Index
32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;Norm
BAO §284 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Wetzel sowie die Hofräte Dr. Sulyok und Dr. Fuchs als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Doralt, über die Beschwerde der A GmbH i.L. in M, vertreten durch Dr. Wilhelm Schuster, Rechtsanwalt in Wien I, Universitätsstraße 11, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland (Berufungssenat IXA) vom 23. September 1997, Zl. GA 6-96/5061/08, betreffend Körperschaft- und Gewerbesteuer 1987 bis 1992 und Umsatzsteuer 1989 bis 1992, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von 4.565 S binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin erzielte Umsätze aus dem Betrieb von Geldspielautomaten. Strittig ist, ob die belangte Behörde bei der Schätzung der Umsätze aus dem Betrieb der Automaten einen Faktor von 1,8 auf den Kasseninhalt dieser Geräte anwenden durfte.
In der Begründung des angefochtenen Bescheides führte die belangte Behörde nach Darstellung des Verwaltungsverfahrens aus, der Verwaltungsgerichtshof vertrete zu der im vorliegenden Beschwerdefall anzuwendenden Bestimmung des § 4 Abs. 5 zweiter Satz UStG 1972 in ständiger Rechtsprechung die Auffassung, dass jedes Entgelt wie jedes einzelne Spiel zur Bemessungsgrundlage zähle. Zur Bemessungsgrundlage der Umsatzsteuer zählten sowohl sämtliche in den Automaten eingeworfene Bargeldbeträge ungeachtet einer allfälligen Auszahlung von Gewinnen als auch die Freispielumsätze. Es mache keinen Unterschied, ob bei einem Geldspielautomaten der gewonnene Geldbetrag ausgeschüttet und damit durch einen neuen Einwurf ein weiterer Spielabschluss getätigt werde oder ob sich der Gewinner eines Konsumationsanspruches nicht zur Konsumation, sondern zum Abschluss eines weiteren Spieles entschließe. Der Beschwerdeführer habe weder über die in den Geldspielautomaten eingeworfenen Beträge (Nichtvorhandensein von Zählwerksaufzeichnungen) noch über die Freispiele und ausgeworfenen Gewinne Aufzeichnungen geführt. Das umsatzsteuerpflichtige Entgelt sei damit zu schätzen gewesen. Die Anwendung eines Vervielfachers von 1,8 auf den Kasseninhalt entspreche nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes einem äußeren Betriebsvergleich, wobei die marktübliche Gewinnchance bei Geldspielautomaten auch einen Vervielfacher von 2,5 bis 5 rechtfertigen würde. Für Abgabenbescheide sei grundsätzlich die im Zeitpunkt der Sachverhaltsverwirklichung geltende Rechtslage maßgebend. Da im Beschwerdefall Zeiträume vor dem 1. Jänner 1995, somit vor dem Beitritt Österreichs zur EU, strittig seien, komme der
6. Mehrwertsteuer-Richtlinie oder einem dazu ergangenen Urteil des EuGH vom 5. Mai 1994, Rs C-38/93, keine normative Bedeutung zu. Da ein Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung nach § 284 Abs. 1 BAO nicht rechtzeitig mit der Berufung vom 8. August 1995, sondern erst mit der nachgereichten Berufungsbegründung vom 15. April 1996 gestellt worden sei, habe die Durchführung einer mündlichen Verhandlung unterbleiben können. Im angefochtenen Bescheid, welcher der Berufung hinsichtlich Körperschaft- und Gewerbesteuer 1987 bis 1992 unter Abänderung der erstinstanzlichen Bescheide Folge gab, wird schließlich die - gewinnmindernde - Auswirkung der aus der umsatzsteuerrechtlichen Beurteilung resultierenden Abgabenbeträge auf die Ermittlung der Körperschaft- und Gewerbesteuer für die Jahre 1987 bis 1992 dargestellt (für die Jahre 1987 und 1988 war hinsichtlich Umsatzsteuer bereits eine - abweisende - Berufungsentscheidung der belangten Behörde vom 7. Mai 1993 ergangen, die vor den Gerichtshöfen des öffentlichen Rechts unbekämpft blieb).
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Zum neuerlich in der Beschwerde erstatteten Vorbringen, wonach die 6. Mehrwertsteuer-Richtlinie, 77/388/EWG, und die dazu ergangene Rechtsprechung des EuGH der Beurteilung der belangten Behörde entgegenstünde, ist gemäß § 43 Abs. 2 VwGG auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen, wonach der genannten Richtlinie für Zeiträume (Verwirklichung des Abgabentatbestandes) vor dem 1. Jänner 1995 in Österreich keine normative Wirkung zukommt (siehe beispielsweise die Erkenntnisse vom 18. Dezember 1996, 95/15/0023, vom 4. November 1998, 96/13/0095, oder vom 28. September 1998, 98/16/0018, sowie Huber, Abschließende Klarstellungen zur Entgeltsermittlung bei Umsätzen aus Geldspielautomaten, SWK-H 34, S. 783 ff).
Der Verwaltungsgerichtshof kann auch nicht finden, dass die belangte Behörde zu Unrecht einen Faktor von 1,8 auf den Kasseninhalt angewendet hätte (vgl. beispielsweise nochmals das zitierte Erkenntnis vom 18. Dezember 1996, 95/15/0023, weiters die Erkenntnisse vom 24. März 1998, 96/14/0127, und vom 20. Jänner 2000, 95/15/0015, 0019). Die Beschwerdeführerin hatte auch mehrmals im Verwaltungsverfahren Gelegenheit, sich zu diesem Vervielfacher zu äußern. Insbesondere hat die belangte Behörde der Beschwerdeführerin in einem Vorhalt vom 6. Mai 1997 die beabsichtigte Berufungserledigung zur Kenntnis gebracht, ohne dass die Beschwerdeführerin dagegen vom Sachverhalt her (insbesondere hinsichtlich des Vervielfachers) Einwände erhoben hätte (die Ausführungen in der Vorhaltsbeantwortung beschränkten sich auf die nach Ansicht der Beschwerdeführerin anwendbare Rechtslage der EU). Soweit sich die Beschwerde darauf beruft, es sei seinerzeit im Rahmen einer abgabenbehördlichen Prüfung für die Jahre 1984 bis 1986 ein Faktor von 1,15 berechnet worden, ist darauf aufmerksam zu machen, dass der Beschwerdeführerin die Unrichtigkeit dieses Faktors wegen fehlender Berücksichtigung der Freispiele ebenfalls im Verwaltungsverfahren vorgehalten wurde (so z.B. schon in den Vorhalten des Finanzamtes vom 19. August und 11. September 1991 zur Umsatzsteuer 1987 und 1988). Auch diesbezüglich hat die Beschwerdeführerin kein substantiiertes Gegenvorbringen erstattet.
Für die Jahre 1987 bis 1989 macht die Beschwerde "Einhebungsverjährung" ("§ 238 Abs. 1 iVm § 224 Abs. 3 BAO") geltend, weil die Zustellung der erstinstanzlichen Bescheide erst im Jahr 1995 und damit mehr als fünf Jahre "vom Zeitpunkt des Beginns des Fristenlaufes an gerechnet" erfolgt sei. Diese Verjährungseinrede geht schon deshalb ins Leere, weil es sich bei der mit dem angefochtenen Bescheid getroffenen Entscheidung um keine Einhebungsmaßnahme, sondern um eine Abgabenfestsetzung handelte (verfehlt erscheint auch die Bezugnahme auf § 224 Abs. 3 BAO, weil der Beschwerdefall nicht die Erlassung eines Haftungsbescheides betrifft). Zur Frage einer allfälligen Festsetzungsverjährung nach § 207 Abs. 1 BAO weist die belangte Behörde in der Gegenschrift im Übrigen im Einklang mit der Aktenlage auf verschiedene Unterbrechungshandlungen im Sinn des § 209 Abs. 1 BAO, so betreffend die Steuererklärungen 1987 auf einen Vorhalt vom 6. Juni 1990 und für die Jahre 1987 bis 1989 auf ein Ergänzungsansuchen vom 22. Oktober 1993, hin, die jeweils nach § 209 Abs. 1 zweiter Satz BAO den neuerlichen Beginn des Laufes der - fünfjährigen - Verjährungsfrist des § 207 Abs. 2 BAO auslösten.
Zur Nichtdurchführung einer mündlichen Verhandlung vor der belangten Behörde wird im angefochtenen Bescheid zu Recht ausgeführt, dass ein Rechtsanspruch auf Durchführung dieser Verhandlung wegen der Antragstellung erst in der nachgereichten Berufungsbegründung vom 15. April 1996 nicht bestand (vgl. Ritz2, Bundesabgabenordnung, Tz 1 zu § 284). Darauf, ob - wie in der Beschwerde geltend gemacht wird - der "genannte ergänzende Schriftsatz" ausdrücklich von der belangte Behörde zugelassen worden sei, kommt es für die Beurteilung der rechtzeitigen Antragstellung nach § 284 Abs. 1 BAO nicht an.
Die Beschwerde, die in Bezug auf die gewinnmindernde Berücksichtigung der Umsatzsteuer bei der Ermittlung der Bemessungsgrundlagen für die Ertragssteuern keine Rechtswidrigkeit aufzeigt, war daher insgesamt nach § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen. Von der beantragten Durchführung einer Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte aus den Gründen des § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden.
Mit Rücksicht auf die durch die hg. Rechtsprechung klargestellte Rechtslage konnte diese Entscheidung in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat getroffen werden.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 27. April 2000
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2000:1997150208.X00Im RIS seit
20.11.2000