Entscheidungsdatum
14.02.2018Index
40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AVG §38Text
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Landesverwaltungsgericht Tirol hat durch seinen Richter Mag. Dr. Rieser über die Beschwerde des Z-ischen Staatsangehörigen AA, geb. am XX.XX.XXXX, vertreten durch Rechtsanwalt BB, Adresse 1, Y, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft X vom 10.11.2017, Zl ****, betreffend Aussetzung eines Verfahrens nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG),
zu Recht erkannt:
1. Der Beschwerde wird Folge gegeben und der angefochtene Bescheid ersatzlos behoben.
2. Die ordentliche Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
I. Sachverhalt und rechtliche Erwägungen:
Der Beschwerdeführer hat am 19.07.2017 bei der Bezirkshauptmannschaft X als belangte Behörde einen Antrag auf Ausstellung einer Anmeldebescheinigung für EWR-Bürger, eines Lichtbildausweises für EWR-Bürger und einer Aufenthaltskarte eingebracht. Da die belangte Behörde davon ausgegangen ist, dass das Aufenthaltsrecht gemäß § 55 Abs 3 NAG nicht mehr bestehen könnte, wurde das für fremdenpolizeiliche und insbesondere aufenthaltsbeendende Maßnahme nach dem FPG zuständige Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (kurz BFA) befasst. Da die Prüfung und die Stellungnahme durch das BFA einige Zeit in Anspruch nahm und für die belangte Behörde eine entscheidungsrelevante Vorfrage war, die als Hauptfrage von einer anderen Verwaltungsbehörde nämlich dem BFA zu entscheiden war, wurde das bei der belangte Behörde aufgrund des am 19.07.2017 eingebrachten Antrages anhängige Verfahren nach dem NAG in Anwendung des § 38 AVG ausgesetzt. In der rechtzeitig eingebrachten Beschwerde wurde zusammenfassend ausgeführt, dass der Beschwerde stattgegeben und der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes bzw wegen Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben werden möge, weil das BFA nicht zu befassen und somit auch das gegenständliche Verfahren nicht auszusetzen sei, zumal hiefür aufgrund der Unzulässigkeit der Befassung des BFA kein Grund bestünde. In eventu wurde beantragt, dass der angefochtene Bescheid im Umfang der Anfechtung aufgehoben und die gegenständliche Rechtssache zur ergänzenden Entscheidung an die Behörde erster Instanz zurückverwiesen werden möge.
Zur Sachverhaltsfeststellung wurde in die vorgelegten Unterlagen der belangten Behörde Einsicht genommen. Vom LVwG Tirol wurde bei der belangten Behörde nachgefragt, ob das BFA bereits in der gegenständlichen Angelegenheit des Beschwerdeführers eine Entscheidung getroffen habe. Die belangte Behörde teilte per E-Mail am 02.02.2018 mit, dass diese am 02.02.2018 per E-Mail die Mitteilung erhalten habe, dass seitens des BFA keine aufenthaltsbeendenden Maßnahmen ergriffen werden würden. Weiters wurde ausgeführt, dass sobald der zu retournierende Akt wieder bei der belangten Behörde sei, das gegenständliche Verfahren fortgesetzt und entschieden werden würde.
Gemäß § 38 AVG ist die Behörde berechtigt, sofern die Gesetze nicht anderes bestimmen, im Ermittlungsverfahren auftauchende Vorfragen, die als Hauptfragen von anderen Verwaltungsbehörden oder von den Gerichten zu entscheiden wären, nach der über die maßgebenden Verhältnisse gewonnenen eigenen Anschauung zu beurteilen und diese Beurteilung in ihren Bescheid zugrunde zu legen. Sie kann aber auch das Verfahren bis zur rechtskräftigen Entscheidung der Vorfrage aussetzen, wenn die Vorfrage schon den Gegenstand eines anhängigen Verfahrens bei der zuständigen Verwaltungsbehörde bzw beim zuständigen Gericht bildet oder ein solches Verfahren gleichzeitig anhängig gemacht wird.
Das Landesverwaltungsgericht Tirol hat im gegenständlichen Verfahren die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt ihrer Entscheidung heranzuziehen. Laut dem durchgeführten Beschwerdeverfahren ist jener wesentliche Sachverhalt, der von der belangten Behörde zur Begründung der Verfahrensaussetzung herangezogen wurde, nunmehr aufgrund der erfolgten Mitteilung des BFA an die belangte Behörde, dass keine aufenthaltsbeendenden Maßnahmen ergriffen werden würden, weggefallen. Da somit auch die gesetzlichen Voraussetzungen für die Aufrechterhaltung der mit dem angefochtenen Bescheid vom 10.11.2017 erforderlichen Verfahrensaussetzung nach § 38 AVG nicht mehr vorliegen, war daher der Beschwerde stattzugeben und der angefochtene Aussetzungsbescheid ersatzlos zu beheben und kann das bei der belangten Behörde anhängige Verfahren nach dem NAG fortgesetzt und entschieden werden.
II. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:
Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt.
R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g
Soweit die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof in Wien für zulässig erklärt worden ist, kann innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung dieser Entscheidung eine ordentliche Revision erhoben werden. Im Fall der Nichtzulassung der ordentlichen Revision kann innerhalb dieser Frist nur die außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden.
Jedenfalls kann gegen diese Entscheidung binnen sechs Wochen ab der Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, Freyung 8, 1010 Wien, erhoben werden.
Die genannten Rechtsmittel sind von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw einer bevollmächtigten Rechtsanwältin abzufassen und einzubringen, und es ist eine Eingabegebühr von Euro 240,00 zu entrichten. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist direkt bei diesem, die (ordentliche oder außerordentliche) Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist beim Landesverwaltungsgericht Tirol einzubringen.
Es besteht die Möglichkeit, auf die Revision beim Verwaltungsgerichtshof und die Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof zu verzichten. Ein solcher Verzicht hat zur Folge, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof und eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof nicht mehr erhoben werden können.
Landesverwaltungsgericht Tirol
Mag. Dr. Rieser
(Richter)
Schlagworte
Vorfrage von zuständiger Behörde entschieden;European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGTI:2018:LVwG.2017.30.2850.2Zuletzt aktualisiert am
13.03.2018