TE Bvwg Erkenntnis 2018/3/1 W185 2132748-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 01.03.2018
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

01.03.2018

Norm

AsylG 2005 §5 Abs1
BFA-VG §21 Abs3 Satz1
B-VG Art.133 Abs4
FPG §61 Abs1

Spruch

W185 2132748-1/7E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Gerhard PRÜNSTER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Algerien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 11.07.2016, Zl. 1100731303-160002437, zu Recht erkannt:

A) Der Beschwerde wird gemäß § 21 Abs. 3 erster Satz

BFA-Verfahrensgesetz idgF (BFA-VG) stattgegeben, das Verfahren über den Antrag auf internationalen Schutz wird zugelassen und der bekämpfte Bescheid wird behoben.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger aus Algerien, stellte nach illegaler Einreise in das Bundesgebiet am 02.01.2016 den vorliegenden Antrag auf internationalen Schutz.

Eine EURODAC-Abfrage verlief ergebnislos.

Am 02.01.2016 wurde der Beschwerdeführer von einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes erstbefragt und gab hierbei zusammengefasst an, der Einvernahme ohne gesundheitliche Probleme folgen zu können. Er habe weder in Österreich noch in einem anderen EU-Land Familienangehörige. Zu seiner konkreten Reiseroute befragt, führte der Beschwerdeführer aus, über die Türkei, Griechenland, Mazedonien, Serbien, Kroatien, Slowenien und Deutschland nach Österreich gekommen zu sein. In Deutschland habe er sich nur einen Tag lang aufgehalten und um Asyl angesucht, jedoch sei sein Antrag "nicht zugelassen" worden. Zuvor habe er auch schon ein Visum für Frankreich beantragt (dieses wurde ihm laut den Informationen des BMI vom 02.01.2016 verweigert; vgl. AS 3). Nunmehr wolle der Beschwerdeführer in Österreich bleiben.

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl richtete am 11.02.2016 ein Informationsersuchen gem. Art. 34 der Dublin-III-VO an Slowenien.

Mit Schreiben vom 12.02.2016 gaben die slowenischen Behörden bekannt, dass der Beschwerdeführer in Slowenien nicht registriert sei (AS 39).

Am 21.03.2016 richtete das Bundesamt - unter Bekanntgabe der vom Beschwerdeführer angegebenen Reiseroute - ein auf Art. 13 Abs. 1 der Dublin III-VO gestütztes Aufnahmeersuchen an Kroatien.

Mit Schreiben vom 27.06.2016 teilte die österreichische Dublin-Behörde Kroatien mit, dass auf Grund der nicht fristgerecht erfolgten Antwort gemäß Artikel 22 Absatz 7 der Dublin III-VO Verfristung eingetreten und Kroatien nunmehr, beginnend mit 23.05.2016, für die Durchführung des gegenständlichen Asylverfahrens zuständig sei.

Am 11.07.2016 kam es zur Einvernahme des Beschwerdeführers vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl. Hierbei gab dieser an, in Algerien vor drei oder vier Jahren TBC gehabt zu haben. Seit einem Monat habe er nun wieder gesundheitliche Probleme in Form von Atembeschwerden und Herzrasen und bestehe der Verdacht auf Tuberkulose. Bislang sei er aber nur bei einer praktischen Ärztin gewesen, die ihm eine Überweisung gegeben habe; diesbezüglich werde er heute einen Termin vereinbaren. Zudem habe er Augenbeschwerden; nunmehr habe er eine Brille. Die Frage nach dem Vorliegen von familiären Anknüpfungspunkten in Österreich oder einem anderen EU-Land wurde vom Beschwerdeführer verneint. Sodann wurde dem Beschwerdeführer die Absicht der Überstellung nach Kroatien mitgeteilt und ihm die Möglichkeit geboten, sich hiezu zu äußern. Diesbezüglich erklärte der Beschwerdeführer, nicht nach Kroatien zurückkehren zu wollen, da er dort von einem Polizisten mit einem Schlagstock geschlagen worden sei. Er habe sich lediglich einen Tag lang in Kroatien aufgehalten. Sein Zielland sei ursprünglich Deutschland gewesen.

Im Zuge der Einvernahme legte der Beschwerdeführer das Überweisungsschreiben einer Ärztin für Allgemeinmedizin vom 08.07.2016 an einen Facharzt für Lungenkrankheiten (mit der Diagnose: "seit 1 Monat Belastungsdyspnoe, auch Schmerzen beim Atmen, St post behandelte TB in Algerien vor 3 oder 4 Jahren (6 Monate behandelt)"); einen Verordnungsschein für Sehbehelfe vom 21.04.2016 (mit der Diagnose: "Astigmatismus, Presbyopie") sowie eine Teilnahmebestätigung an einem Deutschkurs A1 Modul 1 vom 22.04.2016, vor (AS 121 bis 125).

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde I. der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz ohne in die Sache einzutreten gemäß § 5 Abs. 1 AsylG 2005 als unzulässig zurückgewiesen und ausgesprochen, dass gemäß Art. 13 Abs. 1 (korrekt: iVm Art. 22 Abs. 7) der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates (Dublin III-VO) Kroatien zur Prüfung des Antrags zuständig sei, sowie II. gemäß § 61 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz, BGBl. I Nr. 100/2005 (FPG) idgF die Außerlandesbringung des Beschwerdeführers angeordnet und festgestellt, dass demzufolge gem. § 61 Abs. 2 FPG seine Abschiebung nach Kroatien zulässig sei.

Gegen diesen Bescheid wurde am 26.07.2016 fristgerecht Beschwerde eingebracht. Zusammengefasst wurde darin dargelegt, dass der Beschwerdeführer einen Asylantrag in Österreich gestellt habe, welcher nunmehr als unzulässig zurückgewiesen und eine Zuständigkeit Kroatien festgestellt worden sei. Der Beschwerdeführer habe keinerlei Bezug zu Kroatien. Im Falle einer Überstellung dorthin habe er Angst, dass sich sein Gesundheitszustand verschlechtern und er kein faires Verfahren bekommen werde. So befinde er sich in ärztlicher Behandlung; der nächste Termin sei am 01.08.2016. Das Bundesamt verharmlose die aktuelle Kritik am kroatischen Asylsystem und lasse die Berichte von UNHCR sowie Medienberichte außer Acht. Im Übrigen seien die zugrunde gelegten Länderfeststellungen nicht aktuell. So werde sowohl auf die deutsche als auch die jüngere österreichische Rechtsprechung verwiesen, die Mängel im kroatischen Asylsystem sehen und eine Abschiebung nach Kroatien als nicht zulässig erachten würden. Zusammengefasst könne nicht mit Sicherheit davon ausgegangen werden, dass der Beschwerdeführer in Kroatien ein Asylverfahren nach europäischen Standards und eine ausreichende Versorgung erhalten werde, da Kroatien nicht in der Lage sei, diese für alle Asylwerber zu gewährleisten. Eine Abschiebung nach Kroatien stelle im gegenständlichen Fall eindeutig eine Verletzung des Art. 3 EMRK dar.

Mit Eingabe vom 25.11.2016 wurde dem erkennenden Gericht die Aussetzung des gegenständlichen Verfahrens aufgrund des Untertauchens des Beschwerdeführers zur Kenntnis gebracht und zugleich die entsprechende Benachrichtigung der kroatischen Behörden darüber übermittelt.

Mit E-Mail vom 27.02.2018 teilte das Bundesamt mit, dass die Überstellungsfrist mit 23.11.2017 abgelaufen sei; der Beschwerdeführer dürfte sich derzeit in Deutschland aufhalten.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Festgestellt wird zunächst der dargelegte Verfahrensgang.

Obwohl unzweifelhaft die Zuständigkeit Kroatiens zur Führung des Asylverfahrens des Beschwerdeführers vorlag, erfolgte dessen Überstellung nicht binnen der in Art. 29 Abs. 2 Dublin III-VO festgelegten Frist von 18 Monaten, konkret bis zum Ablauf des 22.11.2017. Das Verfahren wurde aufgrund unbekannten Aufenthalts des Beschwerdeführers ausgesetzt und hatte sich die Überstellungsfrist sohin auf 18 Monate verlängert.

2. Beweiswürdigung:

Die festgestellten Tatsachen ergeben sich aus dem Akt des Bundesamtes, insbesondere auch aus dem dokumentierten Konsultationsverfahren.

Dass eine fristgerechte Überstellung des Beschwerdeführers nach Kroatien nicht erfolgt ist, ergibt sich aus einer entsprechenden Mitteilung seitens des Bundeamtes vom 27.02.2018.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A) Stattgebung der Beschwerde

Die maßgeblichen Bestimmungen des Asylgesetzes 2005 (AsylG 2005) idgF lauten:

"§ 5 (1) Ein nicht gemäß §§ 4 oder 4a erledigter Antrag auf internationalen Schutz ist als unzulässig zurückzuweisen, wenn ein anderer Staat vertraglich oder auf Grund der Dublin-Verordnung zur Prüfung des Asylantrages oder des Antrages auf internationalen Schutz zuständig ist. Mit der Zurückweisungsentscheidung ist auch festzustellen, welcher Staat zuständig ist. Eine Zurückweisung des Antrages hat zu unterbleiben, wenn im Rahmen einer Prüfung des § 9 Abs. 2 BFA-VG festgestellt wird, dass eine mit der Zurückweisung verbundene Anordnung zur Außerlandesbringung zu einer Verletzung von Art. 8 EMRK führen würde.

...

(3) Sofern nicht besondere Gründe, die in der Person des Asylwerbers gelegen sind, glaubhaft gemacht werden oder beim Bundesamt oder beim Bundesverwaltungsgericht offenkundig sind, die für die reale Gefahr des fehlenden Schutzes vor Verfolgung sprechen, ist davon auszugehen, dass der Asylwerber in einem Staat nach Abs. 1 Schutz vor Verfolgung findet.

...

§ 10 (1) Eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz ist mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn

1. der Antrag auf internationalen Schutz gemäß §§ 4 oder 4a zurückgewiesen wird,

2. der Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 5 zurückgewiesen wird,

...

und in den Fällen der Z 1 und 3 bis 5 von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 nicht erteilt wird."

§ 9 Abs. 1 und 2 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG) idgF lautet:

"§ 9 (1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

4. der Grad der Integration,

5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

§ 21 (3) BFA-VG: Ist der Beschwerde gegen die Entscheidung des Bundesamtes im Zulassungsverfahren stattzugeben, ist das Verfahren zugelassen. Der Beschwerde gegen die Entscheidung im Zulassungsverfahren ist auch stattzugeben, wenn der vorliegende Sachverhalt so mangelhaft ist, dass die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint."

§ 61 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) idgF lautet:

"§ 61 (1) Das Bundesamt hat gegen einen Drittstaatsangehörigen eine Außerlandesbringung anzuordnen, wenn

1. dessen Antrag auf internationalen Schutz gemäß §§ 4a oder 5 AsylG 2005 zurückgewiesen wird oder nach jeder weiteren, einer zurückweisenden Entscheidung gemäß §§ 4a oder 5 AsylG 2005 folgenden, zurückweisenden Entscheidung gemäß § 68 Abs. 1 AVG oder

2. ...

(2) Eine Anordnung zur Außerlandesbringung hat zur Folge, dass eine Abschiebung des Drittstaatsangehörigen in den Zielstaat zulässig ist. Die Anordnung bleibt binnen 18 Monaten ab Ausreise des Drittstaatsangehörigen aufrecht.

(3) Wenn die Durchführung der Anordnung zur Außerlandesbringung aus Gründen, die in der Person des Drittstaatsangehörigen liegen, eine Verletzung von Art. 3 EMRK darstellen würde und diese nicht von Dauer sind, ist die Durchführung für die notwendige Zeit aufzuschieben.

(4) Die Anordnung zur Außerlandesbringung tritt außer Kraft, wenn das Asylverfahren gemäß § 28 AsylG 2005 zugelassen wird."

Die maßgeblichen Bestimmungen der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates (Dublin III-Verordnung) lauten:

Aufnahmeverfahren

Artikel 21

Aufnahmegesuch

(1) Hält der Mitgliedstaat, in dem ein Antrag auf internationalen Schutz gestellt wurde, einen anderen Mitgliedstaat für die Prüfung des Antrags für zuständig, so kann er so bald wie möglich, auf jeden Fall aber innerhalb von drei Monaten nach Antragstellung im Sinne von Artikel 20 Absatz 2, diesen anderen Mitgliedstaat ersuchen, den Antragsteller aufzunehmen.

Abweichend von Unterabsatz 1wird im Fall einer Eurodac-Treffermeldung im Zusammenhang mit Daten gemäß Artikel 14 der Verordnung (EU) Nr. 603/2013 dieses Gesuch innerhalb von zwei Monaten nach Erhalt der Treffermeldung gemäß Artikel 15 Absatz 2 jener Verordnung gestellt.

Wird das Gesuch um Aufnahme eines Antragstellers nicht innerhalb der in Unterabsätzen 1 und 2 niedergelegten Frist unterbreitet, so ist der Mitgliedstaat, in dem der Antrag auf internationalen Schutz gestellt wurde, für die Prüfung des Antrags zuständig.

(2) ...

...

Artikel 22 Antwort auf ein Aufnahmegesuch

(1) Der ersuchte Mitgliedstaat nimmt die erforderlichen Überprüfungen vor und entscheidet über das Gesuch um Aufnahme eines Antragstellers innerhalb von zwei Monaten, nach Erhalt des Gesuchs.

(2) In dem Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats werden Beweismittel und Indizien verwendet.

(3) Die Kommission legt im Wege von Durchführungsrechtsakten die Erstellung und regelmäßige Überprüfung zweier Verzeichnisse, in denen die sachdienlichen Beweismittel und Indizien gemäß den in den Buchstaben a und b dieses Artikels festgelegten Kriterien aufgeführt sind, fest. Diese Durchführungsrechtsakte werden gemäß dem in Artikel 44 Absatz 2 genannten Prüfverfahren erlassen.

a) Beweismittel:

i) Hierunter fallen förmliche Beweismittel, die insoweit über die Zuständigkeit nach dieser Verordnung entscheiden, als sie nicht durch Gegenbeweise widerlegt werden;

ii) Die Mitgliedstaaten stellen dem in Artikel 44 vorgesehenen Ausschuss nach Maßgabe der im Verzeichnis der förmlichen Beweismittel festgelegten Klassifizierung Muster der verschiedenen Arten der von ihren Verwaltungen verwendeten Dokumente zur Verfügung;

b) Indizien:

i) Hierunter fallen einzelne Anhaltspunkte, die, obwohl sie anfechtbar sind, in einigen Fällen nach der ihnen zugebilligten Beweiskraft ausreichen können;

ii) Ihre Beweiskraft hinsichtlich der Zuständigkeit für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz wird von Fall zu Fall bewertet.

(4) Das Beweiserfordernis sollte nicht über das für die ordnungsgemäße Anwendung dieser Verordnung erforderliche Maß hinausgehen.

(5) Liegen keine förmlichen Beweismittel vor, erkennt der ersuchte Mitgliedstaat seine Zuständigkeit an, wenn die Indizien kohärent, nachprüfbar und hinreichend detailliert sind, um die Zuständigkeit zu begründen.

(6) Beruft sich der ersuchende Mitgliedstaat auf das Dringlichkeitsverfahren gemäß Artikel 21 Absatz 2, so unternimmt der ersuchte Mitgliedstaat alle Anstrengungen, um die vorgegebene Frist einzuhalten. In Ausnahmefällen, in denen nachgewiesen werden kann, dass die Prüfung eines Gesuchs um Aufnahme eines Antragstellers besonders kompliziert ist, kann der ersuchte Mitgliedstaat seine Antwort nach Ablauf der vorgegebenen Frist erteilen, auf jeden Fall ist die Antwort jedoch innerhalb eines Monats zu erteilen. In derartigen Fällen muss der ersuchte Mitgliedstaat seine Entscheidung, die Antwort zu einem späteren Zeitpunkt zu erteilen, dem ersuchenden Mitgliedstaat innerhalb der ursprünglich gesetzten Frist mitteilen.

(7) Wird innerhalb der Frist von zwei Monaten gemäß Absatz 1 bzw. der Frist von einem Monat gemäß Absatz 6 keine Antwort erteilt, ist davon auszugehen, dass dem Aufnahmegesuch stattgegeben wird, was die Verpflichtung nach sich zieht, die Person aufzunehmen und angemessene Vorkehrungen für die Ankunft zu treffen.

Artikel 29 Dublin III - VO: Modalitäten und Fristen

(1) Die Überstellung des Antragstellers oder einer anderen Person im Sinne von Artikel 18 Absatz 1 Buchstabe c oder d aus dem ersuchenden Mitgliedstaat in den zuständigen Mitgliedstaat erfolgt gemäß den innerstaatlichen Rechtsvorschriften des ersuchenden Mitgliedstaats nach Abstimmung der beteiligten Mitgliedstaaten, sobald dies praktisch möglich ist und spätestens innerhalb einer Frist von sechs Monaten nach der Annahme des Aufnahme - oder Wiederaufnahmegesuchs durch einen anderen Mitgliedstaat oder der endgültigen Entscheidung über einen Rechtsbehelf oder eine Überprüfung, wenn diese gemäß Artikel 27 Absatz 3 aufschiebende Wirkung hat.

Wenn Überstellungen in den zuständigen Mitgliedstaat in Form einer kontrollierten Ausreise oder in Begleitung erfolgen, stellt der Mitgliedstaat sicher, dass sie in humaner Weise und unter uneingeschränkter Wahrung der Grundrechte und der Menschenwürde durchgeführt werden.

Erforderlichenfalls stellt der ersuchende Mitgliedstaat dem Antragsteller ein Laissez-passer aus. Die Kommission gestaltet im Wege von Durchführungsrechtsakten das Muster des Laissez- passer. Diese Durchführungsrechtsakte werden gemäß dem in Artikel 44 Absatz 2 genannten Prüfverfahren erlassen.

Der zuständige Mitgliedstaat teilt dem ersuchenden Mitgliedstaat gegebenenfalls mit, dass die betreffende Person eingetroffen ist oder dass sie nicht innerhalb der vorgegebenen Frist erschienen ist.

(2) Wird die Überstellung nicht innerhalb der Frist von sechs Monaten durchgeführt, ist der zuständige Mitgliedstaat nicht mehr zur Aufnahme oder Wiederaufnahme der betreffenden Person verpflichtet und die Zuständigkeit geht auf den ersuchenden Mitgliedstaat über. Diese Frist kann höchstens auf ein Jahr verlängert werden, wenn die Überstellung aufgrund der Inhaftierung der betreffenden Person nicht erfolgen konnte, oder höchstens auf achtzehn Monate, wenn die betreffende Person flüchtig ist."

...

Artikel 42 Berechnung der Fristen

Die in dieser Verordnung vorgesehenen Fristen werden wie folgt berechnet:

a) Ist für den Anfang einer nach Tagen, Wochen oder Monaten bemessenen Frist der Zeitpunkt maßgebend, zu dem ein Ereignis eintritt oder eine Handlung vorgenommen wird, so wird bei Berechnung dieser Frist der Tag, auf den das Ereignis oder die Handlung fällt, nicht mitgerechnet.

b) Eine nach Wochen oder Monaten bemessene Frist endet mit Ablauf des Tages, der in der letzten Woche oder im letzten Monat dieselbe Bezeichnung oder dieselbe Zahl wie der Tag trägt, an dem das Ereignis eingetreten oder die Handlung vorgenommen worden ist, von denen an die Frist zu berechnen ist. Fehlt bei einer nach Monaten bemessenen Frist im letzten Monat der für ihren Ablauf maßgebende Tag, so endet die Frist mit Ablauf des letzten Tages dieses Monats.

c) Eine Frist umfasst die Samstage, die Sonntage und alle gesetzlichen Feiertage in jedem der betroffenen Mitgliedstaaten.

Auf Grund des Aufnahmeersuchens Österreichs gem. Art. 13 Abs. 1 der Dublin III-VO an Kroatien vom 21.03.2016, der Nichtbeantwortung des Gesuchs durch die kroatische Dublinbehörde und somit des Vorliegens von Verfristung gemäß Art. 22 Abs. 7 Dublin III-VO, begann die Überstellungsfrist nach Art. 29 Abs. 1 iVm Art 42 lit b Dublin III-VO grundsätzlich mit dem 22.05.2016.

Da der Beschwerdeführer jedoch seit spätestens 12.08.2016 unbekannten Aufenthaltes war, wurden die kroatischen Behörden seitens des Bundesamtes mit Schreiben vom 25.11.2016 vom Untertauchen des Beschwerdeführers und der sich daraus ergebenden Verlängerung der Überstellungsfrist auf 18 Monate in Kenntnis gesetzt. Rechtsbehelfe mit aufschiebender Wirkung wurden seitens des Bundesverwaltungsgerichtes nicht gewährt.

Zum gegenwärtigen Zeitpunkt ist somit die Überstellungsfrist (22.11.2017) bereits abgelaufen. Die Verfristungsbestimmungen der Dublin III-VO normieren einen Zuständigkeitsübergang bzw. eine Zuständigkeitsbegründung des die Überstellung nicht während dieser Frist durchführenden Mitgliedsstaates.

Ein Übergang der Zuständigkeit gem. Art. 29 Abs. 2 Dublin III-VO hat im gegenständlichen Verfahren somit stattgefunden und ist Österreich demnach nunmehr für die Führung des materiellen Verfahrens des Beschwerdeführers zuständig. Dementsprechend war der gegenständliche, die Zuständigkeit Österreichs zurückweisende, Bescheid zu beheben und das Verfahren zuzulassen.

Es bleibt noch anzuführen, dass auch die in Art 29 Abs 1 und 2 Dublin III-VO normierte Frist zur Überstellung in den zuständigen Mitgliedstaat eine zwingende Frist ist (siehe EuGH 25.10.2017, Rs C-201/16 Shiri), bei deren Nichteinhaltung die Zuständigkeit, ohne dass dies von der Reaktion des zuständigen Mitgliedstaates abhängig wäre, auf den ersuchenden Staat übergeht. Darauf kann sich auch ein Antragsteller berufen (VwGH 13.12.2017, Ra 2017/19/0081).

Eine mündliche Verhandlung konnte gemäß § 21 Abs. 6a und 7 BFA-VG unterbleiben, zumal sämtliche verfahrenswesentliche Abklärungen, insbesondere aber die im gegenständlichen Verfahren relevante Frage hinsichtlich des Vorliegens eines Fristablaufes, eindeutig aus dem vorliegenden Verwaltungsakt beantwortet werden konnten.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Im Übrigen treffen Art. 29 Dublin III-VO und § 21 Abs. 3 BFA-VG klare eindeutige Regelungen (vgl. OGH 22.03.1992, 5Ob105/90), weshalb keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung vorliegt.

Schlagworte

Fristablauf, Fristversäumung, Überstellungsfrist, Verfristung,
Zulassungsverfahren

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:W185.2132748.1.00

Zuletzt aktualisiert am

12.03.2018
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten