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E1P;Norm
12010P/TXT Grundrechte Charta Art4;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bachler, den Hofrat Mag. Eder und die Hofrätin Mag. Hainz-Sator als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Honeder, in der Rechtssache der Revision des B A (alias B A S alias A A S), vertreten durch Mag. Ronald Frühwirth, Rechtsanwalt in 8020 Graz, Grieskai 48, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 8. März 2017, Zl. W161 2146159-1/6E, betreffend Zurückweisung eines Antrages auf internationalen Schutz nach dem AsylG 2005 und Anordnung der Außerlandesbringung nach dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
2 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
3 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
4 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sind bei Entscheidungen nach § 5 AsylG 2005 auch die Bestimmungen der EMRK und der GRC, insbesondere Art. 3 EMRK und Art. 4 GRC, zu berücksichtigen und es ist bei einer drohenden Verletzung derselben das im "Dublin-System" vorgesehene Selbsteintrittsrecht auszuüben. Weiters wurde in der Judikatur festgehalten, dass die "Sicherheitsvermutung" des § 5 Abs. 3 AsylG 2005 widerlegbar ist. Dabei ist die Frage, ob ein Staat als "sicher" angesehen werden kann, vorrangig eine Tatsachenfrage, die nicht vom Verwaltungsgerichtshof zu lösen ist. Die Beurteilung, ob die festgestellten Mängel im Zielstaat die Sicherheitsvermutung widerlegen und einer Überstellung des Asylwerbers unter Bedachtnahme auf die EMRK und die GRC entgegenstehen, ist hingegen eine - unter den Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG - revisible Rechtsfrage (vgl. etwa VwGH 20.10.2016, Ra 2016/20/0221, mwN).
5 Der Verwaltungsgerichtshof hat sich in seinem Erkenntnis vom 20. Juni 2017, Ra 2016/01/0153, ausführlich mit der Bestimmung des § 5 Abs. 3 AsylG 2005 und dem diesbezüglichen unionsrechtlichen Hintergrund - insbesondere dem sich in der "Sicherheitsvermutung" des § 5 Abs. 3 AsylG 2005 wiederfindenden Prinzip des gegenseitigen Vertrauens zwischen den die Dublin III-Verordnung anwendenden Staaten - auseinandergesetzt. Gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG wird insoweit auf die Entscheidungsgründe dieses Erkenntnisses verwiesen. Hervorzuheben ist im gegebenen Zusammenhang, dass demnach die Sicherheitsvermutung des § 5 Abs. 3 AsylG 2005 nur durch eine schwerwiegende, etwa die hohe Schwelle des Art. 3 EMRK bzw. Art. 4 GRC übersteigende allgemeine Änderung der Rechts- und Sachlage im zuständigen Mitgliedstaat widerlegt werden kann (Rn. 35 und 44 des zitierten Erkenntnisses VwGH 20.6.2017, Ra 2016/01/0153; vgl. aus der daran anschließenden Rechtsprechung etwa VwGH 14.11.2017, Ra 2017/20/0108; 5.12.2017, Ra 2017/20/0431).
6 Der - unter verschiedenen Identitäten und Staatsangehörigkeiten registrierte - Revisionswerber macht zur Zulässigkeit der Revision (zusammengefasst) geltend, das Bundesverwaltungsgericht hätte nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes aufgrund der Feststellungen zur Situation im nach den Kriterien des Kapitels III der Dublin III-Verordnung zuständigen Mitgliedstaat nicht davon ausgehen dürfen, dass es im Fall seiner Überstellung und der seiner Familie zu keiner Verletzung der ihm nach Art. 3 EMRK bzw. Art. 4 GRC eingeräumten Rechte kommen werde. Dabei nimmt der Revisionswerber aber nur bloß auszugsweise auf Feststellungen des Verwaltungsgerichts Bezug und legt nicht dar, weshalb - was im gegenständlichen Fall nicht ohne Weiteres zu sehen ist - bei Bedachtnahme auch auf die übrigen Feststellungen der vom Bundesverwaltungsgericht gezogene Schluss unzutreffend wäre. Den oben genannten Anforderungen an die Widerlegung der "Sicherheitsvermutung" des § 5 Abs. 3 AsylG 2005 wird der Revisionswerber nicht gerecht.
7 Soweit der Revisionswerber in der Begründung für die Zulässigkeit der Revision ferner die Beweiswürdigung des Bundesverwaltungsgerichts als nicht dem Gesetz entsprechend und unvertretbar rügt, ist ihm entgegenzuhalten, dass er mit seinem Vorbringen der Sache nach in Wahrheit die rechtliche Beurteilung des Bundesverwaltungsgerichts in Frage zu stellen sucht.
Der Verwaltungsgerichtshof hat - was in der Revision in diesem Zusammenhang ausgeblendet wird und was dem Vorbringen entgegenzuhalten ist - in seiner Rechtsprechung bereits festgehalten, dass negative Erlebnisse einer asylwerbenden Partei in einem anderen Mitgliedstaat zwar eines von vielen Indizien für die Behandlung von Asylwerbern in diesem Staat sein können, sie aber keinen (alleinigen) Rückschluss darauf zulassen, dass einer asylwerbenden Partei bei Rücküberstellung in diesen Staat Gleiches widerfahren werde. Entscheidend ist vielmehr eine prognostische Beurteilung der Verhältnisse im Aufnahmestaat, die auf der Grundlage einer Gesamtbeurteilung der den Asylbehörden bzw. dem Bundesverwaltungsgericht vorliegenden aktuellen Berichtslage unter Bedachtnahme auf die individuelle Lage des betroffenen Asylwerbers zu erfolgen hat (vgl. nochmals VwGH 14.11.2017, Ra 2017/20/0108, mwN).
8 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen.
Wien, am 20. Februar 2018
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2018:RA2018200020.L00Im RIS seit
14.03.2018Zuletzt aktualisiert am
22.03.2018