Entscheidungsdatum
01.03.2018Norm
AsylG 2005 §3Spruch
L512 1430868-2/4E
Beschluss
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Marlene JUNGWIRT als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. der islamischen Republik Iran, vertreten durch ARGE Rechtsberatung, Diakonie und Volkshilfe, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Oberösterreich, Außenstelle XXXX , vom 17.05.2017, Zl:
811460306-14657069, beschlossen:
A) In Erledigung der Beschwerde wird der angefochtene Bescheid
behoben und die Angelegenheit gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG idF BGBl I 122/2013 zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.
B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.
Text
BEGRÜNDUNG:
I. Verfahrensgang
I.1. Der Beschwerdeführer (nachfolgend: BF), ein Staatsangehöriger der islamischen Republik Iran (in weiterer Folge "Iran" genannt), reiste am 27.11.2011 gemeinsam mit seinem minderjährigen Sohn XXXX in das österreichische Bundesgebiet ein, stellte am 04.12.2011 einen Antrag auf internationalen Schutz und wurde noch am selben Tag von einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes erstbefragt.
Zur Begründung für das Verlassen des Herkunftsstaates führte der BF an, dass er vor etwa eineinhalb Jahren seine Religion im Iran von Moslem auf Christ gewechselt habe. Weil seine Ehegattin sehr religiös gewesen sei, hätten sie wegen seines Religionswechsels Probleme gehabt und sie habe sich von ihm vor etwa einem Jahr scheiden lassen. Der BF sei dann mit dem gemeinsamen Sohn zu den Eltern gezogen. Vor etwa drei Monaten sei seine Exgattin gekommen und habe ihm den Sohn wegnehmen wollen und habe zudem behauptet, er sei ein Ungläubiger. Sie habe damit gedroht, ihn wegen seines Religionswechsels bei den Behörden anzuzeigen, wenn er den Sohn nicht herausgebe. Im Iran werde jemand, der seine Religion wechsle, als Abtrünniger bezeichnet und mit dem Tod durch Hinrichtung bestraft.
I.1.2. Am 20.03.2012 wurde der BF beim Bundesasylamt, Außenstelle XXXX , niederschriftlich einvernommen. Der BF bestätige seine bisherigen Angaben und ergänzte, dass er sich vor etwa zwei Jahren von seiner Ehegattin scheiden ließ. Er habe sich bereits im Jahr 1379 zum ersten Mal von ihr scheiden lassen, sie jedoch drei Jahre später wieder geheiratet. Die letzte Scheidung sei einvernehmlich gewesen und sei unter anderem vereinbart worden, dass der Sohn beim Beschwerdeführer bleiben solle. Seine Exgattin habe ein Besuchsrecht gehabt, jedoch habe sie ihm später dennoch das Kind wegnehmen wollen. Auch nach der ersten Scheidung habe der gemeinsame Sohn beim Beschwerdeführer gelebt. Da seine Exgattin von den Hauskirchen, die der Beschwerdeführer besucht habe, gewusst habe, habe sie ihn damit wegen dem Sohn unter Druck setzen wollen. Im Jahr 1373 sei der BF wegen der Konsumation von alkoholischen Getränken zu vierzig Peitschenhieben und eineinhalb Monaten Freiheitsstrafe verurteilt worden. Drei Jahre später sei er aus demselben Grund erneut festgenommen worden und habe dieselbe Strafe erhalten. Seit etwa zwei Jahren interessiere sich der Beschwerdeführer für das Christentum. Der BF gehöre zu den Protestanten. In Österreich gehe er jeden Dienstag und am Samstagabend in die Kirche und werde dabei von seinem Sohn begleitet. Wenn die Behörde im Iran merke, dass der Beschwerdeführer die Religion gewechselt habe, werde er umgebracht.
I.1.3. Am 04.10.2012 wurde der BF erneut vor dem Bundesasylamt niederschriftlich einvernommen. Der BF gab an, dass er am 11.04.2012 in XXXX von einem Priester der XXXX Kirche getauft worden sei. Bei der XXXX Kirche handle es sich um die größte XXXX Kirche in Holland und gehöre diese zu den Protestanten. Der BF habe auch einen Taufvorbereitungskurs gemacht, indem er über das Internet mit Bruder XXXX Kontakt aufgenommen und über Skype mit diesem gesprochen habe. Diese Vorbereitung habe etwa eineinhalb bis zwei Monate gedauert. Bis zur Taufe habe er nie persönlichen Kontakt mit XXXX gehabt. Nunmehr besuche er die XXXX Kirche in XXXX und ab und zu die Kirche in XXXX , wo er wohne. In die Unterkunft in XXXX komme auch ein katholischer Priester, welcher alle Asylwerber in der Unterkunft unterrichte.
I.1.4. Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 07.11.2012, Az.: XXXX , wurde der Antrag des BF auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Asylberechtigten gem. § 3 Abs 1 abgewiesen (Spruchpunkt I.), in Spruchpunkt II. gem. § 8 Abs 1 die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Iran abgewiesen und in Spruchpunkt III. gem. § 10 Abs 1 AsylG 2005 der Beschwerdeführer aus dem österreichischen Bundesgebiet in den Iran ausgewiesen.
I.1.5. Mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 27.02.2013, Zl. XXXX , wurde die gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 07.11.2012, Az.: XXXX , erhobene Beschwerde gemäß §§ 3, 8, 10 AsylG 2005 BGBl. I Nr. 100/2005 idF BGBl. I Nr. 38/2011 als unbegründet abgewiesen. Begründend wurde zusammengefasst ausgeführt, dass der BF einen asylrelevanten Verfolgungsgrund nicht glaubhaft gemacht hat.
I.1.6. Der BF hat Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof erhoben.
Mit Beschluss des Verfassungsgerichtshofes vom 07.06.2013, GZ: XXXX wurde die Behandlung der Beschwerde abgelehnt.
I.2. Am 18.03.2013 brachte der BF einen neuerlichen (zweiten) Antrag auf internationalen Schutz ein. Der BF führte an, er sei nunmehr getauft und könne nicht mehr in den Iran zurückkehren. Den Behörden im Iran sei bekannt, dass sich der BF für das Christentum interessiert hätte und sich als Christ bekennen würde. Dies würde im Iran mit der Todesstrafe geahndet werden. Der Vater des BF habe eine Ladung zur Staatsanwaltschaft erhalten.
I.2.1. Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 22.04.2013, Zl. XXXX wurde der Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 68 Abs 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen und der BF aus dem österreichischen Bundesgebiet in den Iran ausgewiesen.
I.3. Am 26.05.2014 wurden der BF und sein Sohn von Deutschland nach Österreich rücküberstellt.
I.3.1. Am 26.05.2014 stellte der BF einen neuerlichen (dritten) Antrag auf internationalen Schutz.
Im Verfahren wurde zusammengefasst vorgebracht, dass der Sohn des BF nunmehr getauft sei und es Medienberichte darüber geben würde.
I.3.2. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Oberösterreich, Außenstelle XXXX , vom 17.05.2017, Zl: 811460306-14657069, wurde der Antrag des BF auf internationalen Schutz gemäß § § 68 AVg wegen entschiedener Sache zurückgewiesen.
I.3.3. Gegen diesen Bescheid wurde mit im Akt ersichtlichen Schriftsatz innerhalb offener Frist wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit, unrichtiger rechtlicher Beurteilung und Mangelhaftigkeit des Verfahrens aufgrund fehlerhafter bzw. unzureichender Ermittlungen und mangelhafter Beweiswürdigung Beschwerde erhoben.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
II. 1. Feststellungen (Sachverhalt)
Der relevante Sachverhalt ergibt sich aus den unter Punkt I getroffenen Ausführungen.
II. 2. Beweiswürdigung
Der festgestellte Sachverhalt steht aufgrund der außer Zweifel stehenden und von den Parteien grundsätzlich nicht beanstandeten Aktenlage fest.
II. 3. Rechtliche Beurteilung
II.3.1 Zuständigkeit, Entscheidung durch den Einzelrichter
Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 des Bundesgesetzes, mit dem die allgemeinen Bestimmungen über das Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zur Gewährung von internationalem Schutz, Erteilung von Aufenthaltstiteln aus berücksichtigungswürdigen Gründen, Abschiebung, Duldung und zur Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen sowie zur Ausstellung von österreichischen Dokumenten für Fremde geregelt werden (BFA-Verfahrensgesetz - BFA-VG), BGBl I 87/2012 idgF entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl.
Gemäß § 6 des Bundesgesetzes über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz - BVwGG), BGBl I 10/2013 entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
Gegenständlich liegt somit mangels anderslautender gesetzlicher Anordnung in den anzuwendenden Gesetzen Einzelrichterzuständigkeit vor.
Zu A)
II.3.4. Behebung des bekämpften Bescheides gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG
II.3.4.1. Gesetzliche Grundlage und Judikatur
Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z1 B-VG das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
Gemäß § 28 Abs. 3 hat, wenn die Voraussetzungen des Abs. 2 leg. cit nicht vorliegen, das Verwaltungsgericht im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückzuverweisen. Die Behörde ist hiebei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgeht.
Das oa. Modell der Aufhebung des Bescheides und Zurückverweisung der Angelegenheit an die Behörde folgt konzeptionell jenem des § 66 Abs. 2 AVG, setzt im Unterschied dazu aber nicht auch die Notwendigkeit der Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung voraus. Insoweit erscheinen auch die von der höchstgerichtlichen Judikatur -soweit sie nicht die Notwendigkeit der Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung betrifft- anwendbar, weshalb unter Bedachtnahme der genannten Einschränkungen die im Erk. des VwGH vom 16.12.2009, GZ. 2007/20/0482 dargelegten Grundsätze gelten. Mängel abseits jener der Sachverhaltsfeststellung legitimieren das Gericht nicht zur Behebung aufgrund § 28 Abs. 3, 2. Satz (Erk. d. VwGH vom 19.11.2009, 2008/07/0167; vgl. auch Fischer/Fuchs/Sachs, Verwaltungsgerichtsverfahren (2013), Anm. 11 zu § 28 VwGVG)
Der Verwaltungsgerichtshof hat sich im seinem Erkenntnis vom 26.06.2014, Ro 2014/03/0063, mit der Sachentscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte auseinandergesetzt und darin folgende Grundsätze herausgearbeitet:
* Die Aufhebung eines Bescheides einer Verwaltungsbehörde durch ein Verwaltungsgericht komme nach dem Wortlaut des § 28 Abs. 1 Z 1 VwGVG nicht in Betracht, wenn der für die Entscheidung maßgebliche Sachverhalt feststeht. Dies wird jedenfalls dann der Fall sein, wenn der entscheidungsrelevante Sachverhalt bereits im verwaltungsbehördlichen Verfahren geklärt wurde, zumal dann, wenn sich aus der Zusammenschau der im verwaltungsbehördlichen Bescheid getroffenen Feststellungen (im Zusammenhalt mit den dem Bescheid zu Grunde liegenden Verwaltungsakten) mit dem Vorbringen in der gegen den Bescheid erhobenen Beschwerde kein gegenläufiger Anhaltspunkt ergibt.
* Der Verfassungsgesetzgeber habe sich bei Erlassung der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012, BGBl. I 51, davon leiten lassen, dass die Verwaltungsgerichte grundsätzlich in der Sache selbst zu entscheiden haben, weshalb ein prinzipieller Vorrang einer meritorischen Entscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte anzunehmen ist.
* Angesichts des in § 28 VwGVG insgesamt verankerten Systems stelle die nach § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG bestehende Zurückverweisungsmöglichkeit eine Ausnahme von der grundsätzlichen meritorischen Entscheidungszuständigkeit der Verwaltungsgerichte dar. Nach dem damit gebotenen Verständnis stehe diese Möglichkeit bezüglich ihrer Voraussetzungen nicht auf derselben Stufe wie die im ersten Satz des § 28 Abs. 3 VwGVG verankerte grundsätzliche meritorische Entscheidungskompetenz der Verwaltungsgerichte. Vielmehr verlangt das im § 28 VwGVG insgesamt normierte System, in dem insbesondere die normative Zielsetzung der Verfahrensbeschleunigung bzw. der Berücksichtigung einer angemessenen Verfahrensdauer ihren Ausdruck findet, dass von der Möglichkeit der Zurückverweisung nur bei krassen bzw. besonders gravierenden Ermittlungslücken Gebrauch gemacht wird. Eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen wird daher insbesondere dann in Betracht kommen, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhaltes (vgl. § 37 AVG) lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden (etwa im Sinn einer "Delegierung" der Entscheidung an das Verwaltungsgericht).
Der Verwaltungsgerichtshof hat jüngst mit Erkenntnis vom 10.09.2014, Ra 2014/08/0005 die im Erkenntnis vom 26.06.2014, Ro 2014/03/0063 angeführten Grundsätze im Hinblick auf Aufhebungs- und Zurückweisungsbeschlüsse des Verwaltungsgerichtes gemäß § 28 Abs 3 VwGVG nochmals bekräftigt und führte ergänzend aus, dass selbst Bescheide, die in der Begründung dürftig sind, keine Zurückverweisung der Sache rechtfertigen, wenn brauchbare Ermittlungsergebnisse vorliegen, die im Zusammenhalt mit einer allenfalls durchzuführenden mündlichen Verhandlung im Sinn des § 24 VwGVG zu vervollständigen sind.
II.3.5. Einzelfallbezogen ergibt sich daraus Folgendes:
II.3.3. Zum gegenständlichen Verfahren - Prüfungsumfang der "Entschiedenen Sache"
II.3.3.1. Gemäß § 68 Abs. 1 AVG sind Anbringen von Beteiligten, die außer den Fällen der §§ 69 und 71 AVG die Abänderung eines der Berufung nicht oder nicht mehr unterliegenden Bescheides begehren, wegen entschiedener Sache zurückzuweisen, wenn die Behörde nicht Anlass zu einer Verfügung gem. § 68 Abs. 2 bis 4 AVG findet. Diesem ausdrücklichen Begehren auf Abänderung steht ein Ansuchen gleich, das bezweckt, eine Sache erneut inhaltlich zu behandeln, die bereits rechtskräftig entschieden ist (VwGH v. 30.09.1994, Zl. 94/08/0183; VwGH v. 30.05.1995, Zl. 93/08/0207; VwGH v. 09.09.1999, Zl. 97/21/0913; VwGH v. 07.06.2000, Zl. 99/01/0321).
"Entschiedene Sache" iSd § 68 Abs. 1 AVG liegt vor, wenn sich gegenüber dem Vorbescheid weder die Rechtslage noch der wesentliche Sachverhalt geändert hat und sich das neue Parteibegehren im Wesentlichen mit dem früheren deckt (VwGH 9.9.1999, 97/21/0913; 27.9.2000, 98/12/0057; 25.4.2002, 2000/07/0235). Werden nur Nebenumstände modifiziert, die für die rechtliche Beurteilung der Hauptsache unerheblich sind, so ändert dies nichts an der Identität der Sache. Nur eine wesentliche Änderung des Sachverhaltes - nicht bloß von Nebenumständen - kann zu einer neuerlichen Entscheidung führen (vgl. z.B. VwGH 27.9.2000, 98/12/0057). Liegt keine relevante Änderung der Rechtslage oder des Begehrens vor und hat sich der für die Entscheidung maßgebliche Sachverhalt nicht geändert, so steht die Rechtskraft des Vorbescheides einer inhaltlichen Erledigung des neuerlichen Antrages entgegen. Stützt sich ein Asylantrag auf einen Sachverhalt, der verwirklicht worden ist, bevor das Verfahren über einen (früheren) Antrag beendet worden ist, so steht diesem (zweiten) Antrag die Rechtskraft des Vorbescheides entgegen (VwGH 10.6.1998, 96/20/0266).
Gegenüber neu entstandenen Tatsachen (novae causae supervenientes; vgl. VwGH 20.2.1992, 91/09/0196) fehlt es an der Identität der Sache; neu hervorgekommene Tatsachen (oder Beweismittel) rechtfertigen dagegen allenfalls eine Wiederaufnahme iSd § 69 Abs. 1 Z 2 AVG (wegen nova reperta; zur Abgrenzung vgl. z.B. VwGH 4.5.2000, 99/20/0192; 21.9.2000, 98/20/0564; 24.8.2004, 2003/01/0431; 4.11.2004, 2002/20/0391), bedeuten jedoch keine Änderung des Sachverhaltes i.S.d. § 68 Abs. 1 AVG. Eine neue Sachentscheidung ist nicht nur bei identem Begehren auf Grund desselben Sachverhaltes ausgeschlossen, sondern auch dann, wenn dasselbe Begehren auf Tatsachen und Beweismittel gestützt wird, die schon vor Vorverfahrens bestanden haben (VwGH 30.9.1994, 94/08/0183 mwN).
Zu einer neuen Sachentscheidung - nach etwa notwendigen amtswegigen Ermittlungen i.S.d. § 18 Abs. 1 AsylG - kann die Behörde jedoch nur durch eine solche behauptete Änderung des Sachverhaltes berechtigt und verpflichtet werden, der für sich allein oder in Verbindung mit anderen Tatsachen rechtlich Asylrelevanz zukäme; eine andere rechtliche Beurteilung des Antrages darf nicht von vornherein ausgeschlossen sein. Dem neuen Tatsachenvorbringen muss eine Sachverhaltsänderung zu entnehmen sein, die - falls sie festgestellt werden kann - zu einem anderen Ergebnis als das erste Verfahren führen kann (VwGH 4.11.2004, 2002/20/0391, mwN zur gleichlautenden Vorgängerbestimmung des § 18 Abs. 1AsylG 2005, nämlich §28 AsylG1997). Darüber hinaus muss die behauptete Sachverhaltsänderung zumindest einen "glaubhaften Kern" aufweisen, dem Asylrelevanz zukommt und an den diese positive Entscheidungsprognose anknüpfen kann. Die Behörde hat sich insoweit bereits bei der Prüfung, ob der (neuerliche) Asylantrag zulässig ist, mit der Glaubwürdigkeit des Vorbringens des Antragstellers und gegebenenfalls mit der Beweiskraft von Urkunden auseinander zu setzen. Ergeben die Ermittlungen der Behörde, dass eine Sachverhaltsänderung, die eine andere Beurteilung nicht von vornherein ausgeschlossen erscheinen ließe, entgegen den Behauptungen der Partei nicht eingetreten ist, so ist der Asylantrag gem. §68 Abs. 1 AVG zurückzuweisen (VwGH 21.10.1999, 98/20/0467; 24.2.2000, 99/20/0173; 19.7.2001, 99/20/0418; 21.11.2002, 2002/20/0315; vgl. auch VwGH 19.10.2004, 2001/03/0329; 31.3.2005, 2003/20/0468; 30.6.2005, 2005/18/0197; 26.7.2005, 2005/20/0226). Wird in einem neuen Asylantrag eine Änderung des für die Entscheidung maßgeblichen Sachverhalts nicht einmal behauptet, geschweige denn nachgewiesen, so steht die Rechtskraft des Vorbescheides einer inhaltlichen Erledigung des neuerlichen Antrages entgegen und berechtigt die Behörde dazu, ihn zurückzuweisen (VwGH 4.5.2000, 99/20/0192).
Auch wenn das Vorbringen des Folgeantrages in einem inhaltlichen Zusammenhang mit den Behauptungen steht, die im vorangegangenen Verfahren nicht als glaubwürdig beurteilt worden sind, schließt dies nicht aus, dass es sich um ein asylrelevantes neues Vorbringen handelt, das auf seinen "glaubhaften Kern" zu beurteilen ist. Ein solcher Zusammenhang kann für die Beweiswürdigung der neu behaupteten Tatsachen von Bedeutung sein, macht eine neue Beweiswürdigung aber nicht von vornherein entbehrlich oder gar unzulässig, etwa in dem Sinn, mit der seinerzeitigen Beweiswürdigung unvereinbare neue Tatsachen dürften im Folgeverfahren nicht angenommen werden. "Könnten die behaupteten neuen Tatsachen, gemessen an der dem rechtskräftigen Bescheid zugrunde liegenden Rechtsanschauung, zu einem anderen Verfahrensergebnis führen, so bedarf es einer die gesamten bisherigen Ermittlungsergebnisse einbeziehenden Auseinandersetzung mit ihrer Glaubwürdigkeit" (VwGH 29.9.2005, 2005/20/0365; 22.11.2005, 2005/01/0626; 16.2.2006, 2006/19/0380; vgl. auch VwGH 22.12.2005, 2005/20/0556).
Identität der Sache liegt auch dann vor, wenn sich das neue Parteibegehren von dem mit rechtskräftigem Bescheid bereits abgewiesenen nur dadurch unterscheidet, dass eine bisher von der Partei nicht ins Treffen geführte Rechtsfrage aufgegriffen wird oder die Behörde in dem bereits rechtskräftig abgeschlossenen Verfahren die Rechtsfrage auf Grund eines mangelhaften Ermittlungsverfahrens oder einer unvollständigen oder unrichtigen rechtlichen Beurteilung entschieden hat (VwGH 2.7.1992, 91/06/0207 mwN).
Aus § 68 AVG ergibt sich, dass Bescheide mit Eintritt ihrer Unanfechtbarkeit auch prinzipiell unwiderrufbar werden, sofern nicht anderes ausdrücklich normiert ist. Über die mit einem rechtskräftigen Bescheid erledigte Sache darf nicht neuerlich entschieden werden. Bei der Prüfung, ob Identität der Sache vorliegt, ist vom rechtskräftigen Vorbescheid auszugehen, ohne seine sachliche Richtigkeit - nochmals - zu überprüfen; die Rechtskraftwirkung besteht gerade darin, dass die von der Behörde einmal untersuchte und entschiedene Sache nicht neuerlich untersucht und entschieden werden darf (vgl. z.B. VwGH 15.10.1999, 96/21/0097; 25.4.2002, 2000/07/0235).
"Sache" des Rechtsmittelverfahrens ist nur die Frage der Rechtmäßigkeit der Zurückweisung, die Rechtsmittelbehörde darf demnach nur darüber entscheiden, ob die Vorinstanz den Antrag zu Recht zurückgewiesen hat oder nicht. Sie hat daher entweder - falls entschiedene Sache vorliegt - das Rechtsmittel abzuweisen oder - falls dies nicht zutrifft - den bekämpften Bescheid ersatzlos zu beheben, dies mit der Konsequenz, dass die erstinstanzliche Behörde, gebunden an die Auffassung der Rechtsmittelbehörde, den Antrag nicht neuerlich wegen entschiedener Sache zurückweisen darf. Die Rechtsmittelbehörde darf aber über den Antrag nicht selbst meritorisch entscheiden (VwGH 30.5.1995, 93/08/0207).
Als Vergleichsbescheid (Vergleichserkenntnis) ist der Bescheid (das Erkenntnis) heranzuzie-hen, mit dem zuletzt in der Sache entschieden wurde (vgl. - in Bezug auf mehrere Folgeanträge - VwGH 26. 7. 2005, 2005/20/0226, m.w.N.). Dem neuen Tatsachenvorbringen muss eine Sachverhaltsänderung zu entnehmen sein, die - falls feststellbar - zu einem anderen Ergebnis als im ersten Verfahren führen kann, wobei die behauptete Sachverhaltsänderung zumindest einen "glaubhaften Kern" aufweisen muss, dem Asylrelevanz zukommt und an den die oben erwähnte positive Entscheidungsprognose anknüpfen kann (vgl. das schon zitierte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 4. November 2004 m.w.N.). Die Behörde hat sich insoweit bereits bei der Prüfung der Zulässigkeit des (neuerlichen) Asylantrages mit der Glaubwürdigkeit des Vorbringens des Beschwerdeführers (und gegebenenfalls mit der Beweiskraft von Urkunden) auseinander zu setzen. Ergeben die Ermittlungen der Behörde, dass eine Sachverhaltsänderung, die eine andere Beurteilung nicht von vornherein ausgeschlossen erscheinen ließe, entgegen den Behauptungen der Partei in Wahrheit nicht eingetreten ist, so ist der Asylantrag gemäß § 68 Abs. 1 AVG zurückzuweisen.
II.3.3.2. Im gegenständlichen Verfahren war als Vergleichsentscheidung das Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 27.02.2013, Zl. XXXX , heranzuziehen, mit welchem die Beschwerde des BF gemäß §§ 3, 8 Abs 1 Z 1 , 10 Abs 1 Z 2 AsylG 2005 BGBl I 2005/100 idF BGBl 67/2012 als unbegründet abgewiesen wurde.
Den verfahrensgegenständlichen dritten Antrag begründete der Beschwerdeführer damit, dass seine alten Fluchtgründe noch immer aufrecht seien. Zudem sei in der Zwischenzeit sein Sohn in Deutschland getauft worden. Es würde zudem Berichte über die Konversion des BF und seines Sohn geben. Dadurch würde der BF nunmehr Probleme bekommen und erwarte ihm und seinen Sohn in den Iran die Todesstrafe.
Bei der Beurteilung eines behaupteten Religionswechsels und der Prüfung einer Scheinkonversion kommt es nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auf die aktuell bestehende Glaubensüberzeugung an, die im Rahmen einer Gesamtbetrachtung anhand einer näheren Beurteilung von Zeugenaussagen und einer konkreten Befragung des Asylwerbers zu seinen religiösen Aktivitäten zu ermitteln ist ( vgl. die Erkenntnisse vom 23. Juni 2105, Ra 2014/01/0117, und vom 24. September 2014, Ra 2014/19/0084). Ähnlich fordert auch der Verfassungsgerichtshof, dass, sobald auf Grund äußerer Tatsachen ein Wechsel der Religion aus innerer Überzeugung nicht unwahrscheinlich ist, sich das Gericht auf Grund einer ausführlichen Beurteilung der Persönlichkeit und aller Umstände der persönlichen Glaubwürdigkeit sowie darauf aufbauend einer ins Einzelne gehenden Beweiswürdigung und allenfalls der Einvernahme von Personen, die Auskunft über den Glaubenswechsel und die diesem zugrunde liegenden Überzeugungen geben können, einen detaillierten Eindruck darüber verschaffen muss, inwieweit der Religionswechsel auf einer persönlichen Glaubensentscheidung beruht; dies selbst dann, wenn sich der Asylwerber zunächst auf unwahre Angaben betreffend seinen Fluchtgrund gestützt hat (vgl. das Erkenntnis des VfGH vom 12. Dezember 2013, U 2272/2012).
II.3.3.3. Die belangte Behörde führte in ihrer Beweiswürdigung im Wesentlichen aus, dass bezüglich der Angaben des BF anzumerken sei, dass kein neu entstandener Sachverhalt festzustellen ist. Das Vorbringen würde sich weiterhin auf die Konversion seiner Person zum Christentum, welches bereits als unglaubwürdig bewertet worden sei, beziehen.
Mit diesen beweiswürdigenden Ausführungen gelang es aber der belangten Behörde nicht darzulegen, warum kein neuer bzw. glaubwürdiger Sachverhalt vorliegt. Im gegenständlichen Fall ist darauf hinzuweisen, dass der BF folgt man seinen Angaben sich zwar weiterhin auf seine in den Vorverfahren behaupteten Fluchtgründe stützt, jedoch brachte der BF zudem vor, dass er in Deutschland weiterhin seinen Glauben ausgeübt habe, sein Sohn getauft wurde und bezüglich der Konversion des BF und seines Sohnes öffentlich zugängliche Berichte existieren und der Geheimdienst bei der Familie des BF nach dem BF gefragt hätte. Es handelt sich hierbei um neue Sachverhaltselemente, die sowohl im Zuge der Beweiswürdigung als auch in der rechtlichen Beurteilung Berücksichtigung finden müssen.
Die belangte Behörde hat sich aus Sicht des erkennenden Gerichtes im Rahmen einer inhaltlichen Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz mit der zwischenzeitlichen Hinwendung des BF und seines Sohnes zur evangelischen Kirche in Österreich, seiner damaligen Hinwendung zur katholischen Kirche in Deutschland bzw. möglichen Folgen von Berichterstattungen im Zuge einer Konversion, der behaupteten Nachfrage seitens des iranischen Geheimdienstes auseinanderzusetzen. Zudem wurde es unterlassen, Erläuterungen zur den vorgelegten Beweismitteln zu treffen.
Da im gegenständlichen Fall bereits rechtskräftig von einer Scheinkonversion ausgegangen wurde, hat der BF zur Widerlegung eines Missbrauchsverdachtes gute Gründe geltend und glaubhaft zu machen, die diesen Missbrauchsverdacht ausräumen. Gelingt ihm dies nicht, ist die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten ausgeschlossen.
Dem erkennenden Gericht ist es verwehrt, über das Vorbringen des BF erstmals inhaltlich zu entscheiden, weshalb der angefochtene Bescheid zu beheben war.
II.5. Eine mündliche Verhandlung konnte aufgrund der Behebung des Bescheides gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG unterbleiben. Gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG kann eine Verhandlung entfallen, wenn der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist, oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Das ho. Gericht legt in seinen Ausführungen in Bezug auf die angeführten Grundsätze im Hinblick auf Aufhebungs- und Zurückweisungsbeschlüsse bzw. der Sachentscheidungspflicht des Verwaltungsgerichtes gemäß § 28 Abs 3 VwGVG die bereits beschriebenen Tatbestandsmerkmale im Lichte der ebenfalls zitierten aktuellen Rechtsprechung des VwGH aus.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision
II.3.7. Gemäß § 25a Abs 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Hat das Erkenntnis nur eine geringe Geldstrafe zum Gegenstand, kann durch Bundesgesetz vorgesehen werden, dass die Revision unzulässig ist.
Wie sich aus der wiedergegebenen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ergibt, bestand zur Frage der Anwendbarkeit des § 66 Abs. 2 AVG eine einheitliche Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, welche der Verwaltungsgerichtshof wie dargelegt in seiner Rechtsprechung zu § 28 Abs. 3 VwGVG fortführte. Die gegenständliche Entscheidung stützt sich auf die zitierte Judikatur und weicht von dieser nicht ab. Aus dem gegenständlichen Verfahren ergeben sich auch keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage.
Der Entfall der mündlichen Verhandlung ergibt sich unmittelbar aus dem Gesetz, so dass auch diesbezüglich die Voraussetzungen für die Zulässigkeit einer Revision nicht vorliegen.
Vor diesem Hintergrund ist die Revision gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Schlagworte
Ermittlungspflicht, Familienangehöriger, geänderte Verhältnisse,European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2018:L512.1430868.2.00Zuletzt aktualisiert am
12.03.2018