TE Lvwg Erkenntnis 2018/1/28 LVwG-2017/23/2688-12

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Veröffentlicht am 28.01.2018
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Entscheidungsdatum

28.01.2018

Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);

Norm

B-VG Art130 Abs1 Z2

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Tirol hat durch seinen Vizepräsidenten Dr. Larcher über die Beschwerde des AA, wohnhaft in Adresse 1, Z, gegen den Vollstreckungsbescheid des Stadtmagistrates Z jeweils am 27.11.2017, 13.11.2017 und 24.10.2017, betreffend eine Maßnahmenbeschwerde, nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung,

zu Recht erkannt:

1.   Die Beschwerde wird soweit sie sich auf eine behauptete Amtshandlung am 08.06.2017 bezieht als verspätet zurückgewiesen.

2.   Die Beschwerde gegen Amtshandlungen von Organen des Stadtmagistrates der Stadt Z vom 24.10.2017, 13.11.2017 und 27.11.2017 wird als unbegründet abgewiesen.

3.   Der Beschwerdeführer hat der belangten Behörde als obsiegender Partei deren Kostenaufwand bestehend aus Vorlageaufwand, Aufwand der Gegenschrift sowie für den Verhandlungsaufwand in der Gesamthöhe von Euro 887,20 binnen 14 Tagen zu ersetzten.

4.   Die ordentliche Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.       Verfahrensgang:

Mit Schriftsatz vom 28.11.2017 erhob A eine Maßnahmenbeschwerde gegen Vollstreckungsakte am 27.11.2017, 24.10.2017 und 08.06.2017. Nachdem sich dieser Maßnahmenbeschwerde jedoch kein konkreter Sachverhalt entnehmen ließ, wurde der Beschwerdeführer mit Mängelbehebungsauftrag vom 28.11.2017 (zugestellt am 01.12.2017) aufgefordert seine Maßnahmenbeschwerde zu verbessern, indem er die behaupteten Akte, durch die in seine Rechte eingegriffen worden sein soll konkretisiere.

Mit Schriftsatz vom 10.12.2017 teilte der Beschwerdeführer zusammengefasst mit, dass Organe der belangten Behörde widerrechtlich in seinen verschließbaren Wohnbereich eingedrungen seien. Weiters habe die Behörde mehrmals angedroht mit Gewalt in seine Wohnung einzudringen. Diese Maßnahmen stünden alle im Zusammenhang mit der Vollstreckung einer Verwaltungsstrafe. Aufgrund dieser verbesserten Maßnahmenbeschwerde wurde die belangte Behörde aufgefordert, die bezughabenden Verwaltungsakten vorzulegen und weiters wurde die Möglichkeit eingeräumt, eine Stellungnahme abzugeben. Hiervon machte die belangte Behörde gebrauch.

Aufgrund dieser Maßnahmenbeschwerde und der darin gestellten Beweisanträge fand eine öffentlich mündliche Verhandlung statt, zu der der Beschwerdeführer eigenhändig geladen wurde. Nachdem der Beschwerdeführer am Verhandlungstag verhindert war und dies rechtzeitig mitteilte, wurde die öffentlich mündliche Verhandlung schließlich auf den 28.01.2018 verlegt. Vor dieser öffentlich mündlichen Verhandlung brachte der Beschwerdeführer noch einen Befangenheitsantrag gegen den erkennenden Richter ein, blieb der öffentlich mündlichen Verhandlung jedoch selbst fern.

II.      Sachverhalt:

Unstrittig ist, dass gegen den Beschwerdeführer von der belangten Behörde ein Verwaltungsstrafverfahren aufgrund einer Verkehrsübertretung geführt wurde. Hierbei handelt es sich um das zu Zahl **** protokolierte Verwaltungsstrafverfahren. Nach Abschluss des Strafverfahrens versuchte die Behörde mehrfach die offene Geldstrafe zu betreiben. Hierzu versuchten mehrfach Organe der belangten Behörde mit dem Beschwerdeführer in Kontakt zu treten. Dies erfolgte durchwegs durch Hausbesuche bzw Email-Verkehr. Organe der belangten Behörde begaben sich insgesamt sechs Mal zur Adresse des Beschwerdeführers in der Adresse 1 in Z. Sie läuteten jeweils an der Haustüre und versuchten den Beschwerdeführer anzutreffen. Nachdem ihnen dies nicht gelang, hinterließen sie eine formularvordruckartige Vorladung im Hausbriefkasten bzw nachdem diese unbeantwortet blieben, wurden sie in weiterer Folge an der Wohnungstüre des Beschwerdeführers befestigt.

Ein direktes Gespräch zwischen einem Organ der Behörde und dem Beschwerdeführer hat es zu keinem Zeitpunkt gegeben. Es gab lediglich einen Email-Verkehr, allerdings führte dieser zu keinem weiteren Ergebnis.

Nicht festgestellt werden kann, dass Organe der belangten Behörde in den Wohnraum des Beschwerdeführers eingedrungen sind oder diesen im Zuge eines Gespräches oder einer sonstigen Konfrontation Maßnahmen angedroht oder in Aussicht gestellt haben.

III.     Beweiswürdigung:

Der vorliegende Sachverhalt ergibt sich aufgrund der von der belangten Behörde vorgelegten Verfahrensakten insbesondere der in den Akten einliegenden Durchschriften über die Zustellung von Vorladungen im Zuge der versuchten Vollstreckung der Verwaltungsstrafe.

Weiters wurden jene beiden Amtsexekutoren die mit der Betreibung dieser Geldstrafe betraut waren, als Zeugen einvernommen. Beide gaben an, zu keinem Zeitpunkt ein Gespräch mit dem Beschwerdeführer geführt zu haben und schlossen auch aus, dass andere Sachbearbeiter hierfür in Frage kämen.

Insofern ist für das Landesverwaltungsgericht Tirol festzustellen, dass die belangte Behörde gegen den Beschwerdeführer die Betreibung einer Verwaltungsstrafe betrieb, hierbei allerdings keinem durch Maßnahmenbeschwerde bekämpfbaren Akt setzte.

IV.      Rechtslage:

1.)      Die relevante Bestimmung des Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG), BGBl Nr 1/1930 in der für das gegenständliche Verfahren maßgeblichen Fassung BGBl I Nr 101/2014 lautet:

„Artikel 130

(1) Die Verwaltungsgerichte erkennen über Beschwerden

1.       gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit;

2.       gegen die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt wegen Rechtswidrigkeit;

3.       wegen Verletzung der Entscheidungspflicht durch eine Verwaltungsbehörde;

4.       gegen Weisungen gemäß Art. 81a Abs. 4.

(1a) Das Verwaltungsgericht des Bundes erkennt über die Anwendung von Zwangsmitteln gegenüber Auskunftspersonen eines Untersuchungsausschusses des Nationalrates nach Maßgabe des Bundesgesetzes über die Geschäftsordnung des Nationalrates.

(2) Durch Bundes- oder Landesgesetz können sonstige Zuständigkeiten der Verwaltungsgerichte zur Entscheidung über

1.       Beschwerden wegen Rechtswidrigkeit eines Verhaltens einer Verwaltungsbehörde in Vollziehung der Gesetze oder

2.       Beschwerden wegen Rechtswidrigkeit eines Verhaltens eines Auftraggebers in den Angelegenheiten des öffentlichen Auftragswesens oder

3.       Streitigkeiten in dienstrechtlichen Angelegenheiten der öffentlich Bediensteten

vorgesehen werden. In den Angelegenheiten der Vollziehung des Bundes, die nicht unmittelbar von Bundesbehörden besorgt werden, sowie in den Angelegenheiten der Art. 11, 12, 14 Abs. 2 und 3 und 14a Abs. 3 und 4 dürfen Bundesgesetze gemäß Z 1 nur mit Zustimmung der Länder kundgemacht werden.

(3) Außer in Verwaltungsstrafsachen und in den zur Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtes des Bundes für Finanzen gehörenden Rechtssachen liegt Rechtswidrigkeit nicht vor, soweit das Gesetz der Verwaltungsbehörde Ermessen einräumt und sie dieses im Sinne des Gesetzes geübt hat.

(4) Über Beschwerden gemäß Abs. 1 Z 1 in Verwaltungsstrafsachen hat das Verwaltungsgericht in der Sache selbst zu entscheiden. Über Beschwerden gemäß Abs. 1 Z 1 in sonstigen Rechtssachen hat das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn

1.       der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder

2.       die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

(5) Von der Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte ausgeschlossen sind Rechtssachen, die zur Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte oder des Verfassungsgerichtshofes gehören sofern nicht in diesem Gesetz anderes bestimmt ist.“

V.       Erwägungen:

a.       Zur Zurückweisung

Gemäß § 7 Abs 4 VwGVG beträgt die Frist zur Erhebung einer Beschwerde gegen die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt gemäß Art 130 Abs 1 Z 2 B-VG sechs Wochen. Sie beginnt in den Fällen des Art 132 Abs 2 B-VG mit dem Zeitpunkt, in dem die Betroffene Kenntnis von der Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt erlangt hat.

Im gegenständlichen Fall wurde die beschwerte Maßnahme am 08.06.2017 gesetzt und somit hat die Frist zur Erhebung einer Beschwerde an diesem Tag begonnen und betrug sechs Wochen.

Gemäß § 32 Abs 2 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG) enden nach Wochen bestimmte Fristen mit dem Ablauf desjenigen Tages der letzten Woche, der durch seine Benennung dem Tag entspricht, an dem die Frist begonnen hat. Im vorliegenden Fall hat die Frist demgemäß am Donnerstag, dem 08.06.2017, begonnen und mit Ablauf des 20.06.2017 geendet.

Die Beschwerde wurde allerdings erst am 28.11.2017 beim Landesverwaltungsgericht Tirol eingebracht und war somit verspätet.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden und die Beschwerde soweit sie sich auf eine Amtshandlung am 08.06.2017 bezog als verspätet zurückzuweisen.

b.       Zur Abweisung

Nach der vorwiegend zu Art 129a Abs 1 Z 2 B-VG (vor der Novelle BGBl I Nr 51/2012) in Verbindung mit § 67a Abs1 Z 2 AVG (vor der Novelle BGBl I Nr 33/2013) ergangenen und nach wie vor maßgeblichen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes liegt die Ausübung unmittelbarer behördlicher Befehlsgewalt und Zwangsgewalt dann vor, wenn Verwaltungsorgane im Rahmen der Hoheitsverwaltung einseitig gegen individuell bestimmte Adressaten einen Befehl erteilen oder Zwang ausüben und damit unmittelbar - dh ohne vorangegangenen Bescheid - in subjektive Rechte des Betroffenen eingreifen. Das ist im Allgemeinen dann der Fall, wenn physischer Zwang ausgeübt wird oder die unmittelbare Ausübung physischen Zwanges bei Nichtbefolgung eines Befehls droht. Es muss ein Verhalten vorliegen, das als "Zwangsgewalt", zumindest aber als - spezifisch verstandene - Ausübung von "Befehlsgewalt" gedeutet werden kann.

Als unverzichtbares Merkmal eines Verwaltungsaktes in der Form eines Befehls gilt, dass dem Befehlsadressaten eine bei Nichtbefolgung unverzüglich einsetzende physische Sanktion angedroht wird. Liegt ein Befolgungsanspruch aus einer solchen, dem Befehlsadressaten bei Nichtbefolgung des Befehls unverzüglich drohenden physischen Sanktion (objektiv) nicht vor, so kommt es darauf an, ob bei objektiver Betrachtungsweise aus dem Blickwinkel des Betroffenen bei Beurteilung des behördlichen Vorgehens in seiner Gesamtheit der Eindruck entstehen musste, dass bei Nichtbefolgung der behördlichen Anordnung mit ihrer unmittelbaren zwangsweisen Durchsetzung zu rechnen ist (vgl VwGH 29.09.2009, 2008/18/0687, mit weiteren Nachweisen, VwGH 15.12.2014, 2011/17/0333).

Stellt sich beispielsweise wie im hier vorliegenden Sachverhalt eine Vorladung unter voller Berücksichtigung aller Begleitumstände nur als Aufforderung dar, die der Adressat nach eigenem Gutdünken unerfüllt lassen kann, ohne dabei Gefahr zu laufen dass er deshalb „unverzüglich (unmittelbar) – das ist jedenfalls ohne Dazwischentreten weiterer Verwaltungsakte physischem (Polizei-)Zwang unterworfen werde“ (vgl VwSlg 10.870 A/1982, 14.262A/1997, VfSlg 11.568/1987), um den gewünschten Zustand herzustellen, so entbehrt die entsprechende, „den Charakter eines schlichten Ansinnens tragende formlose Enuntiation“ des zwingend erforderlichen individuell-normativen Inhalts (vgl dazu Hengstschläger-Leeb, AVG Kommentar, 3. Teilband, Wien 2007, S 1013f, weiters VfSlg 12.791/1991, VwGH 28.10. 2003, 2001/11/0162 uva).

Im Ergebnis war daher die vom Beschwerdeführer erhobene Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

Im Übrigen ist nach darauf hinzuweisen, dass nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs die Maßnahmenbeschwerde einen bloß subsidiären Rechtsbehelf darstellt, der nur insoweit zum Tragen kommt, als Rechtsschutz nicht durch sonstige Rechtmittel erlangt werden kann. Was in einem anderen Rechtsschutzverfahren ausgetragen werden kann, kann daher nach dieser Rechtsprechung nicht Gegenstand einer Maßnahmenbeschwerde sein (vgl VwGH 15.06.1999, 99/05/0072). Der Rechtsbehelf der Beschwerde gegen die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt dient lediglich dem Zweck, eine Lücke im Rechtsschutzsystem zu schließen. Nicht aber sollten mit dieser Beschwerde Zweigleisigkeiten für die Verfolgung ein und desselben Rechtes geschaffen werden. Es kann daher, was in einem Verfahren ausgetragen werden kann, nicht Gegenstand einer derartigen Maßnahmenbeschwerde sein (VwGH vom 17.04.1998, Zl 98/04/005). Insofern ist in Hinblick auf das dem hier festgestellten Sachverhalt zugrundeliegende Verfahren, in dem es um die Vollstreckung einer Verwaltungsstrafe geht auf die Rechtsschutzmöglichkeiten des Verwaltungsstrafverfahrens zu verweisen.

VI.      Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen diese Entscheidung kann binnen sechs Wochen ab der Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, Freyung 8, 1010 Wien, oder außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist direkt bei diesem, die außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist beim Landesverwaltungsgericht Tirol einzubringen.

Die genannten Rechtsmittel sind von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw einer bevollmächtigten Rechtsanwältin abzufassen und einzubringen, und es ist eine Eingabegebühr von Euro 240,00 zu entrichten.

Es besteht die Möglichkeit, auf die Revision beim Verwaltungsgerichtshof und die Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof zu verzichten. Ein solcher Verzicht hat zur Folge, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof und eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof nicht mehr erhoben werden können.

Landesverwaltungsgericht Tirol

Dr. Larcher

(Vizepräsident)

Schlagworte

Verspätung; keine Zwangsgewalt;

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGTI:2018:LVwG.2017.23.2688.12

Zuletzt aktualisiert am

13.03.2018
Quelle: Landesverwaltungsgericht Tirol LVwg Tirol, https://www.lvwg-tirol.gv.at
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