Entscheidungsdatum
01.03.2018Norm
AuslBG §12aSpruch
W151 2147553-1/5E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. Doris Kohl, MCJ als Vorsitzende und die fachkundige Laienrichterin Mag. Sandra HUBER und den fachkundigen Laienrichter Anton LIEDLBAUER als Beisitzer über den Vorlageantrag vom 08.02.2017 des Beschwerdeführers XXXX , geb. XXXX , Staatsangehörigkeit XXXX , vertreten durch Rechtsanwalt Mag. Alexander Fuchs, Lüfteneggerstr. 4, 4020 Linz in Verbindung mit der Beschwerde vom 23.11.2016 betreffend Nichtzulassung zu einer Beschäftigung als Fachkraft in einem Mangelberuf gemäß § 12a AuslBG gegen die Beschwerdevorentscheidung des Arbeitsmarktservice Amstetten vom 26.01.2017, XXXX , in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde wird abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. XXXX (in Folge: der Beschwerdeführer oder BF) brachte am 20.09.2016 bei der Niederlassungs- und Aufenthaltsbehörde einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels "Rot-Weiß-Rot Karte" für "Fachkräfte in Mangelberufen" für eine berufliche Tätigkeit als Dachdecker bei der Firma XXXX GmbH, XXXX , ein. Dieser Antrag wurde mit Bescheid des AMS Amstetten (im Folgenden: AMS oder belangte Behörde) vom 31.10.2016 nach Anhörung des Ausländerausschusses des Regionalbeirates mit der Begründung abgelehnt, dass die im § 12a AuslBG genannten Voraussetzungen für die Erteilung einer "Rot-Weiß-Rot Karte" nicht vorlagen.
2. Mit Schreiben vom 06.10.2016 und 23.11.2016 wurden Unterlagen in slowenischer Sprache übermittelt, mit denen offensichtlich Arbeitszeiten von 11.06.2008 bis 31.01.2009, 16.04.2012 bis 21.11.2012 und 04.03.2013 bis 17.04.2013 nachgewiesen werden sollten.
3. Dagegen erhob der anwaltlich vertretene BF fristgerecht Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht.
In der Beschwerde wurde unter anderem ausgeführt, dass der Beschwerdeführer sehr wohl über eine einschlägige abgeschlossene Berufsausbildung und über die notwendige Qualifikation verfüge. Er verfüge über das vorgelegte Diplom der II. Mittelschule XXXX vom 21.08.2000 und seien hierfür 20 Punkte zu vergeben. Wie die Erstbehörde in ihrem Schreiben vom 28.09.2016 selbst festgestellt habe, habe der Beschwerdeführer gemäß dem Diplom der zweiten Mittelschule in XXXX vom 21.8.2000 die abgeschlossene Ausbildung im Beruf Dachdecker als außerordentlicher Schüler erworben. Er erfülle somit entgegen der Ansicht der Erstbehörde sehr wohl die Qualifikation, da er über eine einem österreichischen Lehrabschluss gleichzusetzende einschlägige abgeschlossene Berufsausbildung verfüge. Es existiere ein Arbeitsvertrag mit entsprechendem Mindesteinkommen. Die von der Erstbehörde vorgenommene Punktevergabe bei der ausbildungsadäquaten Berufserfahrung leide unter Rechtswidrigkeit. Der Beschwerdeführer sei in der Zeit von 2000-2006 in Kroatien im Baugewerbe als Zimmerer (welcher einen Artverwandten Beruf des Dachdeckers darstelle) in Istrien tätig gewesen. Er habe aber vor allen Dingen einschlägige Berufserfahrung als Dachdecker seit 2006 in Slowenien gesammelt. 2007 sei der Beschwerdeführer bei der Firma XXXX tätig gewesen. Es handle sich hierbei um eine Baufirma, bei welcher der Beschwerdeführer als Dachdecker tätig gewesen sei. Im Jahr 2009 sei der Beschwerdeführer als Dachdecker und Zimmermann in Slowenien tätig gewesen. Nach dem Konkurs der vorhin benannten Firma sei der Beschwerdeführer unter anderem bei der Firma XXXX von 2009 bis 2010 tätig gewesen. Danach sei er bei der Firma XXXX in der Zeit von 2013 bis 2016 tätig gewesen. Die Verwendung des Beschwerdeführers in diesen Firmen sei als Dachdecker erfolgt. Die Erstbehörde habe es unterlassen, die vorliegenden Beweisergebnisse zu würdigen und richtig zu beurteilen. Die Erstbehörde habe es auch unterlassen, eine Einvernahme des Beschwerdeführers vorzunehmen. Eine Parteieneinvernahme hätte zur weiteren Aufklärung der vorliegenden Berufserfahrung beigetragen. Die einschlägige Berufserfahrung sei auch in dem als Beilage angeschlossenen Auszug ersichtlich. Bei richtiger rechtlicher Beurteilung hätte die Erstbehörde bei der Bewertung der ausbildungsadäquaten Berufserfahrung die maximale Punktezahl von 10 Punkten vergeben müssen. Der angefochtene Bescheid leide an Rechtswidrigkeit. Bei richtiger rechtlicher Beurteilung hätte die Erstbehörde dem Antrag des Beschwerdeführers stattgeben müssen.
4. Die Ergebnisse des neuerlichen Ermittlungsverfahrens des AMS wurden dem BF mit Schreiben vom 22.12.2016 zur Kenntnis gebracht wurde.
5. Mit Schreiben vom 05.01.2017 wurde dazu Stellung genommen.
6. Mit gegenständlich bekämpfter Beschwerdevorentscheidung des AMS vom 26.01.2017, GZ. XXXX , wies die belangte den Antrag neuerlich ab, im Wesentlichen mit der Begründung, der BF habe die erforderliche Punkteanzahl von 50 geforderten Punkten der Anlage B nicht erreicht, da ihm lediglich 15 Punkte für seine Sprachkenntnisse, für das Alter (46 Jahre) jedoch keine Punkte angerechnet werden konnten. Für die Qualifikation und ausbildungsadäquate Berufserfahrung wurden jeweils null Punkte vergeben.
Selbst bei Erfüllung der Maximalpunkteanzahl für Qualifikation (20 Punkte) und ausbildungsadäquate Berufserfahrung (10 Punkte) käme der Beschwerdeführer auch nur auf 45 Punkte, was immer noch unter der gesetzlich geforderten Mindestpunkteanzahl von 50 liege.
7. Mit fristgerechtem Vorlageantrag wurde die Vorlage an das Bundesverwaltungsgericht beantragt.
8. Mit Schreiben vom 15.02.2017, eingelangt 16.02.2017 legte das AMS den Beschwerdeakt dem Bundesverwaltungsgericht vor.
9. Am 20.09.2017 langte ein Nachweis über eine Berufserfahrung des BF ein.
10. Mit 01.10.2017 traten neue Bestimmungen des Ausländerbeschäftigungsgesetzes in Kraft.
11. Mit Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 11.10.2017, G 56/2017, stellte dieser die Verfassungswidrigkeit des § 12a Z2 AuslBG sowie der Anlage B "Zulassungskriterien für Fachkräfte in Mangelberufen gemäß § 12a" des AuslBG, idF BGB, I 25/2011, bis zum 30.09.2017 fest.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
XXXX , geb. XXXX , besitzt die Staatsangehörigkeit von Bosnien-Herzegowina und stellte als Drittstaatsangehöriger am 20.09.2016 bei der Niederlassungs- und Aufenthaltsbehörde einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels "Rot-Weiß-Rot Karte" für "Fachkräfte in Mangelberufen" für eine berufliche Tätigkeit als Dachdecker bei der XXXX GmbH, XXXX . Dieser Antrag wurde mit Beschwerdevorentscheidung des AMS vom 26.01.2017, GZ. XXXX , abgewiesen, da die - damals - erforderliche Mindestpunkteanzahl von 50 gemäß der Anlage B nicht erreicht wurde und ihm lediglich 15 Punkte für seine Sprachkenntnisse, jedoch keine für das Alter (46 Jahre), oder seine Qualifikation oder seine ausbildungsadäquate Berufserfahrung vergeben wurden.
Mit Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 11.10.2017, G 56/2017, stellte dieser die Verfassungswidrigkeit des § 12a Z2 AuslBG sowie der Anlage B "Zulassungskriterien für Fachkräfte in Mangelberufen gemäß § 12a" des AuslBG, idF BGB, I 25/2011, bis zum 30.09.2017 fest.
Da der gegenständliche Bescheid am 26.01.2017, somit vor dem 30.09.2017, erlassen wurde, beruht er nach dem Ergebnis des VfGH-Erkenntnisses auf einer verfassungswidrigen Norm.
Mit 01.10.2017 traten neue Bestimmungen des Ausländerbeschäftigungsgesetzes in Kraft, mit denen es auch zu einer Neuregelung des § 12a AuslBG und der Anlage B hinsichtlich der Zulassungskriterien für Fachkräfte in Mangelberufen gemäß § 12a AuslBG kam, diese sind dieser Entscheidung zugrunde zu legen.
Die Rechtssache fällt in den Anwendungsberiech der Fachkräfteverordnung 2016. Der beantragte Beruf "Dachdecker" findet sich in der Fachkräfteverordnung 2016 als Mangelberuf. Gemäß der ab 01.10.2017 neu geregelten Anlage B "Zulassungskriterien für Fachkräfte in Mangelberufen gemäß § 12a"sind dem BF folgende Punkte zu vergeben:
* Alter: keine, da er zum Zeitpunkt der Antragstellung das 40. Lebensjahr überschritten hat;
* Deutschsprachkenntnisse: 15 Punkte;
* Englische Sprachkenntnisse wurden weder behauptet noch wurden dazu Unterlagen vorgelegt, somit sind keine Punkte zu vergeben;
* Zur ausbildungsadäquaten Berufserfahrung:
Der BF hat am 21.08.2000 ein Diplom über den Berufsmittelschulabschluss der " XXXX Mittelschule XXXX , Berufsschule für Baugewerbe" für den Beruf "Dachdecker" in XXXX , Bosnien-Herzegowina erworben. Diese Urkunde ist aktenkundig.
Der aktenkundige Versicherungsdatenauszug des Hauptverbandes des BF weist inländische Tätigkeiten des BF von 1991 bis 1995 aus, also vor Abschluss des Berufsmittelschulabschlusses vom 21.08.2000. Da diese Tätigkeiten vor dem Erwerb seiner Berufsqualifikation erfolgten, werden dafür keine Punkte vergeben.
Für den mit beglaubigter Übersetzung am 20.09.2017 nachgereichten Nachweis der Berufserfahrung vom 10.01.2013 bis 30.04.2017 über die Tätigkeit als Dachdecker beim Unternehmen XXXX GmbH, XXXX , sind dem BF 8 Punkte zu vergeben.
Die mit Schreiben vom 06.10.2016 und 23.11.2016 vorgelegten Unterlagen sind in slowenischer Sprache. Ob es sich dabei um Arbeitszeiten des BF vom 11.06.2008 bis 31.01.2009, 16.04.2012 bis 21.11.2012 und 04.03.2013 bis 17.04.2013 handelt, konnte nicht festgestellt werden, weiters auch nicht, welche Tätigkeiten der BF jeweils für welches Unternehmen in diesen Zeiträumen ausübte. Es wird festgestellt, dass dazu keine beglaubigte Übersetzung in deutscher Sprache, die die Amtssprache ist, vorgelegt wurde. Weiters wird festgestellt, dass weitere Ermittlungen des Bundesverwaltungsgerichts dazu nicht geboten waren: Selbst beim Nachweis, dass es sich dabei um Tätigkeiten des BF bei einschlägigen Dienstgebern als Dachdecker handelte, sind dafür keine Punkte zu vergeben, da es sich jeweils um keine ganzjährigen Tätigkeiten, sondern um kürzere handelte.
Dem BF sind also hinsichtlich des Kriteriums der ausbildungsadäquaten Berufserfahrung lediglich 8 Punkte zu vergeben.
Somit erreicht der BF für seine Deutschsprachkenntnisse 15 Punkte und für seine ausbildungsadäquaten Berufserfahrung 8 Punkte, zusammen somit 23.
* Zum Kriterium "Qualifikation" wird festgestellt:
Der BF hat weder behauptet noch bewiesen, eine allgemeine Universitätsreife oder ein Studiums an einer tertiären Bildungseinrichtung mit dreijähriger Mindestdauer absolviert zu haben, sondern nur, dass er einen Abschluss als Dachdecker innehat, der der österreichischen Berufsausbildung entspricht. Es wird festgestellt, dass weitere Ermittlungen des Bundesverwaltungsgerichts dazu nicht geboten waren: So ferne seine Berufsausbildung als die der österreichischen gleichzuhalten wäre, könnten dem BF nur 20 Punkte vergeben werden. Insgesamt also, könnte der BF nur maximal 43 Punkte erreichen und läge noch immer unter der geforderten neuen Mindestpunkteanzahl von 55.
Die neue Mindestpunkteanzahl laut Anlage B "Zulassungskriterien für Fachkräfte in Mangelberufen gemäß § 12a" verlangt seit 01.10.2017 eine Mindestpunkteanzahl von 55 Punkten, die der BF nicht erreicht hat und war ihm daher eine Zulassung als sonstige Schlüsselkraft gemäß § 12a Z 2 AuslBG zu versagen.
2. Beweiswürdigung:
Die Feststellungen ergeben sich aus dem übermittelten Verwaltungsakt.
3. Rechtliche Beurteilung:
Gemäß § 6 des Bundesverwaltungsgerichtsgesetzes (BVwGG), BGBl. I. Nr. 10/2013 idgF, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
Gemäß § 20f Abs. 1 AuslBG entscheidet über Beschwerden gegen Bescheide der regionalen Geschäftsstellen des Arbeitsmarktservices, die in Angelegenheiten des Ausländerbeschäftigungsgesetzes ergangen sind, das Bundesverwaltungsgericht durch einen Senat, dem zwei fachkundige Laienrichter, je einer aus dem Kreis der Arbeitgeber und einer aus dem Kreis der Arbeitnehmer, angehören.
Gegenständlich liegt somit Senatszuständigkeit vor.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I 2013/33 idF BGBl. I 2013/122, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Zu A)
Zur Fachkräfteverordnung 2016, BGBl. II 329/2015:
Gemäß § 1 dieser Verordnung dürfen Ausländer in folgenden Mangelberufen nach Maßgabe des § 12a AuslBG zu einer Beschäftigung als Fachkraft zugelassen werden:
1. Fräser/innen
2. Dachdecker/innen
3. Techniker/innen mit höherer Ausbildung (Ing.) für Maschinenbau
4. Dreher/innen
5. DipIomingenieur(e)innen für Maschinenbau
6. Techniker/innen mit höherer Ausbildung (Ing.) für Starkstromtechnik
7. Diplomingenieur(e)innen für Starkstromtechnik
8. Diplomierte Krankenpfleger, -Schwestern, die ihre im Nostrifikationsbescheid des Landeshauptmannes vorgeschriebene Ergänzungsausbildung bis Ende 2015 begonnen haben.
Gemäß § 2 dieser Verordnung entsprechen die im § 1 genannten Berufe der Berufssystematik des Arbeitsmarktservice.
Gemäß § 3 dieser Verordnung tritt diese mit 1. Jänner 2016 in Kraft, mit Ablauf des 31. Dezember 2016 außer Kraft und gilt für Anträge, die bis zum 5. November 2016 gestellt werden.
Die gegenständlich maßgeblichen Bestimmungen des Ausländerbeschäftigungsgesetzes (AuslBG) lauten i.d.g.F.:
§ 12a.leg. cit:
§ 12a. Ausländer werden in einem in der Fachkräfteverordnung (§ 13) festgelegten Mangelberuf zu einer Beschäftigung als Fachkraft zugelassen, wenn sie
1. eine einschlägige abgeschlossene Berufsausbildung nachweisen können,
2. die erforderliche Mindestpunkteanzahl für die in Anlage B angeführten Kriterien erreichen,
3. für die beabsichtigte Beschäftigung das ihnen nach Gesetz, Verordnung oder Kollektivvertrag zustehende Mindestentgelt zuzüglich einer betriebsüblichen Überzahlung erhalten und
sinngemäß die Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 mit Ausnahme der Z 1 erfüllt sind. Die Arbeitsmarktprüfung im Einzelfall entfällt.
Anlage B:
Anlage B
Zulassungskriterien für Fachkräfte in Mangelberufen gemäß § 12a
Kriterien
Punkte
Qualifikation
maximal anrechenbare Punkte: 30
abgeschlossene Berufsausbildung im Mangelberuf
20
allgemeine Universitätsreife im Sinne des § 64 Abs. 1 des Universitätsgesetzes 2002, BGBl. I Nr. 120
25
Abschluss eines Studiums an einer tertiären Bildungseinrichtung mit dreijähriger Mindestdauer
30
ausbildungsadäquate Berufserfahrung
maximal anrechenbare Punkte: 20
Berufserfahrung (pro Jahr) Berufserfahrung in Österreich (pro Jahr)
2 4
Sprachkenntnisse Deutsch
maximal anrechenbare Punkte: 15
Deutschkenntnisse zur elementaren Sprachverwendung auf einfachstem Niveau Deutschkenntnisse zur vertieften elementaren Sprachverwendung Deutschkenntnisse zur selbständigen Sprachverwendung
5 10 15
Sprachkenntnisse Englisch
maximal anrechenbare Punkte: 10
Englischkenntnisse zur vertieften elementaren Sprachverwendung Englischkenntnisse zur selbständigen Sprachverwendung
5 10
Alter
maximal anrechenbare Punkte: 15
bis 30 Jahre bis 40 Jahre
15 10
Summe der maximal anrechenbaren Punkte
90
erforderliche Mindestpunkteanzahl
55
§ 20d:
"Zulassungsverfahren für besonders Hochqualifizierte, Fachkräfte, sonstige Schlüsselkräfte, Studienabsolventen und Künstler
§ 20d. (1) Besonders Hochqualifizierte, Fachkräfte sowie sonstige Schlüsselkräfte und Studienabsolventen haben den Antrag auf eine "Rot-Weiß-Rot - Karte", Schlüsselkräfte gemäß § 12c den Antrag auf eine "Blaue Karte EU" und ausländische Künstler den Antrag auf eine "Niederlassungsbewilligung - Künstler" gemeinsam mit einer schriftlichen Erklärung des Arbeitgebers, die im Antrag angegebenen Beschäftigungsbedingungen einzuhalten, bei der nach dem NAG zuständigen Behörde einzubringen. Der Antrag kann auch vom Arbeitgeber für den Ausländer im Inland eingebracht werden. Die nach dem NAG zuständige Behörde hat den Antrag, sofern er nicht gemäß § 41 Abs. 3 Z 1 oder 2 NAG zurück- oder abzuweisen ist, unverzüglich an die nach dem Betriebssitz des Arbeitgebers zuständige regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice zur Prüfung der jeweiligen Zulassungsvoraussetzungen zu übermitteln. Die regionale Geschäftsstelle hat den Regionalbeirat anzuhören und binnen vier Wochen der nach dem NAG zuständigen Behörde - je nach Antrag - schriftlich zu bestätigen, dass die Voraussetzungen für die Zulassung
1. als besonders Hochqualifizierter gemäß § 12
2. als Fachkraft gemäß § 12a,
3. als Schlüsselkraft gemäß § 12b Z 1,
4. als Schlüsselkraft gemäß § 12b Z 2 (Studienabsolvent),
5. als Schlüsselkraft gemäß § 12c (Anwärter auf eine "Blaue Karte EU") oder
6. als Künstler gemäß § 14
erfüllt sind. Die nach dem NAG zuständige Behörde hat die regionale Geschäftsstelle über die Erteilung des jeweiligen Aufenthaltstitels unter Angabe der Geltungsdauer zu verständigen. Bei Nichtvorliegen der Voraussetzungen hat die regionale Geschäftsstelle die Zulassung zu versagen und den diesbezüglichen Bescheid unverzüglich der nach dem NAG zuständigen Behörde zur Zustellung an den Arbeitgeber und den Ausländer zu übermitteln.
(2) Die Zulassung gemäß Abs. 1 gilt für die Beschäftigung bei dem im Antrag angegebenen Arbeitgeber im gesamten Bundesgebiet. Die regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice hat unverzüglich nach Beginn der Beschäftigung die Anmeldung zur Sozialversicherung zu überprüfen. Entspricht diese nicht den für die Zulassung maßgeblichen Voraussetzungen, ist die nach dem NAG zuständige Behörde zu verständigen (§ 28 Abs. 6 NAG). Bei einem Arbeitgeberwechsel vor Erteilung einer "Rot-Weiß-Rot - Karte plus" (§ 41a NAG) ist Abs. 1 sinngemäß anzuwenden.
(3) bis (4) [...]"
In der Sache folgt daraus:
Das Bundesverwaltungsgericht hat seiner Entscheidung die Rechtslage zum Entscheidungszeitpunkt zugrunde zu legen.
Aufgrund des Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 11.10.2017, G 56/2017, wurden die Bestimmung des § 12a Z2 AuslBG sowie die Anlage B "Zulassungskriterien für Fachkräfte in Mangelberufen gemäß § 12a" des AuslBG, idF BGB, I 25/2011, bis zum 30.09.2017 für verfassungswidrig erklärt.
Da der gegenständliche Bescheid am 26.01.2017, somit vor dem 30.09.2017, erlassen wurde, beruht er somit auf einer verfassungswidrigen Norm.
Mit 01.10.2017 traten neue Bestimmungen des Ausländerbeschäftigungsgesetzes in Kraft, mit denen es auch zu einer Neuregelung des § 12 a samt der Anlage B hinsichtlich der Zulassungskriterien für Fachkräfte in Mangelberufen gemäß § 12a AuslBG kam und welche dieser Entscheidung zugrunde zu legen sind.
Auf den Sachverhalt ist die Fachkräfteverordnung 2016 anzuwenden, da der Antrag am 20.09.2016 gestellt wurde. Der beantragte Beruf "Dachdecker" findet sich in der Fachkräfteverordnung 2016 als Mangelberuf.
Damit der Antrag des BF positiv entschieden werden kann, ist auch die Erreichung der Mindestpunkteanzahl von - nunmehr 55 Punktenerforderlich.
Dem BF konnten aufgrund seines Alters keine Punkte vergeben werden, da er zum Antragszeitpunkt bereits das 40. Lebensjahr überschritten hat und sich im 46. Lebensjahr befand.
Weiters konnten dem BF für seine Deutschsprachkenntnisse, basierend auf den Erwägungen der belangten Behörde, denen rechtlich vom Bundesverwaltungsgericht nicht entgegenzutreten war, 15 Punkte, somit also die Maximalpunkteanzahl, zuerkannt werden.
Englische Sprachkenntnisse wurden weder behauptet noch wurden dazu Unterlagen vorgelegt. Es waren somit dafür keine Punkte zu vergeben.
Zum Kriterium der ausbildungsadäquaten Berufserfahrung ist auszuführen:
Der BF hat am 21.08.2000 ein Diplom über den Berufsmittelschulabschluss der " XXXX Mittelschule XXXX , Berufsschule für Baugewerbe" für den Beruf "Dachdecker" in XXXX , Bosnien-Herzegowina erworben. Diese Urkunde ist aktenkundig.
Der aktenkundige Versicherungsdatenauszug des Hauptverbandes des BF weist inländische Tätigkeiten des BF von 1991 bis 1995 aus, also vor Abschluss des Berufsmittelschulabschlusses vom 21.08.2000. Da diese Tätigkeiten vor dem Erwerb seiner Berufsqualifikation erfolgten und nur solche Tätigkeiten als Berufserfahrung zählen, die nach Erlangung des Berufsabschlusses erfolgten, können dafür keine Punkte vergeben werden.
Für den mit beglaubigter Übersetzung am 20.09.2017 nachgereichten Nachweis der Berufserfahrung vom 10.01.2013 bis 30.04.2017 über die Tätigkeit als Dachdecker beim Unternehmen XXXX GmbH, XXXX , waren dem BF 8 Punkte zu vergeben, da diese einen Zeitraum von 4 ganzen Jahren und einigen Monaten umfasst und pro Jahr nichtinländischer Berufserfahrung 2 Punkte gemäß der Anlage B zu vergeben sind.
Die mit Schreiben vom 06.10.2016 und 23.11.2016 vorgelegten Unterlagen sind in slowenischer Sprache. Ob es sich dabei um Arbeitszeiten des BF vom 11.06.2008 bis 31.01.2009, 16.04.2012 bis 21.11.2012 und 04.03.2013 bis 17.04.2013 handelt, konnte nicht festgestellt werden, weiters auch nicht, welche Tätigkeiten der BF jeweils für welches Unternehmen in diesen Zeiträumen ausübte. Es wurde keine beglaubigte Übersetzung in deutscher Sprache, die die Amtssprache ist, vorgelegt. Weitere Ermittlungen des Bundesverwaltungsgerichts, ob es sich dabei um Tätigkeiten des BF bei einschlägigen Dienstgebern als Dachdecker handelte, waren aber aus folgender Erwägung nicht geboten: Selbst, wenn der BF diesen Nachweis erbringen hätte können, wären ihm dafür keine weiteren Punkte zu vergeben gewesen: Bei den angeführten Tätigkeiten handelt es sich nämlich jeweils nicht um ganzjährige Tätigkeiten, sondern um kürzere. Gemäß Anlage B sind jedoch nur Punkte für eine ausbildungsadäquate Berufserfahrung zu vergeben, die jeweils ein ganzes Jahr dauert. Die Tätigkeit im Zeitraum vom 04.03.2013 bis 17.04.2013 deckt sich außerdem mit jenem, für den dem BF für seine Tätigkeit als Dachdecker beim Unternehmen Behas GmbH Punkte vergeben wurden.
Dem BF sind also hinsichtlich des Kriteriums der ausbildungsadäquaten Berufserfahrung lediglich 8 Punkte zu vergeben.
Somit erreicht der BF für seine Deutschsprachkenntnisse 15 Punkte und für seine ausbildungsadäquaten Berufserfahrung 8 Punkte, zusammen somit 23.
Zum Kriterium "Qualifikation":
Wie festgestellt, hat der BF hat weder behauptet noch bewiesen, eine allgemeine Universitätsreife oder ein Studiums an einer tertiären Bildungseinrichtung mit dreijähriger Mindestdauer absolviert zu haben, sondern nur, dass er einen Abschluss als Dachdecker innehat, der der österreichischen Berufsausbildung entspricht. Dies zöge lediglich 20 weitere Punkte laut Anlage B nach sich.
Weitere Ermittlungen des Bundesverwaltungsgerichts waren dazu aber rechtlich nicht geboten: So ferne seine Berufsausbildung als die der österreichischen gleichzuhalten gewesen wäre, könnten dem BF nur weitere 20 Punkte vergeben werden. In Summe ergäbe dies auch nur eine Maximalpunkteanzahl von 43 und läge diese noch immer unter der geforderten neuen Mindestpunkteanzahl von 55.
Die neue Mindestpunkteanzahl laut Anlage B "Zulassungskriterien für Fachkräfte in Mangelberufen gemäß § 12a" verlangt seit 01.10.2017 eine Mindestpunkteanzahl von 55 Punkten, die der BF nicht erreicht hat oder erreichen hätte können. Es war ihm daher eine Zulassung als sonstige Schlüsselkraft gemäß § 12a Z 2 AuslBG zu versagen.
Entfall der mündlichen Verhandlung
Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.
Gemäß § 24 Abs. 3 1. Satz VwGVG hat der Beschwerdeführer die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Dies ist nicht erfolgt.
Das Bundesverwaltungsgericht erachtete die Durchführung einer mündlichen Verhandlung gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG nicht für erforderlich, da der festgestellte Sachverhalt zur Beurteilung der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde hinreichend geklärt erschien.
Dem Entfall der Verhandlung stehen auch weder Art 6. Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK), BGBl. Nr. 2010/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GRC), ABl. Nr. C83 vom 30.03.2010 S. 389, entgegen.
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat in seiner Entscheidung vom 19. Februar 1998, Zl. 8/1997/792/993 (Fall Jacobsson; ÖJZ 1998, 41), unter Hinweis auf seine Vorjudikatur das Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung dann als mit der EMRK vereinbar erklärt, wenn besondere Umstände ein Absehen von einer solchen Verhandlung rechtfertigen. Solche besonderen Umstände erblickte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte darin, dass das Vorbringen des Beschwerdeführers im Fall Jacobsson vor dem Obersten Schwedischen Verwaltungsgericht nicht geeignet war, irgendeine Tatsachen- oder Rechtsfrage aufzuwerfen, die eine mündliche Verhandlung erforderlich machte (vgl. z.B. die VwGH-Erkenntnisse vom 29. Juni 2005, Zl. 2004/08/0044, und vom 19. November 2004, Zl. 2000/02/0269). Des Weiteren hat der EGMR in seinen Entscheidungen vom 10. Mai 2007, Nr. 7401/04 (Hofbauer/Österreich 2), und vom 3. Mai 2007, Nr. 17912/05 (Bösch/Österreich), unter Hinweis auf seine frühere Rechtsprechung dargelegt, dass der Beschwerdeführer grundsätzlich ein Recht auf eine mündliche Verhandlung vor einem Tribunal hat, außer es lägen außergewöhnliche Umstände vor, die eine Ausnahme davon rechtfertigten. Der EGMR hat das Vorliegen solcher außergewöhnlichen Umstände angenommen, wenn das Verfahren ausschließlich rechtliche oder "hoch-technische" Fragen ("exclusively legal or highly technical questions") betrifft. Der Gerichtshof verwies in diesem Zusammenhang auch auf das Bedürfnis der nationalen Behörden nach zweckmäßiger und wirtschaftlicher Vorgangsweise, das angesichts der sonstigen Umstände des Falles zum Absehen von einer mündlichen Verhandlung berechtigte (vgl. das VwGH-Erkenntnis vom 28. September 2010, 2009/05/0160).
Solche Umstände, die ein Absehen von einer mündlichen Verhandlung rechtfertigen, liegen auch im gegenständlichen Fall vor, da keine Tatsachenfragen aufgeworfen wurden, die eine mündliche Verhandlung erforderlich gemacht hätten.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Schlagworte
Berufsausbildung, Berufserfahrung, Nachweismangel, Qualifikation,European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2018:W151.2147553.1.00Zuletzt aktualisiert am
13.03.2018