Index
L9200 Sozialhilfe, Grundsicherung, MindestsicherungNorm
B-VG Art7 Abs1 / GesetzLeitsatz
Aufhebung von Bestimmungen des Nö MindestsicherungsG betreffend die von der Dauer des Aufenthalts abhängige Differenzierung des Anspruchs auf Bedarfsorientierte Mindestsicherung sowie die starre Deckelung der Bezugshöhe bei Haushalten mit mehreren Personen; teilweise Zurückweisung der Gerichtsanträge wegen unzulässigen Anfechtungsumfangs bzw mangels PräjudizialitätSpruch
I. 1. §10 Abs4, §11a und §11b NÖ Mindestsicherungsgesetz, LGBl für Niederösterreich 9205-0 idF LGBl für Niederösterreich Nr 103/2016, werden als verfassungswidrig aufgehoben.
2. Frühere gesetzliche Bestimmungen treten nicht wieder in Kraft.
3. Die aufgehobenen Bestimmungen sind nicht mehr anzuwenden.
4. Die Landeshauptfrau von Niederösterreich ist zur unverzüglichen Kundmachung dieser Aussprüche im Landesgesetzblatt für Niederösterreich verpflichtet.
II. Im Übrigen werden die Anträge zurückgewiesen.
Begründung
Entscheidungsgründe
I. Anträge
Mit den zu G136/2017, G138/2017, G149/2017, G150/2017, G152/2017, G155/2017, G173/2017, G243/2017 und G244/2017 protokollierten, auf Art140 Abs1 Z1 lita B-VG gestützten Anträgen begehrt das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich, §11b NÖ Mindestsicherungsgesetz (im Folgenden: NÖ MSG), LGBl 9205-0 idF LGBl 103/2016, als verfassungswidrig aufzuheben.
Mit den zu G137/2017, G140/2017, G142/2017, G146/2017, G147/2017, G153/2017, G159/2017, G164/2017, G170-172/2017 und G174/2017-G 176/2017 protokollierten, auf Art140 Abs1 Z1 lita B-VG gestützten Anträgen begehrt das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich, "-Integration" im ersten Satz des §7d Abs5 sowie §10 Abs4, §11a und §11b NÖ MSG, LGBl 9205-0 idF LGBl 103/2016, als verfassungswidrig aufzuheben.
Mit den zu G139/2017, G141/2017, G143/2017-G 145/2017, G148/2017, G151/2017, G154/2017, G157/2017, G158/2017, G160-163/2017 und G169/2017 protokollierten, auf Art140 Abs1 Z1 lita B-VG gestützten Anträgen begehrt das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich, "-Integration" im ersten Satz des §7d Abs5 sowie §10 Abs4, §11a NÖ MSG, LGBl 9205-0 idF LGBl 103/2016, als verfassungswidrig aufzuheben.
II. Rechtslage
Das NÖ Mindestsicherungsgesetz (NÖ MSG), LGBl 9205-0 idF LGBl 103/2016, lautet auszugsweise wie folgt (die angefochtenen Bestimmungen sind hervorgehoben):
"§5
Anspruchsberechtigte Personen
(1) Anspruch auf Leistungen der Bedarfsorientierten Mindestsicherung haben nach Maßgabe dieses Abschnittes Personen, die
1. hilfsbedürftig sind,
2. ihren Hauptwohnsitz oder mangels eines solchen ihren Aufenthalt in Niederösterreich haben und
3. zu einem dauernden Aufenthalt im Inland berechtigt sind.
(2) Zum Personenkreis nach Abs1 Z3 gehören jedenfalls:
1. österreichische Staatsbürger und Staatsbürgerinnen sowie deren Familienangehörige, die über einen Aufenthaltstitel 'Familienangehöriger' gemäß §47 Abs2 NAG verfügen;
2. Staatsangehörige eines anderen Vertragsstaates des Europäischen Wirtschaftsraumes oder der Schweiz sowie deren Familienangehörige im Sinne der Richtlinie 2004/38/EG, jeweils soweit sie durch den Bezug dieser Leistungen nicht ihr Aufenthaltsrecht verlieren würden oder die Einreise nicht zum Zweck des Bezuges von Leistungen der Bedarfsorientierten Mindestsicherung erfolgt ist;
3. Asylberechtigte gemäß §3 AsylG 2005;
4. Drittstaatsangehörige mit einem Aufenthaltstitel
a) 'Daueraufenthalt-EU' gemäß §45 NAG oder
b) 'Daueraufenthalt-EU' eines anderen Mitgliedstaates und einem Aufenthaltstitel gemäß §49 NAG.
(3) Keinen Anspruch auf Leistungen der Bedarfsorientierten Mindestsicherung des Landes haben insbesondere:
1. Personen nach Abs2 Z2 während der ersten drei Monate ihres Aufenthaltes im Inland, außer es handelt sich um Arbeitnehmer oder Selbständige und deren Familienangehörige;
2. Personen während ihres sichtvermerksfreien oder sichtvermerkspflichtigen Aufenthaltes im Inland, soweit nicht Z1 anwendbar ist;
3. Asylwerber gemäß §13 AsylG 2005;
4. Subsidiär Schutzberechtigte gemäß §8 AsylG 2005.
(4) Bedarfsorientierte Mindestsicherung kann auf Grundlage des Privatrechts auch an andere als die in Abs2 genannte Personen, die sich für einen Zeitraum von mehr als drei Monaten rechtmäßig in Niederösterreich aufhalten, geleistet werden, wenn dies auf Grund der persönlichen, familiären oder wirtschaftlichen Verhältnisse zur Vermeidung einer sozialen Härte geboten ist und eine vergleichbare Leistung nicht auf Grund einer anderen Rechtsgrundlage geltend gemacht werden kann.
[…]
§7b
Maßnahmen zur Integration
(1) Volljährige Hilfe suchende Personen, die sich innerhalb der letzten sechs Jahre weniger als fünf Jahre in Österreich aufgehalten haben, haben mögliche und zumutbare Maßnahmen zur besseren Integration zu ergreifen, welche mittels Auflage vorzuschreiben sind.
(2) Maßnahmen zur besseren Integration im Sinne des Abs1 sind:
1. der erfolgreiche Besuch eines zumindest achtstündigen Werte- und Orientierungskurses,
2. der Erwerb von Kenntnissen der Deutschen Sprache bis inklusive der Niveaustufe A2 nach dem Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen für Sprachen.
(3) Die Behörde kann Hilfe suchenden Personen, die Österreich nachweislich zu
Ausbildungszwecken oder aus beruflichen Gründen verlassen haben, die Verpflichtung nach Abs1 erlassen.
[…]
§7d
Erfüllung der Integrationsvereinbarung
[…]
(5) Kommt die Hilfe suchende Person den angeordneten Verpflichtungen nach §7b nicht innerhalb der von der Behörde gesetzten Frist nach, sind die Leistungen der Bedarfsorientierten Mindestsicherung - Integration um 30% zu kürzen und hat die Behörde eine Nachfrist für die Erfüllung dieser Verpflichtungen zu setzen. Mit dem auf den Nachweis der Erfüllung der Auflage folgenden Monat ist die Kürzung aufzuheben. Eine weitergehende Kürzung oder gänzliche Einstellung von Leistungen ist bei wiederholter Pflichtverletzung zulässig.
[…]
§10
Leistungen zur Deckung des notwendigen Lebensunterhaltes
Leistungen zur Deckung des Wohnbedarfes
(1) Leistungen zur Deckung des notwendigen Lebensunterhaltes umfassen den Aufwand für die regelmäßig gegebenen Bedürfnisse zur Führung eines menschenwürdigen Lebens, insbesondere für Nahrung, Bekleidung, Körperpflege, Hausrat, Energie sowie andere persönliche Bedürfnisse wie die angemessene soziale und kulturelle Teilhabe.
(2) Zur Sicherung des notwendigen Lebensunterhaltes können auf Grundlage des Privatrechts auch jene Kosten übernommen werden, die zur Begründung eines Anspruches auf eine angemessene Alterssicherung erforderlich sind.
(3) Leistungen zur Deckung des Wohnbedarfes umfassen den für die Gewährleistung einer angemessenen Wohnsituation erforderlichen regelmäßig wiederkehrenden Aufwand für Miete, allgemeine Betriebskosten und wohnbezogene Abgaben.
(4) Für
1. Personen, die Österreich nachweislich zu Ausbildungszwecken oder aus beruflichen Gründen verlassen haben oder
2. in Österreich geborene Kinder, bei denen einer der Obsorgeberechtigten nicht zum Personenkreis nach §11a Abs.1 zählt,
gelten die Mindeststandards gemäß §11.
§11
Mindeststandards
(1) Die Landesregierung hat ausgehend vom Ausgleichszulagenrichtsatz nach §293 Abs1 lit.a bb) ASVG abzüglich des Beitrages zur gesetzlichen Krankenversicherung durch Verordnung die Höhe der Mindeststandards zur Deckung des notwendigen Lebensunterhaltes und des Wohnbedarfes insbesondere für folgende hilfsbedürftige Personen entsprechend den folgenden Prozentsätzen festzulegen:
1. für alleinstehende und alleinerziehende Personen ………..……………..………. 100%,
2. für volljährige Personen, die mit anderen volljährigen Personen in Haushalts- oder
Wohngemeinschaft leben …………………………….……………………………………….……. 75%,
3. für leistungsberechtigte volljährige Personen ab der drittältesten Person, wenn diese einer anderen Person im gemeinsamen Haushalt gegenüber unterhaltsberechtigt ist ……………………………………………………………………………….…...... 50%,
4. für minderjährige Personen, für die ein Anspruch auf Familienbeihilfe besteht und die mit zumindest einer ihnen gegenüber unterhaltspflichtigen oder volljährigen Person im gemeinsamen Haushalt leben ………………………………..……..... 23%.
(2) In der Verordnung ist ein Betrag zur Deckung persönlicher Bedürfnisse hilfsbedürftiger Personen, die Bedarfsorientierte Mindestsicherung oder Sozialhilfe in stationären Einrichtungen erhalten, festzusetzen.
(3) Mindeststandards zur Sicherung des notwendigen Lebensunterhaltes nach Abs1 beinhalten grundsätzlich einen Geldbetrag zur Deckung des Wohnbedarfes im Ausmaß von 25% bzw. bei hilfsbedürftigen Personen, die eine Eigentumswohnung oder ein Eigenheim bewohnen, einen Geldbetrag im Ausmaß von 12,5%. Besteht kein oder ein geringerer Aufwand zur Deckung des Wohnbedarfes oder erhält die hilfebedürftige Person bedarfsdeckende Leistungen (z. B. eine Wohnbeihilfe oder einen Wohnzuschuss), sind die jeweiligen Mindeststandards um diese Anteile entsprechend zu reduzieren, höchstens jedoch um 25% bzw. 12,5%.
(4) Die Mindeststandards nach Abs1 sind zwölf Mal pro Jahr zu gewähren.
(5) Der Mindeststandard nach Abs1 Z1 ist zu Beginn eines jeden Kalenderjahres mit dem gleichen Prozentsatz wie der Ausgleichszulagenrichtsatz nach §293 Abs1 lita bb) ASVG neu zu bemessen. Daran anknüpfend werden die übrigen Mindeststandards nach Abs1 Z2 bis Z4 ebenfalls jährlich neu bemessen.
§11a
Mindeststandards - Integration
(1) Für Hilfe suchende Personen, die sich innerhalb der letzten sechs Jahre weniger als fünf Jahre in
Österreich aufgehalten haben, gelten abweichend von §11 die Mindeststandards nach Abs2 und 3.
(2) Die Mindeststandards - Integration zur Deckung des notwendigen Lebensunterhaltes betragen für
1. alleinerziehende Personen, pro Person ……………………….………….……... € 522,50;
2. volljährige Personen, die alleine oder mit anderen volljährigen Personen in Haushalts- oder Wohngemeinschaft leben,
pro Person ………………………………..………………………………………….…………..…. € 422,50;
3. minderjährige Personen
a. pro Person …………………………………………………………………………….…..…….. € 129,17;
b. die ersten drei minderjährigen Personen, die mit einer Person nach Z1 leben, pro Person …………………...…………………………………………..…………….………..…. € 179,17.
(3) Die Mindeststandards - Integration zur Deckung des Wohnbedarfes betragen für
1. alleinerziehende Personen, pro Person …………………………….………...……... € 300,-;
2. für volljährige Personen, pro Person …………………………………..………………. € 150,-.
(4) Besteht kein oder ein geringerer Aufwand zur Deckung des Wohnbedarfes oder erhält die hilfebedürftige Person bedarfsdeckende Leistungen (z. B. eine Wohnbeihilfe oder einen Wohnzuschuss), sind die jeweiligen Mindeststandards - Integration zur Deckung des Wohnbedarfs um diese Anteile entsprechend zu reduzieren.
(5) Die Mindeststandards - Integration nach Abs2 und 3 sind zwölf Mal pro Jahr zu gewähren.
(6) Die Mindeststandards zur Deckung des notwendigen Lebensunterhaltes enthalten für alleinerziehende und volljährige Personen einen Integrationsbonus.
(7) Der Mindeststandard nach Abs3 Z2 steht nur zwei Personen pro Haushalts- oder Wohngemeinschaft zu, wobei Personen, für die ein Mindeststandard nach §11 Abs1 anzuwenden ist, zu berücksichtigten sind.
(8) Die Landesregierung kann durch Verordnung die Höhe der Mindeststandards zur Deckung des notwendigen Lebensunterhaltes und des Wohnbedarfes - Integration unter Bedachtnahme auf die Änderung der Lebenshaltungskosten anpassen.
§11b
Deckelung der Mindeststandards
(1) Die Summe der Mindeststandards (§§11 und 11a) aller Personen, die gemeinsam in einer Haushalts- oder Wohngemeinschaft leben, ist mit dem Betrag von € 1.500,- begrenzt.
(2) Im Falle einer Überschreitung des Betrages nach Abs1 sind die Mindeststandards der einzelnen Personen gleichmäßig prozentuell zu kürzen, sodass ihre Summe genau € 1.500,- beträgt.
(3) Für die Berechnung der Summe der Mindeststandards nach Abs1 sind auch die Mindeststandards von Personen zu berücksichtigen, die nicht zum anspruchsberechtigten Personenkreis nach §5 Abs2 gehören.
(4) Die Mindeststandards von Personen, die Pflegegeld oder erhöhte Familienbeihilfe beziehen oder die dauernd arbeitsunfähig sind, sind bei der Berechnung der Summe der Mindeststandards nach Abs1 zu berücksichtigen, jedoch sind deren Mindeststandards nicht nach Abs2 zu kürzen."
Die NÖ Mindeststandardverordnung (NÖ MSV), LGBl 9205/1-0 idF LGBl 104/2016, lautet auszugsweise wie folgt:
"§1
Geldleistungen zur Deckung des Lebensunterhaltes und Wohnbedarfes
(1) Der Mindeststandard an monatlichen Geldleistungen zur Deckung des notwendigen Lebensunterhaltes beträgt für:
1. Alleinstehende oder Alleinerziehende:
………………………………………………………………………….……………………………. 633,35 Euro;
2. volljährige Personen, die mit anderen volljährigen Personen im gemeinsamen Haushalt leben:
a) je Person ........................................................................................ 475,01 Euro;
b) ab der dritten leistungsberechtigten volljährigen Person, wenn diese gegenüber einer anderen Person im gemeinsamen Haushalt unterhaltsberechtigt ist: ............................................................................................................. 316,67 Euro;
3. minderjährige Personen, die mit zumindest einer ihnen gegenüber unterhaltspflichtigen oder volljährigen Person im gemeinsamen Haushalt leben und für die ein Anspruch auf Familienbeihilfe besteht: ........................................ 145,67 Euro;
(2) Der Mindeststandard an monatlichen Geldleistungen zur Deckung des Wohnbedarfes beträgt für Personen, mit Ausnahme solcher, die eine Eigentumswohnung oder ein Eigenheim bewohnen:
1. Alleinstehende oder Alleinerziehende:
……………………………………………………………………..……....……………… bis zu 211,11 Euro;
2. volljährige Personen, die mit anderen volljährigen Personen im gemeinsamen Haushalt leben:
a) je Person .............................................................................. bis zu 158,34 Euro;
b) ab der dritten leistungsberechtigten volljährigen Person, wenn diese gegenüber einer anderen Person im gemeinsamen Haushalt unterhaltsberechtigt ist: ……………………………………………………………………………………………... bis zu 105,56 Euro;
3. minderjährige Personen, die mit zumindest einer ihnen gegenüber unterhaltspflichtigen oder volljährigen Person im gemeinsamen Haushalt leben und für die ein Anspruch auf Familienbeihilfe besteht: ............................... bis zu 48,56 Euro;
[…]"
Mit Verordnung LGBl 104/2017 wurden per 1. Jänner 2018 die Mindeststandards nach §§11 und 11a NÖ MSG und §1 NÖ MSV erhöht.
III. Antragsvorbringen und Vorverfahren
1. Den Anträgen liegen folgende Sachverhalte zugrunde:
2. Die zu G136/2017, G138/2017, G149/2017, G150/2017, G152/2017, G155/2017, G173/2017, G243/2017 und G244/2017 protokollierten Anträge betreffen Beschwerden österreichischer Staatsbürger und ausländischer Staatsangehöriger, deren gemäß §11 NÖ MSG gewährte Mindeststandards auf Grund der in §11b NÖ MSG geregelten "Deckelung" festgesetzt wurden.
3. Die zu G137/2017, G142/2017, G146/2017, G153/2017, G159/2017, G164/2017, G170/2017, G175/2017 und G176/2017 protokollierten Anträge betreffen Beschwerden ausländischer Staatsangehöriger und Staatenloser, deren gemäß §11a NÖ MSG gewährte Mindeststandards - Integration auf Grund der in §11b NÖ MSG geregelten "Deckelung" festgesetzt wurden.
4. Die zu G140/2017, G147/2017, G171/2017, G172/2017 und G174/2017 protokollierten Anträge betreffen Beschwerden ausländischer Staatsangehöriger und Staatenloser, denen Mindeststandards - Integration gemäß §11a NÖ MSG gewährt wurden. Unter Anwendung der Mindeststandards gemäß §11 NÖ MSG wären die Mindeststandards auf Grund der in §11b NÖ MSG geregelten "Deckelung" festzusetzen.
5. Die zu G139/2017, G141/2017, G143-145/2017, G148/2017, G151/2017, G154/2017, G157/2017, G158/2017, G160-163/2017 und G169/2017 protokollierten Anträge betreffen Beschwerden österreichischer Staatsbürger und ausländischer Staatsangehöriger, denen Mindeststandards - Integration gemäß §11a NÖ MSG gewährt wurden.
6. Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich legt seine Bedenken in 38 im Wesentlichen ident formulierten Schriftsätzen wie folgt dar:
6.1. §11a NÖ MSG verstoße gegen Art14 EMRK iVm Art1 1. ZPEMRK:
Die Mindeststandards gemäß §11a NÖ MSG fielen unter die Eigentumsgarantie gemäß Art1 1. ZPEMRK und seien öffentlich-rechtliche Ansprüche, die nicht durch zuvor geleistete Beiträge der Empfänger erworben worden seien. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte habe in seiner Entscheidung vom 12. April 2006, Fall Stec ua., Appl. 65.731/01 und 65.900/01, klargestellt, dass ein einmal eingerichtetes Sozialsystem den Anforderungen von Art14 EMRK zu entsprechen habe. Das Landesverwaltungsgericht verweist auf EGMR 29.10.2009, Fall Si Amer, Appl. 29.137/06 und führt aus, dass dieser Rechtsprechung zufolge eine Ungleichbehandlung auf Grund der Staatsangehörigkeit nur durch besonders gewichtige Gründe gerechtfertigt werden könne. Hingegen gehe der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte im Fall Efe (8.1.2013, Appl. 9134/06) davon aus, dass den Vertragsstaaten ein sehr weiter Spielraum zustehe, wenn er unterschiedliche Rechtsfolgen an das Kriterium des Wohnsitzes im Inland knüpfe: Da der Wohnsitz frei gewählt werden könne, hätten die betroffenen Personen ein geringeres Schutzbedürfnis. Das NÖ MSG differenziere nach Aufenthaltsdauer im Staatsgebiet. Diese Unterscheidung betreffe vorwiegend ausländische Staatsangehörige. Dazu zitiert das Landesverwaltungsgericht Berichte der Statistik Austria aus dem Jahr 2016, aus denen hervorgehe, dass 15.564 österreichische Staatsbürger und 158.746 ausländische Staatsangehörige aus dem Ausland nach Österreich gezogen seien. Die Regelung des §11a NÖ MSG diskriminiere folglich mittelbar auf Grund der Staatsangehörigkeit und bedürfe daher besonders gewichtiger Rechtfertigungsgründe.
Unter Verweis auf die Gesetzesmaterialien (Ltg.-1146/A-1/79-2016) erläutert das Landesverwaltungsgericht, dass das Ziel der Regelung zum einen die "dauerhafte und nachhaltige finanzielle Absicherung des Systems der Bedarfsorientierten Mindestsicherung und schlussendlich des gesamten Sozialsystems" sei und zum anderen "von Beginn der Bezugsdauer weg der Anreiz zur Integration, aber auch zur Arbeitsaufnahme verstärkt" werden solle. Das Landesverwaltungsgericht beurteilt nicht, ob dies legitime Ziele darstellen, merkt jedoch an, dass der Gesetzgeber nicht erläutert habe, inwiefern der Anstieg der Ausgaben für die Bedarfsorientierte Mindestsicherung von 2013 (47 Mio. €) bis 2015 (61 Mio. €) von Personen verursacht worden sei, die sich weniger als fünf Jahre in Österreich aufhielten. Außerdem stellt das Landesverwaltungsgericht die Erforderlichkeit der Regelung zur Zielerreichung in Frage und geht davon aus, dass gelindere Mittel zur Verfügung stünden: Im Jahr 2015 hätten die Ausgaben für die Bedarfsorientierte Mindestsicherung in Niederösterreich lediglich 0,11 % des niederösterreichischen Bruttoregionalproduktes (53,408 Mrd. €) bzw. 0,69 % der Gesamtausgaben (8,792 Mrd. €) betragen. Schließlich legt das Landesverwaltungsgericht dar, dass der "Anreiz zur Arbeitsaufnahme" schon bisher Ziel des NÖ MSG gewesen sei und im Übrigen unverständlich sei, weshalb Personen, die sich weniger als fünf Jahre im Inland aufhielten, einen stärkeren Anreiz zur Arbeitsaufnahme benötigten als andere. Soweit der Landesgesetzgeber §11a NÖ MSG als Anreiz zur schnelleren Integration verstehe, entgegnet das Landesverwaltungsgericht, dass das NÖ MSG in den §§7b–7d ohnehin Integrationsmaßnahmen vorsehe, §11a NÖ MSG sei daher überschießend.
Das Landesverwaltungsgericht hält §11a NÖ MSG jedenfalls für unverhältnismäßig: Die Differenz zwischen dem (allgemeinen) Mindeststandard gemäß §11 NÖ MSG und dem (verminderten) Mindeststandard - Integration gemäß §11a NÖ MSG ergebe 32,2 % (jeweils für eine volljährige, alleinstehende Person). Soweit der niederösterreichische Gesetzgeber darauf verweise, dass der Mindeststandard - Integration an der Grundversorgung orientiert sei, wendet das Landesverwaltungsgericht ein, dass Anspruchsberechtigten im Rahmen der Grundversorgung ein Wahlrecht zwischen Privatunterkunft und organisierter Unterkunft zukomme und überdies keine Deckelung des Wohnbedarfes wie in §11a Abs7 NÖ MSG für Haushalts- und Wohngemeinschaften vorgesehen sei. Im Übrigen handle es sich bei der Bedarfsorientierten Mindestsicherung und der Grundversorgung um unterschiedliche Regelungssysteme; ob das jeweilige System verfassungskonform ausgestaltet sei, sei daher getrennt zu prüfen. Schon aus dem Begriff der Bedarfsorientierten Mindestsicherung ließe sich ableiten, dass das Existenzminimum gesichert werden soll. Dieser – ohnehin unter der Armutsgefährdungsschwelle (€ 1.185) liegende – Mindeststandard werde für Teile der Bevölkerung um 32,2 % gesenkt. Das Landesverwaltungsgericht ist der Ansicht, dass das Interesse an einem menschenwürdigen Leben dieser Bevölkerungsgruppe schwerer wiege als die mit der Regelung des §11a NÖ MSG erzielbaren Einsparungen.
6.2. §11a NÖ MSG verstoße gegen ArtI Abs1 des Bundesverfassungsgesetzes zur Durchführung des Internationalen Übereinkommens über die Beseitigung aller Formen rassischer Diskriminierung:
Das NÖ MSG gebe unterschiedliche Mindeststandards für Fremde vor, je nachdem ob sie fünf Jahre durchgängig in Österreich aufhältig gewesen seien oder nicht. Für das Landesverwaltungsgericht sei jedoch nicht nachvollziehbar, weshalb der notwendige Bedarf, der gemäß §1 Abs3 dritter Teilstrich NÖ MSG mit der Bedarfsorientierten Mindestsicherung gedeckt werden soll, für Personen mit kürzerem Aufenthalt im Inland niedriger sein solle als für Personen, die bereits mehr als fünf Jahre in Österreich lebten. Im Übrigen verweist das Landesverwaltungsgericht auf seine Ausführungen zu Geeignetheit, Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit der legitimen Ziele (Absicherung des Sozialsystems und Anreiz zur Integration und Arbeitsaufnahme) zu Art14 EMRK, die auch im Hinblick auf das Bundesverfassungsgesetz zur Durchführung des Internationalen Übereinkommens über die Beseitigung aller Formen rassischer Diskriminierung zuträfen.
6.3. §11a NÖ MSG verstoße gegen Art2 StGG und Art7 B-VG:
Das Landesverwaltungsgericht führt zunächst aus, dass Staatsbürgerrechte nicht in allen zugrunde liegenden Fällen anwendbar seien. Unter Verweis auf VfSlg 11.282/1987 legt es jedoch dar, dass in einem Antrag auf Normenkontrolle jede Verfassungswidrigkeit geltend gemacht werden könne.
Die Ungleichbehandlung zwischen österreichischen Staatsbürgern, die sich bereits länger als fünf Jahre in Österreich aufhielten und daher Anspruch auf den (allgemeinen) Mindeststandard gemäß §11 NÖ MSG hätten, und Staatsbürgern, die kürzer im Inland aufhältig seien und daher bloß Anspruch auf den (verminderten) Mindeststandard - Integration hätten, müsse sachlich gerechtfertigt sein, um Art2 StGG und Art7 B-VG zu entsprechen. Hinsichtlich einer allfälligen Rechtfertigung dieser Ungleichbehandlung verweist das Landesverwaltungsgericht erneut auf seine Ausführungen zu Geeignetheit, Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit der legitimen Ziele (Absicherung des Sozialsystems und Anreiz zur Integration und Arbeitsaufnahme) zu Art14 EMRK. Außerdem sei nicht nachvollziehbar, weshalb §10 Abs4 Z1 NÖ MSG zwischen Staatsbürgern differenziere, die Österreich zu Ausbildungs- oder Erwerbszwecken verlassen hätten. Für diese Personen gelte der (allgemeine) Mindeststandard gemäß §11 NÖ MSG. Es sei jedoch nicht nachvollziehbar, Personen, die Österreich zwar für Ausbildungs- oder Erwerbszwecke verlassen hätten, diese Ausbildung bzw. diese Erwerbsarbeit jedoch nur kurze Zeit ausgeübt hätten, gegenüber Personen zu privilegieren, die Österreich ohne nachweislichen Grund verlassen hätten, später jedoch einer Ausbildung bzw. Erwerbsarbeit im Ausland nachgingen. Die letztgenannte Gruppe erhalte lediglich den (verminderten) Mindeststandard - Integration gemäß §11a NÖ MSG.
Darüber hinaus verstoße §11a NÖ MSG gegen das Sachlichkeitsgebot: Das Landesverwaltungsgericht hält die Anknüpfung an einen Aufenthalt im Bundesgebiet für unsachlich, weil die Bedarfsorientierte Mindestsicherung eine Leistung des Landes sei und auch an einen im Land Niederösterreich aufrechten Hauptwohnsitz bzw. Aufenthalt anknüpfe (vgl. §5 Abs1 Z2 NÖ MSG). Die Bedarfsorientierte Mindestsicherung solle ein menschenwürdiges Leben ermöglichen. Es sei daher nicht nachvollziehbar, dass der dafür benötigte Bedarf für Menschen, die kürzer als fünf Jahre im Inland aufhältig seien, geringer sei. Diese Differenzierung könne nicht durch bisher geleistete Steuerzahlungen gerechtfertigt werden, denn einerseits sei nicht klar, ob Lohn- und Einkommens- oder Verbrauchssteuern gemeint seien und andererseits könne die Steuerleistung bei Personen, die zwar mehr als fünf Jahre aufhältig gewesen seien, jedoch durchgehend zB Arbeitslosengeld bezogen hätten, nicht signifikant sein.
6.4. §11b NÖ MSG verstoße gegen Art2 StGG und Art7 B-VG:
Das Landesverwaltungsgericht legt ausführlich dar, dass das Ziel des NÖ MSG die Sicherung des Existenzminimums und die Leistungszuerkennung nach individuellen Gesichtspunkten sei. Es sei nachvollziehbar, dass Wohn- und Haushaltsgemeinschaften den individuellen Bedarf einer Person, etwa durch die gemeinsame Nutzung von Haushaltsgeräten, verringern könnten. Dennoch bleibe ein individueller Bedarf pro Person (zB für Lebensmittel) stets erhalten.
Die in §11b NÖ MSG vorgesehene Deckelung führe dazu, dass Personen, die grundsätzlich einen Anspruch auf 75 % des Mindeststandards gemäß §11 NÖ MSG hätten, weniger Leistungen aus der Bedarfsorientierten Mindestsicherung bekämen, wenn die Mindeststandards der übrigen im Haushalt lebenden Personen bereits die Deckelung (€ 1.500,–) erreichten. Die Notlage der hilfesuchenden Person bliebe hingegen unverändert. Bei einer Wohngemeinschaft von drei volljährigen, alleinstehenden Personen würden wegen §11b NÖ MSG die jeweiligen Ansprüche bereits um rund 20 % gekürzt. Auch bei einer Familie, bestehend aus zwei Erwachsenen und zwei Kindern, die Mindeststandard gemäß §11 NÖ MSG beziehe, würde die Deckelung bereits schlagend. Soweit die Familie Mindeststandard - Integration beziehe, wirke sich die Deckelung ab drei Kindern aus. Dazu führt das Landesverwaltungsgericht aus, dass 25 % der Bezieher von Bedarfsorientierter Mindestsicherung in Niederösterreich Personen in Familien mit mindestens zwei Kindern und rund 18 % der Bezieher Personen in Familien mit mindestens drei Kindern seien (ohne Einbeziehung von Alleinerziehenden). Im Ergebnis würden auf Grund der Deckelung gemäß §11b NÖ MSG im Wesentlichen gleiche Sachverhalte unterschiedlich behandelt. Unter Verweis auf VfSlg 11.662/1988 führt das Landesverwaltungsgericht aus, dass der Verfassungsgerichtshof eine ähnliche Bestimmung der Kärntner Sozialhilfe-Leistungsverordnung als gesetzwidrig aufgehoben habe, weil kein sachlicher Grund zu erkennen gewesen sei, Geldleistungen für Haushaltsgemeinschaften ab dem dritten Haushaltsangehörigen abrupt zu kürzen. Auch wenn die Lebenserhaltungskosten pro Person bei zunehmender Größe des Haushalts abnehmen würden, sei je weitere Person ein Aufwand in einiger Höhe erforderlich. In VfSlg 19.698/2012 habe der Verfassungsgerichtshof ausgeführt, dass ein Sicherungssystem im Fall einer plötzlichen Kürzung um 20 % seine Aufgabenstellung – die Sicherung des Existenzminimums – verfehle. Dafür bedürfe es einer sachlichen Rechtfertigung. §11b NÖ MSG sei mit den vom Verfassungsgerichtshof aufgehobenen Rechtslagen durchaus vergleichbar, weil bei Hinzutreten einer dritten Person im Haushalt eine Kürzung um 20 % eintrete. Der Landesgesetzgeber habe den ihm zukommenden Spielraum überschritten, indem er eine unverhältnismäßige Regelung geschaffen habe. Die im Rahmen einer Wohn- oder Haushaltsgemeinschaft bestehenden Synergieeffekte habe der Gesetzgeber bereits bei der Staffelung der Mindeststandards gemäß §11 NÖ MSG berücksichtigt. Eine weitere Einschränkung des Existenzminimums auf Grund von angenommenen Synergieeffekten sei daher unzulässig. Bei Anwendung der Deckelung auf Familien mit zwei Kindern komme es zu einer überproportionalen Berücksichtigung der Familienbeihilfe, die dazu führe, dass die Familienbeihilfe zur Ersatzleistung der Bedarfsorientierten Mindestsicherung werde. Mit Verweis auf die Gesetzesmaterialien führt das Landesverwaltungsgericht aus, dass dies offenbar auch Wille des Gesetzgebers gewesen sei. Im Ergebnis treffe die Deckelung daher ausschließlich sozial schwächere Familien.
6.5. §11b NÖ MSG verstoße gegen ArtI Abs1 des Bundesverfassungsgesetzes zur Durchführung des Internationalen Übereinkommens über die Beseitigung aller Formen rassischer Diskriminierung:
Das Landesverwaltungsgericht verweist auf seine Ausführungen zur Verletzung von Art7 B-VG; die angeführten Bedenken zur mangelnden sachlichen Rechtfertigung der Regelung träfen auch auf das Bundesverfassungsgesetz zur Durchführung des Internationalen Übereinkommens über die Beseitigung aller Formen rassischer Diskriminierung zu.
6.6. §11b NÖ MSG verstoße gegen Art1 iVm Art7 des Bundesverfassungsgesetzes über die Rechte von Kindern:
Das Landesverwaltungsgericht verweist auf VfSlg 19.941/2014 und führt aus, dass das in Art1 BVG über die Rechte von Kindern verankerte Kindeswohl maßgeblich durch den im ersten Satz normierten Anspruch von Kindern auf bestmögliche Entwicklung und Entfaltung bestimmt werde.
Der niederösterreichische Gesetzgeber erkenne an, dass für Kinder ein spezifischer Bedarf bestehe, der mit einem Mindeststandard abzudecken sei (vgl. §11 Abs1 Z4 NÖ MSG). Dieser Mindeststandard bestehe zusätzlich zu Leistungen nach dem Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (vgl. §6 Abs2a Z1 NÖ MSG). Das Landesverwaltungsgericht verweist auf die bereits dargestellten Statistiken und führt aus, dass viele Familien von der Deckelung gemäß §11b NÖ MSG betroffen seien. Durch die Deckelung würde daher der spezifische Bedarf von Kindern verkürzt, den sie – vor dem Hintergrund des Art1 BVG über die Rechte von Kindern – zur Entwicklung und Entfaltung benötigten. Die Deckelung sei daher geeignet, das Kindeswohl zu beeinträchtigen. Wenngleich budgetpolitische Überlegungen einen Zweck im Sinne des Art7 BVG über die Rechte von Kindern zur Beschränkung der Ansprüche gemäß Art1 leg.cit. darstellten, sei die Regelung des §11b NÖ MSG jedenfalls unverhältnismäßig: Die Deckelung ziele auf Personen ab, die auf Leistungen aus der Mindestsicherung angewiesen seien. Die Frage der individuellen Leistungsfähigkeit stelle sich bei Kindern nicht. Je mehr Kinder eine Familie habe, desto stärker wirke sich die Deckelung auf den pro Kind entfallenden Mindeststandard aus. Die Deckelung erweise sich daher als geradezu gegenläufig zum Gebot der vorrangigen Erwägung des Kindeswohls.
6.7. Zur Zulässigkeit der Anträge führt das Landesverwaltungsgericht aus, dass §11a Abs1, Abs2 Z2, Abs2 Z3 lita, Abs3 Z2 sowie §11b Abs1, 2 und 3 NÖ MSG in den zugrunde liegenden Verfahren anzuwenden und daher für das Landesverwaltungsgericht präjudiziell seien.
Bei Wegfall der Wortfolge "die sich innerhalb der letzten sechs Jahre weniger als fünf Jahre in Österreich aufgehalten haben" in §11a Abs1 NÖ MSG entstehe ein Widerspruch zu §11 NÖ MSG, sodass nach Ansicht des Landesverwaltungsgerichtes der gesamte erste Absatz des §11a NÖ MSG aufzuheben sei. Da §11a Abs1 NÖ MSG einen Personenkreis definiere, auf den sich §11a Abs2 bis 8 NÖ MSG in der Folge bezögen, bliebe für §11a Abs2 bis 8 NÖ MSG kein Anwendungsbereich. §11a NÖ MSG sei daher zur Gänze aufzuheben.
Auch der Bestandteil "-Integration" in §7d Abs5 NÖ MSG sowie §10 Abs4 NÖ MSG stünden in untrennbarem Zusammenhang mit §11a NÖ MSG, denn bei Aufhebung des §11a NÖ MSG würden diese Bestimmungen inhaltsleer und unanwendbar. §7d Abs5 NÖ MSG würde durch die Wortfolge "Mindeststandard - Integration" ins Leere verweisen. Bei Aufhebung der Folge "-Integration" verwiese §7d Abs5 NÖ MSG jedoch auf die (dann einheitlichen) Mindeststandards gemäß §11 NÖ MSG. Die Ausnahmebestimmung §10 Abs4 NÖ MSG, die trotz kurzen Aufenthalts den (vollen) Mindeststandard gemäß §11 NÖ MSG gewähre, würde überflüssig. Diese Personen hätten ohnehin Anspruch auf den (dann einheitlichen) Mindeststandard gemäß §11 NÖ MSG.
6.8. Abschließend regt das Landesverwaltungsgericht an, auf Grund der Vielzahl von Verfahren einen Beschluss gemäß §86a Abs1 VfGG zu fassen.
7. Die niederösterreichische (im Folgenden: NÖ) Landesregierung hat eine Äußerung erstattet, in der sie den in den Anträgen erhobenen Bedenken wie folgt entgegentritt:
7.1. Die Anträge des Landesverwaltungsgerichtes, §11a zur Gänze aufzuheben, seien überschießend, weil das Landesverwaltungsgericht selbst ausführe, dass es bloß §11a Abs1, Abs2 Z2 und Z3 lita sowie Abs3 Z2 NÖ MSG anzuwenden habe. §11a Abs2 Z1 und Z3 litb sowie §11a Abs3 Z1 legten Mindeststandards - Integration zur Deckung des notwendigen Lebensunterhaltes und Wohnbedarfes für alleinerziehende Personen bzw. minderjährige Personen, die mit einer alleinerziehenden Person lebten, fest. §11a Abs4 bis 8 NÖ MSG seien für Verfahren hinsichtlich dieser Personengruppe ebenso weiterhin erforderlich. Da die Bestimmungen vom Landesverwaltungsgericht in den anhängigen Verfahren nicht anzuwenden seien, seien die Anträge zu weit gefasst.
Zu den Anträgen, den Bestandteil "-Integration" in §7d Abs5 NÖ MSG aufzuheben, bringt die NÖ Landesregierung ebenfalls vor, dass diese Bestimmung nicht anzuwenden sei und die Anträge daher unzulässig seien. Durch die Aufhebung des Bestandteiles "-Integration" würde eine neue Kürzungsregelung geschaffen, die es bisher nicht gegeben habe und die einen dem Verfassungsgerichtshof verwehrten Akt der positiven Gesetzgebung darstellen würde. Der Wille des Gesetzgebers würde durch diese Aufhebung geradezu ins Gegenteil verkehrt, weil nicht der allgemeine Mindeststandard gemäß §11 NÖ MSG gekürzt werden sollte, sondern der (verminderte) Mindeststandard - Integration. Außerdem habe das Landesverwaltungsgericht mit Anträgen vom 6. Juli 2017 die Aufhebung des Bestandteiles "-Integration" in §7d Abs5 NÖ MSG idF LGBl 103/2016 beantragt. §7d Abs5 leg.cit. sei auf Grund eines Initiativantrages vom 20. Juni 2017 mit Beschluss des niederösterreichischen Landtages vom 6. Juli 2017 geändert worden, um die Grundsatzbestimmung §6 Abs2 Integrationsgesetz (BGBl I 68/2017) umzusetzen. §7d Abs5 NÖ MSG sehe nunmehr eine Kürzung um 50 % (statt 30 %) bei Verstößen gegen Integrationsverpflichtungen vor und sei mit 22. August 2017 in Kraft getreten. Da die angefochtene Fassung (LGBl 103/2016) außer Kraft getreten sei, sei sie in keinem der Anlassverfahren denkmöglich anzuwenden.
Die Bestimmung des §10 Abs4 NÖ MSG sei in den Anlassfällen nicht anzuwenden; die Anfechtung dieser Bestimmungen sei auch aus "Gründen der Vollständigkeit der Antragstellung" nicht geboten. Denn im hypothetischen Fall einer Aufhebung des §11a Abs1 NÖ MSG "würde eine Bestimmung verbleiben, bei der ein Tatbestandselement mangels Existenz der verwiesenen Bestimmung (bis auf weiteres) nicht erfüllt wird". Dies mache das Gesetz jedoch nicht unvollziehbar und sei zudem auch eine Frage der Anlassfälle.
Mit den Anträgen betreffend §7d Abs5 und §10 Abs4 NÖ MSG nehme das antragstellende Gericht eine Rechtsbereinigungsfunktion in Anspruch, die ihm nicht zukomme.
Die NÖ Landesregierung führt weiters aus, dass das Landesverwaltungsgericht seine Bedenken, entgegen der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes, pauschal formuliert habe, anstatt im Einzelnen schlüssige und präzise Bedenken darzulegen. Dies sei insbesondere im Zusammenhang mit den zu §11a NÖ MSG pauschal vorgebrachten Gleichheitsbedenken der Fall.
Zwischen diesen Bestimmungen bestehe auch kein untrennbarer Zusammenhang, weil sie auf sozial ausgewogene Art und Weise Mindeststandards - Integration für unterschiedliche Personengruppen bzw. Haushaltskonstellationen vorsähen.
Unter Verweis auf VfSlg 19.746/2013 führt die NÖ Landesregierung aus, dass ein zu weit gefasster Antrag teilweise abzuweisen sei, soweit die Präjudizialität für den gesamten Antrag gegeben sei. Da §7d Abs5 und §10 Abs4 NÖ MSG jedenfalls nicht präjudiziell seien, seien die Anträge zur Gänze als unzulässig zurückzuweisen.
7.2. Zu den geltend gemachten Bedenken erläutert die NÖ Landesregierung zunächst, dass das Ziel der Bedarfsorientierten Mindestsicherung die Vermeidung und Bekämpfung von Armut und sozialer Ausschließung oder von anderen sozialen Notlagen bei hilfsbedürftigen Personen sei. Außerdem sei die Bedarfsorientierte Mindestsicherung vom Grundsatz der Subsidiarität geprägt: Die anspruchsberechtigten Personen müssten Arbeitsbereitschaft zeigen; eigene Mittel und Leistungen Dritter sowie ökonomische Vorteile von Haushalts- und Wohngemeinschaften würden bei Festsetzung der Mindeststandards berücksichtigt. Der NÖ Landesgesetzgeber knüpfe an eine "von der Staatsangehörigkeit unabhängige Mindestaufenthaltsdauer" an, die der EuGH als unionsrechtskonform anerkannt habe (vgl. EuGH 23.3.2004, Rs. C-138/02, Collins; 1.3.2016, Rs. C-443/14, Alo).
Die vom Landesverwaltungsgericht angefochtene Novelle diene der langfristigen Absicherung des von der öffentlichen Hand finanzierten Sozialsystems. Die NÖ Landesregierung führt aus, dass die Kosten der Bedarfsorientierten Mindestsicherung im Jahr 2013 € 47 Mio., im Jahr 2015 € 61 Mio. und im Jahr 2016 € 74 Mio. betragen hätten. Auf Grund dieses Kostenanstieges könne "nicht ernstlich zweifelhaft sein, dass eine Redimensionierung der sozialrechtlichen Leistungen unabweislich geworden" sei. Außerdem sei den Gesetzesmaterialien zu entnehmen, dass der Mindeststandard - Integration "ein klares Zeichen nach außen" setzen solle, "um die Attraktivität Österreichs als Zielregion für Flüchtlinge einzudämmen". Die Bedarfsorientierte Mindestsicherung solle überdies Anreize zur Integration und zur Arbeitsaufnahme setzen.
Es liege im rechtspolitischen Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers, unterschiedliche Mindeststandards "je nach Dauer der Verbundenheit der Hilfe suchenden Person mit dem Aufnahmestaat" festzusetzen. Mit Verweis auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 28. Juni 2017, E3297/2016, führt die NÖ Landesregierung aus, dass der Mindeststandard - Integration an der Grundversorgung orientiert sei und daher auch Personen, die noch keine längere Verbundenheit zu Österreich aufwiesen, Kernleistungen "im gleichen Umfang und unter denselben Voraussetzungen wie für eigene Staatsbürger" gewährt würden.
7.3. Zu den Bedenken gegen §11a NÖ MSG im Hinblick auf Art14 EMRK iVm Art1 1. ZPEMRK:
Die NÖ Landesregierung geht, wie auch das Landesverwaltungsgericht, davon aus, dass der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte sozialrechtliche Leistungen in den Begriff "property" einbeziehe. Im Gegensatz zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte sei der Verfassungsgerichtshof – so die NÖ Landesregierung – bei der Einordnung von Leistungen ohne Beitrags- und Finanzierungszusammenhang als Eigentum jedoch zurückhaltender. Unter Verweis auf VfSlg 15.129/1998 führt die NÖ Landesregierung aus, dass der Verfassungsgerichtshof darauf abstelle, ob ein Zusammenhang von Leistung und Gegenleistung bestehe, um ein vermögenswertes Recht unter Art1 1. ZPEMRK einzuordnen. Ein solcher Zusammenhang habe bei der Notstandshilfe bestanden, sei jedoch bei der Bedarfsorientierten Mindestsicherung zu verneinen. Die Bedarfsorientierte Mindestsicherung sei eine ausschließlich steuerfinanzierte, öffentliche Fürsorgeleistung, die nur zum Tragen komme, wenn andere Hilfsmöglichkeiten nicht zur Verfügung stünden oder nicht ausreichten. Die vom Landesverwaltungsgericht herangezogenen Judikate des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte seien nicht auf die Bedarfsorientierte Mindestsicherung übertragbar: Der Fall Koua Poirrez (EGMR 30.9.2003, Appl. 40.892/98) habe die Gewährung von Behindertenbeihilfe durch die Sozialversicherungsbehörde und der Fall Stec ua. die Gewährung von Beihilfe zum Ausgleich der durch Arbeitsunfälle oder Berufskrankheiten hervorgerufenen verminderten Erwerbsfähigkeit betroffen. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte gehe offenbar davon aus, dass auch anspruchsberechtigte Sozialleistungsempfänger durch ihre Steuerleistung ebenfalls zur Finanzierung von Sozialleistungen beitrügen. Dieses Argument treffe jedoch nicht auf Personen zu, die innerhalb der letzten sechs Jahre weniger als fünf Jahre in Österreich gelebt hätten und daher nur eine geringe Steuerleistung aufwiesen. Eine Ausweitung des Eigentumsbegriffes nach Art1 1. ZPEMRK auf Leistungen, zu denen hilfsbedürftige Personen lediglich in Form von Verbrauchssteuern beitrügen, scheine nicht sachgerecht. Eine gewisse sozioökonomische Integration in den österreichischen Sozialstaat bzw. eine Verbundenheit mit dem Leistungsland sei hingegen ein sachgerechtes Differenzierungskriterium bei beitragsunabhängigen Leistungen wie der Bedarfsorientierten Mindestsicherung. Es bestehe daher kein Anlass für den Verfassungsgerichtshof, von seiner bisherigen Judikatur abzugehen.
Unter dem Blickwinkel des Art14 EMRK sei für die NÖ Landesregierung nicht ersichtlich, inwiefern eine generell-abstrakte Regelung wie §11a NÖ MSG, die nicht nach Merkmalen und Personengruppen unterscheide, eine Benachteiligung darstelle. Art14 EMRK verbiete nicht die Änderung bestehender Regelungen, sondern stehe nur "unvernünftigen" Regelungen entgegen. "Gemessen am Standard der Mitgliedstaaten der EMRK – zu denken ist vor allem an Dänemark – ist eine Senkung von Sozialleistungen für Personen, gleich welcher Staatsangehörigkeit, die in einem gesellschaftlichen System erst Fuß fassen müssen, keinesfalls unvernünftig." Die Änderung einer Regelung, wie sie hier durch die Einführung von §11a NÖ MSG erfolgt sei, begründe keine "Benachteiligung" der von der Neuregelung betroffenen Personen, "vor allem da die Neuregelung selbst den Weg zur vollen Höhe der 'Mindestsicherung' weist". §11a NÖ MSG stelle auf den Aufenthalt hilfsbedürftiger Personen, unabhängig von deren Nationalität ab, es liege somit keine Diskriminierung vor.
Die vom Landesverwaltungsgericht vorgebrachte mittelbare Diskriminierung ausländischer Staatsangehöriger stehe in offenem Widerspruch zum Wortlaut von §11a NÖ MSG, der klar nach der Aufenthaltsdauer differenziere. Ginge man dennoch von einer Diskriminierung aus, so sei die Regelung durch legitime Schutzziele wie die finanzielle Absicherung des Sozialsystems, Anreiz zu Integration und Arbeitsaufnahme und die Verbundenheit mit dem Land der Leistung und dessen Solidargemeinschaft, objektiv gerechtfertigt. Unter Berücksichtigung der jährlichen Valorisierung der Bedarfsorientierten Mindestsicherung sei davon auszugehen, dass auf Grund der Novelle für das Jahr 2017 kein signifikanter Kostenanstieg zu verzeichnen sei. Die Regelung sei daher geeignet und erforderlich, um die Finanzierung des niederösterreichischen Sozialsystems abzusichern. Soweit das Landesverwaltungsgericht darauf aufmerksam mache, dass die Bedarfsorientierte Mindestsicherung nur einen geringen Teil des niederösterreichischen Gesamtbudgets ausmache, treffe es eine sozialpolitische Beurteilung, die ihm nicht zustehe. Die NÖ Landesregierung geht davon aus, dass die "unbeschränkte Weitergewährung von Mindestsicherungsleistungen ohne Differenzierung in der Leistungshöhe" der Stabilisierung des Schuldenstandes und den Verpflichtungen des österreichischen Stabilitätspaktes 2012 sowie der Erfüllung der Maastricht-Kriterien der Europäischen Union entgegenstünde. Die Novelle zum NÖ MSG, LGBl 103/2016, habe umfassende Integrationsmaßnahmen für hilfebedürftige Personen wie etwa Werte- und Orientierungskurse aufgenommen und diene insgesamt der Motivation zu Integration und Arbeitsaufnahme der hilfebedürftigen Personen. Es sei verständlich, nur solchen hilfebedürftigen Personen Leistungen in voller Höhe zu gewähren, die eine gewisse Verbundenheit mit dem Aufnahmestaat und dessen Solidargemeinschaft aufwiesen. Die NÖ Landesregierung vertritt die Ansicht, dass das Aufenthaltserfordernis des §11a NÖ MSG – im Gegensatz zu etwa monetären Beiträgen – ein sachliches Differenzierungskriterium darstelle.
7.4. Zu den Bedenken gegen §11a NÖ MSG im Hinblick auf ArtI Abs1 des Bundesverfassungsgesetzes zur Durchführung des Internationalen Übereinkommens über die Beseitigung aller Formen rassischer Diskriminierung:
Die NÖ Landesregierung bringt vor, dass das Landesverwaltungsgericht nicht im Einzelnen darlege, aus welchen Gründen §11a NÖ MSG gegen das Bundesverfassungsgesetz zur Durchführung des Internationalen Übereinkommens über die Beseitigung aller Formen rassischer Diskriminierung verstoße, das Vorbringen sei daher "mangelhaft und unvollständig". Für die NÖ Landesregierung sei die Heranziehung des Bundesverfassungsgesetzes zur Durchführung des Internationalen Übereinkommens über die Beseitigung aller Formen rassischer Diskriminierung im Zusammenhang mit einer Regelung, die nicht auf die Staatsangehörigkeit von Personen abstellt, nicht nachvollziehbar. Laut NÖ Landesregierung anerkenne der Gerichtshof der Europäischen Union (siehe EuGH 11.11.2014, Rs. C-333/13, Dano, und 15.9.2015, Rs. C-67/14, Alimanovic), beim Zugang zu Sozialleistungen auf die Verbundenheit mit dem Leistungsstaat und dessen Solidargemeinschaft abzustellen, um "eine Verringerung des Anreizes zur Zuwanderung zu erwirken". Dies sei hinsichtlich Unionsbürgern und Drittstaatsangehörigen zulässig.
7.5. Zu den Bedenken gegen §11a NÖ MSG im Hinblick auf Art2 StGG und Art7 B-VG:
Im Gegensatz zum Landesverwaltungsgericht sei die NÖ Landesregierung der Meinung, dass die Differenzierung nach der Aufenthaltsdauer in Österreich (unabhängig von der Staatsangehörigkeit) ein legitimes Differenzierungskriterium sei. Außerdem führt die NÖ Landesregierung aus: "Stößt darüber hinaus ein Leistungssystem in Anbetracht massenhafter Inanspruchnahme an die Grenzen seiner Finanzierbarkeit, so ist es die Aufgabe der Gesetzgebung, Maßnahmen zur nachhaltigen Sicherung des Systems zu ergreifen."
Soweit das Landesverwaltungsgericht die Unterscheidung zwischen "Aufenthalt im Inland" und Hauptwohnsitz bzw. Aufenthalt in Niederösterreich als unsachlich qualifiziere, liege wohl ein Missverständnis vor: Der Hauptwohnsitz bzw. Aufenthalt in Niederösterreich sei Anspruchsvoraussetzung, die Aufenthaltsdauer im Inland sei bloß ein Zusatzkriterium zur Bestimmung der Leistungshöhe. Da es um die Integration in das "inländische gesellschaftliche System" gehe, sei eine Anknüpfung an das Bundesgebiet keineswegs unsachlich. Im Gegenteil, eine Anknüpfung an einen längeren Aufenthalt in Niederösterreich diskriminierte Personen, die ihren Wohnsitz öfter von einem Bundesland in ein anderes verlegten, in unsachlicher Weise.
Abschließend weist die NÖ Landesregierung darauf hin, dass es sich bei den (allgemeinen) Mindeststandards gemäß §11 NÖ MSG um höhere Sozialleistungen handle als in der Grundversorgung oder bei Pensionsberechtigten ohne Anspruch auf Ausgleichszulage. Vor diesem Hintergrund sei eine Unterschreitung dieser Standards – entgegen dem Vorbringen des Landesverwaltungsgerichtes – nicht von vorneherein unsachlich.
7.6. Zu den Bedenken gegen §11b NÖ MSG im Hinblick auf Art2 StGG und Art7 B-VG:
Nach allgemeinen Ausführungen zur bisherigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes zum Gleichheitssatz führt die NÖ Landesregierung aus, dass §11b NÖ MSG zwei "Komponenten" enthalte: die Berechnung auf Grundlage des Haushaltseinkommens und die gesamthafte Deckelung. Schon bisher habe das NÖ MSG auf das Haushaltseinkommen abgestellt. Dieser Grundsatz sei in zahlreichen sozialrechtlichen Regelungen zu finden. Die NÖ Landesregierung verweist auf §293 ASVG, §264 ASVG und §36 Abs2 und 3 AlVG. Der Verfassungsgerichtshof habe in VfSlg 19.031/2010 keine Bedenken gegen §264 ASVG gehabt, der auf dem Haushaltseinkommen aufbaue. Im Übrigen seien keine spezifisch verfassungsrechtlichen Fragen in diesem Zusammenhang gegeben. Auch die "Deckelung" sei Gegenstand zahlreicher sozialrechtlicher Regelungen, teils würden jedoch andere Begriffe verwendet: "Höchstbetrag" in §§219 f ASVG, "Grenzbetrag" in §8a Kinderbetreungsgeldgesetz sowie "Kostenhöchstsätze" in Art9 Grundversorgungsvereinbarung und §7 NÖ Grundversorgungsgesetz. Der Verfassungsgerichtshof sehe eine Deckelung prinzipiell als zulässig an (VfSlg 20.047/2016). Abschließend verweist die NÖ Landesregierung auf §220 ASVG: "Alle Hinterbliebenenrenten dürfen zusammen 80 v.H. der Bemessungsgrundlage nicht übersteigen und sind innerhalb dieses Höchstausmaßes verhältnismäßig zu kürzen."
Weiters führt die NÖ Landesregierung aus: "Die betragsmäßige Begrenzung (Deckelung) der Bedarfsorientierten Mindestsicherung ist als Surrogat von erzielbaren Erwerbseinkommen ausgestaltet. Die Höhe der betragsmäßigen Beschränkung ist daher an einem durchschnittlichen Einkommen zu bemessen. Der Begrenzungsbetrag in der festgelegten Höhe von € 1.500,-- pro Monat orientiert sich am Medianeinkommen aller unselbständig Erwerbstätigen in Österreich […]". Insbesondere für Familien mit vielen Kindern und bei längerem Bezug bestehe die Möglichkeit, Bedarfsorientierte Mindestsicherung in einer betragsmäßigen Höhe zu beziehen, die ein durchschnittliches Erwerbseinkommen übersteige. Die Bedarfsorientierte Mindestsicherung habe aber das Ziel, zum einen den notwendigen Lebensunterhalt und Wohnbedarf "(vorübergehend)" zu decken und zum anderen die (Wieder-)Eingliederung in den Arbeitsmarkt zu unterstützen. Durch die Deckelung der Bedarfsorientierten Mindestsicherung werde daher ein verstärkter Anreiz geschaffen, sich (wieder) in das Erwerbsleben zu integrieren. Der aktuell diskutierte Mindestlohn idHv € 1.500,– mache deutlich, dass die Deckelung der Bedarfsorientierten Mindestsicherung ab € 1.500,– jedenfalls im rechtspolitischen Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers liege, denn das vom Landesverwaltungsgericht wiederholt angesprochene "Existenzminimum" sei bei € 1.500,– jedenfalls gegeben. Dies ergebe sich auch aus VfGH 28. Juni 2017, E3297/2016: Der Verfassungsgerichtshof habe ausgesprochen, dass den verfassungsrechtlichen Anforderungen für ein menschenwürdiges Dasein durch Leistungen auf dem Niveau der Grundversorgung entsprochen werde. Die auf Haushalts- und Wohngemeinschaften bezogene Deckelung der Bedarfsorientierten Mindestsicherung bewirke ein Leistungsniveau, das dem der Grundversorgung gesamthaft entspreche. Da die "Arbeitsmarktattraktivierung" wesentliches Ziel der Deckelung sei, würden Personen, die Pflegegeld beziehen oder dauerhaft arbeitsunfähig seien und daher nicht in den Arbeitsmarkt integriert werden müssten, von der Deckelung ausgenommen (vgl. §11b Abs4 NÖ MSG).
Der Gesetzgeber habe anlässlich der Einführung der Deckelung der Bedarfsorientierten Mindestsicherung den "typischen Regelfall einer Haushalts- bzw. Wohngemeinschaft vor Augen: Eltern(teile) leben zusammen mit ihren Kindern". Bei einer vierköpfigen Familie, die (allgemeine) Mindeststandards gemäß §11 NÖ MSG beziehe, komme es zu einer Leistungskürzung von rund 10 %. Bei einer fünfköpfigen Familie, die (verminderte) Mindeststandards gemäß §11a NÖ MSG beziehe, komme es zu einer Leistungskürzung von rund 2 %. Entgegen dem Vorbringen des Landesverwaltungsgerichtes sei daher nicht von einer abrupten Kürzung der Bedarfsorientierten Mindestsicherung im Sinne der höchstgerichtlichen Judikatur (VfSlg 19.698/2012) auszugehen. Die vom Landesverwaltungsgericht – losgelöst von den Anlassfällen – vorgebrachten Beispiele von drei (nicht gegenseitig unterhaltspflichtigen) Erwachsenen in einer Wohngemeinschaft stellten nicht den Regelfall im System der Bedarfsorientierten Mindestsicherung dar. Angesichts der Vielfalt möglicher Haushaltskonstellationen müsse dem Gesetzgeber zugebilligt werden, Härtefälle nicht in jedem Fall vermeiden zu können. Der niederösterreichische Gesetzgeber verhindere Härtefälle, indem er Leistungen der Familienbeihilfe bei Berechnung der Mindeststandards nicht berücksichtige. Eine Anrechnung der Familienbeihilfe auf die Leistungen der Bedarfsorientierten Mindestsicherung sei jedoch grundsätzlich verfassungsrechtlich zulässig (vgl. VfSlg 19.913/2014). Insgesamt seien Familien auf Grund der unterbleibenden Anrechnung der Familienbeihilfe, trotz Deckelung der Bedarfsorientierten Mindestsicherung, bessergestellt als im "hypothetischen Fall des Entfalls der Deckelung und Anrechnung" der Familienbeihilfe au