TE Vfgh Beschluss 2018/2/26 V105/2017

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Veröffentlicht am 26.02.2018
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Index

50 Gewerberecht
50/01 Gewerbeordnung

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Verordnung
B-VG Art18 Abs1, Abs2
B-VG Art139 Abs1 Z4
StGG Art6 Abs1 / Erwerbsausübung
GewO 1994 §69
ImmobilienmaklerV §7

Leitsatz

Zurückweisung eines Parteiantrags auf Aufhebung einer Bestimmung der Immobilienmaklerverordnung betreffend die Verpflichtung zur Verschwiegenheit als zu eng gefasst

Spruch

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Begründung

Begründung

I.       Antrag

Mit dem vorliegenden, auf Art139 Abs1 Z4 B-VG gestützten Antrag begehrt die antragstellende Gesellschaft, §7 Abs1 (in eventu nur dessen ersten Satz) der Verordnung des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten über Standes- und Ausübungsregeln für Immobilienmakler, BGBl 297/1996 idF BGBl II 268/2010, als gesetzwidrig aufzuheben. Dieser Antrag wird aus Anlass einer Berufung gegen das Urteil des Handelsgerichtes Wien vom 8. August 2017, Z 57 Cg 37/16s, gestellt.

II.      Rechtslage

Die maßgeblichen Bestimmungen der Verordnung des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten über Standes- und Ausübungsregeln für Immobilienmakler, BGBl 297/1996 idF BGBl II 268/2010 (im Folgenden: Immobilienmaklerverordnung), lauten wie folgt (die angefochtene Bestimmung ist hervorgehoben):

"§1. Diese Verordnung ist anzuwenden auf:

1.  die Vermittlung des Kaufes, Verkaufes und Tausches von bebauten und unbebauten Grundstücken, Wohnungen, Geschäftsräumen, Fertighäusern und Unternehmen sowie Unternehmensbeteiligungen,

2.  die Vermittlung von Bestandverträgen (Miet- und Pachtverträgen) sowie die Vermittlung sonstiger Rechte einschließlich der Vermittlung von Teilzeitnutzungsrechten und Optionsrechten über bebaute und unbebaute Grundstücke, Wohnungen, Geschäftsräume und Unternehmen,

3.  die Vermittlung von Hypothekardarlehen und

4.  die Vermittlung von Anteilscheinen und Beteiligungen an Immobilienfonds.

2. ABSCHNITT

Standes- und Ausübungsregeln

Standesgemäßes Verhalten

§2. Die Immobilienmakler haben ihren Beruf gewissenhaft mit der Sorgfalt eines ordentlichen Immobilienmaklers auszuüben. Sie sind verpflichtet, jedes standeswidrige Verhalten zu unterlassen.

§3. Standeswidrig ist ein Verhalten im Geschäftsverkehr mit den Auftraggebern oder ein Verhalten anderen Berufsangehörigen gegenüber, das geeignet ist, das Ansehen des Berufsstandes zu beeinträchtigen oder gemeinsame Interessen des Berufsstandes zu schädigen.

§4. (1) Die Immobilienmakler verhalten sich im Geschäftsverkehr mit den Auftraggebern insbesondere dann standeswidrig, wenn sie

1.  ohne Einverständnis mit den Verfügungsberechtigten Vermittlungen anbieten oder durchführen oder

2.  Vermittlungen anbieten oder durchführen, ohne auf ihre Eigenschaft als Immobilienmakler, auf die Provisionspflicht des Auftraggebers bei erfolgreicher Vermittlung und auf die Höhe der Provision ausdrücklich hinzuweisen oder

3.  einen Maklervertrag abschließen, ohne dem Auftraggeber unverzüglich eine schriftliche Bestätigung über den wesentlichen Vertragsinhalt zu geben oder

4.  eine Privatperson (§57 Abs1 GewO 1994), mit der sie einen Maklervertrag abgeschlossen haben oder abzuschließen beabsichtigen, auf die Möglichkeit einer teilweisen oder gänzlichen Fremdfinanzierung des zu vermittelnden Geschäftes hinweisen, ohne den Auftraggeber spätestens vor Abgabe seiner Vertragserklärung über die finanzielle Gesamtbelastung, insbesondere über allenfalls zu leistende Anzahlungen und die Höhe der Rückzahlungsraten sowie gegebenenfalls über die Voraussetzungen für die Übernahme von Wohnbauförderungsmitteln aufzuklären oder

5.  anvertraute Gelder, die nicht unverzüglich weitergegeben werden, nicht auf ein Anderkonto einlegen oder

6.  Gelder oder Urkunden rechtswidrig zurückbehalten oder

7.  vor Ablauf der Rücktrittsfrist gemäß §30a des Konsumentenschutzgesetzes, BGBl Nr 140/1979, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl Nr 262/1996, oder vor dem rechtswirksamen Zustandekommen des zu vermittelnden Geschäftes ein Angeld, Reugeld, eine Anzahlung, Provisionszahlungen oder Teile von Provisionszahlungen entgegennehmen oder

8.  Hypothekardarlehen vermitteln, ohne den Auftraggeber in schriftlicher Form über die in §33 Abs2 Z1, 2 und 5 des Bankwesengesetzes, BGBl Nr 532/1993, angeführten Beträge aufzuklären oder

9.  Privatpersonen (§57 Abs1 GewO 1994) in deren Wohnstätte aufsuchen, um Aufträge zur Vermittlung von Hypothekarkrediten zu erhalten, ohne hiezu ausdrücklich aufgefordert worden zu sein.

(2) Abs1 Z2 ist nicht anzuwenden, wenn es sich um eine Berufstätigkeit in den für den Kundenverkehr des Immobilienmaklers bestimmten Geschäftsräumen handelt.

§5. Die Immobilienmakler verhalten sich bei Ausübung ihres Gewerbes anderen Berufsangehörigen gegenüber insbesondere dann standeswidrig, wenn sie

1.  die Berufsangabe unterlassen oder

2.  mit Personen regelmäßig zusammenarbeiten, von denen sie bei Anwendung entsprechender Sorgfalt wissen müssen, daß sie das Gewerbe der Immobilienmakler oder das Gewerbe der Immobilienverwalter oder das Gewerbe der Bauträger unbefugt ausüben oder

3.  in Fällen gemeinsamer Auftragsbearbeitung ohne ausdrückliche Zustimmung des beauftragten Immobilienmaklers mit dem Auftraggeber direkt in Verbindung treten oder

4.  insbesondere in Fällen gemeinsamer Auftragsbearbeitung einem anderen Immobilienmakler infolge Vernachlässigung der Sorgfalt eines ordentlichen Immobilienmaklers über das zu vermittelnde Rechtsgeschäft oder über Umstände, die für die Beurteilung des Rechtsgeschäftes wesentlich sind (zB Beschaffenheit des Hauses oder der Wohnung, Immissionen von einem Nachbarn), unzutreffende oder unzureichende Mitteilungen machen oder

5.  einen Maklervertrag abschließen, obwohl sie wissen oder bei Anwendung der Sorgfalt eines ordentlichen Immobilienmaklers wissen müssen, daß der einem anderen befugten Immobilienmakler erteilte Alleinvermittlungsauftrag noch aufrecht ist oder

6.  die unentgeltliche Durchführung von Vermittlungen anbieten oder diese Vermittlungen zu Bedingungen (insbesondere Provisionen oder sonstigen Vergütungen) anbieten oder durchführen, die einer ordnungsgemäßen kaufmännischen Geschäftsführung widersprechen oder

7.  unlautere Kundenabwerbung betreiben.

[…]

Verschwiegenheit

§7. (1) Immobilienmakler sind zur Verschwiegenheit über alle ihnen im Rahmen ihrer Berufsausübung bekanntgewordenen Tatsachen verpflichtet. Sie haben auch ihre Arbeitnehmer und sonstigen Mitarbeiter zu dieser Verschwiegenheit zu verpflichten.

(2) Die Pflicht zur Verschwiegenheit besteht nicht, soweit den Immobilienmakler gegenüber dem Auftraggeber Beratungs- und Aufklärungspflichten treffen oder dem Auftraggeber die erforderlichen Nachrichten zu geben sind. Der Immobilienmakler ist von der Pflicht zur Verschwiegenheit weiter entbunden, soweit es für die Durchsetzung von Provisionsansprüchen erforderlich ist.

[…]"

III.    Antragsvorbringen und Vorverfahren

1.       Die antragstellende Gesellschaft, eine konzessionierte Immobilienmaklerin und Immobilientreuhänderin, bringt zunächst zum Sachverhalt Folgendes vor:

1.1.    Die antragstellende Gesellschaft sei von S. H. beauftragt worden, ihm eine "seinen gehobenen Ansprüchen gerecht werdende Wohnimmobilie des Luxussegments zum Kauf zu suchen". Nachdem die antragstellende Gesellschaft den Kontakt zum Eigentümer einer entsprechenden Liegenschaft hergestellt habe, habe es keinen weiteren persönlichen Kontakt mehr zu S. H. gegeben. In der Folge habe der Eigentümer einen Kaufvertrag über diese Liegenschaft mit der G. B. GmbH zu einem Kaufpreis von € 35.000.000 abgeschlossen. S. H. habe der antragstellenden Gesellschaft eine Einmalzahlung iHv € 50.000 geboten, "um diese Sache aus der Welt zu schaffen".

1.2.    Die antragstellende Gesellschaft habe daraufhin beim Handelsgericht Wien eine Klage auf Zahlung der Maklerprovision iHv € 1.260.000 gegen die G. B. GmbH und gegen S. H. eingebracht. S. H. sei mit Urteil vom 30. Oktober 2015 schuldig erkannt worden, diese Maklerprovision an die antragstellende Gesellschaft zu zahlen. Das Handelsgericht habe u.a. festgestellt, dass die G. B. GmbH über Zwischenstufen einem Trust, dessen Begünstigter S. H. sei, gehöre sowie, dass S. H. die Mittel zum Ankauf der in Rede stehenden Liegenschaft zur Verfügung gestellt habe und diese Liegenschaft mit Erlaubnis des Trust gemeinsam mit seiner Familie bewohne. Das Oberlandesgericht Wien habe das erstgerichtliche Urteil bestätigt und die ordentliche Revision ausgeschlossen. Die von S. H. erhobene außerordentliche Revision sei mit Beschluss vom 25. Oktober 2016 zurückgewiesen worden.

1.3.    S. H. habe vor und während dieses Verfahrens mehrmals erklärt, die Maklerprovision nicht zu bezahlen. Die antragstellende Gesellschaft habe daraufhin – aus Sorge, dass ihr Anspruch gegen S. H. uneinbringlich sein könnte – die unter Pkt. III.1.2. genannten Entscheidungen des Handelsgerichtes Wien und des Oberlandesgerichtes Wien dem Ressortleiter eines Wirtschaftsmagazins aus generalpräventiven Gründen und mit der Intention übermittelt, die Maklerprovision einbringlich zu machen.

1.4.    S. H. habe seither eine Vielzahl von Verfahren gegen die antragstellende Gesellschaft angestrengt, u.a. das dem vorliegenden Antrag zugrunde liegende Verfahren zu Z 57 Cg 37/16s. S. H. habe in dieser Klage begehrt, die antragstellende Gesellschaft

"1. schuldig zu erkennen, zu unterlassen, gegenüber Dritten, insbesondere gegenüber Medien, Tatsachen in Bezug auf den Erwerb der im Spruch angeführten Liegenschaften zu offenbaren, soweit diese Tatsaschen den Kläger betreffen;

2. die [antragstellende Gesellschaft] schuldig zu erkennen, zu unterlassen, gegenüber Dritten, insbesondere gegenüber Medien, die wörtliche und/oder sinngleiche Behauptung zu verbreiten, sie habe gegen den Kläger auf Grund einer urteilsmäßigen Verpflichtung des Klägers ein Exekutionsverfahren eingeleitet, obwohl die Leistungsfrist aus diesem Urteil noch gar nicht abgelaufen ist sowie

3. die Feststellung, die [antragstellende Gesellschaft] hafte für jeden Schaden, der dem Kläger aus der Verletzung der die [antragstellende Gesellschaft] treffenden Verschwiegenheitspflicht in Bezug auf den Erwerb der im Spruch angeführten Liegenschaften aus der Verbreitung der Behauptung, sie habe gegen den Kläger auf Grund einer urteilsmäßigen Verpflichtung des Klägers ein Exekutionsverfahren eingeleitet, obwohl die Leistungsfrist aus diesem Urteil noch gar nicht abgelaufen ist, entstanden ist und noch entstehen wird."

2.       Mit Urteil des Handelsgerichtes Wien vom 8. August 2017 wurde festgestellt, dass die antragstellende Gesellschaft für jeden Schaden hafte, der der klagenden Partei aus der Verletzung der die antragstellende Gesellschaft treffenden Verschwiegenheitspflicht in Bezug auf den Erwerb näher bezeichneter Liegenschaften entstanden ist oder noch entstehen wird. Im Übrigen wurde das Klagebegehren abgewiesen.

3.       Die antragstellende Gesellschaft erhob gegen dieses Urteil Berufung und stellte aus Anlass dieses Rechtsmittels unter einem den vorliegenden Antrag.

3.1. Zur Zulässigkeit des Antrages bringt die antragstellende Gesellschaft vor, dass sich das Handelsgericht Wien in der Begründung seiner Entscheidung auf die angefochtene Bestimmung gestützt habe.

3.2. Ihre Bedenken gegen die angefochtene Bestimmung legt die antragstellende Gesellschaft wie folgt dar:

3.2.1. Die antragstellende Gesellschaft macht zunächst geltend, dass die Immobilienmaklerverordnung gesetzwidrig sei, weil sie von einer unzuständigen Behörde erlassen worden sei: Die Immobilienmaklerverordnung sei am 28. Juni 1996, sohin nach Kundmachung des Bundesgesetzes über die Rechtsverhältnisse der Makler (Maklergesetz – MaklerG), BGBl 262/1996, die am 11. Juni 1996 erfolgt sei, vom Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten erlassen worden. Artikel III Z9 Maklergesetz, das gegenüber der Gewerbeordnung 1994 das speziellere Gesetz sei und dieser daher vorgehe, sehe jedoch die Vollziehung des Gesetzes durch den Bundesminister für Justiz vor. Der in §69 GewO 1994 eingeräumten Verordnungsermächtigung des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten sei durch die Erlassung des Maklergesetzes materiell derogiert worden.

3.2.2. Abgesehen davon verstoße §7 Abs1 erster Satz Immobilienmaklerverordnung gegen Art18 Abs2 B-VG: Die Immobilienmaklerverordnung stehe der Zielsetzung des §69 GewO 1994, wonach die das Gesetz konkretisierenden Verordnungen dem Schutz des Vertrauens aller von der Gewerbeordnung berührten Personen in die das Gewerbe ausübenden Gewerbetreibenden sowie dem Schutz des Vertrauens der von der Gewerbeausübung betroffenen Personen dienen sollen, jedoch entgegen, weil sie weder hinsichtlich der der Verschwiegenheitspflicht unterliegenden Tatsachen noch hinsichtlich des betroffenen Personenkreises hinreichend bestimmt sei.

3.2.3. Die angefochtene Bestimmung stehe ferner im Widerspruch zum Gleichheitsgrundsatz, weil ein Vergleich mit den beruflichen Verschwiegenheitspflichten anderer Stände zeige, dass diese sich zumeist auf Verschwiegenheitspflicht über im Rahmen der Berufsausübung anvertraute Angelegenheiten bzw. Geheimnisse beschränken würden. Lediglich in der Immobilienmaklerverordnung werde keine Unterscheidung dahingehend vorgenommen, ob die dem Immobilienmakler bekannt gewordenen Tatsachen durch Zufall bekannt seien oder aber vom Auftraggeber bzw. einem Dritten bekannt gegeben worden seien.

3.2.4. Die antragstellende Gesellschaft macht schließlich geltend, dass die angefochtene Bestimmung der Immobilienmaklerverordnung gegen die Erwerbsausübungsfreiheit verstoßen würde. Der Vertrauensschutz der von der Gewerbeausübung betroffenen Personen könne auch durch ein adäquateres Mittel, nämlich durch die Verpflichtung des Immobilienmaklers zur Verschwiegenheit bloß über ihm anvertraute Tatsachen, erreicht werden.

4.       Die verordnungserlassende Behörde hat die Akten betreffend das Zustandekommen der angefochtenen Verordnung vorgelegt und eine Äußerung erstattet.

4.1. Nach Ansicht der verordnungserlassenden Behörde sei der Antrag zu eng gefasst und daher unzulässig, weil die – nicht mitangefochtene – Bestimmung des §7 Abs2 Immobilienmaklerverordnung, die eine Einschränkung der Verschwiegenheitspflicht normiere, im Falle der Aufhebung des Abs1 leg. cit. ihres Sinnes entleert und damit unverständlich würde.

4.2. Den Bedenken ob der Gesetzwidrigkeit der angefochtenen Verordnungsbestimmung hält die verordnungserlassende Behörde Folgendes entgegen:

4.2.1. Soweit die antragstellende Gesellschaft behaupte, dass der Verordnungsermächtigung des §69 Abs2 GewO 1994 mit der Erlassung des Maklergesetzes materiell derogiert worden sei, sei ihr entgegenzuhalten, dass das Maklergesetz keinerlei standesrechtliche Regelungen für Immobilienmakler enthalte, sodass keine in inhaltlicher Hinsicht vergleichbaren Regelungstatbestände in den in Betracht zu ziehenden Rechtsvorschriften existieren würden. Bei der angefochtenen Verordnungsbestimmung handle es sich um eine typische standesrechtliche Regelung, das Maklergesetz habe jedoch (nur) die Zielsetzung gehabt, die zivilrechtliche Seite der Maklertätigkeit zu regeln.

4.2.2. §7 Abs1 Immobilienmaklerverordnung würde aber auch nicht gegen das Bestimmtheitsgebot verstoßen: Die Verschwiegenheitspflicht erstrecke sich auf alle im Rahmen der Tätigkeit als Immobilienmakler bekannt gewordenen Tatsachen, damit seien auch jene Tatsachen erfasst, die dem Gewerbetreibenden – durch eine kommunikative Handlung, etwa durch eine mündliche oder eine schriftliche Äußerung oder durch die Übermittlung eines Dokuments – anvertraut worden seien. Der Beruf des Immobilienmaklers umfasse einen weitgespannten Tätigkeitsbereich, in dessen Rahmen dem Immobilienmakler eine Vielfalt von Tatsachen bekannt würden, die ihm nicht von einem anderen anvertraut würden, aber dennoch der Verschwiegenheit unterliegen sollten.

4.2.3. Dem Vorbringen, wonach die angefochtene Verordnungsbestimmung gegen die Erwerbsausübungsfreiheit verstoße, sei entgegenzuhalten, dass die in §7 Abs1 Immobilienmaklerverordnung festgelegte Verschwiegenheitspflicht im Interesse der Wahrung des Ansehens des Gewerbes der Immobilienmakler und des Vertrauens aller von der Gewerbeausübung berührten Personen in die das Immobilienmaklergewerbe ausübenden Gewerbetreibenden geboten sei. Die diesen Berufsangehörigen zukommenden Vermittlungs-, Handels- und Beratungstätigkeiten (siehe §117 Abs2 GewO 1994) würden voraussetzen, dass die Immobilienmakler im Rahmen ihrer Berufstätigkeit Informationen über mannigfaltige private Lebensverhältnisse einholen. Ein Immobilienmakler könne insbesondere bei kapitalintensiven Immobiliengeschäften Einblick in die Vermögensverhältnisse und Finanzkraft von Auftraggebern gewinnen. Angesichts dessen sowie im Hinblick auf die in §117 Abs5 GewO 1994 eingeräumten Vertretungsbefugnisse sei ein erhöhter Vertrauensschutz erforderlich. Die in der angefochtenen Verordnungsbestimmung festgeschriebene Verschwiegenheitspflicht sei schließlich zur Zielerreichung geeignet und keine überschießende Maßnahme, weshalb die Regelung im Rahmen einer Gesamtabwägung als verhältnismäßig anzusehen sei.

4.2.4. Im Hinblick auf die Ausführungen zur Erwerbsausübungsfreiheit widerspreche die angefochtene Verordnungsbestimmung auch nicht dem Gleichheitsgrundsatz.

4.3. Die verordnungserlassende Behörde beantragt daher, den vorliegenden (Haupt- und Eventual-)Antrag zurückzuweisen, in eventu abzuweisen. Für den Fall der Aufhebung der angefochtenen Verordnungsbestimmung wird beantragt, eine Frist in der Dauer von acht Monaten zu bestimmen, um die erforderlichen legistischen Vorkehrungen zu treffen.

5.       Die beteiligte Partei (die klagende Partei im Ausgangsverfahren) erstattete eine Äußerung, in der sie zunächst die Zulässigkeit des Antrages in Zweifel zieht und in der Folge den Bedenken der antragstellenden Gesellschaft inhaltlich entgegentritt. Die beteiligte Partei stellt den Antrag, der Verfassungsgerichtshof möge den Antrag zurückweisen, in eventu die Behandlung des Antrages mangels hinreichender Aussicht auf Erfolg ablehnen, in eventu den Antrag abweisen.

IV.      Erwägungen

Zur Zulässigkeit des Antrages

1.        Gemäß Art139 Abs1 Z4 B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über die Gesetzwidrigkeit von Verordnungen auch auf Antrag einer Person, die als Partei einer von einem ordentlichen Gericht in erster Instanz entschiedenen Rechtssache wegen Anwendung einer gesetzwidrigen Verordnung in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, aus Anlass eines gegen diese Entscheidung erhobenen Rechtsmittels. Nach §57a Abs1 erster Satz VfGG idF BGBl I 90/2016 kann eine Person, die als Partei in einer von einem ordentlichen Gericht in erster Instanz entschiedenen Rechtssache wegen Anwendung einer gesetzwidrigen Verordnung in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, einen Antrag stellen, die Verordnung als gesetzwidrig aufzuheben.

2.       Der vorliegende Antrag wurde aus Anlass der Berufung gegen das Urteil des Handelsgerichtes Wien vom 8. August 2017 gestellt. Mit diesem Urteil wurde die Rechtssache in erster Instanz durch ein ordentliches Gericht entschieden (Art139 Abs1 Z4 B-VG).

3.       Als Beklagte ist die antragstellende Gesellschaft Partei des Verfahrens vor dem ordentlichen Gericht, womit sie zur Antragstellung gemäß Art139 Abs1 Z4 B-VG berechtigt ist.

4.        Dem Erfordernis der Einbringung aus Anlass eines Rechtsmittels hat die antragstellende Gesellschaft jedenfalls dadurch Rechnung getragen, dass sie den vorliegenden Antrag und das Rechtsmittel gegen das Urteil des Handelsgerichtes Wien vom 8. August 2017 am selben Tag erhoben und eingebracht hat (vgl. VfSlg 20.074/2016).

Im Übrigen geht der Verfassungsgerichtshof mangels gegenteiliger Mitteilung des Handelsgerichtes Wien davon aus, dass das erhobene Rechtsmittel rechtzeitig und zulässig ist.

5.       Ein auf Art139 Abs1 Z4 B-VG gestützter Antrag auf Aufhebung einer Verordnung oder von bestimmten Stellen einer solchen kann gemäß §57 Abs2 VfGG nur dann gestellt werden, wenn die Verordnung vom Gericht in der anhängigen Rechtssache unmittelbar anzuwenden bzw. die Gesetzmäßigkeit der Verordnung eine Vorfrage für die Entscheidung der beim Gericht anhängigen Rechtssache ist oder nach Ansicht des Antragstellers wäre. Eine Antragstellung gemäß Art139 Abs4 B-VG setzt daher voraus, dass die angefochtene Bestimmung eine Voraussetzung der Entscheidung des ordentlichen Gerichtes im Anlassfall bildet (VfSlg 20.029/2015; vgl. VfSlg 20.010/2015).

Das Erstgericht hat jene Bestimmung, deren Gesetzwidrigkeit die antragstellende Gesellschaft behauptet, angewendet, indem es feststellt, dass die antragstellende Gesellschaft durch Weiterleitung der Urteile an den Ressortleiter eines Wirtschaftsmagazins gegen §7 Abs1 Immobilienmaklerverordnung verstoßen habe. Die angefochtene Bestimmung ist somit als präjudiziell anzusehen.

6.       Die Grenzen der Aufhebung einer auf ihre Gesetzmäßigkeit zu prüfenden Verordnungsbestimmung sind, wie der Verfassungsgerichtshof sowohl für von Amts wegen als auch für auf Antrag eingeleitete Normenprüfungsverfahren schon wiederholt dargelegt hat (VfSlg 13.965/1994 mwN, 16.542/2002, 16.911/2003), notwendig so zu ziehen, dass einerseits der verbleibende Verordnungsteil nicht einen völlig veränderten Inhalt bekommt und dass andererseits die mit der aufzuhebenden Verordnungsstelle untrennbar zusammenhängenden Bestimmungen auch erfasst werden.

Dieser Grundposition folgend hat der Verfassungsgerichtshof die Rechtsauffassung entwickelt, dass im Normenprüfungsverfahren der Anfechtungsumfang der in Prüfung gezogenen Norm bei sonstiger Unzulässigkeit des Prüfungsantrages nicht zu eng gewählt werden darf (vgl. VfSlg 16.212/2001, 16.365/2001, 18.142/2007, 19.496/2011; VfGH 14.3.2017, G311/2016). Der Antragsteller hat all jene Normen anzufechten, welche für die Beurteilung der allfälligen Verfassungs- bzw. Gesetzwidrigkeit der Rechtslage eine untrennbare Einheit bilden. Es ist dann Sache des Verfassungsgerichtshofes, darüber zu befinden, auf welche Weise eine solche Verfassungs- bzw. Gesetzwidrigkeit
– sollte der Verfassungsgerichtshof die Auffassung des Antragstellers teilen – beseitigt werden kann (VfSlg 16.756/2002, 19.496/2011, 19.684/2012, 19.903/2014; VfGH 10.3.2015, G201/2014).

Unzulässig ist der Antrag etwa dann, wenn der im Falle der Aufhebung im begehrten Umfang verbleibende Rest einer Verordnungsstelle als sprachlich unverständlicher Torso inhaltsleer und unanwendbar wäre (VfSlg 16.279/2001, 19.413/2011; VfGH 19.6.2015, G211/2014; 7.10.2015, G444/2015; VfSlg 20.082/2016), der Umfang der zur Aufhebung beantragten Bestimmungen so abgesteckt ist, dass die angenommene Gesetzwidrigkeit durch die Aufhebung gar nicht beseitigt würde (vgl. zB VfSlg 18.891/2009, 19.933/2014), oder durch die Aufhebung bloßer Teile einer Vorschrift dieser ein völlig veränderter, dem Verordnungsgeber überhaupt nicht mehr zusinnbarer Inhalt gegeben würde (VfSlg 18.839/2009, 19.841/2014, 19.972/2015, 20.102/2016).

Unter dem Aspekt einer nicht trennbaren Einheit in Prüfung zu ziehender Vorschriften ergibt sich ferner, dass ein Prozesshindernis auch dann vorliegt, wenn es auf Grund der Bindung an den gestellten Antrag zu einer in der Weise isolierten Aufhebung einer Bestimmung käme, dass Schwierigkeiten bezüglich der Anwendbarkeit der im Rechtsbestand verbleibenden Vorschriften entstünden, und zwar in der Weise, dass der Wegfall der angefochtenen (Teile einer) Bestimmung den verbleibenden Rest unverständlich oder auch unanwendbar werden ließe. Letzteres liegt dann vor, wenn nicht mehr mit Bestimmtheit beurteilt werden könnte, ob ein der verbliebenen Vorschrift zu unterstellender Fall vorliegt (VfSlg 16.869/2003 mwN).

7.       Vor dem Hintergrund dieser Rechtsprechung erweist sich der Antrag als zu eng gefasst:

7.1.    Gemäß §7 Abs1 Immobilienmaklerverordnung sind Immobilienmakler zur Verschwiegenheit über alle ihnen im Rahmen ihrer Berufsausübung bekannt gewordenen Tatsachen verpflichtet. Sie haben auch alle ihre Arbeitnehmer und sonstigen Mitarbeiter zu dieser Verschwiegenheit zu verpflichten. Nach Abs2 leg. cit. besteht diese Pflicht zur Verschwiegenheit nicht, soweit den Immobilienmakler gegenüber dem Auftraggeber Beratungs- und Aufklärungspflichten treffen oder dem Auftraggeber die erforderlichen Nachrichten zu geben sind. Der Immobilienmakler ist ferner von der Pflicht zur Verschwiegenheit entbunden, soweit es für die Durchsetzung von Provisionsansprüchen erforderlich ist.

7.2.    Die antragstellende Gesellschaft begehrt mit ihrem Hauptantrag die Aufhebung von §7 Abs1 Immobilienmaklerverordnung. Dieser Antrag erweist sich vor dem Hintergrund der vorgetragenen Bedenken und im Hinblick darauf, dass die Bestimmung des §7 Abs1 Immobilienmaklerverordnung jedenfalls in untrennbarem Zusammenhang mit Abs2 leg. cit. steht, als unzulässig. Der untrennbare Zusammenhang zwischen diesen Bestimmungen ergibt sich daraus, dass sich der Umfang der Verschwiegenheitspflicht – auf die sich die Ausnahmeregelung des §7 Abs2 Immobilienmaklerverordnung bezieht – im konkreten Fall aus der Bestimmung des §7 Abs1 Immobilienmaklerverordnung ergibt. Der Antrag ist daher zu eng gefasst.

7.3.    Aus diesen Gründen ist auch der auf die bloße Aufhebung des §7 Abs1 erster Satz Immobilienmaklerverordnung gerichtete Eventualantrag unzulässig.

8.       Der (Haupt- und Eventual-)Antrag ist daher schon aus diesem Grund zurückzuweisen.

V.       Ergebnis

1. Der (Haupt- und Eventual-)Antrag wird als unzulässig zurückgewiesen.

2. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

Schlagworte

VfGH / Parteiantrag, VfGH / Prüfungsumfang, Gewerberecht, Immobilienmakler

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2018:V105.2017

Zuletzt aktualisiert am

14.03.2018
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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