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27/01 Rechtsanwälte;Norm
AVG §68 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Novak, Dr. Mizner, Dr. Bumberger und Dr. Stöberl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Killian, über die Beschwerde des Dr. M, Rechtsanwalt in 1010 Wien, vertreten durch Dr. Michael Graff, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Gonzagagasse 15, gegen den Beschluss des Ausschusses der Rechtsanwaltskammer Wien vom 7. April 1998, Zl. 2128/98, betreffend Erteilung der Substitutionsberechtigung für einen Rechtsanwaltsanwärter, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Aus der Beschwerde und den angeschlossenen Beilagen ergibt sich im Wesentlichen folgender Sachverhalt:
Mit Antrag vom 14. August 1991 ersuchte der beschwerdeführende Rechtsanwalt um Erteilung der Substitutionsberechtigung gemäß § 15 Abs. 2 der Rechtsanwaltsordnung (RAO) für den bei ihm in Verwendung stehenden Rechtsanwaltsanwärter Mag. Jürgen F. Dieser Antrag wurde mit Beschluss der Abteilung II des Ausschusses der Rechtsanwaltskammer Wien vom 3. September 1991 wegen des Fehlens des erforderlichen akademischen Grades abgewiesen. Nach den Feststellungen der Behörde sei der genannte Rechtsanwaltsanwärter nur zum Führen des akademischen Grades "Mag. iuris" gemäß § 17 Abs. 1 des Bundesgesetzes vom 2. März 1978 über das Studium der Rechtswissenschaften, BGBl. Nr. 140/1978, berechtigt. Dies sei jedoch gemäß § 15 Abs. 2 RAO nicht ausreichend, da dort das Doktorat der Rechte nach der alten Studienordnung oder für Absolventen des Diplomstudiums nach der neuen Studienordnung der akademische Grad "Magister der Rechtswissenschaften" vorausgesetzt werde.
Dieser Beschluss erwuchs unangefochten in Rechtskraft.
Mit Antrag vom 18. März 1998 beantragte der beschwerdeführende Rechtsanwalt neuerlich (unter den gleichen Voraussetzungen) die Erteilung der Substititutionsberechtigung gemäß § 15 Abs. 2 RAO für Mag. Jürgen F. Er berief sich dabei auf ein Erkenntnis der Obersten Berufungs- und Disziplinarkommission für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter (OBDK) vom 25. April 1997, in welchem ein Mag. iuris, der diesen akademischen Grad nach Absolvierung des Studiums nach der "alten" Studienordnung erworben habe, gegenüber einem Magister der Rechtswissenschaft nach der "neuen" Studienordnung gleich behandelt worden sei.
Mit Beschluss vom 24. März 1998 wies die Abteilung II des Ausschusses der Rechtsanwaltskammer Wien diesen Antrag wegen entschiedener Sache zurück.
In der dagegen erhobenen Vorstellung berief sich der Beschwerdeführer neuerlich auf das Erkenntnis der OBDK vom 25. April 1997. Seiner Ansicht nach könne wegen dieser Rechtsprechung keine res iudicata vorliegen.
Mit Beschluss vom 7. April 1998 gab der Ausschuss der Rechtsanwaltskammer Wien (Plenum) der Vorstellung keine Folge. Nach der Begründung habe sich seit der abweisenden Entscheidung der Abteilung II des Ausschusses der Rechtsanwaltskammer Wien vom 3. September 1991 weder der Sachverhalt noch die Rechtslage geändert. Mag. Jürgen F. sei nach wie vor beim Beschwerdeführer Rechtsanwaltsanwärter. Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Erteilung der Substitutionsberechtigung in § 15 Abs. 2 RAO seien seither unverändert, so dass die Abteilung II des Ausschusses den Antrag des Beschwerdeführers vom 18. März 1998 zu Recht zurückgewiesen habe. Die von ihm zitierte Entscheidung der OBDK vom 25. April 1997 sei von einem anderen Sachverhalt ausgegangen (die Entscheidung habe einen Antragsteller betroffen, der durch Bescheid des OLG Graz bereits zur Rechtsanwaltsprüfung zugelassen worden sei und diese bestanden habe); sie sei auch nicht zu § 15 Abs. 2 RAO, sondern zu § 1 RAO ergangen. Bei einem eindeutigen Gesetzeswortlaut, wie ihn § 15 Abs. 2 RAO aufweise, sei keine vom Wortlaut abgehende Interpretation zulässig. Nach Auffassung der belangten Behörde bestünden auch erhebliche Unterschiede zwischen dem Diplomstudium nach dem Bundesgesetz vom 2. März 1978 gegenüber dem früheren Studium der Rechtswissenschaften, so dass der Gesetzgeber verfassungskonform Ungleiches ungleich geregelt und die Verleihung der Substitutionsberechtigung gemäß § 15 Abs. 2 RAO an das nach der Studienordnung laut Bundesgesetzblatt vom 2. März 1978 erworbene Magisterium oder an ein nach der früheren Studienordnung erworbenes Doktorat geknüpft habe.
Gegen diesen Bescheid hat der Beschwerdeführer zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof erhoben; dieser hat deren Behandlung mit Beschluss vom 30. November 1999, B 879/98, abgelehnt. Mit Beschluss vom 14. Jänner 2000 wurde die Beschwerde über Antrag des Beschwerdeführers dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten.
In seiner auftragsgemäß ergänzten Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof beantragt der Beschwerdeführer die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Mit dem angefochtenen Bescheid wurde die Zurückweisung des Antrages des Beschwerdeführers auf Erteilung der Substitutionsberechtigung für einen Rechtsanwaltsanwärter bestätigt. "Sache" des Berufungsverfahrens ist die Angelegenheit, die den Inhalt des Spruches des Bescheides der Unterinstanz gebildet hat. Im Beschwerdefall ist daher entscheidend, ob der Antrag des Beschwerdeführers zu Recht zurückgewiesen worden ist.
Die belangte Behörde vertrat diesbezüglich im Wesentlichen die Auffassung, dass sich seit der Abweisung des Antrages des Beschwerdeführers mit Beschluss der Abteilung II des Ausschusses der Rechtsanwaltskammer vom 3. September 1991 weder der Sachverhalt noch die Rechtslage geändert habe. Nach Ansicht des Beschwerdeführers sei hingegen im Hinblick auf die Entscheidung der OBDK vom 25. April 1997 eine Änderung des Sachverhaltes eingetreten. Danach sei das Magisterium nach altem Recht bei verfassungskonformer Interpretation dem Magisterium nach neuem Recht gleichzuhalten. Wenn sich zwar bei rein formaler Betrachtung die Rechtslage dadurch auch nicht geändert habe, so könne die neue (und unerwartete) Rechtsauffassung des höchsten Standesorganes der Rechtsanwälte nicht unbeachtet bleiben, zumal die Erteilung der Substitutionsberechtigung gemäß § 15 Abs. 2 RAO aus "rücksichtswürdigen Gründen" zu erfolgen habe. Das Vorliegen solcher Gründe sei im Zeitpunkt der Entscheidung zu prüfen, so dass zwischen einer Entscheidung aus dem Jahre 1991 und einem Antrag aus dem Jahre 1998 nicht "res iudicata" vorliegen könne.
Dieses Vorbringen ist nicht geeignet, der Beschwerde zum Erfolg zu verhelfen.
Ist die Beiziehung eines Rechtsanwaltes gesetzlich vorgeschrieben, so kann sich gemäß § 15 Abs. 1 RAO der Rechtsanwalt vor allen Gerichten und Behörden auch durch einen bei ihm in Verwendung stehenden, substitutionsberechtigten Rechtsanwaltsanwärter unter seiner Verantwortung vertreten lassen.
Substitutionsberechtigt ist gemäß § 15 Abs. 2 RAO ein Rechtsanwaltsanwärter, der die Rechtsanwaltsprüfung mit Erfolg abgelegt hat. Das Erfordernis der Rechtsanwaltsprüfung kann auf Ansuchen eines Rechtsanwaltes vom Ausschuss der Rechtsanwaltskammer aus rücksichtswürdigen Gründen denjenigen bei ihm in Verwendung stehenden Rechtsanwaltsanwärtern erlassen werden, die an einer inländischen Universität das Doktorat der Rechte oder, wie Absolventen des Diplomstudiums nach dem Bundesgesetz vom 2. März 1978, BGBl. Nr. 140, über das Studium der Rechtswissenschaften, den akademischen Grad eines Magisters der Rechtswissenschaften erlangt haben und mindestens eine neunmonatige zivil- und strafgerichtliche Praxis bei einem Gerichtshof erster Instanz und bei einem Bezirksgericht sowie eine achtzehnmonatige praktische Verwendung bei einem Rechtsanwalt oder bei der Finanzprokuratur nachzuweisen vermögen. Die Nachsicht der Rechtsanwaltsprüfung gilt jedoch nur für die Dauer der Verwendung des Rechtsanwaltsanwärters bei demjenigen Rechtsanwalt, auf dessen Ansuchen sie bewilligt wurde.
Gemäß § 15 Abs. 4 RAO hat der Ausschuss der Rechtsanwaltskammer u. a. den bei einem Rechtsanwalt in Verwendung stehenden Rechtsanwaltsanwärtern Legitimationsurkunden auszustellen, aus denen die Substitutionsberechtigung nach Abs. 2 (große Legitimationsurkunde) ersichtlich ist.
Entschiedene Sache liegt nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes dann vor, wenn sich gegenüber dem früheren Bescheid weder die Rechtslage noch der wesentliche Sachverhalt geändert hat und sich das neue Parteibegehren im Wesentlichen mit dem früheren deckt.
Die Beschwerde zeigt nicht auf, dass seit der Erlassung des Bescheides vom 3. September 1991 eine Änderung der Rechtslage oder des wesentlichen Sachverhaltes eingetreten wäre.
Es trifft zu, dass die OBDK in ihrem Erkenntnis vom 25. April 1997, Bkv 4/96 (AnwBl. 1997, 834), die Auffassung vertreten hat, im Wege verfassungskonformer Interpretation sei (bei der Beurteilung der Voraussetzungen der Ausübung der Rechtsanwaltschaft) das "Magisterium nach altem Recht" dem "Magisterium nach neuem Recht" gleichzusetzen. Darin liegt aber - angesichts des unveränderten Normenbestandes (§ 15 RAO) - keine Änderung der Rechtslage. Ebenso wenig handelt es sich um eine Änderung des wesentlichen Sachverhaltes, sondern um eine Auslegung des Begriffes "Absolventen des Diplomstudiums nach dem Bundesgesetz vom 2. März 1978, BGBl. Nr. 140, über das Studium der Rechtswissenschaften (die) den akademischen Grad eines Magisters der Rechtswissenschaften erlangt haben", die von jener Auslegung abweicht, die dem Bescheid vom 3. September 1991 zugrunde lag. Eine solche Änderung der Auslegung eines Rechtsbegriffes bzw. einer Rechtsnorm berechtigt für sich alleine jedoch nicht zu einem Eingriff in die Rechtskraft eines individuellen Verwaltungsaktes (vgl. z.B. das Erkenntnis vom 15. Juni 1988, Zl. 88/01/0056).
Der Antrag des Beschwerdeführers auf Erteilung der Substitutionsberechtigung für den Rechtsanwaltsanwärter Mag. Jürgen F. wurde daher zu Recht wegen entschiedener Sache zurückgewiesen.
Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet, weshalb sie gemäß § 35 Abs. 1 VwGG in nichtöffentlicher Sitzung abzuweisen war.
Wien, am 27. April 2000
Schlagworte
Rechtskraft Umfang der Rechtskraftwirkung Allgemein Bindung der Behörde Zurückweisung wegen entschiedener SacheEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2000:2000100017.X00Im RIS seit
20.11.2000