Entscheidungsdatum
05.03.2018Norm
AsylG 2005 §10 Abs3Spruch
G301 1223683-2/12E
Schriftliche Ausfertigung des am 14.02.2018 mündlich verkündeten Erkenntnisses
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter MMag. Dr. René BRUCKNER über die Beschwerde des XXXX geboren am XXXX, Staatsangehörigkeit: Kosovo, vertreten durch den Verein Menschenrechte Österreich, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 15.11.2017, Zl. XXXX XXXX, betreffend Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK gemäß § 55 AsylG 2005, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 14.02.2018 zu Recht erkannt:
A) Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
Mit dem oben im Spruch angeführten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA), Regionaldirektion Wien, zugestellt am 20.11.2017, wurde der Antrag des Beschwerdeführers (im Folgenden: BF) vom 22.04.2016 auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK gemäß § 55 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.), gemäß § 10 Abs. 3 AsylG 2005 iVm. § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 3 FPG erlassen (Spruchpunkt II.), gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass eine Abschiebung gemäß § 46 FPG nach "Serbien und Kosovo" zulässig ist (Spruchpunkt III.) sowie gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG die Frist für die freiwillige Ausreise mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgelegt (Spruchpunkt IV.).
Mit dem am 23.11.2017 beim BFA, RD Wien, eingebrachten und mit demselben Tag datierten Schriftsatz erhob der BF durch seinen bevollmächtigten Rechtsvertreter Beschwerde gegen den im Spruch angeführten Bescheid. Darin wurde nach Darlegung der Beschwerdegründe beantragt, den angefochtenen Bescheid aufzuheben und das Verfahren zur Ergänzung und neuerlichen Bescheiderlassung an die belangte Behörde zurückverweisen; in eventu eine mündliche Verhandlung durchzuführen und den angefochtenen Bescheid in seinen "Spruchpunkten II. bis IV." aufzuheben und den angefochtenen Bescheid dahingehend abzuändern, dass dem Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK stattgegeben werde.
Die gegenständliche Beschwerde und die Bezug habenden Verwaltungsakten wurden dem Bundesverwaltungsgericht (im Folgenden: BVwG) am 28.11.2017 vom BFA vorgelegt.
Das BVwG führte in der gegenständlichen Rechtssache am 14.02.2018 in der Außenstelle Graz eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, an welcher der BF und sein bevollmächtigter Rechtsvertreter teilnahmen. Ein Vertreter der belangten Behörde war nicht erschienen. Nach Schluss der Verhandlung wurde das gegenständliche Erkenntnis mündlich verkündet.
Mit dem am 15.02.2018 eingebrachten und mit 14.02.2018 datierten Schriftsatz des Rechtsvertreters des BF wurde die schriftliche Ausfertigung des mündlich verkündeten Erkenntnisses beantragt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Der BF ist Staatsangehöriger der Republik Kosovo und im Besitz eines am 01.03.2016 von der kosovarischen Botschaft in Wien ausgestellten und bis 28.02.2026 gültigen (biometrischen) kosovarischen Reisepasses.
Der BF hält sich nach eigenen Angaben zuletzt seit 2001 durchgehend in Österreich auf. Der Zeitpunkt der letztmaligen Einreise in das Bundesgebiet konnte nicht bestimmt werden. Im Zentralen Melderegister (ZMR) sind lediglich eine Hauptwohnsitzmeldung des BF vom 27.07.2001 bis 21.10.2002 sowie wiederum seit 22.03.2016 ersichtlich.
Mit Bescheid der Bundespolizeidirektion XXXX vom 12.03.1999, Zl. XXXX, wurde gegen den BF ein auf die Dauer von fünf Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen. Die dagegen erhobene Berufung wurde mit Berufungsbescheid der Sicherheitsdirektion XXXX vom 12.07.1999, XXXX, als verspätet zurückgewiesen.
Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 25.07.2001, Zl. XXXX, wurde der Asylantrag des BF vom 12.03.1999 abgewiesen. Das Verfahren über die vom BF gegen diesen Bescheid beim Unabhängigen Bundesasylsenat (UBAS) erhobene Berufung wurde am 08.08.2006 wegen unbekannten Aufenthalts des BF eingestellt.
Eine amtliche Anmeldung für den Zeitraum von Ende Oktober bis März 2016 nahm der BF nicht vor, da er befürchtete, dass die österreichischen Behörden von seinem illegalen Aufenthalt Kenntnis erlangen und ihn dann aus Österreich abschieben könnten.
Der BF ist ledig und hat keine Kinder. Der BF leidet an Diabetes Typ II, ist aber arbeitsfähig. Der BF lebt seit 2012 in einer Lebensgemeinschaft mit einer österreichischen Staatsbürgerin. Sie leben in XXXX im gemeinsamen Haushalt. Abgesehen von zwei in XXXX lebenden Cousins hat der BF in Österreich keine Familienangehörigen oder Verwandten. Der BF verfügt auch über keine nennenswerten gesellschaftlichen Bindungen in Österreich. Der BF ist strafrechtlich unbescholten.
Im Kosovo leben ein Bruder und eine Schwester des BF. Beide sind verheiratet und haben drei bzw. zwei Kinder. Der BF unterhält zu ihnen regelmäßigen telefonischen Kontakt.
Der BF verfügt über gute Deutschkenntnisse, die zumindest dem A2-Niveau im Bereich Hören/Lesen und Schreiben und dem B1-Niveau im Bereich Sprechen entsprechen. Der BF ist beschäftigungslos und wird von seiner Lebensgefährten und seinen Cousins unterstützt. Der BF legte in der Verhandlung einen arbeitsrechtlichen Vorvertrag (datiert mit 12.02.2018) hinsichtlich einer Anstellung als Installateur-Helfer für den Fall einer Berechtigung zum Aufenthalt in Österreich vor. Der BF hat vor fünf oder sechs Jahren im Kosovo Grundstücke für ca. 25.000 Euro verkauft.
2. Beweiswürdigung:
Der Verfahrensgang ergibt sich aus dem unbedenklichen und unbestrittenen Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakten des BFA und des vorliegenden Gerichtsaktes des BVwG.
Die getroffenen Feststellungen beruhen auf den Ergebnissen des vom erkennenden Gericht in der mündlichen Verhandlung und auf Grund der vorliegenden Akten durchgeführten Ermittlungsverfahrens und werden in freier Beweiswürdigung der gegenständlichen Entscheidung als maßgeblicher Sachverhalt zugrunde gelegt.
Die Feststellung zur Identität und Staatsangehörigkeit beruht neben den glaubhaften Angaben des BF auf dem vorgelegten kosovarischen Reisepass, an dessen Echtheit und Richtigkeit keine Zweifel entstanden sind.
Die Feststellung zu dem zuletzt seit 2001 andauernden Aufenthalt in Österreich beruht auf den eigenen glaubhaften Angaben des BF in der Verhandlung sowie der vom BF vorgelegten Bestätigung (Anlage ./A in OZ 8), wonach die darin genannten Personen seine Anwesenheit in Österreich seit 2001 bezeugen.
Die Feststellung, dass der BF zwischen der Wohnsitzabmeldung am 21.10.2002 und der neuerlichen Anmeldung am 22.03.2016 mit der klaren Absicht keine weitere amtliche Meldung vornahm, damit die österreichischen Behörden keine Kenntnis von seinem illegalen Aufenthalt in Österreich erlangen und er so auch einer möglichen Abschiebung entgehen könne, ergibt sich aus den eigenen Angaben des BF in der mündlichen Verhandlung. Dabei räumte der BF auch ein, dass ihm sehr wohl immer bewusst gewesen sei, dass er sich die ganze Zeit illegal in Österreich aufgehalten habe. Auf die Frage, weshalb er in 14 Jahren seines Aufenthalts im Verborgenen aber nie den Versuch unternommen habe, schon viel früher eine Legalisierung seines Aufenthalts zu betreiben, konnte der BF keine Antwort geben. Letztlich habe er sich aber nicht mehr verstecken wollen, weshalb er sich im Jahr 2016 wieder angemeldet habe.
Die Feststellungen zu den persönlichen und familiären Verhältnissen und Lebensumständen in Österreich und im Kosovo beruhen auf den diesbezüglich glaubhaften Angaben des BF in der Verhandlung sowie dem vorgelegten Arbeits-Vorvertrag. Die Feststellung zu den guten Deutschkenntnissen beruht auf dem vom BF vorgelegten Prüfungszeugnis des ÖIF vom 11.03.2016 und der eigenen Wahrnehmung des erkennenden Richters in der Verhandlung.
Die Feststellung zur strafrechtlichen Unbescholtenheit beruht auf der Einsicht in das Strafregister der Republik Österreich.
3. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Zum Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels, zur Rückkehrentscheidung und zur Zulässigkeit der Abschiebung in den Herkunftsstaat:
Der mit "Aufenthaltstitel aus Gründen des Art. 8 EMRK" betitelte § 55 des Asylgesetzes 2005 (AsylG 2005), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, lautet:
"§ 55. (1) Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen ist von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine "Aufenthaltsberechtigung plus" zu erteilen, wenn
1. dies gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten ist und
2. der Drittstaatsangehörige das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 Integrationsgesetz (IntG), BGBl. I Nr. 68/2017, erfüllt hat oder zum Entscheidungszeitpunkt eine erlaubte Erwerbstätigkeit ausübt, mit deren Einkommen die monatliche Geringfügigkeitsgrenze (§ 5 Abs. 2 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG), BGBl. I Nr. 189/1955) erreicht wird.
(2) Liegt nur die Voraussetzung des Abs. 1 Z 1 vor, ist eine "Aufenthaltsberechtigung" zu erteilen."
Gemäß § 58 Abs. 13 AsylG 2005 begründen Anträge auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55 bis 57 AsylG 2005 kein Aufenthalts- oder Bleiberecht. Anträge auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55 und 57 AsylG 2005 stehen der Erlassung und Durchführung aufenthaltsbeendender Maßnahmen nicht entgegen. Sie können daher in Verfahren nach dem 7. und 8. Hauptstück des FPG keine aufschiebende Wirkung entfalten.
Gemäß § 16 Abs. 5 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG), BGBl. I Nr. 87/2012 idgF, begründet eine Beschwerde gegen eine Entscheidung über einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels nach dem 7. Hauptstück des AsylG 2005 oder ein diesbezüglicher Vorlageantrag kein Aufenthalts- oder Bleiberecht. § 58 Abs. 13 AsylG 2005 gilt.
Wird ein Antrag eines Drittstaatsangehörigen auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55, 56 oder 57 AsylG 2005 abgewiesen, so ist gemäß § 10 Abs. 3 AsylG 2005 diese Entscheidung mit einer Rückkehrentscheidung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden. Wird ein solcher Antrag zurückgewiesen, gilt dies nur insoweit, als dass kein Fall des § 58 Abs. 9 Z 1 bis 3 vorliegt.
Gemäß § 52 Abs. 3 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, hat das BFA gegen einen Drittstaatsangehörigen unter einem mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn dessen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55, 56 oder 57 AsylG 2005 zurück- oder abgewiesen wird.
Gemäß § 52 Abs. 9 FPG ist mit der Rückkehrentscheidung gleichzeitig festzustellen, ob die Abschiebung des Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist. Dies gilt nicht, wenn die Feststellung des Drittstaates, in den der Drittstaatsangehörige abgeschoben werden soll, aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich ist.
Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist (§ 9 Abs. 1 BFA-VG). Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war, das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens, die Schutzwürdigkeit des Privatlebens, der Grad der Integration, die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden, die strafgerichtliche Unbescholtenheit, Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts, die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren, die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist (§ 9 Abs. 2 BFA-VG).
Gemäß § 9 Abs. 3 BFA-VG ist über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§ 45 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005) verfügen, unzulässig wäre.
Die Anwendung dieser Rechtslage auf den hier maßgeblichen Sachverhalt ergibt Folgendes:
Der BF ist Staatsangehöriger des Kosovo und als solcher Drittstaatsangehöriger im Sinne des § 2 Abs. 4 Z 10 FPG.
Der BF hält sich nunmehr seit 2001 durchgehend in Österreich auf, wobei dieser Aufenthalt jedenfalls seit Eintritt der Rechtskraft der abweisenden Entscheidung über seinen am 12.03.1999 gestellten Asylantrag mit Einstellung des Berufungsverfahrens durch den UBAS am 08.08.2006 ein unrechtmäßiger ist, da die dem BF ursprünglich nach § 19 Asylgesetz 1997 (AsylG 1997) zukommende vorläufige Aufenthaltsberechtigung im Asylverfahren auf Grund der Einstellung des Berufungsverfahrens nach Maßgabe der zum damaligen Zeitpunkt anzuwendenden gesetzlichen Bestimmungen (§ 24 iVm. § 75 Abs. 1 AsylG 2005 und § 19 Abs. 2 AsylG 1997) nicht mehr bestand. Aber auch die vor Eintritt der Rechtskraft bestehende Aufenthaltsberechtigung war nur eine vorläufige, welche lediglich auf Grund eines nach unrechtmäßiger Einreise in Österreich gestellten und letztlich unbegründeten Asylantrages ermöglicht wurde.
Der BF verfügte seitdem bis zum jetzigen Zeitpunkt über keine Berechtigung zum weiteren Aufenthalt in Österreich bzw. im Schengen-Raum. Auch der Umstand der Stellung des gegenständlichen Antrages ändert daran nichts, zumal durch die Stellung eines Antrages auf Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 55 AsylG 2005 und durch eine Beschwerde gegen eine zurück- oder abweisende Entscheidung in dieser Sache kein Aufenthalts- oder Bleiberecht eingeräumt wird.
Der BF konnte bereits nach Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen ihn mit Bescheid der BPD XXXX vom 12.03.1999 sowie nach (erstinstanzlicher) Abweisung seines Asylantrages mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 25.07.2001 jedenfalls nicht mehr ohne weiteres davon ausgehen, dass er sich auch weiterhin in Österreich aufhalten könne. Vielmehr ist dem BF vorzuwerfen, dass ihm dieser Umstand eines weiteren unrechtmäßigen Verbleibens in Österreich sehr wohl bewusst war, und er gerade auf Grund dessen - nach Abweisung seines Asylantrages - den Entschluss fasste, sich durch eine Wohnsitzabmeldung am 21.10.2002 und ein fortan "im Verborgenen" geführtes Leben einem Zugriff durch die österreichischen Behörden zu entziehen. Dieses Verhalten führte der BF auch bis zur Anmeldung eines Wohnsitzes im Jahr 2016 und somit für fast 14 Jahre unverändert fort.
Unbeachtlich der sehr langen Dauer des unrechtmäßigen Verbleibens in Österreich ist vor allem auch der Umstand von maßgeblicher Bedeutung, dass der BF zwar stets die Absicht hatte, in Österreich zu bleiben, jedoch in dieser ganzen Zeit keinerlei Schritte unternahm, seinen bislang illegalen Aufenthalt allenfalls zu legalisieren.
Bei der Beurteilung der Frage, ob die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme aus dem Blickwinkel des § 9 BFA-VG iVm. Art. 8 EMRK zulässig ist, ist eine gewichtende Gegenüberstellung des öffentlichen Interesses an der Aufenthaltsbeendigung mit dem Interesse des Fremden an einem weiteren Verbleib in Österreich vorzunehmen.
Auch wenn das persönliche Interesse am Verbleib in Österreich grundsätzlich mit der Dauer des bisherigen Aufenthalts des Fremden zunimmt, so ist die bloße Aufenthaltsdauer freilich nicht allein maßgeblich, sondern es ist anhand der jeweiligen Umstände des Einzelfalles vor allem zu prüfen, inwieweit der Fremde die in Österreich verbrachte Zeit genützt hat, sich sozial und beruflich zu integrieren. Bei der Einschätzung des persönlichen Interesses ist auch auf die Auswirkungen, die eine Aufenthaltsbeendigung auf die familiären und sonstigen Bindungen des Fremden hätte, Bedacht zu nehmen (vgl. VwGH 15.12.2015,
Zl. Ra 2015/19/0247).
Insoweit der BF zur Begründung seines gegenständlichen Antrages auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK vorbrachte, dass er sich nunmehr schon so viele Jahre in Österreich aufhalte, sprachlich sehr gut integriert sei und auch eine österreichische Lebensgefährtin und einen Freundeskreis habe, muss entgegengehalten werden, dass diese lange Dauer des Aufenthalts in Österreich einzig dadurch erreicht werden konnte, dass sich der BF diese ganze Zeit im Verborgenen hielt und somit für die österreichischen Behörden bis zur Wohnsitzmeldung im März 2016 nicht greifbar war, weshalb auch Maßnahmen zur Beendigung des unrechtmäßigen Aufenthalts erst gar nicht eingeleitet werden konnten. Dass der BF es auch schaffen konnte, sich gute Deutschkenntnisse anzueignen, mag vor dem Hintergrund der langen Aufenthaltsdauer auch nicht weiter verwundern.
Für die Beachtung und den Schutz der Rechtsordnung ist es jedoch ganz wesentlich, dass ein bewusstes Fehlverhalten einer Person letztlich nicht dazu führen kann, dass sie sich aus diesem Verhalten einen persönlichen Vorteil verschafft und dann auch auf die Anerkennung eines darauf gestützten Begehrens beruft ("commodum ex iniuria sua nemo habere debet").
Trotz Fehlens einer Berechtigung zum weiteren Aufenthalt ist der BF somit weiterhin illegal im Bundesgebiet verblieben. Der Befolgung der den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften kommt aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung durch geordnete Abwicklung des Fremdenwesens aber ein hoher Stellenwert zu. Das beharrliche unrechtmäßige Verbleiben eines Fremden im Bundesgebiet nach rechtskräftiger Abweisung eines Asylantrages bzw. ein länger dauernder unrechtmäßiger Aufenthalt stellt jedoch eine gewichtige Gefährdung der öffentlichen Ordnung im Hinblick auf die Aufrechterhaltung eines geordneten Fremdenwesens dar, was wiederum eine Aufenthaltsbeendigung als dringend geboten erscheinen lässt (vgl. VwGH 31.10.2002, Zl. 2002/18/0190; 15.12.2015, Ra 2015/19/0247).
Was die seit 2012 andauernde Lebens- und Haushaltsgemeinschaft mit einer österreichischen Staatsbürgerin anbelangt, ist festzuhalten, dass diese Beziehung bereits zu einem Zeitpunkt entstanden ist, in dem dem BF und wohl auch seiner Lebensgefährtin bewusst war, dass sich der BF illegal in Österreich aufhält und ihm - die Kenntnisnahme seines Aufenthaltsortes durch die Behörden vorausgesetzt - auch jederzeit eine Beendigung seines illegalen Aufenthalts drohen könnte. Überdies sind keine Umstände hervorgekommen, dass die Lebensgemeinschaft nicht auch im Fall der Rückkehr des (kinderlosen) BF in den Kosovo und selbst bei Beibehaltung des Wohnsitzes der Lebensgefährtin in Österreich auf andere Weise aufrechterhalten werden könnte, etwa durch die Inanspruchnahme technischer Kommunikationsmöglichkeiten, wie zum Beispiel Telefon oder Internet, und durch gelegentliche Besuche der Lebensgefährtin im Kosovo.
Was die privaten Lebensumstände des BF in Österreich anbelangt, ist festzuhalten, dass der BF in Österreich ohne Beschäftigung ist und auch über kein eigenes, seinen längerfristigen Lebensunterhalt sicherndes Einkommen verfügt. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass der BF aus dem Verkauf von Grundstücken im Kosovo vor fünf bis sechs Jahren einmalig einen Betrag in Höhe von 25.000 Euro lukrierte. Der BF spricht zwar sehr gut Deutsch, aber auch Sprachkenntnisse allein reichen noch nicht aus, um die fortgeschrittene oder gar vollständige Integration eines Fremden in Österreich annehmen zu können, wenngleich der Spracherwerb und der tatsächliche Wille, die deutsche Sprache zu erlernen, zweifellos ein wesentliches Kriterium bei der Beurteilung der Integration in Österreich darstellen. Des Weiteren konnte auch nicht davon ausgegangen werden, dass der BF auf Grund seines langen Aufenthalts außerhalb seines Herkunftsstaates über keinerlei Bindung mehr in seinem Herkunftsstaat verfügen würde, insbesondere wenn man die bestehenden engen familiären Bindungen im Kosovo berücksichtigt, wo nach wie vor der Bruder und die Schwester des BF leben und mit denen der BF auch regelmäßig in Kontakt steht.
Letztlich ist festzuhalten, dass keine Umstände hervorgekommen sind, weshalb es dem BF in diesen ganzen Jahren nicht möglich gewesen und auch künftig nicht möglich sein sollte, zum Zweck eines beabsichtigten längerfristigen Aufenthalts in Österreich einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) zu stellen. Der Umstand, dass eine solche Antragstellung allenfalls nachweis-, gebühren- und quotenpflichtig ist, vermag daran nichts zu ändern, da eine Antragstellung nach den Bestimmungen des Asylgesetzes mit einer von Anfang an beabsichtigen Umgehung der Bestimmungen des NAG als missbräuchlich anzusehen wäre.
Im Lichte dieser nach § 9 BFA-VG iVm. Art. 8 Abs. 2 EMRK gebotenen Abwägung hat sich somit insgesamt nicht ergeben, dass die lange Aufenthaltsdauer und familiäre oder private Bindungen des BF in Österreich das öffentliche Interesse an der Beendigung des Aufenthalts überwiegen würden. Nach Maßgabe einer Interessensabwägung im Sinne des § 9 BFA-VG ist die belangte Behörde somit im Ergebnis zu Recht davon ausgegangen, dass das öffentliche Interesse an der Beendigung des Aufenthalts im Bundesgebiet das persönliche Interesse am Verbleib im Bundesgebiet überwiegt und daher durch die angeordnete Rückkehrentscheidung eine Verletzung des Art. 8 EMRK nicht vorliegt. Auch sonst sind keine Anhaltspunkte hervorgekommen, welche im gegenständlichen Fall eine Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig erscheinen ließen.
Schließlich sind im Hinblick auf die von der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid gemäß § 52 Abs. 9 iVm. § 50 FPG getroffene amtswegige Feststellung keine konkreten Umstände dahingehend hervorgekommen, dass allenfalls auch unter dem Gesichtspunkt des Privatlebens die Abschiebung in den Herkunftsstaat Kosovo unzulässig wäre (vgl. VwGH 16.12.2015, Zl. Ra 2015/21/0119).
Da die gesetzlichen Voraussetzungen für die beantragte Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK gemäß § 55 AsylG 2005 nicht vorliegen und sich sowohl die Erlassung einer Rückkehrentscheidung als auch die Feststellung der Zulässigkeit der Abschiebung in den Herkunftsstaat als zulässig erwiesen haben, war gemäß § 55 AsyG 2005, § 10 Abs. 3 AsylG 2005 iVm. § 52 Abs. 3 und 9 FPG die gegenständliche Beschwerde gegen die Spruchpunkte I. bis III. als unbegründet abzuweisen.
3.2. Zur Gewährung einer Frist für die freiwillige Ausreise:
Die belangte Behörde hat mit dem angefochtenen Bescheid (Spruchpunkt IV.) gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG festgestellt, dass die Frist für die freiwillige Ausreise aus dem Bundesgebiet 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung beträgt.
Gemäß § 55 Abs. 1 FPG wird mit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG zugleich eine Frist für die freiwillige Ausreise festgelegt. Gemäß § 55 Abs. 2 FPG beträgt diese Frist 14 Tage ab Rechtskraft des Bescheides, sofern nicht im Rahmen einer vom Bundesamt vorzunehmenden Abwägung festgestellt wurde, dass besondere Umstände, die der Drittstaatsangehörige bei der Regelung seiner persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen hat, die Gründe, die zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung geführt haben, überwiegen. Bei Überwiegen solcher besonderen Umstände kann die Frist für die freiwillige Ausreise gemäß § 55 Abs. 3 FPG einmalig mit einem längeren Zeitraum als die vorgesehenen 14 Tage festgesetzt werden. Die besonderen Umstände sind vom Drittstaatsangehörigen nachzuweisen und hat er zugleich einen Termin für seine Ausreise bekanntzugeben. § 37 AVG gilt.
Besondere Umstände, welche eine längeren Zeitraum als die vorgesehenen 14 Tage zu Ausreise erforderlich gemacht hätten, wurden von der BF im Verlauf des gesamten Verfahrens weder vorgebracht noch nachgewiesen und sind auch sonst nicht hervorgekommen.
Die Beschwerde gegen Spruchpunkt IV. des angefochtenen Bescheides war daher ebenso als unbegründet abzuweisen.
3.3. Zur Unzulässigkeit der Revision (Spruchpunkt B.):
Gemäß § 25a Abs. 1 Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem BVwG hervorgekommen. Die oben in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des VwGH ist teilweise zwar zu früheren Rechtslagen ergangen, sie ist jedoch nach Ansicht des erkennenden Gerichts auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.
Schlagworte
Interessenabwägung, mangelnde Integrationsverfestigung, öffentlichesEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2018:G301.1223683.2.00Zuletzt aktualisiert am
15.03.2018