TE Vwgh Erkenntnis 2000/4/27 98/15/0129

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Veröffentlicht am 27.04.2000
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
23/01 Konkursordnung;
32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;

Norm

BAO §224 Abs1;
BAO §289;
BAO §80 Abs1;
BAO §81 Abs1;
BAO §9 Abs1;
KO §66;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Wetzel und die Hofräte Dr. Karger, Dr. Sulyok, Dr. Fuchs und Dr. Zorn als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Doralt, über die Beschwerde des HW in S, vertreten durch Dr. Manfred Korn, Rechtsanwalt in Salzburg, Stelzhamerstraße 5A, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Salzburg vom 17. Juli 1998, Zl. RV 60/1-6/98, betreffend Haftung für Abgabenschuldigkeiten, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von 15.000 S binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer war vom 2. Mai 1989 bis 27. Jänner 1998 Geschäftsführer der K GmbH, die ihrerseits in diesem Zeitraum persönlich haftende Gesellschafterin der K GmbH & Co KG war. Mit Bescheid vom 13. Mai 1998 nahm das Finanzamt den Beschwerdeführer als Haftungspflichtigen für aushaftende Abgabenschuldigkeiten der K GmbH & Co KG im Ausmaß von 1,152.055 S in Anspruch (es handelte sich dabei um Umsatzsteuer für den Zeitraum 1995). Zur Begründung wies das Finanzamt darauf hin, dass die aushaftende Abgabenschuld bei der K GmbH & Co KG wegen eingetretener Zahlungsunfähigkeit nicht eingebracht werden könne. Der Beschwerdeführer werde daher als Geschäftsführer der Komplementär GmbH infolge Verletzung der ihm als Geschäftsführer auferlegten Pflichten (ordnungsgemäße Abfuhr und Berechnung von Umsatzsteuer) zur Haftung herangezogen.

Im Schriftsatz vom 4. Juni 1998 ersuchte der Beschwerdeführer insofern um ergänzende Bescheidbegründung, als die zur Haftung vorgeschriebene offene Abgabenschuldigkeit von 1,152.055 S mit dem seines Wissens als Ergebnis der Betriebsprüfung vorgeschriebenen Betrag für Umsatzsteuer 1995 von 1,317.345 S nicht übereinstimme. In der zugleich eingebrachten Berufung gegen den Haftungsbescheid führte der Beschwerdeführer aus, dass er unter Beachtung des Gebotes der anteiligen Befriedigung aller Gläubiger die Abgabenverbindlichkeiten im Jahr 1995 nicht schlechter behandelt habe als andere Verbindlichkeiten. Eine weiter gehende Befriedigung als tatsächlich erfolgt sei aus den liquiden Mitteln der Gesellschaft im maßgeblichen Zeitraum nicht möglich gewesen. Zum Beweis für dieses Vorbringen würden die Bücher und Papiere der Gesellschaft angeboten. Es bestehe auch jederzeit Bereitschaft zur Abgabe von erforderlichen Konkretisierungen und zur Mitwirkung an der Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes, und es werde eine Liquiditätsaufstellung beigebracht werden.

In einer ergänzenden Bescheidbegründung vom 10. Juni 1998 teilte das Finanzamt dem Beschwerdeführer mit, dass zum 30. März 1998 auf dem Abgabenkonto ein Rückstand von 419.310 S bestanden habe. Am 9. April 1998 sei nach Wiederaufnahme des Verfahrens für Umsatzsteuer 1995 ein Betrag von 1,317.345 S eingebucht worden. Am 28. April 1998 sei eine Gutschrift für Umsatzsteuer 1996 in Höhe von 584.600 S erteilt worden. Diese Gutschrift sei gemäß § 214 BAO auf die ältesten Fälligkeiten verrechnet, somit die angeführten Schuldigkeiten in Höhe von 419.310 S getilgt und die Forderung für Umsatzsteuer 1995 um 165.290 S reduziert worden. Somit habe sich eine Restschuld betreffend Umsatzsteuer 1995 in Höhe von 1,152.055 S ergeben.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung keine Folge. Im Beschwerdefall sei mit Beschluss des Landesgerichtes vom 27. Jänner 1998 über die K GmbH & Co KG und über deren Komplementärin, die K GmbH, das Konkursverfahren eröffnet worden. Die Komplementärin werde durch den Beschwerdeführer als Geschäftsführer vertreten. Dieser sei somit für die Abgabenschulden der KG nach § 9 BAO zur Haftung heranzuziehen. Es handle sich dabei um eine Ausfallshaftung, die nur dann zulässig sei, wenn die Abgaben beim Primärschuldner nicht einbringlich seien. Durch die Konkurseröffnung sei zwar noch nicht zwingend die Uneinbringlichkeit zu unterstellen, allerdings habe sich im Laufe des anhängigen Insolvenzverfahrens ergeben, dass die Abgabenschulden mangels ausreichenden Vermögens nicht befriedigt werden könnten. Es sei daher von einer Uneinbringlichkeit im Zeitpunkt "der Herausgabe des Haftungsbescheides" auszugehen. Zum schuldhaften Verhalten des Beschwerdeführers sei auf das Zustandekommen des Haftungsbetrages näher einzugehen. Bei der in Haftung gezogenen Umsatzsteuer 1995 handle es sich ausschließlich um Beträge, die von der K GmbH & Co KG nicht in die Buchhaltung aufgenommen worden seien. Nach den Feststellungen der Betriebsprüfung seien Schlussrechnungen für bestimmte Aufträge nicht in den Büchern erfasst worden. Die Nichtabfuhr "dürfte in der mangelnden Liquidität und der bereits damals vorliegenden Überschuldung des Unternehmens zu suchen sein". Es bestehe kein Zweifel, dass die ordnungsgemäße Erfassung vereinnahmter Beträge in den Büchern und die nach dem Umsatzsteuergesetz gebotene Abfuhr der anfallenden Umsatzsteuerbeträge zu den grundlegenden Pflichten eines Geschäftsführers gehöre. Das Berufungsvorbringen hinsichtlich der Gleichbehandlung aller Gläubiger sei verfehlt. Der Berufungswerber übersehe, dass er die in Rede stehenden Umsatzsteuerbeträge weder gemeldet noch (anteilig) abgeführt habe. Nach dem Ermittlungsstand bestehe vielmehr der Verdacht, dass es sich um hinterzogene Abgaben handle. Hinterzogene Abgaben seien von vornherein einer "Gleichbehandlung" mit anderen Verbindlichkeiten nicht zugänglich. Davon abgesehen sei die Behauptung des Beschwerdeführers, er habe im Jahr 1995 Abgabenverbindlichkeiten nicht schlechter behandelt als andere Verbindlichkeiten durch die Aktenlage widerlegt. Ob andere Abgaben (anteilig) entrichtet worden seien, sei nicht relevant, weil es im vorliegenden Verfahren nur um die Haftung für die nachgeforderte Umsatzsteuer 1995 gehe. Da im Jahr 1995 der Geschäftsbetrieb des Unternehmens in vollem Umfang aufrecht gewesen sei, liege es im Übrigen auf der Hand, dass Lieferanten, Banken und andere Gläubiger bedient worden seien. Die verkürzten Umsatzsteuerbeträge seien demgegenüber nicht einmal angezeigt worden. Zur Höhe des Haftungsbetrages werde auf die ergänzende Begründung des Finanzamtes vom 10. Juni 1998 verwiesen, in der das Zustandekommen des Betrages von 1,152.055 S dargelegt werde.

Nach der Aktenlage wurde der angefochtene Bescheid dem Beschwerdeführer am 21. Juli 1998 zugestellt. Für den 5. August 1998 war beim Landesgericht Salzburg die Zwangsausgleichstagsatzung im Konkursverfahren der K GmbH & Co KG und der K GmbH anberaumt (der - bereits ursprünglich zusammen mit der Konkurseröffnung gestellte - Zwangsausgleichsantrag lautete dahin, dass die Konkursgläubiger auf ihre Forderungen eine 20 %ige Quote erhielten). Nach Abschluss des Zwangsausgleiches wurde der Konkurs mit Beschluss des Landesgerichtes Salzburg vom 4. September 1998 aufgehoben.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 9 Abs. 1 BAO haften die in den §§ 80 ff leg.cit. bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können.

Bei einer GmbH & Co KG, bei welcher die KG durch die Komplementär-GmbH, somit im Ergebnis durch deren Geschäftsführer, vertreten wird, haben diese Geschäftsführer die abgabenrechtlichen Pflichten, die die KG betreffen, zu erfüllen. Sie haften bei schuldhafter Pflichtverletzung für die Abgaben der KG (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 23. Jänner 1997, 96/15/0107).

Die Beurteilung, ob die Haftung dem Grunde nach zu Recht besteht, obliegt im Berufungsverfahren der Berufungsbehörde; sie hat dabei grundsätzlich von der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt ihrer Entscheidung auszugehen. Es liegt im Wesen einer meritorischen Berufungsentscheidung, dass die Berufungsbehörde die Sache nach allen tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkten neu zu überprüfen hat. Sie hat daher auch im Falle einer Haftungsinanspruchnahme die Umstände zu berücksichtigen, die im Zeitpunkt der Erlassung des Berufungsbescheides gegeben sind (vgl. z.B. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 26. Juni 1996, 95/16/0077).

Die Haftung nach § 9 BAO ist eine Ausfallshaftung und setzt die objektive Uneinbringlichkeit der betreffenden Abgaben im Zeitpunkt der Inanspruchnahme des Haftenden voraus. Die Uneinbringlichkeit liegt vor, wenn Vollstreckungsmaßnahmen erfolglos waren oder voraussichtlich erfolglos wären (Ritz, Kommentar zu BAO2, Tz 5f zu § 9 und die dort angeführte Judikatur). Aus der Konkurseröffnung allein ergibt sich noch nicht zwingend die Uneinbringlichkeit. Diese ist erst dann anzunehmen, wenn im Lauf des Insolvenzverfahrens feststeht, dass die Abgabenforderung im Konkurs mangels ausreichenden Vermögens nicht befriedigt werden kann; schließlich würde selbst eine geringe Quote die Haftung betragsmäßig entsprechend vermindern (vgl. z.B. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 6. August 1996, 92/17/0186).

In der Beschwerde wird u.a. vorgebracht, der angefochtene Bescheid hätte wenige Tage vor der Tagsatzung zur Abstimmung über den Zwangsausgleich nicht erlassen werden dürfen. Der Beschluss des Konkursgerichtes, mit dem der Termin zur Abstimmung über den Zwangsausgleich festgesetzt worden sei, stamme vom 7. Juli 1998 und sei der belangten Behörde bekannt gewesen. Sie habe daher gewusst, dass in ca. 14 Tagen mit dem Abschluss eines Zwangsausgleiches zu rechnen ist. Die Abgabenbehörde sei als Gläubigerin im Konkursverfahren über sämtliche wesentlichen Verfahrensschritte (insbesondere auch über die Anträge auf Zwangsausgleich) informiert gewesen.

Dieses vor allem unter dem Gesichtspunkt der mit dem Erkenntnis des verstärkten Senates des Verwaltungsgerichtshofes vom 22. September 1999, 96/15/0049, aufgegebenen Rechtsansicht, wonach ein bestätigter Ausgleich infolge Akzessorität auch die Haftungsschuld zum Erlöschen bringe, erstattete Vorbringen, zeigt aus folgenden Gründen eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf: Dem angefochtenen Bescheid ist - insbesondere iVm der ergänzenden Bescheidbegründung zum erstinstanzlichen Bescheid vom 10. Juni 1998 - zu entnehmen, dass die Haftungsinanspruchnahme für die bei der K GmbH & Co KG aushaftende Umsatzsteuer 1995 - abgesehen von einer Gutschriftsverrechnung - in voller Höhe erfolgt ist. Angesichts der bevorstehenden Ausgleichstagsatzung stand allerdings in Höhe der angebotenen Quote von 20 % die Uneinbringlichkeit noch keineswegs fest. Festzuhalten ist, dass die belangte Behörde in der Gegenschrift zur Beschwerde selbst den Standpunkt vertritt, da "die anderen Gläubiger Zustimmung signalisierten, war zum Zeitpunkt der Haftungsinanspruchnahme von einem Forderungsausfall im Ausmaß von 80 % auszugehen". Der auch mit diesen Ausführungen in Widerspruch stehende angefochtene Bescheid ist somit mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben. Bei diesem Verfahrensergebnis war auf die weiters in der Beschwerde enthaltene Verfahrensrüge, bei Gewährung des Parteiengehörs (insbesondere Aufnahme der in der Berufung angebotenen Beweise) hätte der Beschwerdeführer aufzeigen können, mit welcher Quote die Abgabenschulden auch ohne sein schuldhaftes und rechtswidriges Verhalten uneinbringlich geworden wäre (zu dieser Nachweispflicht bei anteilsmäßiger Forderungsbefriedigung vgl. etwa nochmals das Erkenntnis des verstärkten Senates), nicht weiter einzugehen.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47ff VwGG iVm der Verordnung BGBl Nr. 416/1994.

Wien, am 27. April 2000

Schlagworte

Anzuwendendes Recht Maßgebende Rechtslage VwRallg2

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2000:1998150129.X00

Im RIS seit

11.07.2001

Zuletzt aktualisiert am

01.03.2010
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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