TE Bvwg Erkenntnis 2018/3/1 W151 2174722-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 01.03.2018
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

01.03.2018

Norm

AuslBG §12a
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

W151 2174528-1/5E

W 151 2174722-1/5E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. Doris Kohl, MCJ als Vorsitzende, die fachkundige Laienrichterin Mag. Sandra HUBER und den fachkundigen Laienrichter Anton LIEDLBAUER als Beisitzer über den Vorlageantrag vom 09.10.2017 des Erstbeschwerdeführers XXXX , geb. XXXX und der Zweitbeschwerdeführerin XXXX GmbH, XXXX , beide vertreten durch Rechtsanwalt Mag. Stefan Errath, in 1030 Wien, Untere Viaduktgasse 6/6, gegen die Beschwerdevorentscheidung des Arbeitsmarktservice Wien Esteplatz vom 29.09.2017, XXXX betreffend Nichtzulassung zu einer Beschäftigung als Fachkraft in einem Mangelberuf gemäß § 12a AuslBG in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Am 01.07.2016 stellte der Erstbeschwerdeführer (in Folge BF I), geb. 04.07.1985, Staatsangehörigkeit Bosnien Herzegowina, einen Antrag auf Ausstellung einer "Rot-Weiß-Rote-Karte" gemäß § 41 NAG i. V.m. § 12a AuslBG für eine "Fachkraft im Mangelberuf".

In der beigelegten Arbeitgebererklärung der Zweitbeschwerdeführerin (in Folge BF II) wird als berufliche Tätigkeit "Dachdecker" mit einem monatlichen Bruttogehalt von EUR 2.950,00 angegeben. Die Vermittlung von Ersatzarbeitskräften wurde abgelehnt mit der Begründung, dass der BF I der BF II sehr bekannt und vertrauenswürdig sei.

Dem Antrag wurde unter anderem folgende, für das Verfahren relevante Unterlage beigelegt:

- ÖSD Zertifikat B2 Deutsch vom 02.06.2015

2. Mit Schreiben der anwaltlichen Vertretung vom 30.03.2017 wurde der Antrag des BF I modifiziert und vorgebracht, dass die Voraussetzungen des BF I auf Erteilung einer "Rot-Weiß-Rote-Karte" für eine Fachkraft im Mangelberuf Dachdecker nun vorlägen, da der BF

I am 23.03.2017 in Österreich den Lehrabschluss im Lehrberuf Dachdecker absolviert habe. Das Prüfungszeugnis wurde mitübermittelt.

3. Aufgrund des Parteiengehörs übermittelten die Beschwerdeführer mit Schreiben vom 19.05.2017 diverse Unterlagen, davon für das Verfahren relevant ein aktuelles ÖSD Zertifikat B2 Deutsch vom 12.09.2016.

4. Mit Bescheid des Arbeitsmarktservice Wien Esteplatz (in Folge: AMS oder belangte Behörde) vom 12.06.2017 wurde der Antrag abgelehnt. Begründend wurde ausgeführt, dass die BF II gemäß "§ 99 Gewerbeordnung der WKO keine Berechtigung für die Ausübung der Tätigkeit des Dachdeckers" innehabe, sondern ihre Gewerbeberechtigung auf "Baumeister eingeschränkt auf ausführende Tätigkeiten" laute.

5. Dagegen erhoben die Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde und brachten im Wesentlichen vor, dass auch Dachdeckerarbeiten von der Gewerbeberechtigung umfasst seien.

6. Mit angefochtenem Bescheid der belangten Behörde wurde im Rahmen einer Beschwerdevorentscheidung der Antrag auf Ausstellung einer Rot-Weiß-Rot Karte für eine Fachkraft im Mangelberuf gemäß § 12a Ausländerbeschäftigungsgesetz abgewiesen.

Begründend wurde nach Zitierung der angewandten gesetzlichen Bestimmungen ausgeführt, dass das Ermittlungsverfahren ergeben habe, dass die BF II seit 30.11.2005 eine Gewerbeberechtigung eingeschränkt auf ausführende Tätigkeiten innehabe und diese die Leitung und Ausführung der Dachdeckerei im Sinne des § 99 Abs. 1 und 2 Gewerbeordnung nicht zulasse. Folglich sei kein objektiver Bedarf an der Anstellung des BF I bei der BF II gegeben.

7. Mit Schreiben vom 09.10.2017 beantragten die Beschwerdeführer fristgerecht die Vorlage der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht und ergänzten ihr Vorbringen unter Hinweis auf eine positive Entscheidung des AMS bei identer Sachlage, wonach die betriebliche Notwendigkeit an der Beschäftigung des BF I im Unternehmen des BF II gegeben sei.

8. Mit Schreiben vom 25.10.2017, eingelangt 31.10.2017 legte das AMS den Beschwerdeakt dem Bundesverwaltungsgericht vor. Der Akt wurde der Gerichtabteilung W 151 zugeteilt.

9. Mit 01.10.2017 traten neue Bestimmungen des Ausländerbeschäftigungsgesetzes in Kraft.

10. Mit Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 11.10.2017, G 56/2017, stellte dieser die Verfassungswidrigkeit des § 12a Z2 AuslBG sowie der Anlage B "Zulassungskriterien für Fachkräfte in Mangelberufen gemäß § 12a" des AuslBG, idF BGB, I 25/2011, bis zum 30.09.2017 fest.

11. Am 12.02.2018 holte die zuständige vorsitzende Richterin einen Versicherungsdatenauszug des BF I ein. Daraus folgen berufliche Tätigkeiten des BFI beim XXXX im Zeitraum vom 01.03.2014 bis 31.08.2014 und beim Arbeitgeber XXXX vom 30.01.2015 bis 29.01.2017 sowie 16.05.2013 bis 30.09.2013.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

XXXX , geb. XXXX , besitzt die Staatsangehörigkeit von Bosnien-Herzegowina und stellte als Drittstaatsangehöriger am 01.07.2016, modifiziert am 30.03.2017, bei der Niederlassungs- und Aufenthaltsbehörde einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels "Rot-Weiß-Rot Karte" für "Fachkräfte in Mangelberufen" für eine berufliche Tätigkeit als Dachdecker bei der Zweitbeschwerdeführerin XXXX GmbH, XXXX . Dieser Antrag wurde mit Beschwerdevorentscheidung des AMS vom 29.09.2017, XXXX , mit der Begründung abgewiesen, dem BF II fehle die entsprechende Gewerbeberechtigung zur Leitung und Ausführung der Dachdeckerei im Sinne des § 99 Abs. 1 und 2 Gewerbeordnung und sei daher keine betriebliche Notwendigkeit an der Beschäftigung des BF I im Unternehmen der BF II gegeben.

Mit Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 11.10.2017, G 56/2017, stellte dieser die Verfassungswidrigkeit des § 12a Z2 AuslBG sowie der Anlage B "Zulassungskriterien für Fachkräfte in Mangelberufen gemäß § 12a" des AuslBG, idF BGB, I 25/2011, bis zum 30.09.2017 fest.

Da der gegenständliche Bescheid am 29.09.2017, somit vor dem 30.09.2017, erlassen wurde, beruht er nach dem Ergebnis des VfGH-Erkenntnisses auf einer verfassungswidrigen Norm.

Mit 01.10.2017 traten neue Bestimmungen des Ausländerbeschäftigungsgesetzes in Kraft, mit denen es auch zu einer Neuregelung des § 12a AuslBG und der Anlage B hinsichtlich der Zulassungskriterien für Fachkräfte in Mangelberufen gemäß § 12a AuslBG kam, diese sind dieser Entscheidung zugrunde zu legen.

Die Rechtssache fällt in den Anwendungsbereich der Fachkräfteverordnung 2016. Der beantragte Beruf "Dachdecker" findet sich in der Fachkräfteverordnung 2016 als Mangelberuf. Gemäß der ab 01.10.2017 neu geregelten Anlage B "Zulassungskriterien für Fachkräfte in Mangelberufen gemäß § 12a" sind dem BF I folgende Punkte zu vergeben:

* Zum Kriterium "Qualifikation" wird festgestellt:

Der BF hat weder behauptet noch bewiesen, eine allgemeine Universitätsreife oder ein Studiums an einer tertiären Bildungseinrichtung mit dreijähriger Mindestdauer absolviert zu haben, er wies jedoch im Verfahren den Berufsabschluss als Dachdecker nach, den er in Österreich absolvierte hat (Prüfungszeugnis vom 23.03.2017 der WKÖ über den Lehrabschluss im Lehrberuf Dachdecker). Damit sind dem BF I 20 Punkte zu vergeben.

* Alter: 10 Punkte, da er zum Zeitpunkt der Antragstellung das 30. Lebensjahr überschritten hat (geb. 04.07.1985);

* Deutschsprachkenntnisse: 15 Punkte, da mit Schreiben vom 19.05.2017 ein aktuelles ÖSD Zertifikat B2 Deutsch vom 12.09.2016 vorgelegt wurde.

* Englische Sprachkenntnisse wurden weder behauptet noch wurden dazu Unterlagen vorgelegt, somit sind keine Punkte zu vergeben;

* Zur ausbildungsadäquaten Berufserfahrung:

Aus dem Versicherungsdatenauszug des BF I folgen berufliche Tätigkeiten des BFI beim XXXX im Zeitraum vom 01.03.2014 bis 31.08.2014 und beim Arbeitgeber XXXX vom 30.01.2015 bis 29.01.2017 sowie 16.05.2013 bis 30.09.2013. Diese Tätigkeiten liegen jeweils vor Abschluss des Lehrabschlusses vom 23.03.2017, wodurch keine Punkte dafür zu vergeben waren. Weitere Nachweise über eine danach liegende Berufserfahrung des BF I wurden weder behauptet noch erbracht.

Somit erreicht der BF für seine Deutschsprachkenntnisse 15 Punkte, für seine Qualifikation 20 Punkte und für sein Alter 10 Punkte, zusammen somit 45.

Die neue Mindestpunkteanzahl laut Anlage B "Zulassungskriterien für Fachkräfte in Mangelberufen gemäß § 12a" verlangt seit 01.10.2017 eine Mindestpunkteanzahl von 55 Punkten, die der BF nicht erreicht hat und war ihm daher eine Zulassung als sonstige Schlüsselkraft gemäß § 12a AuslBG schon aus diesem Grund zu versagen.

Somit wird auch festgestellt, dass weitere Ermittlungen und rechtliche Würdigungen des Bundesverwaltungsgerichts zur Frage, ob eine betriebliche Notwendigkeit an der Beschäftigung des BF I im Unternehmen der BF II gegeben war, nicht geboten waren.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen ergeben sich aus dem übermittelten Verwaltungsakt.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 6 des Bundesverwaltungsgerichtsgesetzes (BVwGG), BGBl. I. Nr. 10/2013 idgF, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Gemäß § 20f Abs. 1 AuslBG entscheidet über Beschwerden gegen Bescheide der regionalen Geschäftsstellen des Arbeitsmarktservices, die in Angelegenheiten des Ausländerbeschäftigungsgesetzes ergangen sind, das Bundesverwaltungsgericht durch einen Senat, dem zwei fachkundige Laienrichter, je einer aus dem Kreis der Arbeitgeber und einer aus dem Kreis der Arbeitnehmer, angehören.

Gegenständlich liegt somit Senatszuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I 2013/33 idF BGBl. I 2013/122, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Zu A)

Zur Fachkräfteverordnung 2016, BGBl. II 329/2015:

Gemäß § 1 dieser Verordnung dürfen Ausländer in folgenden Mangelberufen nach Maßgabe des § 12a AuslBG zu einer Beschäftigung als Fachkraft zugelassen werden:

1. Fräser/innen

2. Dachdecker/innen

3. Techniker/innen mit höherer Ausbildung (Ing.) für Maschinenbau

4. Dreher/innen

5. DipIomingenieur(e)innen für Maschinenbau

6. Techniker/innen mit höherer Ausbildung (Ing.) für Starkstromtechnik

7. Diplomingenieur(e)innen für Starkstromtechnik

8. Diplomierte Krankenpfleger, -Schwestern, die ihre im Nostrifikationsbescheid des Landeshauptmannes vorgeschriebene Ergänzungsausbildung bis Ende 2015 begonnen haben.

Gemäß § 2 dieser Verordnung entsprechen die im § 1 genannten Berufe der Berufssystematik des Arbeitsmarktservice.

Gemäß § 3 dieser Verordnung tritt diese mit 1. Jänner 2016 in Kraft, mit Ablauf des 31. Dezember 2016 außer Kraft und gilt für Anträge, die bis zum 5. November 2016 gestellt werden.

Die gegenständlich maßgeblichen Bestimmungen des Ausländerbeschäftigungsgesetzes (AuslBG) lauten i.d.g.F.:

§ 12a.leg. cit:

§ 12a. Ausländer werden in einem in der Fachkräfteverordnung (§ 13) festgelegten Mangelberuf zu einer Beschäftigung als Fachkraft zugelassen, wenn sie

1. eine einschlägige abgeschlossene Berufsausbildung nachweisen können,

2. die erforderliche Mindestpunkteanzahl für die in Anlage B angeführten Kriterien erreichen,

3. für die beabsichtigte Beschäftigung das ihnen nach Gesetz, Verordnung oder Kollektivvertrag zustehende Mindestentgelt zuzüglich einer betriebsüblichen Überzahlung erhalten und

sinngemäß die Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 mit Ausnahme der Z 1 erfüllt sind. Die Arbeitsmarktprüfung im Einzelfall entfällt.

Anlage B:

Anlage B

Zulassungskriterien für Fachkräfte in Mangelberufen gemäß § 12a

Kriterien

Punkte

Qualifikation

maximal anrechenbare Punkte: 30

abgeschlossene Berufsausbildung im Mangelberuf

20

allgemeine Universitätsreife im Sinne des § 64 Abs. 1 des Universitätsgesetzes 2002, BGBl. I Nr. 120

25

Abschluss eines Studiums an einer tertiären Bildungseinrichtung mit dreijähriger Mindestdauer

30

 

 

ausbildungsadäquate Berufserfahrung

maximal anrechenbare Punkte: 20

Berufserfahrung (pro Jahr) Berufserfahrung in Österreich (pro Jahr)

2 4

 

 

Sprachkenntnisse Deutsch

maximal anrechenbare Punkte: 15

Deutschkenntnisse zur elementaren Sprachverwendung auf einfachstem Niveau Deutschkenntnisse zur vertieften elementaren Sprachverwendung Deutschkenntnisse zur selbständigen Sprachverwendung

5 10 15

 

 

Sprachkenntnisse Englisch

maximal anrechenbare Punkte: 10

Englischkenntnisse zur vertieften elementaren Sprachverwendung Englischkenntnisse zur selbständigen Sprachverwendung

5 10

 

 

Alter

maximal anrechenbare Punkte: 15

bis 30 Jahre bis 40 Jahre

15 10

 

 

Summe der maximal anrechenbaren Punkte

90

erforderliche Mindestpunkteanzahl

55

§ 20d:

"Zulassungsverfahren für besonders Hochqualifizierte, Fachkräfte, sonstige Schlüsselkräfte, Studienabsolventen und Künstler

§ 20d. (1) Besonders Hochqualifizierte, Fachkräfte sowie sonstige Schlüsselkräfte und Studienabsolventen haben den Antrag auf eine "Rot-Weiß-Rot - Karte", Schlüsselkräfte gemäß § 12c den Antrag auf eine "Blaue Karte EU" und ausländische Künstler den Antrag auf eine "Niederlassungsbewilligung - Künstler" gemeinsam mit einer schriftlichen Erklärung des Arbeitgebers, die im Antrag angegebenen Beschäftigungsbedingungen einzuhalten, bei der nach dem NAG zuständigen Behörde einzubringen. Der Antrag kann auch vom Arbeitgeber für den Ausländer im Inland eingebracht werden. Die nach dem NAG zuständige Behörde hat den Antrag, sofern er nicht gemäß § 41 Abs. 3 Z 1 oder 2 NAG zurück- oder abzuweisen ist, unverzüglich an die nach dem Betriebssitz des Arbeitgebers zuständige regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice zur Prüfung der jeweiligen Zulassungsvoraussetzungen zu übermitteln. Die regionale Geschäftsstelle hat den Regionalbeirat anzuhören und binnen vier Wochen der nach dem NAG zuständigen Behörde - je nach Antrag - schriftlich zu bestätigen, dass die Voraussetzungen für die Zulassung

1. als besonders Hochqualifizierter gemäß § 12

2. als Fachkraft gemäß § 12a,

3. als Schlüsselkraft gemäß § 12b Z 1,

4. als Schlüsselkraft gemäß § 12b Z 2 (Studienabsolvent),

5. als Schlüsselkraft gemäß § 12c (Anwärter auf eine "Blaue Karte EU") oder

6. als Künstler gemäß § 14

erfüllt sind. Die nach dem NAG zuständige Behörde hat die regionale Geschäftsstelle über die Erteilung des jeweiligen Aufenthaltstitels unter Angabe der Geltungsdauer zu verständigen. Bei Nichtvorliegen der Voraussetzungen hat die regionale Geschäftsstelle die Zulassung zu versagen und den diesbezüglichen Bescheid unverzüglich der nach dem NAG zuständigen Behörde zur Zustellung an den Arbeitgeber und den Ausländer zu übermitteln.

(2) Die Zulassung gemäß Abs. 1 gilt für die Beschäftigung bei dem im Antrag angegebenen Arbeitgeber im gesamten Bundesgebiet. Die regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice hat unverzüglich nach Beginn der Beschäftigung die Anmeldung zur Sozialversicherung zu überprüfen. Entspricht diese nicht den für die Zulassung maßgeblichen Voraussetzungen, ist die nach dem NAG zuständige Behörde zu verständigen (§ 28 Abs. 6 NAG). Bei einem Arbeitgeberwechsel vor Erteilung einer "Rot-Weiß-Rot - Karte plus" (§ 41a NAG) ist Abs. 1 sinngemäß anzuwenden.

(3) bis (4) [...]"

In der Sache folgt daraus:

Das Bundesverwaltungsgericht hat seiner Entscheidung die Rechtslage zum Entscheidungszeitpunkt zugrunde zu legen.

Aufgrund des Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 11.10.2017, G 56/2017, wurden die Bestimmung des § 12a Z2 AuslBG sowie die Anlage B "Zulassungskriterien für Fachkräfte in Mangelberufen gemäß § 12a" des AuslBG, idF BGB, I 25/2011, bis zum 30.09.2017 für verfassungswidrig erklärt.

Da der gegenständliche Bescheid am 29.09.2017, somit vor dem 30.09.2017, erlassen wurde, beruht er somit auf einer verfassungswidrigen Norm.

Mit 01.10.2017 traten neue Bestimmungen des Ausländerbeschäftigungsgesetzes in Kraft, mit denen es auch zu einer Neuregelung des § 12 a samt der Anlage B hinsichtlich der Zulassungskriterien für Fachkräfte in Mangelberufen gemäß § 12a AuslBG kam und welche dieser Entscheidung zugrunde zu legen sind.

Auf den Sachverhalt ist die Fachkräfteverordnung 2016 anzuwenden, da der Antrag am 01.07.2016, somit gemäß § 3 der VO vor dem 05.11.2016, gestellt wurde. Der beantragte Beruf "Dachdecker" findet sich in der Fachkräfteverordnung 2016 als Mangelberuf.

Damit der Antrag des BF positiv entschieden werden kann, ist auch die Erreichung der Mindestpunkteanzahl von - nunmehr 55 Punktenerforderlich.

Wie zum Kriterium "Qualifikation" festgestellt hat der BF weder behauptet noch bewiesen, eine allgemeine Universitätsreife oder ein Studiums an einer tertiären Bildungseinrichtung mit dreijähriger Mindestdauer absolviert zu haben, er wies jedoch im Verfahren den Berufsabschluss als Dachdecker nach, den er in Österreich absolvierte hat (Prüfungszeugnis vom 23.03.2017 der WKÖ über den Lehrabschluss im Lehrberuf Dachdecker). Damit sind dem BF I 20 Punkte zu vergeben.

Alter: 10 Punkte, da er zum Zeitpunkt der Antragstellung das 30. Lebensjahr überschritten hat (geb. 04.07.1985);

Weiters konnten dem BF für seine Deutschsprachkenntnisse 15 Punkte, somit also die Maximalpunkteanzahl, zuerkannt werden, da er ein aktuelles ÖSD Zertifikat B2 Deutsch vom 12.09.2016 vorgelegte.

Englische Sprachkenntnisse wurden weder behauptet noch wurden dazu Unterlagen vorgelegt, somit sind keine Punkte zu vergeben;

Zur ausbildungsadäquaten Berufserfahrung:

Aus dem Versicherungsdatenauszug des BF I folgen berufliche Tätigkeiten des BFI beim XXXX im Zeitraum vom 01.03.2014 bis 31.08.2014 und beim Arbeitgeber XXXX vom 30.01.2015 bis 29.01.2017 sowie 16.05.2013 bis 30.09.2013. Diese Tätigkeiten liegen jeweils vor Abschluss des Lehrabschlusses vom 23.03.2017, wodurch keine Punkte dafür zu vergeben waren. Weitere Nachweise über eine danach liegende Berufserfahrung des BF I wurden weder behauptet noch erbracht.

Somit erreicht der BF für seine Deutschsprachkenntnisse 15 Punkte, für seine Qualifikation 20 Punkte und für sein Alter 10 Punkte, zusammen somit 45.

Die neue Mindestpunkteanzahl laut Anlage B "Zulassungskriterien für Fachkräfte in Mangelberufen gemäß § 12a" verlangt seit 01.10.2017 eine Mindestpunkteanzahl von 55 Punkten, die der BF nicht erreicht hat. Es war ihm daher schon aus diesem Grund eine Zulassung als sonstige Schlüsselkraft gemäß § 12a Z 2 AuslBG zu versagen.

Weitere Ermittlungen und darauf basierende rechtliche Würdigungen des Bundesverwaltungsgerichts zur Frage, ob eine betriebliche Notwendigkeit an der Beschäftigung des BF I im Unternehmen der BF II vorlag, waren somit nicht mehr geboten.

Entfall der mündlichen Verhandlung

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

Gemäß § 24 Abs. 3 1. Satz VwGVG hat der Beschwerdeführer die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen.

Das Bundesverwaltungsgericht erachtete die Durchführung einer mündlichen Verhandlung gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG nicht für erforderlich, da der festgestellte Sachverhalt zur Beurteilung der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde hinreichend geklärt erschien.

Dem Entfall der Verhandlung stehen auch weder Art 6. Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK), BGBl. Nr. 2010/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GRC), ABl. Nr. C83 vom 30.03.2010 S. 389, entgegen.

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat in seiner Entscheidung vom 19. Februar 1998, Zl. 8/1997/792/993 (Fall Jacobsson; ÖJZ 1998, 41), unter Hinweis auf seine Vorjudikatur das Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung dann als mit der EMRK vereinbar erklärt, wenn besondere Umstände ein Absehen von einer solchen Verhandlung rechtfertigen. Solche besonderen Umstände erblickte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte darin, dass das Vorbringen des Beschwerdeführers im Fall Jacobsson vor dem Obersten Schwedischen Verwaltungsgericht nicht geeignet war, irgendeine Tatsachen- oder Rechtsfrage aufzuwerfen, die eine mündliche Verhandlung erforderlich machte (vgl. z.B. die VwGH-Erkenntnisse vom 29. Juni 2005, Zl. 2004/08/0044, und vom 19. November 2004, Zl. 2000/02/0269). Des Weiteren hat der EGMR in seinen Entscheidungen vom 10. Mai 2007, Nr. 7401/04 (Hofbauer/Österreich 2), und vom 3. Mai 2007, Nr. 17912/05 (Bösch/Österreich), unter Hinweis auf seine frühere Rechtsprechung dargelegt, dass der Beschwerdeführer grundsätzlich ein Recht auf eine mündliche Verhandlung vor einem Tribunal hat, außer es lägen außergewöhnliche Umstände vor, die eine Ausnahme davon rechtfertigten. Der EGMR hat das Vorliegen solcher außergewöhnlichen Umstände angenommen, wenn das Verfahren ausschließlich rechtliche oder "hoch-technische" Fragen ("exclusively legal or highly technical questions") betrifft. Der Gerichtshof verwies in diesem Zusammenhang auch auf das Bedürfnis der nationalen Behörden nach zweckmäßiger und wirtschaftlicher Vorgangsweise, das angesichts der sonstigen Umstände des Falles zum Absehen von einer mündlichen Verhandlung berechtigte (vgl. das VwGH-Erkenntnis vom 28. September 2010, 2009/05/0160).

Solche Umstände, die ein Absehen von einer mündlichen Verhandlung rechtfertigen, liegen auch im gegenständlichen Fall vor, da keine Tatsachenfragen aufgeworfen wurden, die eine mündliche Verhandlung erforderlich gemacht hätten.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Berufserfahrung, Rot-Weiß-Rot-Karte, Schlüsselkraft

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:W151.2174722.1.00

Zuletzt aktualisiert am

13.03.2018
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten