Index
001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
AsylG 2005 §8 Abs3a;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Robl, Hofrätin Mag.a Merl sowie die Hofräte Dr. Mayr, Dr. Schwarz und Mag. Berger als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Lechner, in der Revisionssache des M H, vertreten durch Mag. Thomas Blaho, Rechtsanwalt in 1030 Wien, Baumannstraße 4, gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes Wien vom 9. Dezember 2015, VGW- 151/080/34669/2014-41, betreffend Aufenthaltstitel (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Landeshauptmann von Wien), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Mit dem in Revision gezogenen Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes Wien wurde die Beschwerde des Revisionswerbers gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 4. November 2014 abgewiesen und der angefochtene Bescheid mit der Maßgabe bestätigt, dass der Antrag vom 3. Jänner 2012 auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung gemäß § 43 Abs. 3 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) in der Fassung vor BGBl. I Nr. 87/2012 abgewiesen werde. Weiters sprach das Verwaltungsgericht aus, dass eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig sei.
2 Begründend stellte das Verwaltungsgericht fest, dass der Revisionswerber, ein libanesischer Staatsangehöriger, als siebenjähriges Kind mit seiner Familie im Jänner 1993 nach Österreich gereist sei und Asyl erhalten habe.
Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 28. November 2011 sei dem Revisionswerber der ihm zuvor zuerkannte Status des Asylberechtigten aberkannt und festgestellt worden, dass ihm die Flüchtlingseigenschaft nicht mehr zukomme. Der Status des subsidiär Schutzberechtigten sei ihm nicht zuerkannt worden. Gleichzeitig sei festgestellt worden, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung aus dem österreichischen Bundesgebiet in den Libanon gemäß § 8 Abs. 3a iVm § 9 Abs. 2 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005) unzulässig sei. Der Revisionswerber sei ab dem Jahr 2000 wegen verschiedener Straftaten zu Freiheitsstrafen verurteilt worden. Er weise insgesamt elf Verurteilungen (insbesondere wegen Raubes, geschlechtlicher Nötigung, schweren Diebstahls, gewerbsmäßigen Diebstahls durch Einbruch oder mit Waffen, Urkundenfälschung, Urkundenunterdrückung, unbefugten Gebrauchs von Fahrzeugen, vorsätzlicher Körperverletzung, gefährlicher Drohung, Hehlerei und wegen gewerbsmäßigen Suchtgifthandels nach dem Suchtmittelgesetz) auf. Im April 2015, etwa einen Monat vor seiner geplanten Entlassung aus der Strafhaft, habe der Revisionswerber nach einem Freigang die Justizanstalt Korneuburg unerlaubt verlassen und sei nicht mehr freiwillig dorthin zurückgekehrt. Erst im September 2015 sei der Revisionswerber im Rahmen einer Routinekontrolle wieder festgenommen worden und habe danach den restlichen Teil seiner Freiheitsstrafe verbüßt.
Nach Stellung des gegenständlichen Antrages des Revisionswerbers habe die Landespolizeidirektion Wien auf Ersuchen der vor dem Verwaltungsgericht belangten Behörde in ihrer begründeten Stellungnahme vom 16. Dezember 2013 gemäß § 44b NAG mitgeteilt, dass gegen den Revisionswerber aufenthaltsbeendende Maßnahmen zulässig seien und diese eingeleitet würden.
Der Revisionswerber führe seit April 2013 eine Beziehung mit einer polnischen Staatsangehörigen und sei Vater eines am 21. März 2014 geborenen Sohnes. Er sei auf Arbeitssuche.
3 In seiner rechtlichen Beurteilung führte das Verwaltungsgericht aus, die Feststellung, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Revisionswerbers aus dem österreichischen Bundesgebiet in den Libanon gemäß § 8 Abs. 3a iVm § 9 Abs. 2 AsylG 2005 unzulässig sei, stelle keine Erklärung dar, mit welcher die Ausweisung des Revisionswerbers gemäß § 10 AsylG 2005 auf Dauer für unzulässig erklärt worden sei. Gemäß § 43 Abs. 3 NAG in der Fassung vor BGBl. I Nr. 87/2012 könne im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen auf begründeten Antrag eine "Niederlassungsbewilligung" erteilt werden, wenn kein Erteilungshindernis gemäß § 11 Abs. 1 Z 1, 2 oder 4 NAG vorliege und dies gemäß § 11 Abs. 3 leg. cit. zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinn des Art. 8 EMRK geboten sei. Erteilungshindernisse lägen nicht vor. In seiner Abwägung gemäß Art. 8 EMRK berücksichtigte das Verwaltungsgericht einerseits den langjährigen Aufenthalt des Revisionswerbers, seine Lebensgemeinschaft mit einer polnischen Staatsangehörigen und dem gemeinsamen Kind seit etwa zwei Jahren und andererseits seine wiederholten Straftaten, die über einen langen Zeitraum begangen wurden, und seinen insgesamt mehr als achtjährigen Gefängnisaufenthalt. Weiters sei der Revisionswerber beruflich nicht integriert und nicht selbsterhaltungsfähig. Abschließend führte das Verwaltungsgericht aus, dass im Hinblick auf die noch nicht lange Phase des Wohlverhaltens seit den letzten Verurteilungen wegen gravierender Straftaten, der noch nicht lange bestehenden familiären Bindungen und der nicht ausgeprägten sozialen und beruflichen Verankerung des Revisionswerbers, die öffentlichen Interessen an der Verhinderung weiterer Straftaten die privaten und familiären Interessen des Revisionswerbers überwiegen würden.
Die Frage der Unzulässigkeit der Abschiebung des Revisionswerbers in den Libanon unter dem Gesichtspunkt des Art. 3 EMRK sei Gegenstand eines eigenen Verfahrens. Daran knüpfe § 46a Abs. 1 Z 2 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) an, der für eine solche Konstellation, in der ein Fremder mangels subsidiären Schutzes keine befristete Aufenthaltsberechtigung erhalten habe, ex lege den Status eines Geduldeten vorsehe.
Die Zulässigkeit der ordentlichen Revision begründete das Verwaltungsgericht damit, dass keine eindeutige Rechtsprechung vorliege, ob für den Fall, dass die Unzulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in sein Heimatland gemäß § 8 Abs. 3a iVm § 9 Abs. 2 AsylG 2005 rechtskräftig festgestellt wurde und trotz ausdrücklicher Feststellung der Zulässigkeit von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen gemäß § 44b NAG in der Fassung vor BGBl. I Nr. 87/2012 aufenthaltsbeendende Maßnahmen de facto nicht eingeleitet und nicht erlassen worden seien, eine negative Beurteilung nach Art. 8 EMRK aufgrund gravierender, noch nicht lange zurückliegender Straftaten, auch nach langjährigem Aufenthalt vertretbar sei.
4 Dagegen wurde - nachdem der Verfassungsgerichtshof die Behandlung einer Beschwere gegen dieses Erkenntnis abgelehnt und die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten hat - die gegenständliche ordentliche Revision erhoben.
5 Der Revisionswerber führt aus, dass die Fragestellung des Verwaltungsgerichtes sehr allgemein gehalten sei und sie dahingehend präzisiert werden solle, als sich die Kernfrage auf das Verhältnis von asylrechtlich begründeter Aufenthaltsbeendigung zu fremdenpolizeilich begründeter Aufenthaltsbeendigung beziehe.
6 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden.
7 Gemäß § 81 Abs. 23 NAG sind Verfahren u.a. gemäß § 43 Abs. 3 in der Fassung vor dem Bundesgesetz BGBl. I Nr. 87/2012, welche vor dem 1. Oktober 2013 bei der Behörde gemäß § 3 Abs. 1 anhängig wurden und am 31. Dezember 2013 noch anhängig sind, auch nach Ablauf des 31. Dezember 2013 von der Behörde gemäß § 3 Abs. 1 nach den Bestimmungen des Bundesgesetzes in der Fassung vor dem BGBl. I Nr. 87/2012 zu Ende zu führen.
8 Die Anordnung, dass die Behörde eine bestimmte Rechtslage anzuwenden hat, führt auch dazu, dass das kontrollierende Verwaltungsgericht diese Rechtslage anzuwenden hat, zumal kein Zweifel an der Intention des Gesetzgebers besteht, dass der gegenständliche "Altfall" nach der Rechtslage vor dem 1. Jänner 2014 zu entscheiden ist. Daher sind in Verfahren betreffend Aufenthaltstitel auch vom Verwaltungsgericht die Bestimmungen des NAG idF vor BGBl. I Nr. 87/2012 anzuwenden (vgl. VwGH 27.1.2015, Ro 2014/22/0045).
9 § 43 (auszugsweise), § 44a und § 44b (auszugsweise) NAG in der Fassung vor dem BGBl. I Nr. 87/2012 samt Überschriften lauteten:
"Niederlassungsbewilligung
§ 43. (...)
(3) Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen ist von Amts wegen (§ 44a) oder auf begründeten Antrag (§ 44b), der bei der örtlich zuständigen Behörde im Inland einzubringen ist, eine ‚Niederlassungsbewilligung' zu erteilen, wenn
1. kein Erteilungshindernis gemäß § 11 Abs. 1 Z 1, 2 oder 4 vorliegt und
2. dies gemäß § 11 Abs. 3 zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten ist.
(...)
Besondere Verfahrensbestimmungen
§ 44a. (1) Die Behörde hat einen Aufenthaltstitel gemäß §§ 41a Abs. 9 oder 43 Abs. 3 von Amts wegen zu erteilen, wenn eine Ausweisung des Drittstaatsangehörigen gemäß § 10 AsylG 2005 oder eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG oder eine Ausweisung gemäß § 66 FPG jeweils auf Grund des § 61 FPG rechtskräftig auf Dauer für unzulässig erklärt wurde. § 73 AVG gilt. Die Frist gemäß § 73 Abs. 1 AVG beginnt mit der Zustellung der gemäß § 22 Abs. 9 AsylG 2005 oder § 105 Abs. 7 FPG zu übermittelnden Entscheidung an die Behörde.
(2) In einem Verfahren gemäß § 24 Abs. 4 oder § 26 gestellte Anträge auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 41a Abs. 9 oder 10 sowie § 43 Abs. 3 oder 4 sind unzulässig.
§ 44b. (1) Liegt kein Fall des § 44a Abs. 1 vor, sind
Anträge gemäß §§ 41a Abs. 9 oder 43 Abs. 3 als unzulässig
zurückzuweisen, wenn
1. gegen den Antragsteller eine Ausweisung rechtskräftig
erlassen wurde, oder
2. rechtskräftig festgestellt wurde, dass eine
Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG oder eine Ausweisung gemäß
§ 66 FPG jeweils auf Grund des § 61 FPG oder eine Ausweisung gemäß
§ 10 AsylG 2005 bloß vorübergehend unzulässig ist, oder
3. die Landespolizeidirektion nach einer Befassung gemäß
Abs. 2 in ihrer Beurteilung festgestellt hat, dass eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG oder eine Ausweisung gemäß § 66 FPG zulässig oder jeweils auf Grund des § 61 FPG bloß vorübergehend unzulässig ist,
und aus dem begründeten Antragsvorbringen im Hinblick auf die Berücksichtigung des Privat- und Familienlebens gemäß § 11 Abs. 3 ein maßgeblich geänderter Sachverhalt nicht hervorkommt.
(2) Liegt kein Fall des Abs. 1 Z 1 oder 2 vor, hat die Behörde unverzüglich die der zuständigen Fremdenpolizeibehörde übergeordnete Landespolizeidirektion von einem Antrag gemäß §§ 41a Abs. 9 oder 43 Abs. 3 zu verständigen und eine begründete Stellungnahme zu fremdenpolizeilichen Maßnahmen, insbesondere ob diese bloß vorübergehend oder auf Dauer unzulässig sind, einzuholen. Bis zum Einlangen der begründeten Stellungnahme der Sicherheitsdirektion ist der Ablauf der Frist gemäß § 73 Abs. 1 AVG gehemmt. Erwächst eine Aufenthaltsbeendigung in Rechtskraft, ist das Verfahren auf Erteilung des Aufenthaltstitels formlos einzustellen. Das Verfahren ist im Fall der Aufhebung einer Aufenthaltsbeendigung auf Antrag des Fremden fortzusetzen, wenn nicht neuerlich eine aufenthaltsbeendende Maßnahme gesetzt wird. Im Übrigen gilt § 11 Abs. 1 Z 1.
(...)"
§ 46a FPG in der Fassung BGBl. I Nr. 38/2011 samt Überschrift
lautete auszugsweise:
"Duldung
§ 46a. (1) Der Aufenthalt von Fremden im Bundesgebiet ist geduldet, solange deren Abschiebung gemäß
1.
§§ 50 und 51 oder
2.
§§ 8 Abs. 3a und 9 Abs. 2 AsylG 2005 unzulässig ist.
(...)
(2) Die Behörde hat Fremden, deren Aufenthalt im Bundesgebiet geduldet ist, eine Karte für Geduldete auszustellen. Die Karte dient dem Nachweis der Identität des Fremden im Verfahren nach diesem Bundesgesetz oder nach Abschluss eines Verfahrens nach dem AsylG 2005 und hat insbesondere die Bezeichnungen ‚Republik Österreich' und ‚Karte für Geduldete', weiters Namen, Geschlecht, Geburtsdatum, Staatsangehörigkeit, Lichtbild und Unterschrift des Geduldeten sowie die Bezeichnung der Behörde, Datum der Ausstellung und Namen des Genehmigenden zu enthalten. Die nähere Gestaltung der Karte legt der Bundesminister für Inneres durch Verordnung fest.
(...)"
§ 8, § 9 und § 10 AsylG 2005 in der Fassung BGBl. I Nr. 38/2011
lauteten auszugsweise:
"§ 8. (...)
(3a) Ist ein Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht schon mangels einer Voraussetzung gemäß Abs. 1 oder aus den Gründen des Abs. 3 oder 6 abzuweisen, so hat eine Abweisung auch dann zu erfolgen, wenn ein Aberkennungsgrund gemäß § 9 Abs. 2 vorliegt. Diesfalls ist die Abweisung mit der Feststellung zu verbinden, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat unzulässig ist, da dies eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. Dies gilt sinngemäß auch für die Feststellung, dass der Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht zuzuerkennen ist.
(...)
§ 9. (...)
(2) Ist der Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht schon aus den Gründen des Abs. 1 abzuerkennen, so hat eine Aberkennung auch dann zu erfolgen, wenn
1. einer der in Art. 1 Abschnitt F der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründe vorliegt;
2. der Fremde eine Gefahr für die Allgemeinheit oder für die Sicherheit der Republik Österreich darstellt oder
3. der Fremde von einem inländischen Gericht wegen eines
Verbrechens (§ 17 StGB) rechtskräftig verurteilt worden ist. Einer Verurteilung durch ein inländisches Gericht ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht gleichzuhalten, die den Voraussetzungen des § 73 StGB, BGBl. Nr. 60/1974, entspricht.
In diesen Fällen ist die Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten mit der Feststellung zu verbinden, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat unzulässig ist, da dies eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.
(...)
§ 10. (1) Eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz ist mit einer Ausweisung zu verbinden, wenn
1.
der Antrag auf internationalen Schutz zurückgewiesen wird;
2.
der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird;
3. einem Fremden der Status des Asylberechtigten aberkannt wird, ohne dass es zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten kommt oder
4. einem Fremden der Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt wird
und kein Fall der §§ 8 Abs. 3a oder 9 Abs. 2 vorliegt.
(2) Ausweisungen nach Abs. 1 sind unzulässig, wenn
1. dem Fremden im Einzelfall ein nicht auf dieses
Bundesgesetz gestütztes Aufenthaltsrecht zukommt oder
2. diese eine Verletzung von Art. 8 EMRK darstellen würden.
Dabei sind insbesondere zu berücksichtigen:
a) die Art und Dauer des bisherigen Aufenthalts und die
Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war;
b) das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens;
c) die Schutzwürdigkeit des Privatlebens;
d) der Grad der Integration;
e) die Bindungen zum Herkunftsstaat des Fremden;
f) die strafgerichtliche Unbescholtenheit;
g) Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im
Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts;
h) die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden
in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres
unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren;
i) die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des
Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen
begründet ist
(...)"
10 Das Bundesasylamt stellte mit Bescheid vom
28. November 2011, mit dem dem Revisionswerber der Status des
Asylberechtigen aberkannt wurde, ohne dass es zur Zuerkennung des
Status des subsidiär Schutzberechtigten gekommen ist, fest, dass
eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung aus dem
österreichischen Bundesgebiet in den Libanon gemäß § 8 Abs. 3a iVm
§ 9 Abs. 2 AsylG 2005 unzulässig sei, sodass gemäß dem eindeutigen
Wortlaut des § 10 Abs. 1 Z 4 iVm § 10 Abs. 1 letzter Halbsatz
AsylG 2005 in der damals maßgeblichen Fassung keine Ausweisung zu
erlassen war.
11 Es liegt somit keine Konstellation gemäß § 44a Abs. 1 bzw. § 44b Abs. 1 Z 2 NAG in der Fassung vor BGBl. I Nr. 87/2012 vor, wonach eine Ausweisung des Drittstaatsangehörigen gemäß § 10 AsylG 2005 rechtskräftig auf Dauer für unzulässig bzw. bloß vorübergehend für unzulässig erklärt wurde, weil im asylrechtlichen Verfahren keine Prüfung gemäß Art. 8 EMRK erfolgte und zudem gemäß der Stellungnahme der Landespolizeidirektion Wien vom 16. Dezember 2013 aufenthaltsbeendende Maßnahmen gegen den Revisionswerber zulässig seien.
12 Die Feststellung, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Revisionswerbers gemäß § 8 Abs. 3a iVm § 9 Abs. 2 AsylG 2005 unzulässig sei, stand somit einer Interessenabwägung gemäß § 43 Abs. 3 Z 2 NAG in der Fassung vor BGBl. I Nr. 87/2012 nicht entgegen, sodass bereits aus diesem Grund keine Rechtsfrage, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, vorliegt (vgl. VwGH 27.4.2017, Ra 2017/12/0015).
13 An dieser Beurteilung ändert auch der Hinweis des Revisionswerbers auf die hg. Erkenntnisse vom 15. Oktober 2015, Ra 2015/21/0013, und vom 15. September 2016, Ra 2016/21/0234, nichts, zumal jeweils Gegenstand dieser Verfahren (u.a.) die Zulässigkeit einer Rückkehrentscheidung war. Weiters sind im Verfahren betreffend Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 43 Abs. 3 NAG in der Fassung vor BGBl. I Nr. 87/2012 weder Rechte aus der Flüchtlingskonvention noch nach Art. 2 und Art. 3 EMKR zu prüfen (vgl. VwGH 18.10.2012, 2012/22/0170).
14 Hingewiesen wird darauf, dass in der Folge einer Asylaberkennung nach § 9 Abs. 2 AsylG 2005 der Aufenthalt des Fremden im Bundesgebiet ex lege gemäß § 46a FPG geduldet ist, solange eine Abschiebung unzulässig ist (vgl. VwGH 26.4.2017, Ra 2017/19/0016, mwN).
15 Zum weiteren Revisionsvorbringen, wonach das Verwaltungsgericht im Hinblick auf die vorgenommene Interessenabwägung von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen sei, ist auszuführen, dass diese Abwägung nach Art. 8 EMRK im Allgemeinen nicht revisibel im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG ist (vgl. VwGH 21.2.2017, Ra 2016/22/0080, mwN) und die Revision nicht aufzeigt, dass die erfolgte Interessenabwägung des Verwaltungsgerichtes - nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung - im Hinblick auf die dargestellte Delinquenz des Revisionswerbers und die gesteigerte Intensität der Straftaten nicht im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde.
16 Die Revision war daher wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG - in einem gemäß § 12 Abs. 2 VwGG gebildeten Senat - gemäß § 34 Abs. 1 VwGG in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
Wien, am 22. Februar 2018
Schlagworte
Anzuwendendes Recht Maßgebende Rechtslage VwRallg2Maßgebende Rechtslage maßgebender Sachverhalt Beachtung einer Änderung der Rechtslage sowie neuer Tatsachen und BeweiseEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2018:RO2017220004.J00Im RIS seit
15.03.2018Zuletzt aktualisiert am
08.04.2019