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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);Norm
B-VG Art133 Abs4;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer sowie die Hofrätin Mag. Dr. Maurer-Kober und den Hofrat Dr. Sutter als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Wech, über die Revision des K T in P, vertreten durch Mag. Gerwald Holper, Rechtsanwalt in 7000 Eisenstadt, Hauptstraße 27, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 11. September 2017, Zl. W238 1424412- 1/43E, betreffend eine Asylangelegenheit (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Der Revisionswerber, ein afghanischer Staatsangehöriger, stellte am 8. Juli 2011 einen Antrag auf internationalen Schutz im Bundesgebiet.
2 Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 25. Jänner 2012 wurde der Antrag des Revisionswerbers gemäß §§ 3, 8 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005) abgewiesen (Spruchpunkte I. und II.) und der Revisionswerber gemäß § 10 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Afghanistan ausgewiesen (Spruchpunkt III.).
3 Gegen diesen Bescheid erhob der Revisionswerber am 9. Februar 2012 Beschwerde an den damals zuständigen Asylgerichtshof.
4 Mit Beschluss vom 27. Mai 2014 stellte das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) das Beschwerdeverfahren gemäß § 24 Abs. 2 erster Satz AsylG 2005 ein, da die Feststellung des maßgebenden Sachverhalts durch die Abwesenheit des Revisionswerbers nicht möglich sei.
5 Am 13. Mai 2016 wurde dem BVwG ein Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens übermittelt, in dem unter Vorlage einer Meldebestätigung begründend ausgeführt wurde, dass der Revisionswerber gemäß der Dublin-Verordnung nach Österreich rücküberstellt worden sei.
6 Mit verfahrensleitendem Beschluss des BVwG vom 17. Mai 2016 wurde das Verfahren daraufhin gemäß § 24 Abs. 2 zweiter Satz AsylG 2005 fortgesetzt.
7 Mit Beschluss des BVwG vom 14. Juni 2016 wurde der angefochtene Bescheid gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG aufgehoben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen. Die Revision wurde gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG für zulässig erklärt, da es an Rechtsprechung zur Frage fehle, ob auch eine gravierende Ermittlungslücke, die erst durch nach Bescheiderlassung eingetretene Rechts- oder Sachverhaltsänderungen oder hervorgekommene Beweismittel aufgetreten sei, zur Kassation nach § 28 Abs. 3 VwGVG ermächtige.
8 Mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 14. Dezember 2016, Ro 2016/19/0005, wurde der vom BFA im Rahmen einer ordentlichen Amtsrevision angefochtene Beschluss vom 14. Juni 2016 wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
9 Mit dem nunmehr angefochtenen Erkenntnis wies das BVwG im zweiten Rechtsgang nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung die Beschwerde hinsichtlich der Spruchpunkte I. und II. gemäß §§ 3 Abs. 1, 8 Abs. 1 AsylG 2005 als unbegründet ab und verwies das Verfahren gemäß § 75 Abs. 20 AsylG 2005 hinsichtlich des Spruchpunktes III. des angefochtenen Bescheides zur Prüfung der Zulässigkeit einer Rückkehrentscheidung an das BFA zurück (Spruchpunkte A I. und A II.). Die Revision wurde gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG für nicht zulässig erklärt (Spruchpunkt B).
10 Begründend führte das BVwG - zusammengefasst - aus, dass es dem Revisionswerber nicht gelungen sei, eine asylrelevante Verfolgung glaubhaft zu machen. Eine Rückkehr in die Herkunftsprovinz Laghman komme aufgrund der dortigen Sicherheitslage nicht in Frage, jedoch sei dem Revisionswerber eine Ansiedlung in der Stadt Kabul möglich und auch zumutbar. Dies, da es sich beim Revisionswerber um einen 29-jährigen Mann handle, welcher über eine schulische Ausbildung verfüge, arbeitsfähig sei und Sprachkenntnisse in Paschtu aufweise. Der Revisionswerber sei im Geschäft seines Vaters in Afghanistan für den Verkauf von Textilien zuständig gewesen und habe durch seine Einkünfte für den Lebensunterhalt seiner Frau und Kinder sorgen können. Außerdem habe er in Athen diverse Gelegenheitsarbeiten verrichtet und in Manchester als Bauarbeiter gearbeitet. Der Revisionswerber könne seine Existenz in Kabul - zumindest anfänglich - mit Hilfs- und Gelegenheitsarbeiten sichern, wobei er seine bisherigen Berufserfahrungen nutzen könne. Außerdem sei er in der Lage, in Kabul eine einfache Unterkunft zu finden, dies insbesondere, da er auch während seiner mehrjährigen Aufenthalte in Athen und Manchester trotz des dort jeweils illegalen Aufenthalts und der fehlenden Unterstützung durch Staat und Familie in der Lage gewesen sei, an Orten, deren Kultur und Sprache ihm völlig fremd gewesen seien, Beschäftigung und Unterkunft zu finden. In Kabul habe er zwar bislang nicht gelebt, er sei aber jedenfalls mit den kulturellen Gepflogenheiten seines Herkunftsstaates vertraut. Die Kernfamilie sowie die Ehefrau und die beiden Kinder des Revisionswerbers würden nach wie vor in Afghanistan leben; der Revisionswerber könne zumindest mit geringfügiger finanzieller Unterstützung durch seine Brüder rechnen, welche bereits mit ihren Einkünften u.a. seine Ehefrau und Kinder versorgten.
Hinsichtlich der Zurückverweisung des Verfahrens an das BFA zur Prüfung der Zulässigkeit einer Rückkehrentscheidung ging das BVwG davon aus, dass beim Revisionswerber keine besonders fortgeschrittene Integration vorliege. Berücksichtigt wurde diesbezüglich unter anderem die Aufenthaltsdauer von etwa drei Jahren, dass Ehefrau, Kinder, Eltern sowie Geschwister in Afghanistan leben würden, das Fehlen von Verwandten in Österreich, freundschaftliche Kontakte zu österreichischen Privatpersonen sowie vorhandene Deutschkenntnisse.
11 Gegen dieses Erkenntnis wendet sich die vorliegende außerordentliche Revision, die zu ihrer Zulässigkeit im Wesentlichen geltend macht, das BVwG habe seiner Entscheidung keine aktuellen Länderberichte zugrunde gelegt. Die Interpretation der Länderberichte durch das BVwG, wonach die Lage in Kabul sicher sei, sei völlig verfehlt, vielmehr gehe aus diesen hervor, dass die Sicherheit in Afghanistan nicht mehr gewährleistet sei, weshalb dem Revisionswerber zumindest subsidiärer Schutz zu gewähren gewesen wäre. Außerdem sei die Frage der Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung keiner adäquaten, aktuellen Beurteilung unterzogen worden. Die bloße "Zurückweisung" (gemeint: Zurückverweisung) an das BFA anstatt der Feststellung der dauerhaften Unzulässigkeit stelle einen Widerspruch zu Art. 8 EMRK dar.
Mit diesem Vorbringen wird die Zulässigkeit der Revision nicht dargetan:
12 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
13 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
14 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
15 Nach der ständigen hg. Rechtsprechung hat auch das BVwG seinem Erkenntnis die zum Entscheidungszeitpunkt aktuellen Länderberichte zugrunde zu legen. Eine Verletzung dieser Vorgabe stellt einen Verfahrensmangel dar. Es reicht jedoch nicht aus, die Außerachtlassung von Verfahrensvorschriften zu behaupten, ohne die Relevanz der genannten Verfahrensmängel, und zwar in konkreter Weise, darzulegen (vgl. VwGH 23.2.2016, Ra 2016/01/0012, mwN).
16 Da die Revision im vorliegenden Fall die Heranziehung veralteter Länderberichte beanstandet, ohne konkret darzulegen, welche aktuelleren Länderberichte vom BVwG heranzuziehen gewesen wären und inwieweit deren Berücksichtigung zu einem anderen Verfahrensergebnis hätte führen können, wird die Revision dieser Anforderung nicht gerecht.
17 Die vorliegende Revision vermag ebenso nicht darzutun, dass die Beurteilung des BVwG hinsichtlich der Nichtzuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten rechtswidrig wäre. Diesbezüglich begegnet insbesondere die Einschätzung des BVwG, der Revisionswerber finde aufgrund der aufgezeigten Umstände des Einzelfalls in der afghanischen Hauptstadt Kabul eine zumutbare innerstaatliche Fluchtalternative vor, im Ergebnis keinen Bedenken (vgl. zur insoweit einheitlichen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes und des Verfassungsgerichtshofes etwa VwGH 23.1.2018, Ra 2018/18/0001, VwGH 8.8.2017, Ra 2017/19/0118, mwN, und VfGH 12.12.2017, E 2068/2017, mwN).
18 Was schließlich den von der Revision in Zweifel gezogenen Ausspruch des BVwG, dass eine Rückkehrentscheidung in diesem Verfahren nicht auf Dauer unzulässig sei, anlangt, so zeigt die Revision nicht auf, dass die vom BVwG in diesem Rahmen im Einzelfall durchgeführte Interessenabwägung im Sinn des Art. 8 EMRK nicht auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage erfolgt oder nicht in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen worden sei, sodass sich diese als nicht revisibel erweist (vgl. VwGH 4.8.2016, Ra 2016/18/0123). Die Beurteilung des BVwG, wonach die Rückkehrentscheidung nicht auf Dauer unzulässig sei, ist auch nicht als rechtswidrig zu erkennen. Im fortgesetzten Verfahren erweisen sich die Abwägungen des BVwG hinsichtlich des Nichtvorliegens der dauerhaften Unzulässigkeit der Rückkehrentscheidung für das Bundesamt im Übrigen als nicht bindend.
19 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 22. Februar 2018
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2018:RA2017180386.L00.1Im RIS seit
15.03.2018Zuletzt aktualisiert am
16.03.2018