Entscheidungsdatum
29.01.2018Index
40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
VStG §3 Abs1Text
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Landesverwaltungsgericht Tirol erkennt durch seine Richterin Mag.a Dr.in Strele über die Beschwerde des AA, wohnhaft in Adresse 1, Z, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Z vom 21.06.2017, Zl ****, betreffend Übertretungen nach der Straßenverkehrsordnung 1960 und dem Führerscheingesetz, nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung,
zu Recht:
1. Der Beschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.
2. Die ordentliche Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
I. Verfahrensgang:
Mit Anzeige der PI Z vom 07.02.2017, Zl ****, wurde dem Beschwerdeführer die Verwaltungsübertretung nach § 99 Abs 1 lit b iVm § 5 Abs 2 StVO zur Last gelegt.
Am 22.02.2017 erfolgte die Vernehmung des Beschwerdeführers, am 01.03.2017 die Vernehmung des Zeugen GI BB und am 06.03.2017 die Vernehmung des Zeugen BI CC durch die BH Z.
Mit Straferkenntnis der BH Z, Abteilung Verkehr und Kraftwesen, vom 21.06.2017, zugestellt durch Hinterlegung am 03.07.2017, wurde dem Beschwerdeführer vorgeworfen, er habe sich am 04.02.2017 um 22:38 Uhr in Z, Adresse 2, nach Aufforderung durch ein besonders geschultes Organ und von der Behörde hiezu ermächtigten Organs der Straßenaufsicht geweigert, seine Atemluft auf Alkoholgehalt untersuchen zu lassen. Es habe die Vermutung bestanden, dass er zum angeführten Zeitpunkt am angeführten Ort das Fahrzeug PKW **** in einem vermutlich durch Alkohol beeinträchtigten Zustand gelenkt habe. Weiters habe er das angeführte Kraftfahrzeug auf einer Straße mit öffentlichem Verkehr gelenkt, obwohl er nicht im Besitze einer von der Behörde erteilten gültigen Lenkerberechtigung gewesen sei. Er habe dadurch die Rechtsvorschriften § 99 Abs 1 lit b iVm § 5 Abs 2 StVO und § 37 Abs 1 iVm § 1 Abs 3 FSG verletzt. Aufgrund dieser Verwaltungsübertretungen wurden über den Beschwerdeführer folgende Strafen verhängt:
Geldstrafe (€)
1. 1.600,00
2. 400,00
Gemäß
§ 37 Abs 1 iVm § 37 Abs 3 Z 1 FSG
Ersatzfreiheitsstrafe
14 Tage
168 Stunden
Die Kosten des Verfahrens wurden mit EUR 200,00 bestimmt.
Am 26.07.2017 erhob der Beschwerdeführer fristgerecht gegen Straferkenntnis der BH Z Beschwerde und beantragte die Herabsetzung des Strafbetrages. Im Wesentlichen brachte der Beschwerdeführer vor, die Angaben der vernommenen Polizeibeamten seien nicht wahrheitskonform. Sie haben auch keinen Zeugen vorweisen können, der den Beschwerdeführer angeblich beim Lenken des Fahrzeuges beobachtet haben soll. Auch sei es nicht richtig, dass die Beamten den Fahrzeugschlüssel in seinen Briefkasten geworfen haben.
Am 31.07.2017 legte die BH Z den Akt unter Verzicht auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung dem Landesverwaltungsgericht Tirol zur Entscheidung vor.
Am 06.12.2017 wurde vor dem Landesverwaltungsgericht Tirol eine mündliche Verhandlung durchgeführt, in welcher der Zeuge BI CC einvernommen wurde. Der Beschwerdeführer erschien nicht zur Verhandlung. Er übermittelte jedoch am 04.12.2017 Krankenunterlagen von Dr. med. univ. DD, Facharzt für Psychiatrie und Neurologie sowie eine Arbeitsunfähigkeitsbestätigung.
Mit Schriftsatz vom 10.01.2018 ersuchte das Landesverwaltungsgericht Tirol Dr. EE MSc um eine gutachterliche Stellungnahme bezüglich der Zurechnungsfähigkeit des Beschwerdeführers zum Tatzeitpunkt. Am 18.01.2017 erfolgte schließlich die gutachterliche Stellungnahme.
II. Sachverhalt:
Ein Fahrzeuglenker hatte bei der Polizeiinspektion Z telefonisch gemeldet, dass ein offensichtlich stark alkoholisierter Fahrzeuglenker von der Shell-Tankstelle in Richtung Ortszentrum Z wegfahren wolle.
Die S-Streife Z, mit dem Beamten CC und BB traf kurz darauf an der Tankstelle ein. Sie stellten fest, dass der Beschwerdeführer aus einer Parklücke der Tankstelle rückwärts ausgeparkt hatte und soeben im Begriff war, die X-Straße in Richtung Ortszentrum Z zu befahren. Dies wurde durch Querstellen des Dienstfahrzeuges verhindert.
Beim Beschwerdeführer wurden Alkoholisierungsymptome festgestellt. Dieser war beim Aussteigen aus dem PKW beinahe gestürzt, er hatte eine lallende Sprache und starken Alkoholgeruch. Der Beschwerdeführer wurde von BI CC zur Durchführung eines Alkovortests aufgefordert, welchen er verweigerte. In weiterer Folge wurde er zur Durchführung einer Atemluftalkoholuntersuchung aufgefordert, welche er ebenfalls mehrfach verweigerte, obwohl in die Beamten über die Folgen einer Verweigerung aufgeklärt hatte.
Der Beschwerdeführer besitzt keinen Führerschein. Für den Beschwerdeführer ist kein Sachwalter bestellt.
Beim Beschwerdeführer ist eine mittelgradige Intelligenzminderung mit eingeschränkter Dispositionsfähigkeit und Diskretionsfähigkeit und ein Alkohol- und Suchtmittelmissbrauch diagnostiziert. Zur Tatzeit war der Beschwerdeführer nicht in der Lage, in das Vergehen, sein Verhalten und den sich daraus ergebenden Konsequenzen einzusehen.
III. Beweiswürdigung:
An Beweisen wurden aufgenommen: Anzeige der PI Z; Beschuldigtenvernehmung vom 22.02.2017; Zeugenvernehmung vom 01.03.2017; Zeugenvernehmung vom 06.03.201; Mitteilung BG Z vom 03.05.2017; Stellungnahme vom 03.05.2017; Zeugenvernehmung vom 06.12.2017; Krankenunterlagen; Gutachten Dr. EE MSc vom 18.01.2018.
Die Feststellungen zur Tatbegehung konnten den Angaben der einvernommenen Zeugen entnommen werden. Hinweise, die auf eine nicht wahrheitskonforme Schilderung der Tat deuten würden, sind nicht vorhanden.
Der Umstand, dass der Beschwerdeführer keinen Führerschein besitzt, wurde seiner eigenen Aussage im verwaltungsbehördlichen Verfahren entnommen. Aus der Mitteilung des Bezirksgerichtes Z ist ersichtlich, dass für den Beschwerdeführer kein Sachwalter bestellt ist.
Der festgestellte Gesundheitszustand der Beschwerdeführers sowie die Unfähigkeit zur Einsicht ergibt sich aus dem Gutachten des Dr. EE MSc, welches die vom Landesverwaltungsgericht Tirol gestellte Frage zur Zurechnungsfähigkeit vollständig, nachvollziehbar und schlüssig unter Heranziehung der der vorhandenen Krankenunterlagen beantworten konnte.
IV. Rechtslage:
Gemäß § 38 VwGVG sind auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG in Verwaltungsstrafsachen die Bestimmungen des Verwaltungsstrafgesetzes 1991 – VStG, BGBl. Nr. 52/1991, mit Ausnahme des 5. Abschnittes des II. Teiles, und des Finanzstrafgesetzes – FinStrG, BGBl. Nr. 129/1958, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist.
Gemäß § 45 Abs 1 Z 1 VStG hat die Behörde von der Einleitung oder Fortführung eines Strafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu verfügen, wenn der Beschuldigte die ihm zur Last gelegte Verwaltungsübertretung nicht begangen hat oder Umstände vorliegen, die die Strafbarkeit aufheben oder ausschließen.
Gemäß § 3 Abs 1 VStG ist nicht strafbar, wer zur Zeit der Tat wegen Bewusstseinsstörung, wegen krankhafter Störung der Geistestätigkeit oder wegen Geistesschwäche unfähig war, das Unerlaubte der Tat einzusehen oder dieser Einsicht gemäß zu handeln (Zurechnungsfähigkeit)
V. Erwägungen:
Aufgrund der bestehenden Intelligenzminderung in Kombination mit massiver Beeinträchtigung durch Alkohol und/oder Suchtmittel ist davon auszugehen, dass zum Tatzeitpunkt am 04.02.2017 um 22:30 Uhr nur eine stark eingeschränkte Dispositionsfähigkeit und Diskretionsfähigkeit beim Beschwerdeführer gegeben war, die keine Einsicht in das Vergehen, sein Verhalten und den sich daraus ergebenden Konsequenzen erwarten lässt. Somit ist von einer Zurechnungsunfähigkeit des Beschwerdeführers zur Zeit der Tat auszugehen. Die Strafbarkeit ist daher ausgeschlossen.
VI. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:
Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g
Gegen diese Entscheidung kann binnen sechs Wochen ab der Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, Freyung 8, 1010 Wien, oder außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist direkt bei diesem, die außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist beim Landesverwaltungsgericht Tirol einzubringen.
Die genannten Rechtsmittel sind von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw einer bevollmächtigten Rechtsanwältin abzufassen und einzubringen, und es ist eine Eingabegebühr von Euro 240,00 zu entrichten.
Landesverwaltungsgericht Tirol
Mag.a Dr.in Strele
(Richterin)
Schlagworte
Zurechnungsunfähigkeit;European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGTI:2018:LVwG.2017.13.1812.6Zuletzt aktualisiert am
13.03.2018