TE Lvwg Erkenntnis 2018/2/18 LVwG-2017/23/2504-18

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Veröffentlicht am 18.02.2018
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Entscheidungsdatum

18.02.2018

Index

25/01 Strafprozess;
25/02 Strafvollzug;

Norm

StPO 1975 §117
StPO 1975 §120
StVG §106

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Tirol hat durch seinen Vizepräsidenten Dr. Larcher über die Beschwerde des AA, geb. xx.xx.xxxx, vertreten durch Rechtsanwalt BB, Adresse 1, Z, gegen die Bezirkshauptmannschaft Y als belangte Behörde wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt am 04.10.2017 gegen 21:18 Uhr, nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung,

zu Recht erkannt:

1.       Gemäß § 28 Abs 6 VwGVG wird die Maßnahmenbeschwerde als unbegründet abgewiesen.

2.       Die ordentliche Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.       Verfahrensgang:

Mit Schriftsatz vom 01.11.2017 erhob AA, geb. am xx.xx.xxxx, vertreten durch Rechtsanwalt BB, binnen offener Frist eine Maßnahmenbeschwerde gemäß Art 132 Abs 2 B-VG iVm §§ 7 ff VwGVG gegen die Landespolizeidirektion Tirol (richtigerweise: Bezirkshauptmannschaft Y) als belangte Behörde und brachte darin im Wesentlichen vor wie folgt:

Beschwerdegegenständlich sei das Verwaltungshandeln von GI C der PI Y am 04.10.2017, welcher sich bei der Festnahme, Beschuldigtenvernehmung und an der Einlieferung des Beschwerdeführers in die Justizanstalt Z persönlich beteiligt habe, obwohl GI C ein persönlicher Gläubiger des Beschwerdeführers aufgrund einer Schmerzensgeld- und Verdienstentgangforderung sei und der Beschwerdeführer rechtskräftig wegen Beamtenbeleidigung begangen an GI C verurteilt worden sei. Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinem Recht verletzt, dass gegen ihn hoheitliche Maßnahmen nicht ohne gesetzliche Grundlage von befangenen Beamten bzw Beamten, die aufgrund ihrer persönlichen Gläubigereigenschaft den Anschein der Befangenheit wecken, durchgeführt werden, sowie in seinem Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter.

Der Landespolizeidirektion Tirol bzw ihren Organwaltern der PI Y seien die persönlichen Verhältnisse zwischen GI C und dem Beschwerdeführer bekannt bzw hätte GI C als Organ der PI Y die Pflicht gehabt, seine Gläubiger- und Opfereigenschaft gegenüber seinem Vorgesetzten offen zu legen und sich für den Einsatz am 04.10.2017 für befangen zu erklären.

Aus diesem Grund wurde gestellt der Antrag, das Landesverwaltungsgericht wolle nach mündlicher Verhandlung feststellen, dass der Beschwerdeführer durch die Mitwirkung befangener bzw wegen des Anscheines der Befangenheit von der Amtshandlung auszuschließender Polizeiorgane an seiner Festnahme, Vernehmung und Einlieferung in die Justizanstalt Z am 04.10.2017 in seinen Rechten, insbesondere in seinem Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt wurde, und die belangte Behörde zur Zahlung der Kosten des Verfahrens verurteilen.

Aufgrund dieses Beschwerdevorbringens wurde der belangten Behörde die Aktenvorlage aufgetragen und die Möglichkeit zur Stellungnahme eingeräumt. Die Aktenvorlage erfolgte erst nach mehrfacher Urgenz und die belangte Behörde legte weder eine Gegenschrift noch ein Kostenverzeichnis vor.

Am 24.01.2018 und 07.02.2018 fand am Landesverwaltungsgericht Tirol eine öffentliche mündliche Verhandlung statt, anlässlich derer der Beschwerdeführer, GI CC, BI DD und Inspektor EE einvernommen wurden.

II.      Sachverhalt:

AA, geb am xx.xx.xxxx, verbüßte am 04.10.2017 im Anschlussvollzug eine Primärarreststrafe in der Justizanstalt Z und war es dem Beschwerdeführer am besagten Tag erlaubt, im Zeitraum von 07:00 Uhr bis 19:00 Uhr die Justizanstalt zu verlassen.

Der Beschwerdeführer stand im Verdacht am Abend des 4.10.2017, vor Dienstantritt des GI C, als Fahrzeuglenker ein Anhaltezeichen missachtet zu haben und mit stark beschleunigender Geschwindigkeit direkt auf einen Polizeibeamten zugefahren zu sein, wobei sich dieser durch einen Sprung zur Seite in Sicherheit brachte. Jener Polizeibeamte identifizierte den Beschwerdeführer als Lenker des Fahrzeuges.

GI C trat am 04.10.2017 um 20:00 Uhr seinen Dienst an. Sein Kollege F informierte ihn über den Vorfall mit dem Beschwerdeführer. Der Beschwerdeführer war GI C bereits von diversen Amtshandlungen bekannt. Der Beschwerdeführer ist bei seinen letzten drei Begegnungen mit GI C jeweils von ihm festgenommen worden. Zudem kam es bei einer Festnahme im Jahr 2015, bei der der Beschwerdeführer Widerstand gegen die Amtshandlung geleistet hatte, zu einer Verletzung des GI C im Zuge dieser Amtshandlung, da er über die Stiege stürzte. Der Beschwerdeführer wurde deshalb zur Zahlung eines Schmerzensgeldes in der Höhe von € 4.000,-- verurteilt.

GI C nahm aufgrund der Kenntnis über den genannten Vorfall telefonischen Kontakt mit dem diensthabenden Wachkommandanten der Justizanstalt Z auf. Dieser berichtete, dass der Beschwerdeführer zum damaligen Zeitpunkt in der Justizanstalt Z im Anschlussvollzug eine verwaltungsrechtliche Primärarreststrafe verbüßte und nach seinem Arbeitsausgang bis 19:00 Uhr nicht in die Justizanstalt zurückgekehrt war. Der Wachkommandant ordnete die Festnahme des Beschwerdeführers sowie dessen Zurückbringung in die Justizanstalt an.

Am 04.10.2017 waren ab 20:00 Uhr lediglich zwei Journaldienstbeamte in der Dienststelle der PI Y sowie GI C, BI D und der damalige Aspirant Inspektor E als Sektorstreife im Außendienst verfügbar.

GI C fuhr daraufhin mit BI D und Inspektor E zur Wohnadresse der Eltern des Beschwerdeführers in X, Adresse 2. Die Beamten gingen um das Mehrparteienhaus. Inspektor E bemerkte in einer Wohnung brennendes Licht und eine sich darin aufhaltende Person, die sich versteckte. Aufgrund der Beschreibung der Person durch Inspektor E konnte die Person eindeutig als der Beschwerdeführer identifiziert werden. GI C und BI D kannten den Beschwerdeführer bereits von diversen früheren Amtshandlungen und war seine Identität daher klar. Die Beamten sprachen den Beschwerdeführer daraufhin direkt an und sagten zu ihm, dass er festgenommen sei und er deshalb die Türe öffnen möge. Der Beschwerdeführer öffnete so dann die Terrassentüre, woraufhin die Beamten die Wohnung betreten konnten.

GI C brachte den Beschwerdeführer mit Körperkraftanwendung mittels Armstreckhebel kontrolliert zu Boden und belehrte ihn über die Festnahme. Der Beschwerdeführer wehrte sich nicht gegen die Festnahme. Die Beamten fixierten den Beschwerdeführer in Bauchlage am Boden und legten GI C gemeinsam mit BI D dem Beschwerdeführer die Handfesseln am Rücken an. Sie durchsuchten den Beschwerdeführer, wobei keine gefährlichen Gegenstände gefunden werden konnten.

Die Beamten nahmen starken Cannabisgeruch in der Wohnung des Beschwerdeführers wahr, weshalb BI D im Zuge einer Nachschau im Schlafzimmer des Beschwerdeführers 1,67 g Cannabiskraut und drei Mobiltelefone samt Sim-Karten vorfand und sicherstellte. GI C und Inspektor E blieben während der gesamten Zeit beim Beschwerdeführer.

Die Beamten verließen gemeinsam mit dem Beschwerdeführer dessen Wohnung abermals über die Terrassentüre, da der Beschwerdeführer keinen Wohnungsschlüssel besaß und fuhren mit ihm zur PI Y. Auf der PI Y wurde der Beschwerdeführer in den Arbeitsbereich gebracht und von BI D einvernommen und von ihr nochmals belehrt. GI C war zeitweise bei der Einvernahme anwesend beteiligte sich an dieser jedoch nicht. Die Einvernahme dauerte insgesamt nicht lange, da der Beschwerdeführer jegliche Aussage verweigerte.

Nach Erstellung des Anhalteprotokolls fuhren die Beamten weiter in die Justizanstalt Z und übergaben den Beschwerdeführer um 23:30 Uhr den dortigen Beamten.

Es kann nicht festgestellt werden, dass wie vom Beschwerdeführer in der öffentlichen mündlichen Verhandlung vor dem Landesverwaltungsgericht Tirol behauptet wurde, GI C dem Beschwerdeführer, während dieser bereits mit Handfesseln fixiert am Boden lag, zwei Tritte zwischen Bauch und Rippen versetzt hatte. GI C war zu keiner Zeit mit dem Beschwerdeführer alleine.

Weiters kann auch kein Gespräch zwischen dem Beschwerdeführer und GI C festgestellt werden. GI C sprach zwar die Festnahme aus, aber alle weiteren Kommunikationen zwischen dem Beschwerdeführer und den Polizeibeamten wurden von Asp E oder BI D geführt.

III.     Beweiswürdigung:

Zu den oben genannten Feststellungen gelangte das erkennende Gericht aufgrund der von den Parteien vorgelegten Schriftsätze, Unterlagen sowie der Parteieneinvernahme und der Einvernahme der genannten Zeugen.

Unstrittig sind die Feststellungen hinsichtlich Ort und Zeit der Amtshandlung. Weiters ist unstrittig, dass der Beschwerdeführer am besagten Tag einen Anschlussvollzug verbüßte und von 07:00 Uhr bis 19:00 Uhr Arbeitsausgang hatte, wobei er nicht rechtzeitig wieder in die Justizanstalt zurückkehrte. Den Umstand, dass sich der Beschwerdeführer und GI C bereits von früheren Amtshandlungen, insbesondere von Festnahmen des Beschwerdeführers durch GI C im Jahr 2015, 2016 und der letzten am 04.10.2017, bestritt keiner der beiden.

Der weitere Ablauf der Amtshandlung wurde vom Beschwerdeführer und den Zeugen im Wesentlichen übereinstimmend geschildert.

Außer Streit steht die Tatsache, dass am 04.10.2017 in der PI Y lediglich GI C, BI D und der damalige Aspirant Inspektor E als Sektorstreife eingeteilt waren und keine weiteren Beamten, außer zwei Journaldienstbeamten, bei der PI Y ihren Dienst verrichteten.

Eine Negativfeststellung war hinsichtlich der Behauptung, GI C hätte während der Amtshandlung den Beschwerdeführer, nachdem dieser bereits in Handfesseln in Bauchlage am Boden lag, zweimal zwischen Bauch und Rippen getreten, zu treffen. Zunächst ist festzuhalten, dass der Beschwerdeführer diese Behauptung erst in der mündlichen Verhandlung am 24.01.2018 vorbrachte, in seiner Beschwerde vom 01.11.2017 jedoch nichts dergleichen erwähnte. Weiters gaben BI D und Inspektor E übereinstimmend an, dass GI C zu keinem Zeitpunkt mit dem Beschwerdeführer alleine gewesen sei und sie daher ausschließen können, dass GI C den Beschwerdeführer zweimal getreten habe. Die Behauptung des Beschwerdeführers erscheint dem Landesverwaltungsgericht nicht glaubwürdig, zumal er diese bereits in seiner Beschwerde aufstellen hätte können.

Was das von dem Beschwerdeführer behauptete Ergreifen an der Schulter und Zubodenwerfen durch GI C betrifft, so erwecken seine Angaben – vergleicht man sie mit jenen der eingeschrittenen Polizeibeamten – nur den Eindruck einer besonders drastischen Schilderung desselben Sachverhaltes, nämlich dass der Beschwerdeführer aus präventiven Gründen zum Zwecke der Eigensicherheit kontrolliert zu Boden gebracht wurde, um seine Hände am Rücken schließen und die Handfesseln anlegen zu können.

Zur Einvernahme des Beschwerdeführers bei der Dienststelle der PI Y folgt das Gericht den übereinstimmenden Angaben der Zeugen GI C, BI D und Inspektor E, wonach BI D die Einvernahme des Beschwerdeführers vorgenommen habe und immer ein zweiter Beamter, entweder GI C, Inspektor E oder ein Journaldienstbeamter der PI anwesend gewesen sei.

IV.      Rechtslage:

Die hier relevanten Bestimmungen der Strafprozessordnung (StPO), BGBl Nr 631/1975 idF BGBl I Nr 117/2017, lauten samt Überschrift wie folgt:

„Identitätsfeststellung, Durchsuchung von Orten und Gegenständen, Durchsuchung von Personen, körperliche Untersuchung und molekulargenetische Untersuchung

Definitionen

§ 117

Im Sinne dieses Gesetzes ist

[…]

2.

„Durchsuchung von Orten und Gegenständen“ das Durchsuchen

a.

eines nicht allgemein zugänglichen Grundstückes, Raumes, Fahrzeuges oder Behältnisses,

b.

einer Wohnung oder eines anderen Ortes, der durch das Hausrecht geschützt ist, und darin befindlicher Gegenstände,

3.

„Durchsuchung einer Person“

a.

die Durchsuchung der Bekleidung einer Person und der Gegenstände, die sie bei sich hat,

b.

die Besichtigung des unbekleideten Körpers einer Person,

[…]“

„Durchsuchung von Orten und Gegenständen sowie von Personen

§ 119

(1) Durchsuchung von Orten und Gegenständen (§ 117 Z 2) ist zulässig, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, dass sich dort eine Person verbirgt, die einer Straftat verdächtig ist, oder Gegenstände oder Spuren befinden, die sicherzustellen oder auszuwerten sind.

(2) Durchsuchung einer Person (§ 117 Z 3) ist zulässig, wenn diese

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

1.

festgenommen oder auf frischer Tat betreten wurde,

2.

einer Straftat verdächtig ist und auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, dass sie Gegenstände, die der Sicherstellung unterliegen, bei sich oder Spuren an sich habe,

3.

durch eine Straftat Verletzungen erlitten oder andere Veränderungen am Körper erfahren haben könnte, deren Feststellung für Zwecke eines Strafverfahrens erforderlich ist.“

„§ 120

(1) Durchsuchungen von Orten und Gegenständen nach § 117 Z 2 lit. b und von Personen nach § 117 Z 3 lit. b sind von der Staatsanwaltschaft auf Grund einer gerichtlichen Bewilligung anzuordnen; bei Gefahr im Verzug ist die Kriminalpolizei allerdings berechtigt, diese Durchsuchungen vorläufig ohne Anordnung und Bewilligung vorzunehmen. Gleiches gilt in den Fällen des § 170 Abs. 1 Z 1 für die Durchsuchung von Personen nach § 117 Z 3 lit. b. Das Opfer darf jedoch in keinem Fall dazu gezwungen werden, sich gegen seinen Willen durchsuchen zu lassen (§§ 119 Abs. 2 Z 3 und 121 Abs. 1 letzter Satz).

(2) Durchsuchungen nach § 117 Z 2 lit. a und nach § 117 Z 3 lit. a kann die Kriminalpolizei von sich aus durchführen.“

Die hier relevanten Bestimmungen des Strafvollzugsgesetzes (StVG), BGBl Nr 144/1969 idF BGBl I Nr 26/2016, lautet samt Überschrift wie folgt:

„Flucht

§ 106

(1) Ein Strafgefangener, der flüchtet, ist, soweit dies ohne Vernachlässigung der Aufsicht über andere Strafgefangene geschehen kann, unverzüglich und nachdrücklich zu verfolgen und wieder einzubringen. Die Strafvollzugsbediensteten sind ermächtigt, im Zuge der Nacheile Grundstücke und Räume zu betreten, sofern dies zur Wiedereinbringung des flüchtenden Strafgefangenen erforderlich ist, sowie Grundstücke, Räume und Kraftfahrzeuge nach dem flüchtenden Strafgefangenen zu durchsuchen, sofern auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, daß dieser sich dort aufhält. Für Durchsuchungen gelten die Bestimmungen der §§ 122 Abs. 3“ sowie 121 Abs. 2 und 3 sinngemäß. Auch beim Betreten von Grundstücken und Räumen haben die Strafvollzugsbediensteten mit Vermeidung unnötigen Aufsehens, jeder nicht unumgänglich nötigen Belästigung oder Störung betroffener Personen sowie mit möglichster Schonung ihres Rufes vorzugehen.

(2) Kann man eines geflohenen Strafgefangenen nicht sogleich habhaft werden, so hat der Anstaltsleiter im Wege der nächsten Sicherheitsbehörde oder -dienststelle die Fahndung zu erwirken und rechtzeitig die Ausschreibung zur Festnahme zu beantragen.

(3) Der unmittelbar aufsichtführende Strafvollzugsbedienstete hat jeden Fall einer gelungenen oder versuchten Flucht unverzüglich dem Anstaltsleiter zu melden. Dieser hat den Fall zu untersuchen. Die Untersuchung hat sich insbesondere auch darauf zu erstrecken, ob die Flucht durch ein pflichtwidriges Verhalten einer im Strafvollzug tätigen Person oder durch Mängel der Anstaltseinrichtungen begünstigt worden ist. Über Ausbrüche und aufsehenerregende Fluchtfälle sowie über solche Fluchtfälle, die durch pflichtwidriges Verhalten im Strafvollzug tätiger Personen ermöglicht worden sind, haben die Anstaltsleiter sogleich unmittelbar dem Bundesministerium für Justiz zu berichten.

(4) § 149 Abs. 5 gilt sinngemäß, wobei nach Maßgabe dieser Bestimmung auch eine Verständigung im Fall der Wiedereinbringung des Geflohenen zu erfolgen hat.“

V.       Erwägungen:

Zur Rechtzeitigkeit der Beschwerde:

Gemäß § 7 Abs 4 Z 3 VwGVG beträgt die Frist zur Erhebung einer Maßnahmenbeschwerde gemäß Art. 130 Abs 1 Z 2 B-VG sechs Wochen und beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Betroffene Kenntnis von der Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt erlangt hat, wenn er aber durch diese behindert war, von seinem Beschwerderecht Gebrauch zu machen, mit dem Wegfall dieser Behinderung.

Der Tag der beschwerdegegenständlichen Amtshandlung war am 04.10.2017, die nun vorliegende Beschwerde wurde am 01.11.2017 beim Landesverwaltungsgericht Tirol eingebracht und erweist daher im Sinne des § 7 Abs 4 Z 3 VwGVG als rechtzeitig.

Zum Inhalt der Beschwerde ist vorweg festzuhalten, dass sich diese ausschließlich auf eine behauptete Befangenheit des GI C aufgrund der Gläubigerstellung und der Vorgeschichte zwischen ihm und dem Beschwerdeführer stützt und das Gericht an das Beschwerdevorbringen gebunden ist. Der Vollständigkeit halber wird dennoch auf die einzelnen Maßnahmen der beschwerdegegenständlichen Amtshandlung eingegangen.

Zur Festnahme und zur Anwendung von Körperkraft und zum Anlegen der Handfesseln:

Der Beschwerdeführer beanstandet, er sei in seinem Recht verletzt worden, dass gegen ihn hoheitliche Maßnahmen von befangenen Beamten bzw Beamten, die aufgrund ihrer persönlichen Gläubigereigenschaft den Anschein der Befangenheit erwecken, durchgeführt worden seien, da an der Festnahme, Vernehmung und Einlieferung in die Justizanstalt am 04.10.2017 sein persönlicher Gläubiger GI C, der auch Opfer der Beamtenbeleidigung gewesen sei, beteiligt gewesen sei.

Laut festgestelltem Sachverhalt war der Beschwerdeführer am Tag der Festnahme zur Verbüßung des Anschlussvollzuges einer verwaltungsrechtlichen Primärarreststrafe in der Justizanstalt Z untergebracht und hatte er am besagten Tag Arbeitsausgang von 07:00 Uhr bis 19:00 Uhr. Die amtshandelnden Beamten haben nach telefonischer Rücksprache mit dem diensthabenden Wachkommandanten der Justizanstalt in Erfahrung gebracht, dass der Beschwerdeführer nicht – wie vorgesehen – bis 19:00 Uhr wieder in die Justizanstalt zurückgekehrt war und ordnete der Wachkommandant daher die Festnahme und Zurückbringung des Beschwerdeführers in die Justizanstalt an.

Die Anwendung von Körperkraft im Rahmen exekutiver Zwangsbefugnis und das Anlegen von Handfesseln unterliegen nach der Judikatur denselben Einschränkungen wie der im WaffGG geregelte Waffengebrauch. Beide Maßnahmen müssen demnach für ihre Rechtsmäßigkeit dem Verhältnismäßigkeitsprinzip entsprechen und dürfen nur dann Platz greifen, wenn sie notwendig sind, um Menschen angriffs-, widerstands- oder fluchtunfähig zu machen und maßhaltend vor sich geht; es darf jeweils nur das gelindeste Mittel, das zum Erfolg, also etwa zur Abwehr eines Angriffs führt, angewendet werden. (vgl VwGH 29.11.2012, 2012/01/0015).

Ein solches gelinderes Mittel ist zunächst die entsprechende Abmahnung und in weiterer Folge die Androhung allfälliger Zwangsmittel, dh vorliegend der Körperkraft und der Fesselung. Eine Abmahnung bzw Androhung wird dann entfallen können, wenn dies aufgrund der akuten Situation (zB eines unmittelbaren Angriffes gegen Personen, der Gefährlichkeit eines Verdächtigen) nicht möglich ist oder aus anderen Gründen (zB der geistigen Verfassung einer Person) zwecklos wäre bzw den Erfolg der Amtshandlung gefährden könnte.

Der Beschwerdeführer zeigte sich im hier zu beurteilenden Beschwerdefall während der Amtshandlung zwar nicht gewalttätig und hat sich dieser auch nicht der Amtshandlung widersetzt, dennoch war das kontrollierte, unter möglichster Schonung stattgefundene Zubodenbringen mittels Armhebelgriff und das Anlegen der Handfesseln aus präventiven Gründen gerechtfertigt, insbesondere deshalb, da der Beschwerdeführer den amtshandelnden Beamten bereits als aggressiv und gewaltbereit persönlich bekannt und es bei früheren Amtshandlungen zu Verletzungen von Beamten bzw Widerstand gegen die Amtshandlung gekommen war. Es widerspricht daher nicht dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, wenn der Beschwerdeführer zu Zwecken der Eigensicherung der Beamten sofort zu Boden gebracht und Handfesseln angelegt wurden.

Zum Vorwurf der Befangenheit des GI C:

Der Beschwerdeführer stützt seine Maßnahmenbeschwerde auf eine behauptete Befangenheit des GI C, da dieser persönlicher Gläubiger des Beschwerdeführers und auch Opfer einer Beamtenbeleidigung durch den Beschwerdeführer sei. Es entspricht zwar der Tatsache und war dies GI C und dem Beschwerdeführer bekannt, dass der Beschwerdeführer aufgrund einer Festnahme im Jahr 2015, bei der sich GI C verletzte, zu einer Schmerzensgeldzahlung in Höhe von € 4.000,-- verurteilt wurde. GI C gab allerdings im Rahmen seiner Einvernahme während der mündlichen Verhandlung an, dass er seinem Anwalt in dieser Angelegenheit das Mandat erteilt habe und dieser alle notwendige Schritte erledige und er somit nicht mal gewusst habe, dass gegen den Beschwerdeführer schon Exekution geführt worden sei.

Zudem war es GI C aufgrund der Tatsache, dass am besagten Tag lediglich die einschreitende Sektorstreife mit GI C, BI D und dem damaligen Aspirant Inspektor E zur Verfügung stand, nicht möglich, sich des Dienstes zu enthalten. Im Übrigen ist festzustellen, dass aufgrund der übereinstimmenden Aussagen der beteiligten Beamten BI D und Inspektor E keinerlei Hinweise dafür vorliegen, dass während der beschwerdegegenständliche Amtshandlung irgendeine verbale Auseinandersetzung zwischen dem Beschwerdeführer und GI C stattgefunden hat, welche tauglich wäre, den Anschein der Voreingenommenheit des GI C gegenüber dem Beschwerdeführer zu erwecken. Die wesentlichen Akte der gesamten Amtshandlung von der Festnahme bis zur Einlieferung des Beschwerdeführers in die JA Z wurden nicht von GI C gesetzt und er war auch zu keinem Zeitpunkt alleine mit dem Beschwerdeführer. Überdies unterließ es der Beschwerdeführer im gesamten Verfahren seine Vorwürfe in irgendeiner Form (mit Ausnahme der behaupteten und nicht feststellbaren Tritte gegen den Bauch bzw Oberkörper im Zuge der Festnahme) zu konkretisieren.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

VI.      Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen diese Entscheidung kann binnen sechs Wochen ab Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, Freyung 8, 1010 Wien, und außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof, Judenplatz 11, 1014 Wien, erhoben werden. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist direkt bei diesem, die außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landesverwaltungsgericht Tirol einzubringen.

Die genannten Rechtsmittel sind von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw einer bevollmächtigten Rechtsanwältin abzufassen und einzubringen, und es ist eine Eingabegebühr von Euro 240,00 zu entrichten.

Landesverwaltungsgericht Tirol

Dr. Larcher

(Vizepräsident)

Schlagworte

Festnahme; Befangenheit;

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGTI:2018:LVwG.2017.23.2504.18

Zuletzt aktualisiert am

14.03.2018
Quelle: Landesverwaltungsgericht Tirol LVwg Tirol, https://www.lvwg-tirol.gv.at
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