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41/02 Passrecht Fremdenrecht;Norm
AsylG 1997 §21 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Kremla, Dr. Riedinger, Dr. Holeschofsky und Dr. Beck als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Breunlich, über die Beschwerde des C in W, vertreten durch Dr. Peter Lewisch, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Parkring 2, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 5. Juli 1999, Zl. UVS-01/37/00059/99, betreffend Schubhaft, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem vor dem Verwaltungsgerichtshof bekämpften Bescheid vom 5. Juli 1999 wies die belangte Behörde die Beschwerde, mit welcher die Rechtswidrigkeit der Anhaltung des Beschwerdeführers in Schubhaft (seit 10. Juni 1999) behauptet wurde, gemäß § 73 Abs. 1, 2 und 4 Fremdengesetz 1997 (FrG) iVm § 67c Abs. 3 AVG als unbegründet ab und stellte fest, dass im Zeitpunkt ihrer Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorlägen. Im Übrigen wurde der Beschwerdeführer zum Ersatz der Verfahrenskosten verpflichtet und der Antrag auf Haftentschädigung als unzulässig zurückgewiesen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof. Dieser hat erwogen:
Die belangte Behörde ging unter anderem von folgendem entscheidungsrelevanten Sachverhalt aus:
Am 10. Juni 1999 sei der nunmehrige Beschwerdeführer als "vermutlicher" C S gemeinsam mit einer zweiten Person, die sich als M S ausgegeben habe, von Sicherheitswachebeamten in Wien einer Identitätskontrolle unterzogen worden; keiner der beiden habe sich durch Personaldokumente ausweisen können, es sei nur jeweils die Kopie eines Asylantrages sowie ein Meldezettel vorgelegt worden. Eine Überprüfung habe ergeben, dass der Beschwerdeführer seit 31. März 1999 aufrecht an einer näher angeführten Anschrift in Wien gemeldet gewesen sei. Der Beschwerdeführer habe jedoch bei Weitem älter ausgesehen, als dies auf Grund der Geburtsdaten in den Meldezetteln zu vermuten gewesen sei. Der Beschwerdeführer habe Bargeld in der Höhe von S 1.173,-- und "unbedenkliche Effekten" bei sich gehabt. Eine Abfrage in der Datei der Asylwerber habe ergeben, dass eine Person mit den aktenkundigen Daten nicht in der Asylwerberinformationsdatei vorgemerkt sei, dass es jedoch einen ähnlichen Personendatensatz gebe, so dass eine Identitätsprüfung erforderlich sei. Nach Rücksprache mit der Außenstelle des Bundesasylamtes sei eine Identitätsfeststellung bezüglich "C S" nicht möglich gewesen; ebenso nicht eine "einwandfreie" Identitätsfeststellung durch den Flughafensozialdienst.
Am 10. Juni 1999 sei sodann über den Beschwerdeführer die Schubhaft zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer Ausweisung, eines Aufenthaltsverbotes, der Zurückschiebung und der Abschiebung angeordnet worden.
Der Beschwerdeführer behaupte, der am 2. Jänner 1966 geborene indische Staatsangehörige C S zu sein; er habe bei zwei niederschriftlichen Einvernahmen unter Beiziehung zweier verschiedener Dolmetscher angegeben, ohne Reisedokument über die grüne Grenze von Ungarn kommend nach Österreich eingereist zu sein, und zwar unter Mithilfe von Schleppern. Er sei dann in den indischen Tempel im 22. Wiener Gemeindebezirk gekommen und dort beraten worden, Asyl zu beantragen. Er habe vorerst in diesem Tempel gewohnt und etwa seit Anfang Mai genug Geld gehabt, um sich an der näher angeführten Adresse in Wien, an der er seit Ende März gemeldet gewesen sei, tatsächlich zu wohnen. Seinen Lebensunterhalt habe er als Werbemittelverteiler verdient; er habe keine Angehörigen in Österreich, seine Familie sei in Indien. Er habe Indien am 20. März 1999 mit einem gefälschten Pass und einem Touristensichtvermerk in Richtung Moskau verlassen, weil die indische Polizei ihn mehrfach wegen seiner (erzwungenen) Plakatierungstätigkeit für eine Sikh-Organisation in Haft genommen und nur gegen Bestechungsgeld wieder frei gelassen habe. Nach wenigen Tagen sei er nach Ungarn weiter gereist, wo ihm sein falscher Reisepass abgenommen worden sei. Danach sei über die grüne Grenze nach Österreich gekommen; er habe einen Asylantrag gestellt und auch die Ausstellung einer Bescheinigung über die vorläufige Aufenthaltsberechtigung beantragt.
Am 16. Juni 1999 sei über den Beschwerdeführer ein auf die Dauer von zehn Jahren befristetes Aufenthaltsverbot verhängt worden.
Der Beschwerdeführer habe seinen Asylantrag nicht (außerhalb einer Vorführung) persönlich beim Bundesasylamt eingebracht, sondern nur persönlich beim Flughafen-Sozialdienst vorgesprochen, welcher in der Folge den Asylangtrag für ihn gestellt habe.
Die belangte Behörde bejahte die Zulässigkeit der Verhängung der Schubhaft; diese diene - da das erwähnte Aufenthaltsverbot vom 16. Juni 1999 durchsetzbar sei - nur noch der tatsächlichen Durchführung der Abschiebung. Auch die Anwendung gelinderer Mittel komme nicht in Betracht, da Grund zur Annahme bestehe, dass der Beschwerdeführer sich weiteren fremdenpolizeilichen Maßnahmen entziehen werde. Der Beschwerdeführer, an dessen Identität nämlich "massive Zweifel" bestünden, sei illegal nach Österreich eingereist und halte sich hier "unbewilligt" auf; er sei über mehrere Wochen hin an einer Adresse wohnhaft gewesen, an der er nicht gemeldet gewesen sei und habe sich in dieser Zeit an einer Adresse gemeldet, an der er nicht aufhältig gewesen sei.
Der Beschwerdeführer rügt vor dem Gerichtshof die unrichtige Anwendung des § 21 Abs. 2 AsylG 1997. Danach dürfe ein Asylwerber nicht in den Herkunftsstaat zurückgewiesen und überhaupt nicht zurückgeschoben oder abgeschoben werden. Da somit der Beschwerdeführer weder zurückgeschoben noch abgeschoben werden dürfe, sei auch eine Schubhaft zu deren Sicherung unzulässig. Da auch das über den Beschwerdeführer verhängte Aufenthaltsverbot unzulässig und bisher nicht rechtskräftig sei, diene die Schubhaft auch nicht der Sicherung dieses Verfahrens.
Nach § 21 Abs. 2 erster Halbsatz AsylG 1997 (AsylG) darf ein Asylwerber nicht in den Herkunftsstaat zurückgewiesen und überhaupt nicht zurückgeschoben und abgeschoben werden. Dies hindert jedoch, wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 23. März 1999, Zl. 98/02/0309, näher dargelegt hat nicht, dass auch auf Asylwerber die Bestimmungen über die Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung Anwendung finden, wenn sie nicht die in § 21 Abs. 1 AsylG näher dargelegten Voraussetzungen erfüllen. Dass dies aber beim Beschwerdeführer der Fall wäre und er etwa über eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung im Sinne des § 19 AsylG verfüge, wird von ihm, der unbestrittenermaßen über die grüne Grenze (und somit unter Umgehung der Grenzkontrolle, vgl. § 19 Abs. 2 AsylG und dazu das hg. Erkenntnis vom 19. Juni 1998, Zl. 98/02/0182) eingereist ist, selbst nicht behauptet. Soweit der Beschwerdeführer aber die Rechtmäßigkeit des Aufenthaltsverbotes in Zweifel zieht, ist ihm entgegenzuhalten, dass diese Frage im Verfahren über eine Schubhaftbeschwerde nicht zu prüfen ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 23. Juli 1999, Zl. 99/02/0081, mwN).
Der Umstand, dass es sich bei dem Beschwerdeführer um einen Asylwerber handelt, stand somit der Verhängung der Schubhaft nicht entgegen.
Der Beschwerdeführer wendet sich weiters gegen die Annahme der belangten Behörde, in seinem Falle käme eine Anwendung gelinderer Mittel im Sinne des § 66 FrG 1997 nicht in Betracht.
Nach Abs. 1 dieser Bestimmung kann die Behörde von der Anordnung der Schubhaft Abstand nehmen, wenn sie Grund zur Annahme hat, dass deren Zweck durch Anwendung gelinderer Mittel erreicht werden kann. Gegen Minderjährige hat die Behörde gelindere Mittel anzuwenden, es sei denn, sie hätte Grund zur Annahme, dass der Zweck der Schubhaft damit nicht erreicht werden kann.
Da der Beschwerdeführer weder nach seinem Vorbringen noch nach dem Akteninhalt minderjährig ist, lag es im Ermessen der Behörde, im Einzelfall von der Anordnung der Schubhaft Abstand zu nehmen (vgl. dazu das bereits erwähnte hg. Erkenntnis vom 23. März 1999, Zl. 98/02/0309). Ein Ermessensfehler ist jedoch nicht erkennbar. Die belangte Behörde hat zutreffend darauf verwiesen, dass der Beschwerdeführer "illegal" in das Bundesgebiet eingereist ist. Dazu kommt noch, dass der Beschwerdeführer weitgehend mittellos und in Österreich sozial nicht integriert ist. Darüber hinaus ist auch der Umstand, dass sich der Beschwerdeführer im Verlauf seiner Reise unbestritten gefälschter Reisedokumente und der Hilfe von Schleppern bediente, sogar ein zweifaches Indiz dafür, dass er sich dem behördlichen Zugriff entziehen könnte (vgl. auch hiezu wieder das bereits erwähnte hg. Erkenntnis vom 23. März 1999, Zl. 98/02/0309 im Zusammenhang mit der Zuhilfenahme von Schleppern).
Der Beschwerdeführer erblickt weiters eine Rechtswidrigkeit des bekämpften Bescheides wegen Verletzung von Verfahrensvorschriften darin, dass die belangte Behörde die gesetzlich gebotene mündliche Verhandlung unterlassen habe. Eine solche sei gemäß § 67d AVG iVm § 73 Abs. 2 FrG 1997 zwingend angeordnet. Eine Einschränkung erfahre die Verpflichtung zur Abhaltung einer mündlichen Verhandlung nur insoweit, als dann, wenn der Sachverhalt (im Lichte der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerdeschrift selbst) geklärt erscheine, von der Abhaltung einer mündlichen Verhandlung abgesehen werden dürfe. Die belangte Behörde habe jedoch Zweifel an der Identität des Beschwerdeführers und betreffend seine Wohnverhältnisse gehabt; sie habe auf diese Zweifel ihre Schlussfolgerung gestützt, dass er sich weiteren fremdenpolizeilichen Maßnahmen entziehen werde. Bei Abhaltung einer mündlichen Verhandlung und Einvernahme des Beschwerdeführers hätten diese Zweifel beseitigt werden können.
Zunächst ist festzuhalten, dass die belangte Behörde nach dem Inhalt des bekämpften Bescheides zwar Zweifel betreffend die Identität des Beschwerdeführers hatte, jedoch ohnehin keine Feststellung dahin traf, er sei nicht diejenige Person, die den Asylantrag unter dem Namen C S gestellt habe.
Im Sinne des Beschwerdevorbringens könnte sich der behauptete in der Unterlassung der Abhaltung einer mündlichen Verhandlung gelegene Verfahrensmangel insoweit ausgewirkt haben, als die belangte Behörde die Anwendung gelinderer Mittel versagte. Hiezu aber wurde bereits dargelegt, dass die belangte Behörde nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes eine zutreffende Ermessensentscheidung schon im Hinblick auf die oben dargelegten Gründe getroffen hat; insbesondere kam es daher auf weitere Umstände, wie etwa die Wohnverhältnisse und die "illegale" Erwerbstätigkeit des Beschwerdeführers nicht mehr an. Die Relevanz des behaupteten Verfahrensfehlers ist daher unter Zugrundelegung des vom Beschwerdeführer selbst vorgebrachten und unbestrittenen Sachverhaltes nicht ersichtlich. Darüber hinaus führt der Beschwerdeführer auch vor dem Gerichtshof nicht aus, welche Tatsachen - zusätzlich zu denen im Verwaltungsverfahren bis dahin vorgebrachten - er vor der belangten Behörde bei Abhaltung der mündlichen Verhandlung ins Treffen geführt hätte; auch aus diesen Erwägungen ist daher die behauptete Rechtswidrigkeit des bekämpften Bescheides infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften nicht ersichtlich.
Da nach dem Akteninhalt und in Übereinstimmung mit dem eigenen Vorbringen des Beschwerdeführers auch sonst die Voraussetzungen für die Anhaltung in Schubhaft gegeben waren, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Entscheidung über den Vorlageaufwand gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 27. April 2000
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2000:1999020302.X00Im RIS seit
11.05.2001