TE Lvwg Erkenntnis 2018/1/8 LVwG-AV-497/001-2017

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Veröffentlicht am 08.01.2018
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Entscheidungsdatum

08.01.2018

Norm

AWG 2002 §2 Abs5 Z1
AWG 2002 §2 Abs7 Z1
AWG 2002 §5
AWG 2002 §6 Abs6 Z1
AWG 2002 §15
AWG 2002 §37
VwGVG 2014 §28 Abs7

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich erkennt durch MMag. Dr. Michaela Lütte als Einzelrichterin über die Säumnisbeschwerde der Niederösterreichischen Umweltanwaltschaft, ***, ***, wegen Verletzung der Entscheidungspflicht der Landeshauptfrau von Niederösterreich betreffend den Feststellungsantrag vom 28. Jänner 2015 gemäß § 6 Abs. 6 AWG 2002 zu Recht:

1.   Der Landeshauptfrau von Niederösterreich wird gemäß § 28 Abs. 7 des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes (VwGVG) aufgetragen, den versäumten Bescheid binnen einer Frist von acht Wochen ab Zustellung dieses Erkenntnisses unter Zugrundelegung der folgenden Rechtsansicht zu erlassen:

-    Materielle Voraussetzung für die Erlassung eines Feststellungsbescheides gemäß § 6 Abs. 6 Z 1 AWG 2002 ist das Vorliegen einer „Anlage“ im abfallrechtlichen Sinn, deren Genehmigungspflicht gemäß § 37 AWG 2002 festgestellt werden soll.

-    Ablagerungen und Aufschüttungen von Abfällen sind nur dann „Anlagen“ im abfallrechtlichen Sinn, wenn sie eine – vom Abfall verschiedene – „Einrichtung“ zur Lagerung dieses Abfalles aufweisen; bloße Ablagerungen bzw. Aufschüttungen ohne solche besonderen Einrichtungen sind keine solchen Anlagen.

-    Eine zulässige Verwertung von Abfällen (§ 15 Abs. 4a AWG 2002), die das Abfallende gemäß § 5 Abs. 1 AWG 2002 bewirkt, liegt nur dann vor, wenn die in diesen Bestimmungen genannten Voraussetzungen erfüllt sind. Im Einklang mit der höchstgerichtlichen Rechtsprechung bedeutet dies,

o    dass Altstoffe oder die aus ihnen gewonnene Stoffe unmittelbar als Substitution von Rohstoffen oder von aus Primärrohstoffen erzeugten Produkten verwendet werden,

o    dass deren Einsatz in einer unbedenklichen Weise für den beabsichtigten Zweck erfolgt und keine umweltrelevanten Schutzgüter durch die Verwertungsmaßnahme beeinträchtigt werden,

o    dass das eingesetzte Material die für die Art der konkreten Verwendung zulässige Qualität aufweist sowie

o    dass nicht dem AWG 2002 oder anderen Normen zuwidergehandelt wird.

2.   Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision gemäß § 25a des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG) in Verbindung mit Art. 133 Abs. 4 des Bundes-Verfassungsgesetzes (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe:

1.   Verfahrensgang und Feststellungen:

1.1.     Anzeige von Bauschuttablagerungen bei der Umweltanwaltschaft, Überprüfungsverhandlung und „Anordnung von Probeschürfen“:

1.1.1. Ein Anrainer zeigte im Juni 2013 bei der Niederösterreichischen Umweltanwaltschaft (in der Folge: beschwerdeführende Partei) an, dass auf dem Grundstück Nr. ***, KG ***, der Bauschutt vom Abbruch der Feuerwehrhäuser aus den Katastralgemeinden *** und *** abgelagert worden sei. Neben Ziegelmaterial seien Heraklith und große Mengen an Asbestzementplatten aufgebracht worden. Der Anzeiger befürchtete aufgrund gehäufter Krebserkrankungen in der Gemeinde eine Gesundheitsgefährdung durch die abgelagerten Materialien.

1.1.2. Die beschwerdeführende Partei ersuchte die Bezirkshauptmannschaft Zwettl mit Schreiben vom 14. Juni 2013, den dargestellten Sachverhalt im Hinblick auf die Bestimmungen des Abfallwirtschaftsgesetzes 2002 (in der Folge: AWG 2002), des Wasserrechtsgesetzes 1959 und des NÖ Naturschutzgesetzes zu überprüfen.

1.1.3. Die Bezirkshauptmannschaft Zwettl holte in der Folge eine Stellungnahme der Marktgemeinde *** ein und vernahm den Anrainer, der die Anzeige bei der beschwerdeführenden Partei erstattet hatte, als Zeugen:

Die Marktgemeinde *** führte in ihrer Stellungnahme vom 25. Juli 2013 aus, dass kein Abbruchmaterial des – auch nur teilweise abgebrochenen – Feuerwehrhauses in *** nach *** gebracht worden sei. Vom Feuerwehrhaus *** seien nur unbedenkliche Abbruchmaterialien aus gebrannten Ziegeln, Steinen, Beton, Mörtel und Kalkputz nach *** verbracht und auf dem Gemeindeweg am Grundstück Nr. *** über eine Länge von ca. 100 m und einer Breite von 4 m als Unterbaumaterial aufgebracht und eingeebnet worden; die Eternitplatten seien über das Altstoffsammelzentrum in *** entsorgt worden, Heraklith und Asbestzementplatten seien nicht in Verwendung gewesen.

Der Zeuge gab in der Vernehmung am 03. September 2013 an, dass er vor etwa vier bis fünf Jahren bemerkt habe, dass Baumaterialien, welche Asbestzementplatten („Eternit“) und Heraklith enthielten, beginnend ab etwa 30 m von seinem Wohnhaus entfernt auf der genannten Wegparzelle abgelagert worden seien.

1.1.4. Aufgrund dieser divergierenden Aussagen wurde insbesondere von der beschwerdeführenden Partei die Durchführung von Probeschürfen für notwendig erachtet:

Die Bezirkshauptmannschaft Zwettl ersuchte die Abteilung Umwelt- und Energierecht beim Amt der Niederösterreichischen Landesregierung mit Schreiben vom 15. Oktober 2013 um Mitteilung, ob finanzielle Mittel für derartige Schürfungen zur Verfügung gestellt würden, da die Marktgemeinde *** – gemäß ihrem Schreiben vom 10. Oktober 2013 – kein Grabgerät besitze. Auf Nachfrage der Abteilung Energie- und Anlagenrecht teilte die Bezirkshauptmannschaft dieser die geschätzten Kosten für die Probeschürfe mit Schreiben vom 01. April 2014 mit.

1.1.5. Die beschwerdeführende Partei stellte am 28. Jänner 2015 – gemäß ihren Ausführungen nach sieben Anfragen bei der Bezirkshauptmannschaft Zwettl betreffend die Durchführung der Probeschürfe – beim Landeshauptmann für Niederösterreich (in der Folge: belangte Behörde) den Antrag auf Feststellung gemäß § 6 Abs. 6 AWG 2002, ob die offenbar auf dem Grundstück Nr. ***, KG ***, befindliche Ablagerungsstätte der Genehmigungspflicht gemäß § 37 AWG 2002 unterliege.

1.1.6. Die beschwerdeführende Partei ersuchte die belangte Behörde mit Schreiben vom 17. April 2015 um Mitteilung über den Stand des Feststellungsverfahrens.

1.1.7. Die belangte Behörde führte am 31. August 2015 – nach Abberaumung eines Termins am 3. Juni 2015 – einen Lokalaugenschein auf dem verfahrensgegenständlichen Grundstück und eine „Überprüfungsverhandlung“ in der Marktgemeinde *** durch, an welcher die Marktgemeinde ***, eine Amtssachverständige für Deponietechnik und Gewässerschutz und die beschwerdeführende Partei teilnahmen:

Die Amtssachverständige führte in der Verhandlung aus, dass es zur Feststellung von Gefährdungen erforderlich sei, im östlichen Bereich des Weggrundstückes und in der Mitte der Wegparzelle insgesamt zwei Schürfe herzustellen und eine Mischprobe aus diesen von einem befugten Unternehmen analysieren zu lassen. Die Probenahme sei in einem Probenahmebericht entsprechend der ÖNORMEN S 2126/S 2127 zu dokumentieren und die Auswertung habe nach dem Bundesabfallwirtschafsplan 2011 und nach den Grenzwerten der Deponieverordnung zu erfolgen; das Ergebnis der „Grundlegenden Charakterisierung“ sei in einem Beurteilungsnachweis darzustellen.

Die Verhandlungsleiterin führte aus, dass keine Nachweise über die Entsorgung der Eternitabfälle des Feuerwehrhauses beim Altstoffsammelzentrum vorliegen würden.

Der Marktgemeinde *** wurde gemäß der Verhandlungsschrift „als Maßnahme vorgeschrieben einen Untersuchungsbefund, entsprechend den Angaben der Amtssachverständigen für Deponietechnik, bis spätestens 30. Juni 2016 der Abteilung Umwelt- und Energierecht vorzulegen“.

1.1.8. Die beschwerdeführende Partei ersuchte die belangte Behörde mit Schreiben vom 14. Oktober 2015 um Mitteilung, ob die in der Verhandlung am 31. August 2015 beschriebene Untersuchung bereits bescheidmäßig vorgeschrieben worden sei und allenfalls schon Untersuchungsergebnisse vorliegen würden. Die belangte Behörde teilte mit Schreiben vom 21. Oktober 2015 mit, dass noch keine Beurteilungsberichte vorgelegt worden seien; die beschwerdeführende Partei werde nach Erhalt und Beurteilung der Befunde über den Verfahrensstand informiert werden.

1.1.9. Die beschwerdeführende Partei richtete mit Schreiben vom 11. November 2015 eine weitere Anfrage an die belangte Behörde, ob die Untersuchung bereits verpflichtend vorgeschrieben worden sei bzw. Untersuchungsergebnisse vorliegen würden. Die belangte Behörde wies mit Schreiben vom 16. November 2015 darauf hin, dass der Marktgemeinde *** eine Frist bis zum 30. Juni 2016 zur Vorlage der Untersuchungsbefunde eingeräumt worden sei.

1.1.10. Die beschwerdeführende Partei erfragte mit – unbeantwortet gebliebenen – Schreiben vom 12. Juli 2015 erneut den Verfahrensstand bei der belangten Behörde.

1.1.11. Mit Schreiben vom 19. Juli 2016 teilte die belangte Behörde der Marktgemeinde *** mit, dass gemäß der Verhandlungsschrift vom 31. August 201[5] die Vorlage eines Untersuchungsbefundes vorgeschrieben worden, dieser jedoch noch nicht eingelangt sei, und ersuchte um Übermittlung der Unterlagen bzw. Befunde bis zum 31. Juli 2016.

1.1.12. Die Marktgemeinde *** wies die belangte Behörde mit Schreiben vom 20. Juli 2016 darauf hin, „über diese Verhandlung“ am 31. August 2015 „noch keine bescheidmäßige Erledigung erhalten“ zu haben, weshalb die Bodenuntersuchung noch nicht durchgeführt worden sei.

1.1.13. Mit Schreiben vom 12. Oktober 2016 fragte die beschwerdeführende Partei erneut bei der belangten Behörde an, ob Untersuchungsbefunde vorgelegt und welche weiteren Veranlassungen getroffen worden seien; dieses Schreiben blieb seitens der belangten Behörde unbeantwortet.

1.2.     Einbringung der Säumnisbeschwerde betreffend den Feststellungsantrag gemäß § 6 Abs. 6 AWG 2002, Auftrag gemäß § 73 Abs. 4 AWG 2002

1.2.1. Die beschwerdeführende Partei brachte bei der belangten Behörde mit Schreiben vom 24. Jänner 2017 eine Säumnisbeschwerde an das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich betreffend den Feststellungsantrag gemäß § 6 Abs. 6 AWG 2002 ein.

1.2.2. In der Folge verpflichtete die belangte Behörde die Marktgemeinde *** mit einem auf § 73 Abs. 4 AWG 2002 gestützten Bescheid vom 27. Jänner 2017, im östlichen Bereich des verfahrensgegenständlichen Weggrundstücks und in der Mitte der Wegparzelle insgesamt zwei Schürfe herzustellen, aus welchen eine Mischprobe von einem Befugten – nach näher beschriebenen Vorgaben – zu analysieren und die Untersuchungsbefunde bis spätestens 10. März 2017 vorzulegen seien.

1.2.3. Die Marktgemeinde *** übermittelte der belangten Behörde – nach einem Fristerstreckungsersuchen – mit E-Mail vom 17. März 2017 den aufgrund des Bescheides vom 27. Jänner 2017 erstellten grundlegenden Beurteilungsnachweis (1/2017) gemäß der Deponieverordnung 2008 von Aushubmaterial zu grundlegender Charakterisierung (1/2017) der W GmbH vom 13. März 2017.

1.2.4. Die belangte Behörde legte diesen Beurteilungsnachweis der Amtssachverständigen für Deponietechnik und Gewässerschutz mit Schreiben vom 20. März 2017 vor, mit der Bitte um Stellungnahme,

?    „ob die Untersuchungen nach den bescheidmäßigen Vorgaben durchgeführt wurden;

?    ob die Untersuchungen zur Beurteilung der Frage, ob eine Genehmigungspflicht nach § 37 AWG vorliegt, ausreichen;

?    welche Schlussfolgerungen sich daraus ergeben (Notwendigkeit der Entfernung, zulässige Verwertung …).“

1.3.     Vorlage der Säumnisbeschwerde an das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich, Amtssachverständigengutachten, verwaltungsgerichtliches Verfahren

1.3.1. Mit Schreiben vom 24. April 2017 legte die belangte Behörde die Säumnisbeschwerde samt Verwaltungsakt dem Landesverwaltungsgericht Niederösterreich vor.

1.3.2. Nach Vorlage der Säumnisbeschwerde wurde dem Landesverwaltungsgericht Niederösterreich die Stellungnahme der Amtssachverständigen für Deponietechnik und Gewässerschutz vom 17. Mai 2017 betreffend den grundlegenden Beurteilungsnachweis übermittelt.

Die Amtssachverständige führte darin – auf das Wesentliche zusammengefasst – aus,

1.   dass die Untersuchung gemäß den bescheidmäßigen Vorgaben vom 27. Jänner 2017 erfolgt sei,

2.   dass gemäß den – als repräsentativ anzusehenden – Schürfen eine Verunreinigung insbesondere mit Asbestzement nicht festgestellt worden sei; das untersuchte Material entspreche der Klasse A1 (Schlüsselnummer 31411-30) und A2 (Schlüsselnummer 31411-31) und sei zur Ablagerung auf einer Bodenaushubdeponie oder für eine Verwertungsmaßnahme zulässig (im Schurf 1 wurden ca. 2% Ziegelbrocken und < 0,01% Kunststoffe gefunden, ansonsten handele es sich um lehmiges schluffiges Material, hoch grusig, mäßig steinig; in Schurf 2 wurden keine anorganischen oder organisches bodenfremden Bestandteile angetroffen);

3.   dass in Schurf 1 ein geringfügiger (Grund-) Wassereintritt festgestellt worden sei und der Verdacht bestehe, dass das betreffende Material im Grundwasserschwankungsbereich (HGW + 1 m) liege; diesfalls müsste das Material die Qualitätsklasse A2-G einhalten. Es wären daher vergleichende Messungen der Wasserspiegel in den nächstgelegenen Brunnen der Ortschaft *** erforderlich, um festzustellen, ob der im Schurf 1 in einer Tiefe von 1,3 m unter Geländeoberkante angetroffene Wasserzutritt als Grundwasser oder als Sickerwassereintritt zu qualifizieren sei.

1.3.3. Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich übermittelte das Gutachten der Amtssachverständigen vom 17. Mai 2017 einschließlich Beurteilungsnachweis der beschwerdeführenden Partei, der belangten Behörde und der Marktgemeinde *** mit dem Ersuchen um allfällige Stellungnahme bzw. Darlegung, aus welchen Gründen vor dem Hintergrund dieser bisherigen Beweisergebnisse von einer genehmigungspflichtigen Behandlungsanlage gemäß § 37 AWG 2002 am Grundstück Nr. ***, KG ***, auszugehen wäre.

1.3.4. Die belangte Behörde erstattete hierzu am 06. November 2017 eine Stellungnahme, worin zunächst auf das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich vom 27. August 2015, LVwG-AB-14-4197, verwiesen wird. Nach dem Gutachten der Amtssachverständigen könne im vorliegenden Fall noch nicht festgestellt werden, ob das abgelagerte Material im Grundwasserschwankungsbereich liege (und diesfalls die erforderliche Materialqualität nicht erfüllt sei). Es stelle jedoch der an die Marktgemeinde *** gerichtete Behandlungsauftrag vom 27. Jänner 2017 eine diesbezügliche Vorentscheidung dar, „da dieser Bescheid die Deponieeigenschaft der gegenständlichen Ablagerung auf einem/für einen Weg zur Voraussetzung hatte“.

1.3.5. Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich übermittelte dieses Gutachten der beschwerdeführenden Partei und der Marktgemeinde *** zur Kenntnis und allfälligen Stellungnahme; eine Stellungnahme wurde nicht erstattet.

2.   Beweiswürdigung:

Die Feststellungen einschließlich des dargelegten Verfahrensgangs konnten in unbedenklicher Weise im Hinblick auf die eindeutigen Inhalte des vorliegenden Verwaltungsaktes der belangten Behörde und des Gerichtsaktes des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich getroffen werden.

3.   Rechtslage:

3.1. Die maßgebliche Bestimmung des B-VG lautet:

„Artikel 132. […]

(3) Wegen Verletzung der Entscheidungspflicht kann Beschwerde erheben, wer im Verwaltungsverfahren als Partei zur Geltendmachung der Entscheidungspflicht berechtigt zu sein behauptet.

[…]“

3.2. Die maßgeblichen Bestimmungen des VwGVG lauten:

„§ 8. (1) Beschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 3 B-VG (Säumnisbeschwerde) kann erst erhoben werden, wenn die Behörde die Sache nicht innerhalb von sechs Monaten, wenn gesetzlich eine kürzere oder längere Entscheidungsfrist vorgesehen ist, innerhalb dieser entschieden hat. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Antrag auf Sachentscheidung bei der Stelle eingelangt ist, bei der er einzubringen war. Die Beschwerde ist abzuweisen, wenn die Verzögerung nicht auf ein überwiegendes Verschulden der Behörde zurückzuführen ist.

[…]“

„§ 16. (1) Im Verfahren über Beschwerden wegen Verletzung der Entscheidungspflicht gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 3 B-VG kann die Behörde innerhalb einer Frist von bis zu drei Monaten den Bescheid erlassen. Wird der Bescheid erlassen oder wurde er vor Einleitung des Verfahrens erlassen, ist das Verfahren einzustellen.

(2) Holt die Behörde den Bescheid nicht nach, hat sie dem Verwaltungsgericht die Beschwerde unter Anschluss der Akten des Verwaltungsverfahrens vorzulegen.“

„§ 24. (1) Das Verwaltungsgericht hat auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

(2) Die Verhandlung kann entfallen, wenn

1.   der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder

2.   die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist;

3.   wenn die Rechtssache durch einen Rechtspfleger erledigt wird.

[…]

(4) Soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, kann das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union entgegenstehen.

[…]“

„§ 28. (1) Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

(2) Über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG hat das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn

1.   der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder

2.   die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

[…]

(7) Im Verfahren über Beschwerden wegen Verletzung der Entscheidungspflicht gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 3 B-VG kann das Verwaltungsgericht sein Erkenntnis vorerst auf die Entscheidung einzelner maßgeblicher Rechtsfragen beschränken und der Behörde auftragen, den versäumten Bescheid unter Zugrundelegung der hiermit festgelegten Rechtsanschauung binnen bestimmter, acht Wochen nicht übersteigender Frist zu erlassen. Kommt die Behörde dem Auftrag nicht nach, so entscheidet das Verwaltungsgericht über die Beschwerde durch Erkenntnis in der Sache selbst, wobei es auch das sonst der Behörde zustehende Ermessen handhabt.

[…]“

3.3. Die maßgeblichen Bestimmungen des AWG 2002 lauten:

„§ 2. […]

(5) Im Sinne dieses Bundesgesetzes

1.   ist „Abfallbehandlung“ jedes Verwertungs- oder Beseitigungsverfahren, einschließlich der Vorbereitung vor der Verwertung oder Beseitigung.

2.   ist „stoffliche Verwertung“ die ökologisch zweckmäßige Behandlung von Abfällen zur Nutzung der stofflichen Eigenschaften des Ausgangsmaterials mit dem Hauptzweck, die Abfälle oder die aus ihnen gewonnenen Stoffe unmittelbar für die Substitution von Rohstoffen oder von aus Primärrohstoffen erzeugten Produkten zu verwenden, ausgenommen die Abfälle oder die aus ihnen gewonnenen Stoffe werden einer thermischen Verwertung zugeführt.

[…]

5.   ist „Verwertung“ jedes Verfahren, als deren Hauptergebnis Abfälle innerhalb der Anlage oder in der Wirtschaft in umweltgerechter Weise einem sinnvollen Zweck zugeführt werden, indem

a)   sie andere Materialien ersetzen, die ansonsten zur Erfüllung einer bestimmten Funktion verwendet worden wären, oder

b)   – im Falle der Vorbereitung zur Wiederverwendung – die Abfälle so vorbereitet werden, dass sie diese Funktion erfüllen.

Als Verwertung gilt die Vorbereitung zur Wiederverwendung, das Recycling und jede sonstige Verwertung (zB die energetische Verwertung, die Aufbereitung von Materialien, die für die Verwendung als Brennstoff bestimmt sind, oder die Verfüllung) einschließlich der Vorbehandlung vor diesen Maßnahmen. Anhang 2 Teil 1 enthält eine nicht erschöpfende Liste von Verwertungsverfahren.

[…]

(7) Im Sinne dieses Bundesgesetzes sind

1.   „Behandlungsanlagen“ ortsfeste oder mobile Einrichtungen, in denen Abfälle behandelt werden, einschließlich der damit unmittelbar verbundenen, in einem technischen Zusammenhang stehenden Anlagenteile;

[…]

4.   „Deponien“ Anlagen, die zur langfristigen Ablagerung von Abfällen oberhalb oder unterhalb (dh. unter Tage) der Erdoberfläche errichtet oder verwendet werden, einschließlich betriebseigener Anlagen für die Ablagerung von Abfällen, oder auf Dauer (dh. für länger als ein Jahr) eingerichtete Anlagen, die für die vorübergehende Lagerung von Abfällen genutzt werden. Nicht als Deponien gelten

a)   „Deponien“ Anlagen, die zur langfristigen Ablagerung von Abfällen oberhalb oder unterhalb (dh. unter Tage) der Erdoberfläche errichtet oder verwendet werden, einschließlich betriebseigener Anlagen für die Ablagerung von Abfällen, oder auf Dauer (dh. für länger als ein Jahr) eingerichtete Anlagen, die für die vorübergehende Lagerung von Abfällen genutzt werden. Nicht als Deponien gelten

b)   Anlagen zur Zwischenlagerung von Abfällen vor der Verwertung, sofern die Dauer der Zwischenlagerung drei Jahre nicht überschreitet, und

c)   Anlagen zur Zwischenlagerung von Abfällen vor der Beseitigung, sofern die Dauer der Zwischenlagerung ein Jahr nicht überschreitet.

[…]“

„§ 6. […]

(6) Der Landeshauptmann hat auf Antrag eines Projektwerbers oder des Umweltanwaltes oder von Amts wegen innerhalb von drei Monaten festzustellen, ob

1.   eine Anlage der Genehmigungspflicht gemäß § 37 Abs. 1 oder 3 oder gemäß § 52 unterliegt oder eine Ausnahme gemäß § 37 Abs. 2 gegeben ist,

[…]

Parteistellung hat neben dem Projektwerber der Umweltanwalt.

[…]“

§ 37. (1) Die Errichtung, der Betrieb und die wesentliche Änderung von ortsfesten Behandlungsanlagen bedarf der Genehmigung der Behörde. Die Genehmigungspflicht gilt auch für ein Sanierungskonzept gemäß § 57 Abs. 4.

(2) Der Genehmigungspflicht gemäß Abs. 1 unterliegen nicht

1.   Behandlungsanlagen zur ausschließlichen stofflichen Verwertung von nicht gefährlichen Abfällen, sofern sie der Genehmigungspflicht gemäß den §§ 74 ff GewO 1994 unterliegen,

[…]

5.   Lager für Abfälle, die der Genehmigungspflicht gemäß den §§ 74 ff GewO 1994, gemäß dem Mineralrohstoffgesetz oder gemäß dem Emissionsschutzgesetz für Kesselanlagen (EG-K), BGBl. I Nr. 150/2004, unterliegen, ausgenommen IPPC-Behandlungsanlagen,

[…]

(3) Folgende Behandlungsanlagen – sofern es sich nicht um IPPC-Behandlungsanlagen handelt – und Änderungen einer Behandlungsanlage sind nach dem vereinfachten Verfahren (§ 50) zu genehmigen:

1.   Deponien, in denen ausschließlich Bodenaushub- und Abraummaterial, welches durch Ausheben oder Abräumen von im Wesentlichen natürlich gewachsenem Boden oder Untergrund anfällt, abgelagert werden, sofern das Gesamtvolumen der Deponie unter 100 000 m3 liegt;

[…]

3.   sonstige Behandlungsanlagen für nicht gefährliche Abfälle, ausgenommen Deponien, mit einer Kapazität von weniger als 10 000 Tonnen pro Jahr;

4.   a) Behandlungsanlagen zur Zerlegung von Altfahrzeugen,

b) Behandlungsanlagen zur Zerlegung von Elektro- und Elektronikgeräten, die gefährliche Abfälle darstellen,

c) Lager von gefährlichen Abfällen

mit einer Kapazität von weniger als 1 000 Tonnen pro Jahr und

[…]“

4.   Erwägungen:

4.1.     Zur Zulässigkeit der Säumnisbeschwerde:

Die Säumnisbeschwerde ist zulässig.

Die beschwerdeführende Partei ist als Partei des zugrunde liegenden Verwaltungsverfahrens (vgl. § 6 Abs. 6 AWG 2002) zur Geltendmachung der Entscheidungspflicht berechtigt und damit im Sinne des Art. 132 Abs. 3 B-VG zur Erhebung der Säumnisbeschwerde legitimiert (vgl. etwa VwGH 20.03.1995, 94/10/0137; s. auch Bumberger/Hochholdinger/Niederhuber/Wolfslehner, AWG 20022 § 87c K 12).

Die belangte Behörde hat nicht innerhalb der in § 6 Abs. 6 AWG 2002 gesetzlich vorgesehenen Frist von drei Monaten über den Antrag der beschwerdeführenden Partei vom 28. Jänner 2015 auf Feststellung, „ob die offenbar auf dem Grundstück Nr. ***, KG ***, befindliche Ablagerungsstätte der Genehmigungspflicht gemäß § 37 AWG 2002 unterliegt“, entschieden. Zum Zeitpunkt der Einbringung der Säumnisbeschwerde traf die belangte Behörde seit knapp zwei Jahren die Entscheidungspflicht.

4.2.     Zur Berechtigung der Säumnisbeschwerde:

Die Säumnisbeschwerde ist berechtigt.

Bis zur Einbringung der Säumnisbeschwerde beschränkte sich das von der belangten Behörde durchgeführte Ermittlungsverfahren im Wesentlichen auf den Lokalaugenschein mit anschließender Verhandlung am 31. August 2015 sowie auf ihre Antwortschreiben auf die Nachfragen der beschwerdeführenden Partei zum Verfahrensstand. Die belangte Behörde hat insbesondere selbst nach Ablauf der Frist für die in der mündlichen Verhandlung „angeordnete“ Vorlage der Untersuchungsergebnisse – auf welche sie in den Antwortschreiben Bezug genommen hat – keine weiteren Ermittlungsschritte zur Feststellung der Genehmigungspflicht der verfahrensgegenständlichen Ablagerungen gemäß § 37 AWG 2002 gesetzt.

Die Verzögerung ist daher auf das überwiegende Verschulden der Behörde (vgl. § 8 Abs. 1 VwGVG) zurückzuführen.

4.3.     Zur Zulässigkeit der Beschränkung des Erkenntnisses auf einzelne maßgebliche Rechtsfragen:

Gemäß § 28 Abs. 7 VwGVG kann das Verwaltungsgericht in Verfahren über Beschwerden wegen Verletzung der Entscheidungspflicht sein Erkenntnis vorerst auf die Entscheidung einzelner maßgeblicher Rechtsfragen beschränken und der Behörde auftragen, den versäumten Bescheid unter Zugrundelegung der festgelegten Rechtsanschauung binnen bestimmter, acht Wochen nicht übersteigender Frist zu erlassen.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist davon auszugehen, dass das Verwaltungsgericht dabei in erster Linie die Grundsätze der Verfahrensökonomie zu beachten hat; danach wird die Erlassung eines „Teilerkenntnisses“ vor allem dann in Betracht kommen, wenn neben der Lösung der maßgeblichen Rechtsfragen auch noch der Sachverhalt weiter klärungsbedürftig ist (vgl. VwGH 04.07.2016, Ra 2014/04/0015).

Dies ist vorliegend der Fall.

4.4.     Maßgebliche Rechtsfragen zur Feststellung der Genehmigungspflicht iSd § 37 AWG 2002 gemäß § 6 Abs. 6 AWG 2002:

4.4.1.  Rechtlicher Rahmen

§ 6 Abs. 6 Z 1 AWG 2002 ermächtigt die belangte Behörde zur Feststellung, ob „eine Anlage der Genehmigungspflicht gemäß § 37 Abs. 1 oder 3 […] unterliegt oder eine Ausnahme gemäß § 37 Abs. 3 gegeben ist“. Materielle Voraussetzung für die Erlassung eines Feststellungsbescheides gemäß § 6 Abs. 6 Z 1 AWG 2002 ist daher das Vorliegen einer „Anlage“ im abfallrechtlichen Sinn, deren Genehmigungspflicht gemäß § 37 leg.cit. festgestellt werden soll.

Gemäß § 37 Abs. 1 AWG 2002 ist die Errichtung und der Betrieb (sowie die wesentliche Änderung) von ortsfesten Behandlungsanlagen genehmigungspflichtig, sofern keine Ausnahme im Sinne des Abs. 2 – wie etwa eine Behandlungsanlage zur ausschließlichen stofflichen Verwertung von nicht gefährlichen Abfällen, sofern sie nicht der Genehmigungspflicht gemäß den §§ 74 ff GewO 1994 unterliegt (Z 1) – vorliegt; nach § 37 Abs. 3 AWG 2002 unterliegen bestimmte Behandlungsanlagen einem vereinfachten Genehmigungsverfahren.

§ 2 Abs. 7 Z 1 AWG 2002 bestimmt als „Behandlungsanlagen“ ortsfeste (oder mobile) Einrichtungen, in denen Abfälle behandelt werden, einschließlich der damit unmittelbar verbundenen, in einem technischen Zusammenhang stehenden Anlagenteile.

Eine abfallrechtliche Behandlung im Sinne des AWG 2002 ist jede Verwertungs- oder Beseitigungsmaßnahme, einschließlich der Vorbereitung vor der Verwertung oder Beseitigung (§ 2 Abs. 5 Z 1 AWG 2002). Jedenfalls sind als abfallrechtliche Behandlung die in Anhang 1 zum AWG 2002 angeführten Verwertungs- und Beseitigungsmaßnahmen zu verstehen, wozu auch die Lagerung von Abfallen zählt.

Insofern sind gemäß § 2 Abs. 5 Z 1 AWG 2002 Deponien „Anlagen, die zur langfristigen Ablagerung von Abfällen oberhalb oder unterhalb (dh. unter Tage) der Erdoberfläche errichtet oder verwendet werden, einschließlich betriebseigener Anlagen für die Ablagerung von Abfällen, oder auf Dauer (dh. für länger als ein Jahr) eingerichtete Anlagen, die für die vorübergehende Lagerung von Abfällen genutzt werden“.

Aus alledem ergibt sich, dass in Zusammenhang mit einer Feststellung gemäß § 6 Abs. 6 Z 1 AWG 2002 zu prüfen ist, ob eine „Anlage“ vorliegt, welche gemäß § 37 AWG 2002 genehmigungspflichtig ist. Die Genehmigungspflicht (nach Abs. 1 im ordentlichen Verfahren, nach Abs. 3 im vereinfachten Verfahren) besteht nur für „Anlagen“ die „ortsfeste Behandlungsanlagen“ – folglich Anlagen zur Behandlung von Abfällen – sind, für welche eine Ausnahme gemäß § 37 Abs. 2 AWG 2002 nicht besteht.

Ist bereits der Anlagenbegriff nicht erfüllt, fehlt eine materielle Tatbestandsvoraussetzung für eine Feststellung gemäß § 6 Abs. 6 AWG 2002 und wäre ein darauf gerichteter Antrag zurückzuweisen; werden in einer Anlage keine Abfälle behandelt, ist diese nicht im Sinne des § 37 AWG 2002 genehmigungspflichtig.

4.4.2.  Zum Anlagenbegriff

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist das bloße Ablagern von Abfällen nicht als Deponie zu beurteilen. Unterscheidungskriterium zwischen dem bloßen Ablagern und einer Deponie ist die Verwendung einer bereits vor der Ablagerung vorhandenen Anlage zur Ablagerung von Abfällen oder die Errichtung einer solchen Anlage (vgl. etwa VwGH 22.03.2012, 2008/07/0125).

Des Weiteren hat der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis VwSlg. 19166 A/2015 ausgesprochen, dass sich schon aus dem Wortlaut des § 2 Abs. 7 Z 1 AWG 2002 ergibt, dass das bloße Ablagern von Abfällen ohne besondere Behandlungsanlage keine Behandlungsanlage im Sinne des Gesetzes darstellt, weil Behandlungsanlagen stets Einrichtungen sind, „in denen Abfälle behandelt werden“ (Hervorhebung im Original).

Für das Tatbestandsmerkmal „Einrichtung“ beim Begriff der Behandlungsanlage kann – so der Verwaltungsgerichtshof – nichts anderen gelten als für jenen der „Anlage“ beim Deponiebegriff. Das bloße (Ab)lagern von Abfällen stellt keine Deponie dar, weil zum Begriff der Deponie eine von den Abfällen verschiedene Anlage gehört; bloße Ablagerungen bzw. Aufschüttungen von Aushubmaterial in der Natur erfüllen nicht die Tatbestandsvoraussetzungen einer Deponie im Sinne des AWG (vgl. VwSlg. 19166 A/2015 mwN).

Vor diesem Hintergrund steht aus Sicht des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich fest, dass Ablagerungen und Aufschüttungen von Abfällen nur dann Anlagen im abfallrechtlichen Sinn sind, wenn sie eine – vom Abfall verschiedene – „Einrichtung“ etwa baulicher oder technischer Art zur Lagerung dieses Abfalls aufweisen. Bloße Ablagerungen bzw. Aufschüttungen ohne solche besonderen Einrichtungen sind keine Anlagen im abfallrechtlichen Sinn, deren Zulässigkeit sich alleine nach § 15 leg.cit. richtet (s. auch Bumberger/Hochholdinger/Niederhuber/Wolfslehner, AWG 20022, § 2 K 49).

4.4.3.  Zur Frage der Behandlung von „Abfällen“

Die „Behandlung von Abfällen“ setzt die Erfüllung des Abfallbegriffes im Sinne des AWG 2002 voraus.

Das AWG 2002 unterscheidet zwischen dem subjektiven und objektiven Abfallbegriff (vgl. § 2 Abs. 1 AWG) und sieht vor, dass Sachen ihre Abfalleigenschaft auch verlieren können (Eintritt des Abfallendes gemäß § 5 Abs. 1 AWG 2002).

Gemäß § 5 Abs. 1 AWG 2002 gelten Altstoffe so lange als Abfälle, bis sie oder die aus ihnen gewonnenen Stoffe unmittelbar als Substitution von Rohstoffen oder von aus Primärrohstoffen erzeugten Produkte verwendet werden. § 15 Abs. 4a AWG 2002 sieht – in Abgrenzung zu einer „Scheinverwertung“ – vor, dass eine Verwertung nur dann zulässig ist, wenn der betreffende Abfall unbedenklich für den beabsichtigten sinnvollen Zweck einsetzbar ist und keine Schutzgüter (im Sinne von § 1 Abs. 3 AWG 2002) durch diesen Einsatz beeinträchtigt werden können sowie durch diese Maßnahme nicht gegen Rechtsvorschriften verstoßen wird.

Insofern setzt das Abfallende nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes voraus, dass es sich bei einem abgelagerten Material um einen „Altstoff" iSd § 2 Abs. 4 Z 1 AWG 2002 handelt, nach dessen Definition es auf eine nachweislich zulässige Verwertung von Abfällen ankommt. Diese hat wiederum zur Voraussetzung, dass die betreffende Sache für den beabsichtigten Zweck unbedenklich einsetzbar ist und keine umweltrelevanten Schutzgüter durch die Verwertungsmaßnahme beeinträchtigt werden. Eine zulässige Verwertung liegt überdies nur dann vor, wenn dadurch nicht dem AWG 2002 oder anderen Normen, wie etwa auch naturschutzrechtlichen Bestimmungen, zuwidergehandelt wird (vgl. etwa VwGH 23.04.2015, 2012/07/0047, VwGH 26.02.2015, 2012/07/0123, jeweils mwN) und muss das beim Einbau bzw. bei der Verbauung eingesetzte Material die für die Art der konkreten Verwendung zulässige Qualität aufweisen (vgl. VwGH 22.03.2012, 2008/07/0204; vgl. hierzu den Stand der Technik im Bundes-Abfallwirtschaftsplan).

Sind sämtliche dieser genannten Voraussetzungen erfüllt, liegt eine zulässige Verwertung mit der Rechtsfolge des Abfallendes nach § 5 Abs. 1 AWG 2002 vor.

4.4.4.  Zum weiteren Verfahren

Vor dem Hintergrund der oben stehenden Ausführungen ist im weiteren Verfahren zunächst zu klären, ob es bei sich bei den Ablagerungen auf dem verfahrensgegenständlichen Grundstück um bloße – wenn auch eingeebnete – Ablagerungen bzw. Aufschüttungen ohne besondere „Einrichtung“ im Sinne der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes handelt oder aber der Anlagenbegriff im Sinne des AWG 2002 erfüllt ist.

Erfüllen die verfahrensgegenständlichen Ablagerungen den Anlagenbegriff, ist für die Frage der Genehmigungspflicht dieser „Anlage“ zu klären, ob in dieser „Abfall“ im Sinne des AWG 2002 behandelt wird. Dazu ist zu beurteilen, ob das abgelagerte Material den Abfallbegriff erfüllt oder ob dieses einer zulässigen Verwertung mit der Rechtsfolge des Abfallendes nach § 5 Abs. 1 AWG 2002 zugeführt wurde. Für eine zulässige Verwertung müssen sämtliche der oben dargelegten Voraussetzungen kumulativ erfüllt werden. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen, dass nach dem Gutachten der Amtssachverständigen für Deponietechnik und Gewässerschutz vom 17. Mai 2017 zur Beurteilung der Frage, ob das gegenständliche Material im Grundwasserschwankungsbereich abgelagert wurde bzw. dieses eine für die Art der konkreten Verwendung zulässige Qualität aufweist, noch eine vergleichende Messung der Wasserspiegel in den nächstgelegenen Brunnen vorzunehmen ist.

Dazu wird der belangten Behörde die gesetzlich höchstmögliche, nicht erstreckbare Frist von acht Wochen eingeräumt.

Es wird darauf hingewiesen, dass der Bescheid der belangten Behörde vom 27. Jänner 2017, RU4-KS-354/001-2013, keine für das Feststellungsverfahren gemäß § 6 Abs. 6 AWG 2002 rechtlich bindende „Vorentscheidung“ – wie von der belangten Behörde in ihrer Stellungnahme vom 06. November 2017 angedeutet – darstellt, insbesondere weil die Deponieeigenschaft der Ablagerungen (nur) in Beantwortung einer Vorfrage für den – rechtskräftigen – Bescheid nach § 73 Abs. 4 leg.cit. angenommen wurde. Eine vorfragenweise Beurteilung in Bescheiden entfaltet ganz allgemein keine Bindungswirkung für Behörden (oder auch dieselbe Behörde in einem anderen Verfahren), für deren Entscheidung dieselbe Frage oder eine inhaltlich vergleichbare (wenngleich nicht als Vorfrage im rechtlichen Sinn zu qualifizierende) Frage von Bedeutung ist (VwGH 20.01.2016, Ro 2014/04/0045 mwN).

5.   Zur Nichtdurchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung:

Eine öffentliche mündliche Verhandlung wurde nicht beantragt und ist zur Entscheidung der dargelegten maßgeblichen Rechtsfragen (§ 28 Abs. 7 VwGVG) nicht im Sinne des § 24 Abs. 1 VwGVG erforderlich.

6.   Zur Unzulässigkeit der Revision:

Die Revision ist nicht zulässig, da im gegenständlichen Fall keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu lösen war, weil die Entscheidung einerseits nicht von der zitierten und einheitlichen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht und sich andererseits auf den eindeutigen und klaren Gesetzeswortlaut stützen kann (vgl. aus der stRsp zur Unzulässigkeit der Revision in derartigen Fällen zB VwGH vom 15. Dezember 2016, Ra 2016/18/0343).

Schlagworte

Umweltrecht; Abfallwirtschaft; Säumnisbeschwerde; Abfallende; Ablagerung; Behandlungsanlage; Deponie; Feststellungsbegehren; Verwertung;

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGNI:2018:LVwG.AV.497.001.2017

Zuletzt aktualisiert am

15.03.2018
Quelle: Landesverwaltungsgericht Niederösterreich LVwg Niederösterreic, http://www.lvwg.noe.gv.at
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