 NÖ Bauordnung 2014, wonach bei der Vorschreibung auch jeweils der zum Zeitpunkt der Bauplatzerklärung geltende Bauklassenkoeffizient und Einheitssatz anzuwenden ist.
Die Baubewilligung wurde im gegenständlichen Fall mit Bescheid des Bürgermeisters der Marktgemeinde *** vom 24. Juni 2016 erteilt.
3.1.6.
Der Baukostenindex 1945 (Gesamtbaukosten ohne U-Bahnabgabe) hat sich laut Wertsicherungsrechner der Statistik Austria von März 1971 (Wert: 2.314) bis Juni 2016 (Wert: 19.861) um 858,29 % verändert. Der Betrag von € 173,47 entspricht daher valorisiert einem Betrag von € 1.488,89.
Die Aufschließungsabgabe berechnet sich daher wie folgt:
A = BL x BKK x ES
A = ?752 x 1,25 x 450
A = 15,425,22
Die Aufschließungsabgabe gemäß § 38 Abs. 1 Z. 2 NÖ Bauordnung 2014 beträgt daher € 15,425,22. Davon sind € 1.488,89 als anrechendbare Leistungen gemäß § 38 Abs. 7 NÖ Bauordnung 2014 abzuziehen (€ 15.425,22 -·€ 1.488,89 = € 13.936,33).
Daraus ergibt sich der vorzuschreibenden Betrag von € 13.936,33.
Der angefochtene Bescheid war daher spruchgemäß abzuändern.
3.1.7.
Diese Entscheidung konnte gemäß § 274 Abs.1 BAO unter Entfall der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung getroffen werden. Die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung wurde vom Beschwerdeführer nicht beantragt. Auch aus dem vorgelegten Verwaltungsakt ist ersichtlich, dass eine mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt.
3.2. Zu Spruchpunkt 2 - Unzulässigkeit der Revision:
Die Revision ist nicht zulässig, da im gegenständlichen Verfahren keine Rechtsfrage zu lösen war, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht abweicht und eine gesicherte und einheitliche Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vorliegt, die unter Punkt 3.1. auch dargelegt wird.
Schlagworte
Finanzrecht; Aufschließungsabgabe; Anrechnung; Valorisierung;European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGNI:2017:LVwG.AV.1273.001.2017Zuletzt aktualisiert am
15.03.2018