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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);Norm
B-VG Art131 Abs1 Z1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Novak, Dr. Mizner, Dr. Bumberger und Dr. Stöberl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Killian, in der Beschwerdesache des H in Salzburg, vertreten durch Moringer & Moser Rechtsanwälte OEG in 4040 Linz, Rudolfstraße 14, gegen den Bescheid des Ausschusses der Salzburger Rechtsanwaltskammer vom 14. Juli 1998, betreffend Bestellung eines Amtsverteidigers, den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Beschwerde wird für gegenstandslos geworden erklärt und das Verfahren eingestellt.
Die Anträge auf Zuerkennung von Aufwandersatz werden abgewiesen.
Begründung
In dem gegen sechs Angeklagte, darunter den Beschwerdeführer, wegen des Verbrechens der Untreue nach § 153 StGB beim Landesgericht Salzburg geführten Strafverfahren hatte sich der Beschwerdeführer zunächst eines frei gewählten Verteidigers (seines nunmehrigen Vertreters im Beschwerdeverfahren) bedient. Am 30. Juni 1998 erklärte der Verteidiger gegenüber dem Gericht, er habe das Auftrags- und Vollmachtsverhältnis zum Beschwerdeführer beendet. Mit Beschluss des Landesgerichtes Salzburg vom 6. Juli 1998 wurde daraufhin dem Beschwerdeführer gemäß § 41 Abs. 3 StPO ein Verteidiger beigegeben, dessen Kosten er zu tragen hat. Mit Bescheid vom 6. Juli 1998 bestellte die Salzburger Rechtsanwaltskammer durch die Abteilung 3 des Ausschusses die E. Rechtsanwälte Kommandit-Partnerschaft zum Amtsverteidiger für den Beschwerdeführer. Der gegen diesen Bescheid erhobenen Vorstellung des Beschwerdeführers gab das Plenum des Ausschusses mit dem angefochtenen Bescheid vom 14. Juli 1998 nicht Folge.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof, die Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften sowie infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde geltend macht.
Mit Bescheid des Ausschusses der Salzburger Rechtsanwaltskammer vom 15. Dezember 1998 wurde die E. Rechtsanwälte Kommandit-Partnerschaft über deren Antrag vom 4. November 1998 als Amtsverteidiger enthoben und gemäß § 45 Abs. 1 RAO Rechtsanwältin Dr. M. zum Amtsverteidiger des Beschwerdeführers bestellt. Ein Antrag des Beschwerdeführers vom 27. April 1999, Rechtsanwältin Dr. M. als Amtsverteidiger zu entheben, wurde mit dem im Instanzenzug erlassenen Bescheid der belangten Behörde vom 24. August 1999 abgewiesen. Die gegen den zuletzt erwähnten Bescheid vom Beschwerdeführer erhobene Beschwerde wies der Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 27. März 2000, Zl. 2000/10/0019, als unbegründet ab. Am 14. Juni 1999 wurde der Beschwerdeführer zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von acht Jahren verurteilt. Er meldete Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung an.
Unter Hinweis auf die Enthebung der E. Rechtsanwälte Kommandit - Partnerschaft und die Bestellung von Rechtsanwältin Dr. M. als Amtsverteidiger mit Bescheid des Ausschusses der Salzburger Rechtsanwaltskammer vom 15. Dezember 1998 wurde der Beschwerdeführer mit Verfügung des Verwaltungsgerichtshofes vom 8. Februar 2000 aufgefordert, sich zur Frage der Klaglosstellung zu äussern.
Der Beschwerdeführer legte dar, der Bescheid der belangten Behörde vom 15.12.1998 stelle keine Behebung des angefochtenen Bescheides dar; es sei lediglich "mit der Umbestellung vom 15. 12. 1998 die Wirkung der Bestellung vom 14. 7. 1998 ex nunc abgeändert" worden. Für die "Zeit zwischen den beiden Bescheiden" habe der angefochtene Bescheid nach wie vor Wirkungen. Diese bestünden zum Einen in dem auf die Bestimmungen der Strafprozessordnung gegründeten Entgeltanspruch, den die E. Rechtsanwälte Kommandit - Partnerschaft gegen den Beschwerdeführer hätte, und zum Anderen darin, dass das Recht des Beschwerdeführers auf Verteidigung im Strafverfahren gewahrt schiene. Eine Aufhebung des angefochtenen Bescheides durch den Verwaltungsgerichtshof hätte den Entfall des Entgeltanspruches zur Folge, weil sie auf den Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides zurückwirkte. Weiters hätte die Aufhebung des angefochtenen Bescheides zur Folge, dass der Beschwerdeführer in der Zeit von 14. 7. 1998 bis 10. 12. 1998 der notwendigen Verteidigung im Strafverfahren entbehrt hätte und dieses nichtig wäre. Die belangte Behörde müsse nämlich, wenn der Beschwerde Folge gegeben werde, über den Gegenstand des Bescheides vom 14. 12. 1998 neuerlich absprechen; dabei wäre auszuschließen, dass "eine neuerliche Beigebung der nämlichen Amtsverteidiger erfolgen" könne.
Gemäß § 33 Abs. 1 erster Satz VwGG ist eine Beschwerde mit Beschluss als gegenstandslos geworden zu erklären und das Verfahren einzustellen, wenn in irgendeiner Lage des Verfahrens offenbar wird, dass der Beschwerdeführer klaglos gestellt wurde.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist § 33 Abs. 1 VwGG nicht nur auf die Fälle der formellen Klaglosstellung beschränkt. Ein Einstellungsfall liegt u.a. auch dann vor, wenn der Beschwerdeführer durch ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes nicht günstiger gestellt würde, als dies ohne meritorische Entscheidung über die Beschwerde infolge der nach ihrer Erhebung eingetretenen Umstände der Fall ist. Zur Verfahrenseinstellung führende Gegenstandslosigkeit der Beschwerde kann somit auch dann eintreten, wenn durch Änderungen maßgebender Umstände zeitlicher, sachlicher oder prozessualer Art das rechtliche Interesse des Beschwerdeführers an der Entscheidung wegfällt (siehe dazu die hg. Beschlüsse vom 9. April 1980, Slg. Nr. 10.092/A, vom 10. Dezember 1980, Slg. Nr. 10.322/A, und vom 26. November 1998, Zl. 96/20/0623). Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn durch einen behördlichen Akt dasselbe Ergebnis herbeigeführt wird, das der Beschwerdeführer mit der Anrufung des Verwaltungsgerichtshofes anstrebt; in einem so gelagerten Fall wird auch von einer "materiellen" Klaglosstellung gesprochen (vgl. die hg. Beschlüsse vom 26. April 1985, Zl. 83/11/0296, vom 19. Jänner 1988, Zl. 87/11/0051, vom 22. September 1989, Zl. 88/17/0231 und vom 23. September 1994, Zl. 94/17/0326).
Die gesetzlichen Bestimmungen über die Verwaltungsgerichtsbarkeit gewähren der Partei nicht den Anspruch auf verwaltungsgerichtliche Feststellung der Gesetzmäßigkeit von Verwaltungsbescheiden an sich, sondern nur auf die Aufhebung gesetzwidriger Bescheide, die in die Rechtssphäre der Partei eingreifen (vgl. den hg. Beschluss vom 24. März 1999, Zl. 99/12/0016).
Im vorliegenden Fall kommt als prozessuales Ziel der vorliegenden Beschwerde, das einem im Gesetz begründeten Recht des Beschwerdeführers entspricht, allein das Recht auf Aufhebung der Bestellung der E. Rechtsanwälte Kommandit - Partnerschaft zum Amtsverteidiger in Betracht. Dieser Zielsetzung wurde mit dem Bescheid der belangten Behörde vom 15. Dezember 1998, mit dem die E. Rechtsanwälte Kommandit - Partnerschaft als Amtsverteidiger enthoben wurde, entsprochen; ein nach allfälliger Aufhebung des angefochtenen Bescheides ergehender Ersatzbescheid der belangten Behörde könnte insoweit keine darüber hinausgehenden Anordnungen treffen.
Für die vom Beschwerdeführer angenommenen Auswirkungen der Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen deren "Rückwirkung" besteht keine Grundlage im Gesetz. Es kann nicht davon die Rede sein, dass mit einem aufhebenden Erkenntnis die dem Beschwerdeführer offenbar vorschwebende Wirkung der "Nichtigkeit" oder des "Wegdenkens" des tatsächlich geleisteten Beistandes des Amtsverteidigers im Strafprozess verbunden wäre; dafür besteht keine gesetzliche Grundlage. Ebenso wenig könnte dies mit Anordnungen, die die belangte Behörde im Rahmen ihrer nach § 63 Abs. 1 VwGG bestehenden Folgenbeseitigungspflicht zu treffen hätte, bewirkt werden. Im Übrigen stellt die Tätigkeit eines vom Gericht beigegebenen und von der Rechtsanwaltskammer bestellten Amtsverteidigers, wenngleich sie in Wahrnehmung einer öffentlichen Aufgabe erfolgt, keinen behördlichen Vollzugsakt dar, der bzw. dessen Auswirkungen im Zuge der Verwirklichung des der Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichtshofes entsprechenden Rechtszustandes im Sinne des § 63 Abs. 1 VwGG zu beseitigen wären.
Es war daher in einem gemäß § 12 Abs. 3 VwGG gebildeten Senat die Beschwerde als gegenstandslos geworden zu erklären und das Verfahren einzustellen.
Die Abweisung der von den Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens gestellten Anträge auf Zuerkennung von Aufwandersatz gründet sich auf die durch die Bestimmung des zweiten Halbsatzes des § 58 Abs. 2 VwGG in der Fassung BGBl. I Nr. 88/1997 dem Verwaltungsgerichtshof eröffnete Befugnis zur Entscheidung der Kostenfrage nach freier Überzeugung in solchen Fällen, in denen die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens einen unverhältnismäßigen Aufwand erfordern würde.
Wien, am 27. April 2000
Schlagworte
Offenbare Unzuständigkeit des VwGH Angelegenheiten in welchen die Anrufung des VwGH ausgeschlossen istEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2000:1998100330.X00Im RIS seit
05.04.2001Zuletzt aktualisiert am
19.07.2009