TE Bvwg Erkenntnis 2018/3/2 W248 2161151-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 02.03.2018
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

02.03.2018

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §55
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs2

Spruch

W248 2161151-1/10E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Dr. NEUBAUER über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX , Staatsangehörigkeit Afghanistan, vertreten durch den XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 24.05.2017, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 12.01.2018 zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird abgewiesen.

B)

Die Revision ist nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan (im Folgenden Beschwerdeführer) reiste spätestens im Oktober 2015 illegal nach Österreich ein und stellte am 04.10.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz.

2. Am 04.10.2015 fand vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes (PI XXXX ) die niederschriftliche Erstbefragung des Beschwerdeführers statt.

Bei dieser Befragung gab der Beschwerdeführer an, er sei von den Taliban misshandelt und geschlagen und auch mit dem Tod bedroht worden; daher sei er aus Afghanistan geflüchtet. Er habe auch keine Ahnung, wo seine Frau mit seinen Kindern sei. Diese seien auch auf der Flucht. Bis Pakistan seien sie mit dem Beschwerdeführer gemeinsam gereist, und dort seien sie dann getrennt worden. Im Fall einer Rückkehr nach Afghanistan sei sein Leben und das seiner Familie in Gefahr.

3. Der Beschwerdeführer wurde am 09.05.2017 beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden BFA) im Beisein eines Dolmetschers für die Sprache Dari niederschriftlich einvernommen.

Dabei gab der Beschwerdeführer an, er habe Probleme mit den Kutschis (Kuchis) gehabt. Auch sei seine Ehefrau vor ihrer nunmehrigen Ehe mit dem Beschwerdeführer schon einmal verheiratet gewesen. Der Beschwerdeführer könne nicht sagen, was zwischen seiner Ehefrau und ihrem ersten Ehemann geschehen sei. Ihr erster Ehemann sei getötet worden. Der (ehemalige) Schwager der nunmehrigen Ehefrau des Beschwerdeführers habe dann beabsichtigt, sie zu heiraten. Die nunmehrige Ehefrau des Beschwerdeführers habe diese Ehe jedoch abgelehnt. Dadurch seien ihre Verwandten mit dem Beschwerdeführer verfeindet. Nach ihrer Heirat hätten der Beschwerdeführer und seine Ehefrau Afghanistan verlassen und seien in den Iran gezogen. Nach dieser Ausreise sei es zu keinen Problemen mehr gekommen.

Außerdem gab der Beschwerdeführer bei seiner Einvernahme am 09.05.2017 an, er sei nach seiner Abschiebung vom Iran nach Kabul gegangen. Seine Freunde hätten ihm gesagt, dass er in Kabul nicht mehr leben könne. Wenn ihn die Kutschis finden würden, würde er getötet werden. Er habe es dennoch versucht in Kabul zu leben, sei aber nach drei Tagen nach Europa geflüchtet. Konkrete Vorfälle in Kabul habe es nicht gegeben. Seine Freunde hätten dem Beschwerdeführer auch gesagt, dass der Ex-Mann seiner Frau ihn töten wolle. Nachdem der befragende Beamte des BFA ihn daran erinnert hatte, dass der Ex-Mann (richtig: erste Ehemann) seiner Ehefrau (bereits damals seit mehr als 20 Jahren) tot sei, erklärte der Beschwerdeführer, die Brüder des Ex-Mannes wollten ihn töten. Auf die Frage, wie er erfahren habe, dass es keinen sicheren Ort zum Leben gebe, erklärte der Beschwerdeführer, die Situation werde wegen der Kutschis jeden Tag schlimmer. Man werde die ganze Zeit (Tag und Nacht) bedroht. Es gebe keine Sicherheit. Auch würden die Verwandten des ersten Ehemannes der Ehefrau des Beschwerdeführers sofort erfahren, dass der Beschwerdeführer sich in Afghanistan aufhält, und ihn töten. Wer diese Leute sind könne er nicht sagen. Persönliche Probleme mit den Kutschis habe es nicht gegeben, und auch zur Familie des Ex-Mannes seiner Ehefrau habe er niemals einen Kontakt gehabt. Darüber, dass er anlässlich seiner Erstbefragung angegeben hatte, er sei von den Taliban geschlagen und mit dem Umbringen bedroht worden, zeigte sich der Beschwerdeführer bei seiner Einvernahme vor dem BFA verwundert.

Dem Beschwerdeführer wurde die Einvernahme wortwörtlich rückübersetzt, er erhob keine Einwände und gab an, den Dolmetscher sehr gut verstanden zu haben.

Der Beschwerdeführer legte dem BFA folgende Dokumente vor:

* Empfehlungsschreiben von Ingrid Mannsberger

* Empfehlungsschreiben von Nina Langgner

* Deutschkursbestätigung vom 04.05.2017

* Empfehlungsschreiben von GELA Austria

* Empfehlungsschreiben der Stadtgemeinde Judenburg vom 03.05.2017

* Bestätigung über einen StVo Kurs

* Nervenärztlicher Befundbericht vom 08.05.2017

* Ärztliches Schreiben von Dr. XXXX vom 04.05.2017

* 4 Seiten Tazkira

4. Mit nunmehr bekämpftem Bescheid des BFA vom 24.05.2017, Zl. XXXX , wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG (Spruchpunkt I.) und bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Gemäß § 57 AsylG wurde ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt und gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen. Es wurde festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt III.). Weiters wurde ausgeführt, dass die Frist für die freiwillige Ausreise des Beschwerdeführers gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt IV).

In der Begründung des Bescheides gab das BFA die entscheidungsrelevanten Angaben des Beschwerdeführers wieder und traf Feststellungen zur Lage in Afghanistan. Die Abweisung des Antrages auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten begründete das BFA im Wesentlichen damit, dass der Beschwerdeführer keine Fluchtgründe glaubhaft gemacht habe, die ihn persönlich betreffen würden. Insoweit der Beschwerdeführer eine Bedrohung durch Kutschi-Nomaden vorgebracht habe, sei festzuhalten, dass es in Afghanistan in früheren Jahren wiederholt zu gewalttätigen und bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen dem (paschtunischen) Nomadenvolk der Kutschi und der Volksgruppe der Hazara gekommen sei. Die vom Beschwerdeführer geltend gemachte Angst vor den Kutschi-Nomaden stehe jedoch in keinem kausalen Zusammenhang mit einem der in der GFK abschließend genannten Verfolgungsgründe (Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe, politische Gesinnung). Die Überfälle der Kutschi-Nomaden seien nicht bzw. nicht wesentlich auf einen Konventionsgrund zurückzuführen, sondern hätten ihren wesentlichen Grund vielmehr in der allgemein schlechten Wirtschafts- und Versorgungslage sowie in den ungeklärten Boden- und Wasserverhältnissen in Afghanistan, zumal sich die Überfälle bzw. Übergriffe der Kutschi-Nomaden wegen des von ihnen begehrten Weidelandes potenziell gegen alle Bewohner dieser Region ohne Unterscheidung ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder ihrer politischen Gesinnung richten würden. Aus den zur Lage in Afghanistan vorliegenden Erkenntnisquellen ergebe sich im Ergebnis übereinstimmend, dass der maßgebliche Faktor für die Überfälle der Kutschi-Nomaden auf im zentralafghanischen Hochland lebende Hazara der (keinem Konventionsgrund zuzuordnende) Konflikt über Boden und Weiderechte sei.

Zu Spruchpunkt II. führte das BFA aus, es könne davon ausgegangen werden, dass der Beschwerdeführer in Afghanistan keiner Verfolgung ausgesetzt ist. Es lägen keine Hinweise darauf vor, dass in Afghanistan ein Bürgerkrieg oder eine Hungersnot herrscht. Es seien keine Umstände bekannt, dass in Afghanistan eine solche extreme Gefährdungslage besteht, dass gleichsam jeder, der nach Afghanistan zurückkehrt, einer Gefährdung im Sinne des § 8 AsylG ausgesetzt wäre. Es sei auch davon auszugehen, dass es dem Beschwerdeführer jedenfalls möglich ist, die existentiellen Grundbedürfnisse wie Nahrung und Unterkunft zu erfüllen. Aus den Länderfeststellungen ergebe sich weder, dass bei einer Rückkehr nach Afghanistan die Tatsache der Asylantragstellung eine Verfolgung zur Folge hat, noch, dass in Afghanistan eine Situation vorherrscht, in der die Staatsgewalt zusammengebrochen wäre oder systematische schwere Menschenrechtsverletzungen zu erkennen wären. Auch nach Ansicht des EGMR sei die allgemeine Situation in Afghanistan generell jedenfalls nicht dergestalt, dass alleine deswegen eine Rückkehr eines Asylwerbers eine ernsthafte Bedrohung der durch Art. 3 EMRK geschützten Rechte bedeuten würde. Es könne unter Berücksichtigung der aktuellen Feststellungen betreffend Afghanistan nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer auch unter Berücksichtigung seiner Volksgruppen- bzw. Religionszugehörigkeit im Falle einer Rückkehr einem Personenkreis angehören würde, von welchem anzunehmen ist, dass er sich in Bezug auf seine individuelle Versorgungslage dermaßen qualifiziert schutzbedürftiger darstellt als die übrige Bevölkerung, welche ebenfalls für ihre Existenzsicherung aufkommen könne. Trotz der weiterhin als instabil zu bezeichnenden allgemeinen Sicherheitslage in Afghanistan sei eine Ansiedelung in der Hauptstadt Kabul oder in Mazar-e Sharif jedenfalls möglich und aufgrund der individuellen Situation des Beschwerdeführers auch zumutbar, dies selbst dann, wenn der Beschwerdeführer tatsächlich über keinerlei familiären und sozialen Hintergrund in Afghanistan verfügen sollte. Überdies würden auch aus der vorliegenden Staatendokumentation keine Hinweise hervorgehen, die auf eine ernsthafte Gefahr des Lebens im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes hindeuten würden. Es seien auch aus den anderen Unterlagen der Staatendokumentation keine Anhaltspunkte hervorgekommen, wonach der Beschwerdeführer nicht alleine in Kabul oder einer anderen Großstadt Afghanistans, wo sich die Sicherheitslage nicht grundsätzlich verschlechtert habe, leben könnte. Aus diesen Gründen lasse sich aus den individuellen persönlichen Verhältnissen des Beschwerdeführers keine Gefährdung im Sinne des § 8 AsylG ableiten. Während des ganzen Verfahrens seien keine Anhaltspunkte zu Tage getreten, die darauf hindeuten würden, dass der Beschwerdeführer bei seiner Rückkehr in eine ausweglose und die Existenz bedrohende Lage geraten würde. Im Rahmen einer Gesamtbetrachtung sei jedenfalls davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan in der Lage ist, seine dringendsten Lebensbedürfnisse zu befriedigen und nicht über anfängliche Schwierigkeiten hinaus in eine dauerhaft aussichtslose Lage zu geraten.

Schließlich führt der bekämpfte Bescheid aus, dass die öffentlichen Interessen an der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung gegenüber den privaten Interessen des Beschwerdeführers am Verbleib in Österreich überwiegen würden und ein Eingriff in seine durch Art. 8 EMRK geschützten Rechte daher als gerechtfertigt anzusehen sei.

5. Mit Verfahrensanordnung vom 24.05.2017 wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG, BGBl. I Nr. 87/2012 idF BGBl. I Nr. 25/2016, der XXXX als Rechtsberater für das Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht zur Seite gestellt.

6. Der Beschwerdeführer erhob, unterstützt von seinem Rechtsberater, Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht. Die Beschwerde langte am 07.06.2017 beim BFA ein und ist daher rechtzeitig.

Die Beschwerde äußert sich nicht zu den vom Beschwerdeführer bei der Erstbefragung sowie anlässlich der Einvernahme vor dem BFA vorgebrachten Fluchtgründen (Konflikt mit Kutschis; Bedrohung durch den ersten Ehemann der Ehefrau; Bedrohung durch den ehemaligen Schwager der Ehefrau bzw. die ehemalige Schwiegerfamilie der Ehefrau), sondern verweist lediglich auf die allgemeine Sicherheitslage in Afghanistan und darauf, dass der Beschwerdeführer "im Wesentlichen die letzten 20 Jahre vor seiner Flucht nach Österreich, im Iran" gelebt habe, was vom BFA als glaubwürdig erachtet worden sei. Überhaupt habe der Beschwerdeführer "sein gesamtes bisheriges Leben (außer drei Tage In Kabul)" im Iran verbracht. Vor seiner Flucht in den Iran habe der BF in seinem Herkunftsstaat in der Provinz Kabul gelebt. Die gesamte Kernfamilie des Beschwerdeführers befinde sich im Iran, und der Beschwerdeführer habe keine familiären und sozialen Anknüpfungspunkte in Afghanistan, sodass ihm eine Rückkehr in seinen Herkunftsstaat nicht zuzumuten sei, was auch die vom BFA angenommene(n) innerstaatliche(n) Fluchtalternative(n) ausschließe.

Der Beschwerdeführer beantragte in seiner Beschwerde, "die Rechtsmittelbehörde" (gemeint ist sichtlich das Bundesverwaltungsgericht) möge

* den angefochtenen Bescheid dahingehend abändern, dass dem Antrag auf internationalen Schutz Folge gegeben und in Folge dessen dem Beschwerdeführer der Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Absatz 1 iVm § 2 Absatz 1 Ziffer 13 [AsylG 2005] zuerkannt wird;

* den angefochtenen Bescheid dahingehend abändern, dass gemäß § 8 Absatz 1 AsylG 2005 der Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan zuerkannt wird;

* in eventu den angefochtenen Bescheid dahingehend abändern, dass der Bescheid im Spruchpunkt III. betreffend die gegen den Beschwerdeführer gemäߧ 52 Abs. 2 Z 2 FPG gefällte Rückkehrentscheidung aufgehoben wird; in eventu den angefochtenen Bescheid dahingehend abändern, dass der Bescheid im Spruchpunkt III. betreffend die gegen den Beschwerdeführer gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellte Abschiebung gemäß § 46 [FPG] aufgehoben wird;

* in eventu einen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß §§ 57 und 55 AsylG 2005 erteilen;

* in eventu den angefochtenen Bescheid zur Gänze beheben und zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung an das BFA zurückverweisen;

* (falls als notwendig erachtet) eine mündliche Verhandlung anberaumen.

7. Das Bundesverwaltungsgericht führte am 12.01.2018 in Anwesenheit des Rechtsvertreters des Beschwerdeführers und unter Beiziehung einer Dolmetscherin für die Sprachen Dari und Farsi eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, in der der Beschwerdeführer ausführlich zu seinen Fluchtgründen, seinen persönlichen Umständen im Herkunftsstaat sowie seiner Integration in Österreich befragt wurde. Die Dolmetscherin wurde für die Sprache Dari bestellt, da es sich dabei nach den Angaben des Beschwerdeführers um seine Muttersprache handelt und sowohl die Erstbefragung als auch die Einvernahme vor dem BFA ohne Verständigungsprobleme auf Dari durchgeführt wurden. Als sich jedoch in der mündlichen Verhandlung herausstellte, dass der Beschwerdeführer tatsächlich Farsi spricht, übersetzte die Dolmetscherin in der Sprache Farsi, welche sie gerichtsbekannter Maßen ebenfalls beherrscht.

In der mündlichen Verhandlung am 12.01.2018 bestätigte der Beschwerdeführer im Wesentlichen seine bis dahin im Verfahren gemachten Angaben und hielt die bei der Erstbefragung und in der Einvernahme vor dem BFA aufgetretenen Widersprüche und Unstimmigkeiten ausdrücklich aufrecht.

Der Beschwerdeführer erklärte, es habe schon vor seiner Ausreise in den Iran innerreligiöse Konflikte in Afghanistan und Probleme mit den Kutschis gegeben, von denen er persönlich allerdings nicht betroffen gewesen sei. Afghanistan verlassen habe der Beschwerdeführer damals wegen seiner Heirat, seine Frau sei zuvor bereits verheiratet gewesen und ihr armer Mann sei getötet worden, wobei die genauen Umstände seines Todes dem Beschwerdeführer nicht bekannt seien. Der Bruder des getöteten Ehemannes habe die nunmehrige Ehefrau des Beschwerdeführers heiraten wollen, was sie jedoch abgelehnt habe. Als der Beschwerdeführer und seine nunmehrige Ehefrau beschlossen hätten, zu heiraten, habe dieser ehemalige Schwager den Beschwerdeführer töten wollen. Das sei der Grund für die Ausreise in den Iran gewesen. Der ehemalige Schwager arbeite auch jetzt für die Regierung. Im Fall einer Rückkehr nach Afghanistan würde der ehemalige Schwager der Ehefrau des Beschwerdeführers und/oder die Familie des ehemaligen Schwagers den Beschwerdeführer sowie seine Ehefrau verfolgen und töten. Der Beschwerdeführer habe allerdings noch nie irgendeinen Kontakt zum ehemaligen Schwager oder dessen Familie gehabt und kenne diese überhaupt nicht. Befragt, wie denn der ehemalige Schwager und seine Familie den Beschwerdeführer und seine Ehefrau in Ermangelung eines staatlichen Meldesystems in Afghanistan finden würden, gab der Beschwerdeführer an, die Familie seiner Ehefrau sei mit der Familie des ehemaligen Schwagers verwandt, und die beiden Familien seien in ständigem Kontakt zueinander. Die Familie des ehemaligen Schwagers würde sofort durch die Familie der Ehefrau von der Rückkehr erfahren, und dann würden der Beschwerdeführer und seine Ehefrau unweigerlich getötet.

Zu seinen noch in Afghanistan verbliebenen Verwandten (Mutter, Brüder, Schwester in Kabul) habe er keinen Kontakt mehr, da es "zu familiären Konflikten" gekommen sei, als er geheiratet habe.

Er habe keine Schul- oder Berufsausbildung, habe aber sowohl in Afghanistan als auch im Iran als Maurer am Bau gearbeitet. In Afghanistan habe er auch als Landwirt im Kartoffel- und Zwiebelanbau gearbeitet, womit er im Grunde seinem Vater ausgeholfen habe. Das sei aber nicht sein eigentlicher Beruf gewesen. Das Einkommen des Beschwerdeführers aus seiner Erwerbstätigkeit habe nicht nur für den Lebensunterhalt ausgereicht, sondern sei sogar gut gewesen.

Befragt zu seiner Herkunftsprovinz gab der Beschwerdeführer an, er sei in der Provinz Wardak geboren, habe dann aber in der Stadt Kabul gelebt. Nachdem es nach seiner Heirat zu Schwierigkeiten gekommen sei, sei er zuerst in einen anderen Stadtteil von Kabul und in weiterer Folge in den Iran umgezogen. Nach seiner Abschiebung aus dem Iran nach Afghanistan habe er sich nur mehr drei Tage lang in seinem Herkunftsstaat (nämlich wieder in der Hauptstadt Kabul) aufgehalten, bevor er nach Europa aufgebrochen sei. Seine Ehefrau und die Kinder seien im Iran, nämlich in der Kleinstadt Mohammad Shahr, in Karaj. Zu ihnen habe er ca. alle zwei Wochen Kontakt.

Zu seinem Gesundheitszustand (diesbezüglich hatte er bereits dem BFA und Ende Dezember 2017 dem Bundesverwaltungsgericht Unterlagen vorgelegt) erklärte der Beschwerdeführer, es gehe ihm in der Früh beim Aufstehen nicht gut, er habe Schmerzen. Er folge hinsichtlich seiner Medikation einer ärztlichen Empfehlung vom Oktober 2017. Mit seinen dokumentierten gesundheitlichen Beeinträchtigungen (Depression, thorakale Schmerzen, Bandscheibenbeschwerden) habe er "kein Problem". Es sei "alles in Ordnung", und auch mit schweren körperlichen Arbeiten habe er kein Problem.

Den mit der Ladung übermittelten, bis zur mündlichen Verhandlung durch eine weitere Kurzinformation (vom 21.12.2017) ergänzten Länderberichten sowie den sonst vom erkennenden Richter in das Verfahren eingebrachten Erkenntnisquellen trat der Beschwerdeführer nicht substantiiert entgegen, verwies aber durch seinen Vertreter auf einen Artikel von Friederike Stahlmann ("Überleben in Afghanistan?", Asylmagazin 3/2017, 73 ff) sowie ein Referat von Thomas Ruttig ("Notiz Afghanistan - Alltag in Kabul" [Referat vom 12.04.2017]). Aus diesen Dokumenten ergebe sich, dass für den BF unter den oben angeführten Umständen ein Überleben aus eigener Kraft bei einer Rückkehr nicht möglich sei. Der Vertreter verwies auch auf einen Bericht der Schweizerischen Flüchtlingshilfe vom 05.04.2017 zur Möglichkeit der psychiatrischen und psychotherapeutischen Behandlung in Afghanistan sowie auf eine ACCORD-Anfragebeantwortung vom 06.10.2015 zu Behandlungsmöglichkeiten für psychisch erkrankte/traumatisierte Personen in Kabul. Daraus ergebe sich zusammengefasst, dass für den BF Behandlungsmöglichkeiten nicht im erforderlichen Ausmaß vorhanden seien. Bereits in seiner Beschwerde hatte der Beschwerdeführer die allgemeine Sicherheitslage in Afghanistan thematisiert.

In der mündlichen Verhandlung am 12.01.2018 legte der Beschwerdeführer folgende Dokumente vor:

* Schreiben von Dr. med. Gudrun XXXX vom 05.01.2018

* Empfehlungsschreiben von Engelbert und Ingrid XXXX , undatiert

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Beweisaufnahme:

Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgeblichen Sachverhaltes wurde im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweis erhoben durch:

* Einsicht in den dem Bundesverwaltungsgericht vorliegenden Verwaltungsakt des BFA

* Einvernahme des Beschwerdeführers im Rahmen der öffentlichen mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 12.01.2018 sowie Einsichtnahme in die vom Beschwerdeführer in der Verhandlung vorgelegten Dokumente

* Einsichtnahme in folgende in der öffentlichen mündlichen Verhandlung vom Bundesverwaltungsgericht in das Verfahren eingebrachte Erkenntnisquellen zum Herkunftsstaat des Beschwerdeführers:

o Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 02.03.2017, letzte Kurzinformation vom 21.12.2017

o UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des Internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender (Fassung 16.04.2016)

o Anmerkungen von UNHCR zur Situation in Afghanistan auf Anfrage des deutschen Bundesministerium des Innern, Dezember 2016

o Gutachterliche Stellungnahme des Dr. Rasuly vom 21.11.2016 zum Hazara-Kuchi-Konflikt

o Landinfo Report vom 06.06.2011 zum Hazara-Kuchi-Konflikt

o Dossier der Staatendokumentation zu den Grundlagen der Stammes- und Clanstruktur (2016)

2. Feststellungen:

Auf Grundlage des gestellten Antrages auf internationalen Schutz, der Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes sowie der Einvernahme des Beschwerdeführers durch das BFA, der Beschwerde gegen den im Spruch genannten Bescheid des BFA, der im Verfahren vorgelegten Dokumente, der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht sowie der Einsichtnahme in den Bezug habenden Verwaltungsakt, das Zentrale Melderegister, das Fremdeninformationssystem, das Strafregister sowie das Grundversorgungs-Informationssystem werden folgende Feststellungen getroffen und der Entscheidung zugrunde gelegt:

2.1. Zur Person und zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Afghanistan, Angehöriger der Volksgruppe der Sadat (Sayyed; diese werden zu den Hazara gezählt) und schiitischer Muslim. Die Muttersprache des Beschwerdeführers ist Dari, er spricht jedoch - wohl aufgrund seines langjährigen Aufenthalts im Iran - Farsi.

Der Beschwerdeführer führt den Namen XXXX und wurde am XXXX in der Provinz Wardak geboren, hat dann aber in der Hauptstadt Kabul gelebt. Nach seiner Eheschließung hat der Beschwerdeführer ca. 20 (alias 22) Jahre im Iran gelebt, bevor er 2015 nach Afghanistan abgeschoben wurde. Nach seiner Abschiebung verbrachte der Beschwerdeführer drei Tage in der Hauptstadt Kabul und trat dann die Reise nach Europa an. Spätestens im Oktober 2015 reiste der Beschwerdeführer unter Umgehung der Grenzkontrollen in das Bundesgebiet ein. Dass der Beschwerdeführer, wie er das in seiner Beschwerde behauptet, "sein gesamtes bisheriges Leben (außer drei Tage In Kabul)" im Iran verbracht hat kann nicht festgestellt werden.

Der Beschwerdeführer ist ein arbeitsfähiger Mann im erwerbsfähigen Alter, er ist verheiratet und hat keine eigenen Kinder. Er verfügt über familiäre Anknüpfungspunkte in seinem Herkunftsstaat, wo aktuell zumindest seine Mutter und seine Brüder leben. Auch die Ehefrau des Beschwerdeführers hat in Afghanistan (Kabul) Familie, mit der sie in regelmäßigem Kontakt steht.

Der Beschwerdeführer verfügt über keine Schul- oder Berufsausbildung, hat aber ab seinem neunten Lebensjahr, zuerst in Afghanistan und dann im Iran, als Maurer gearbeitet und dadurch ein gutes Einkommen erzielt. In Afghanistan hat er auch seinen Vater in der Landwirtschaft (Kartoffel- und Zwiebelanbau) unterstützt.

Der Beschwerdeführer reiste illegal nach Österreich ein und stellte am 04.10.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz.

Der Beschwerdeführer befindet sich seit seiner Antragstellung im Oktober 2015 auf Grund einer vorübergehenden Aufenthaltsberechtigung nach dem AsylG 2005 durchgehend rechtmäßig im Bundesgebiet. Er bezieht seit seiner Einreise Leistungen aus der vorübergehenden Grundversorgung.

Der Beschwerdeführer besuchte in Österreich Deutschkurse, hat aber bisher noch keine Deutschprüfungen abgelegt. Er hat in Österreich keine Familienangehörigen oder Verwandten, pflegt aber gewisse soziale Kontakte.

Der Beschwerdeführer übt zwar in Österreich keine berufliche Tätigkeit aus, arbeitet jedoch gelegentlich auf freiwilliger Basis für die Gemeinde (Reinigungsarbeiten und Rasenmähen) sowie im Vinzi Shop und Vinzi Markt in Judenburg.

Der Beschwerdeführer wurde in Österreich im Dezember 2016 rechtskräftig zu einer bedingten Freiheitsstrafe von zwei Monaten mit einer Probezeit von drei Jahren verurteilt.

Der Beschwerdeführer leidet an Spannungskopfschmerz, einem Bandscheibenschaden, Schulterschmerzen, Anpassungsstörungen sowie einer Depression und ist deshalb in ärztlicher Behandlung. Der Beschwerdeführer ist durch seine gesundheitlichen Probleme im Alltag nicht eingeschränkt und hat auch mit schweren körperlichen Arbeiten kein Problem. Auch in Afghanistan, insbesondere in der Hauptstadt Kabul, gibt es medizinische Einrichtungen, in denen die gesundheitlichen Probleme des Beschwerdeführers behandelt werden können. An einer unmittelbar lebensbedrohlichen Erkrankung leidet der Beschwerdeführer nicht.

Das vom Beschwerdeführer dargelegte Fluchtvorbringen (betreffend die Gefahr, von den Kutschis bzw. vom ehemaligen Schwager seiner Ehefrau bzw. von der Familie des ehemaligen Schwagers seiner Ehefrau verfolgt und in der Folge getötet zu werden) kann nicht festgestellt werden.

Der Beschwerdeführer hatte bisher weder durch seine Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Sadat (Hazara) noch durch jene zur schiitischen Glaubensrichtung irgendwelche Probleme in Afghanistan. Eine diesbezügliche Verfolgungsgefahr kann auch für die Zukunft nicht festgestellt werden.

2.2. Zu einer möglichen Rückkehr des Beschwerdeführers in den Herkunftsstaat:

Eine Verfolgung oder Bedrohung des Beschwerdeführers in seinem Herkunftsstaat Afghanistan kann weder für die Vergangenheit noch für die Zukunft festgestellt werden. Es kann auch nicht festgestellt werden, dass dem Beschwerdeführer bei seiner Rückkehr eine Gefährdung durch die Polizei, staatliche Organe oder Behörden droht. Auch eine private Bedrohung des Beschwerdeführers, vor der ihn der afghanische Staat nicht schützen könnte oder schützen wollte, oder eine sonstige besondere Gefährdung des Beschwerdeführers bei einer Rückkehr nach Afghanistan konnte nicht festgestellt werden. Überdies kann für den Beschwerdeführer weder eine wirtschaftlich noch eine finanziell ausweglose Lage im Falle der Rückkehr nach Afghanistan festgestellt werden. Allerdings ist eine Rückführung des Beschwerdeführers in seine ursprüngliche Heimatprovinz Wardak, wo er geboren wurde, aber nur kurz gelebt hat, aufgrund der volatilen Sicherheitslage nicht primär in Erwägung zu ziehen.

Dem Beschwerdeführer würde bei einer Überstellung nach Afghanistan in die Hauptstadt Kabul, die über den Luftweg sicher erreichbar ist, oder in die Provinz Balkh, die von Kabul aus gut erreichbar ist, kein Eingriff in seine körperliche Unversehrtheit drohen; er liefe dort nicht Gefahr, grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse wie Nahrung, Kleidung sowie Unterkunft nicht befriedigen zu können und in eine ausweglose bzw. existenzbedrohende Situation zu geraten.

Ausreichende Möglichkeiten, die gesundheitlichen Probleme des Beschwerdeführers medizinisch zu behandeln, bestehen zumindest in der Hauptstadt Kabul.

2.3. Zur maßgeblichen Situation in Afghanistan:

2.3.1. Auszug aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 02.03.2017, Stand 21.12.2017 (bereinigt um grammatikalische und orthographische Fehler):

Sicherheitslage

Allgemeines

Die Sicherheitslage ist beeinträchtigt durch eine tief verwurzelte militante Opposition. Die afghanische Regierung behält die Kontrolle über Kabul, größere Bevölkerungszentren, Transitrouten, Provinzhauptstädte und den Großteil der Distriktzentren. Die afghanischen Sicherheitskräfte zeigten Entschlossenheit und steigerten auch weiterhin ihre Leistungsfähigkeit im Kampf gegen den von den Taliban geführten Aufstand. Die Taliban kämpften weiterhin um Distriktzentren, bedrohten Provinzhauptstädte und eroberten landesweit kurzfristig Hauptkommunikationsrouten - speziell in Gegenden von Bedeutung wie z.B. Kunduz City und der Provinz Helmand (USDOD 12.2016). Zu Jahresende haben die afghanischen Sicherheitskräfte (ANDSF) Aufständische in Gegenden von Helmand, Uruzgan, Kandahar, Kunduz, Laghman, Zabul, Wardak und Faryab bekämpft (SIGAR 30.1.2017).

In den letzten zwei Jahren hatten die Taliban kurzzeitig Fortschritte gemacht, wie z.B. in Helmand und Kunduz, nachdem die ISAF-Truppen die Sicherheitsverantwortung den afghanischen Sicherheits- und Verteidigungskräften (ANDSF) übergeben hatten. Die Taliban nutzen die Schwächen der ANDSF aus, wann immer sie Gelegenheit dazu haben. Der IS (Islamischer Staat) ist eine neue Form des Terrors im Namen des Islam, ähnlich der al-Qaida, auf zahlenmäßig niedrigerem Niveau, aber mit einem deutlich brutaleren Vorgehen. Die Gruppierung operierte ursprünglich im Osten entlang der afghanisch-pakistanischen Grenze und erscheint Einzelberichten zufolge auch im Nordosten und Nordwesten des Landes (lokaler Sicherheitsberater in Afghanistan, 17.2.2017).

Mit Stand September 2016 schätzt die Unterstützungsmission der NATO, dass die Taliban rund 10% der Bevölkerung beeinflussen oder kontrollieren. Die afghanischen Verteidigungsstreitkräfte (ANDSF) waren im Allgemeinen in der Lage, große Bevölkerungszentren zu beschützen. Sie hielten die Taliban davon ab, Kontrolle in bestimmten Gegenden über einen längeren Zeitraum zu halten und reagierten auf Talibanangriffe. Den Taliban hingegen gelang es, ländliche Gegenden einzunehmen; sie kehrten in Gegenden zurück, die von den ANDSF bereits befreit worden waren, und in denen die ANDSF ihre Präsenz nicht halten konnten. Sie führten außerdem Angriffe durch, um das öffentliche Vertrauen in die Sicherheitskräfte der Regierung, und deren Fähigkeit, für Schutz zu sorgen, zu untergraben (USDOD 12.2016). Berichten zufolge hat sich die Anzahl direkter Schussangriffe der Taliban gegen Mitglieder der afghanischen Nationalarmee (ANA) und afghaninischen Nationalpolizei (ANP) erhöht (SIGAR 30.1.2017).

Einem Bericht des U.S.-amerikanischen Pentagons zufolge haben die afghanischen Sicherheitskräfte Fortschritte gemacht, wenn auch keine dauerhaften (USDOD 12.2016). Laut Innenministerium wurden im Jahr 2016 im Zuge von militärischen Operationen - ausgeführt durch die Polizei und das Militär - landesweit mehr als 18.500 feindliche Kämpfer getötet und weitere 12.000 verletzt. Die afghanischen Sicherheitskräfte versprachen, sie würden auch während des harten Winters gegen die Taliban und den Islamischen Staat vorgehen (VOA 5.1.2017).

Obwohl die afghanischen Sicherheitskräfte alle Provinzhauptstädte sichern konnten, wurden sie von den Taliban landesweit herausgefordert: Intensive bewaffnete Zusammenstöße zwischen Taliban und afghanischen Sicherheitskräften verschlechterten die Sicherheitslage im Berichtszeitraum (16.8. - 17.11.2016) (UN GASC 13.12.2016; vgl. auch SCR 30.11.2016). Den afghanischen Sicherheitskräften gelang es im August 2016, mehrere große Talibanangriffe auf verschiedene Provinzhauptstädte zu vereiteln und verlorenes Territorium rasch wieder zurückzuerobern (USDOD 12.2016).

Kontrolle von Distrikten und Regionen

Den Aufständischen misslangen acht Versuche, die Provinzhauptstadt einzunehmen; den Rebellen war es möglich, Territorium einzunehmen. High-profile Angriffe hielten an. Im vierten Quartal 2016 waren 2,5 Millionen Menschen unter direktem Einfluss der Taliban, während es im 3. Quartal noch 2,9 Millionen waren (SIGAR 30.1.2017).

Laut einem Sicherheitsbericht für das vierte Quartal sind 57,2% der 407 Distrikte unter Regierungskontrolle bzw. -einfluss; dies bedeutet einen Rückgang von 6,2% gegenüber dem dritten Quartal: Zu jenem Zeitpunkt waren 233 Distrikte unter Regierungskontrolle, 51 Distrikte waren unter Kontrolle der Rebellen und 133 Distrikte waren umkämpft. Provinzen mit der höchsten Anzahl an Distrikten unter Rebelleneinfluss oder -kontrolle waren Uruzgan mit 5 von 6 Distrikten und Helmand mit 8 von 14 Distrikten. Regionen, in denen Rebellen den größten Einfluss oder Kontrolle haben, konzentrieren sich auf den Nordosten in Helmand, den Nordwesten von Kandahar und die Grenzregion der beiden Provinzen (Kandahar und Helmand) sowie Uruzgan und das nordwestliche Zabul (SIGAR 30.1.2017).

Rebellengruppen

Regierungsfeindliche Elemente versuchten weiterhin durch Bedrohungen, Entführungen und gezielte Tötungen ihren Einfluss zu verstärken. Im Berichtszeitraum wurden 183 Mordanschläge registriert, davon sind 27 gescheitert. Dies bedeutet einen Rückgang von 32% gegenüber dem Vergleichszeitraum im Jahr 2015 (UN GASC 13.12.2016). Rebellengruppen, inklusive hochrangiger Führer der Taliban und des Haqqani Netzwerkes, behielten ihre Rückzugsgebiete auf pakistanischem Territorium (USDOD 12.2016).

Afghanistan ist mit einer Bedrohung durch militante Opposition und extremistischen Netzwerken konfrontiert; zu diesen zählen die Taliban, das Haqqani Netzwerk und in geringerem Maße al-Qaida und andere Rebellengruppen und extremistische Gruppierungen. Die Vereinigten Staaten von Amerika unterstützen eine von Afghanen geführte und ausgehandelte Konfliktresolution in Afghanistan - gemeinsam mit internationalen Partnern sollen die Rahmenbedingungen für einen friedlichen politischen Vergleich zwischen afghanischer Regierung und Rebellengruppen geschaffen werden (USDOD 12.2016).

Zwangsrekrutierungen durch die Taliban, Milizen, Warlords oder kriminelle Banden sind nicht auszuschließen. Konkrete Fälle kommen jedoch aus Furcht vor Konsequenzen für die Rekrutierten oder ihren Familien kaum an die Öffentlichkeit (AA 9.2016).

Taliban und ihre Offensive

Die afghanischen Sicherheitskräfte behielten die Kontrolle über große Ballungsräume und reagierten rasch auf jegliche Gebietsgewinne der Taliban (USDOD 12.2016). Die Taliban erhöhten das Operationstempo im Herbst 2016, indem sie Druck auf die Provinzhauptstädte von Helmand, Uruzgan, Farah und Kunduz ausübten sowie die Regierungskontrolle in Schlüsseldistrikten beeinträchtigten und versuchten, Versorgungsrouten zu unterbrechen (UN GASC 13.12.2016). Die Taliban verweigern einen politischen Dialog mit der Regierung (SCR 12.2016).

Die Taliban haben die Ziele ihrer Offensive "Operation Omari" im Jahr 2016 verfehlt (USDOD 12.2016). Ihr Ziel waren großangelegte Offensiven gegen Regierungsstützpunkte, unterstützt durch Selbstmordattentate und Angriffe von Aufständischen, um die vom Westen unterstützte Regierung zu vertreiben (Reuters 12.4.2016). Gebietsgewinne der Taliban waren nicht dauerhaft, nachdem die ANDSF immer wieder die Distriktzentren und Bevölkerungsgegenden innerhalb eines Tages zurückerobern konnte. Die Taliban haben ihre lokalen und temporären Erfolge ausgenutzt, indem sie diese als große strategische Veränderungen in sozialen Medien und in anderen öffentlichen Informationskampagnen verlautbarten (USDOD12.2016). Zusätzlich zum bewaffneten Konflikt zwischen den afghanischen Sicherheitskräften und den Taliban kämpften die Taliban gegen den ISIL-KP (Islamischer Staat in der Provinz Khorasan) (UN GASC 13.12.2016).

Der derzeitig Talibanführer Mullah Haibatullah Akhundzada hat im Jänner 2017 16 Schattengouverneure in Afghanistan ersetzt, um seinen Einfluss über den Aufstand zu stärken. Aufgrund interner Unstimmigkeiten und Überläufern zu feindlichen Gruppierungen wie dem Islamischen Staat waren die afghanischen Taliban geschwächt. Hochrangige Quellen der Taliban waren der Meinung, die neu ernannten Gouverneure würden den Talibanführer stärken, dennoch gab es keine Veränderung in Helmand. Die südliche Provinz - größtenteils unter Talibankontrolle - liefert der Gruppe den Großteil der finanziellen Unterstützung durch Opium. Behauptet wird, Akhundzada hätte nicht den gleichen Einfluss über Helmand wie einst Mansour (Reuters 27.1.2017).

Im Mai 2016 wurde der Talibanführer Mullah Akhtar Mohammad Mansour durch eine US-Drohne in der Provinz Balochistan in Pakistan getötet (BBC News 22.5.2016; vgl. auch: The National 13.1.2017). Zum Nachfolger wurde Mullah Haibatullah Akhundzada ernannt - ein ehemaliger islamischer Rechtsgelehrter -, der bis zu diesem Zeitpunkt als einer der Stellvertreter diente (Reuters 25.5.2016; vgl. auch: The National 13.1.2017). Dieser ernannte als Stellvertreter Sirajuddin Haqqani, den Sohn des Führers des Haqqani-Netzwerkes (The National 13.1.2017) und Mullah Yaqoub, Sohn des Talibangründers Mullah Omar (DW 25.5.2016).

Haqqani-Netzwerk

Das Haqqani-Netzwerk ist eine sunnitische Rebellengruppe, die durch Jalaluddin Haqqani gegründet wurde. Sirajuddin Haqqani, Sohn des Jalaluddin, führt das Tagesgeschäft, gemeinsam mit seinen engsten Verwandten (NCTC o.D.). Sirajuddin Haqqani wurde zum Stellvertreter des Talibanführers Mullah Haibatullah Akhundzada ernannt (The National 13.1.2017).

Das Netzwerk ist ein Verbündeter der Taliban - dennoch ist es kein Teil der Kernbewegung (CRS 26.5.2016). Das Netzwerk ist mit anderen terroristischen Organisationen in der Region, inklusive al-Qaida und den Taliban, verbündet (Khaama Press 16.10.2014). Die Stärke des Haqqani-Netzwerks wird auf 3.000 Kämpfer geschätzt (CRS 12.1.2017). Das Netzwerk ist hauptsächlich in Nordwaziristan (Pakistan) zu verorten und führt grenzübergreifende Operationen nach Ostafghanistan und Kabul durch (NCTC o.D.).

Das Haqqani-Netzwerk ist fähig - speziell in der Stadt Kabul - Operationen durchzuführen; es finanziert sich durch legale und illegale Geschäfte in den Gegenden Afghanistans, in denen es eine Präsenz hat, aber auch in Pakistan und im Persischen Golf. Das Netzwerk führt vermehrt Entführungen aus - wahrscheinlich um sich zu finanzieren und seine Wichtigkeit zu stärken (CRS 12.1.2017).

Kommandanten des Haqqani-Netzwerks sagten zu Journalist/innen, das Netzwerk sei bereit, eine politische Vereinbarung mit der afghanischen Regierung zu treffen, sofern sich die Taliban dazu entschließen würden, eine solche Vereinbarung einzugehen (CRS 12.1.2017).

Al-Qaida

Laut US-amerikanischen Beamten war die Präsenz von al-Qaida in den Jahren 2001 bis 2015 minimal (weniger als 100 Kämpfer); al-Qaida fungierte als Unterstützer für Rebellengruppen (CRS 12.1.2017). Im Jahr 2015 entdeckten und zerstörten die afghanischen Sicherheitskräfte gemeinsam mit US-Spezialkräften ein Camp der al-Quaida in der Provinz Kandahar (CRS 12.1.2017; vgl. auch: FP 2.11.2015); dabei wurden 160 Kämpfer getötet (FP 2.11.2015). Diese Entdeckung deutet darauf hin, dass al-Qaida die Präsenz in Afghanistan vergrößert hat. US-amerikanische Kommandanten bezifferten die Zahl der Kämpfer in Afghanistan mit 100 - 300, während die afghanischen Behörden die Zahl der Kämpfer auf 300 - 500 schätzten (CRS 12.1.2017). Im Dezember 2015 wurde berichtet, dass al-Qaida sich primär auf den Osten und Nordosten konzentrierte und nicht wie ursprünglich von US-amerikanischer Seite angenommen nur auf Nordostafghanistan (LWJ 16.4.2016).

IS/ISIS/ISIL/ISKP/ISIL-K/Daesh - Islamischer Staat

Seit dem Jahr 2014 hat die Terrorgruppe Islamischer Staat (IS) eine kleine Präsenz in Afghanistan etabliert (RAND 28.11.2016). Die Führer des IS nennen diese Provinz Wilayat Khorasan - in Anlehnung an die historische Region, die Teile des Irans, Zentralasien, Afghanistan und Pakistan beinhaltete (RAND 28.11.2016; vgl. auch:

MEI 5.2016). Anfangs wuchs der IS schnell (MEI 5.2016). Der IS trat im Jahr 2014 in zwei getrennten Regionen in Afghanistan auf: In den östlichsten Regionen Nangarhars, an der AfPak-Grenze und im Distrikt Kajaki in der Provinz Helmand (USIP 3.11.2016).

Trotz Bemühungen, seine Macht und seinen Einfluss in der Region zu vergrößern, kontrolliert der IS nahezu kein Territorium außer kleineren Gegenden wie z.B. die Distrikte Deh Bala, Achin und Naziyan in der östlichen Provinz Nangarhar (RAND 28.11.2016; vgl. auch: USIP 3.11.2016). Zwar kämpfte der IS hart in Afghanistan, um Fuß zu fassen. Die Gruppe wird von den Ansässigen jedoch großteils als fremde Kraft gesehen (MEI 5.2016). Nur eine handvoll Angriffe führte der IS in der Region durch. Es gelang ihm nicht, sich die Unterstützung der Ansässigen zu sichern; auch hatte er mit schwacher Führung zu kämpfen (RAND 28.11.2016). Der IS hatte mit Verlusten zu kämpfen (MEI 5.2016). Unterstützt von internationalen Militärkräften führten die afghanischen Sicherheitskräfte regelmäßig Luft- und Bodenoperationen gegen den IS in den Provinzen Nangarhar und Kunar durch - dies verkleinerte die Präsenz der Gruppe in beiden Provinzen. Eine kleinere Präsenz des IS existiert in Nuristan (UN GASC 13.12.2016).

Auch wenn die Gruppierung weiterhin interne Streitigkeiten der Taliban ausnützt, um die Präsenz zu halten, ist sie mit einem harten Kampf konfrontiert, um permanenter Bestandteil komplexer afghanischer Stammes- und Militärstrukturen zu werden. Anhaltender Druck durch US-amerikanische Luftangriffe haben weiterhin die Möglichkeiten des IS in Afghanistan untergraben; auch wird der IS weiterhin davon abgehalten, seinen eigenen Bereich in Afghanistan einzunehmen (MEI 5.2016). Laut US-amerikanischem Außenministerium hat der IS keinen sicherheitsrelevanten Einfluss außerhalb von isolierten Provinzen in Ostafghanistan (SIGAR 30.1.2017).

Unterstützt von internationalen Militärkräften führten die afghanischen Sicherheitskräfte regelmäßig Luft- und Bodenoperationen gegen den IS in den Provinzen Nangarhar und Kunar durch - dies verkleinerte die Präsenz der Gruppe in beiden Provinzen. Eine kleinere Präsenz des IS existiert in Nuristan (UN GASC 13.12.2016).

Presseberichten zufolge betrachtet die afghanische Bevölkerung die Talibanpraktiken als moderat im Gegensatz zu den brutalen Praktiken des IS. Kämpfer der Taliban und des IS gerieten aufgrund politischer oder anderer Differenzen, aber auch aufgrund der Kontrolle von Territorium, aneinander (CRS 12.1.2017).

Zivile Opfer

Die Mission der Vereinten Nationen in Afghanistan (UNAMA) dokumentiert weiterhin regierungsfeindliche Elemente, die illegale und willkürliche Angriffe gegen Zivilist/innen ausführen (UNAMA 10.2016). Zwischen 1.1. und 31.12.2016 registrierte UNAMA 11.418 zivile Opfer (3.498 Tote und 7.920 Verletzte) - dies deutet einen Rückgang von 2% bei Getöteten und eine Erhöhung um 6% bei Verletzten im Gegensatz zum Vergleichszeitraum des Jahres 2015 an. Bodenkonfrontation waren weiterhin die Hauptursache für zivile Opfer, gefolgt von Selbstmordangriffen und komplexen Attentaten sowie unkonventionellen Spreng- und Brandvorrichtungen (IED) und gezielter und willkürlicher Tötungen (UNAMA 6.2.2017).

UNAMA verzeichnete 3.512 minderjährige Opfer (923 Kinder starben und 2.589 wurden verletzt) - eine Erhöhung von 24% gegenüber dem Vergleichszeitraum des Vorjahres; die höchste Zahl an minderjährigen Opfern seit Aufzeichnungsbeginn. Hauptursache waren Munitionsrückstände, deren Opfer meist Kinder waren. Im Jahr 2016 wurden 1.218 weibliche Opfer registriert (341 Tote und 877 Verletzte), dies deutet einen Rückgang von 2% gegenüber dem Vorjahr an (UNAMA 6.2.2017).

Hauptsächlich waren die südlichen Regionen von dem bewaffneten Konflikt betroffen: 2.989 zivile Opfer (1.056 Tote und 1.933 Verletzte) - eine Erhöhung von 17% gegenüber dem Jahr 2015. In den zentralen Regionen wurde die zweithöchste Rate an zivilen Opfern registriert: 2.348 zivile Opfer (534 Tote und 1.814 Verletzte) - eine Erhöhung von 34% gegenüber dem Vorjahreswert, aufgrund von Selbstmordangriffen und komplexen Angriffen auf die Stadt Kabul. Die östlichen und nordöstlichen Regionen verzeichneten einen Rückgang bei zivilen Opfern: 1.595 zivile Opfer (433 Tote und 1.162 Verletzte) im Osten und 1.270 zivile Opfer (382 Tote und 888 Verletzte) in den nordöstlichen Regionen. Im Norden des Landes wurden 1.362 zivile Opfer registriert (384 Tote und 978 Verletzte) sowie in den südöstlichen Regionen 903 zivile Opfer (340 Tote und 563 Verletzte). Im Westen wurden 836 zivile Opfer (344 Tote und 492 Verletzte) und 115 zivile Opfer (25 Tote und 90 Verletzte) im zentralen Hochgebirge registriert (UNAMA 6.2.2017).

Laut UNAMA waren 61% aller zivilen Opfer regierungsfeindlichen Elementen zuzuschreiben (hauptsächlich Taliban), 24% regierungsfreundlichen Kräften (20% den afghanischen Sicherheitskräften, 2% bewaffneten regierungsfreundlichen Gruppen und 2% internationalen militärischen Kräften); Bodenkämpfe zwischen regierungsfreundlichen Kräften und regierungsfeindlichen Kräften waren Ursache für 10% ziviler Opfer, während 5% der zivilen Opfer vorwiegend durch Unfälle mit Munitionsrückständen bedingt waren (UNAMA 6.2.2017).

Kabul

Die Provinzhauptstadt von Kabul und gleichzeitig Hauptstadt von Afghanistan ist Kabul Stadt. Die Provinz Kabul grenzt im Nordwesten an die Provinz Parwan, im Nordosten an Kapisa, im Osten an Laghman, Nangarhar im Südosten, Logar im Süden und (Maidan) Wardak im Südwesten. Kabul ist mit den Provinzen Kandahar, Herat und Mazar durch die sogenannte Ringstraße und mit Peshawar in Pakistan durch die Kabul-Torkham Autobahn verbunden. Die Stadt hat 22 Stadtgemeinden und 14 administrative Einheiten (Pajhwok o.D.z). Die Bevölkerungszahl der Provinz wird auf 4.523.718 geschätzt (CSO 2016)

Distrikt Kabul

Im Zeitraum 1.9.2015 - 31.5.2016 wurden im Distrikt Kabul 151 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert (EASO 11.2016).

Provinz Kabul

Im Zeitraum 1.9.2015. - 31.5.2016 wurden in der gesamten Provinz Kabul 161 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert (EASO 11.2016).

Die afghanische Regierung behält die Kontrolle über Kabul, größere Transitrouten, Provinzhauptstädte und fast alle Distriktzentren (USDOD 12.2015). Aufständischengruppen planen oft Angriffe auf Gebäude und Individuen mit afghanischem und amerikanischem Hintergrund: afghanische und US-amerikanische Regierungseinrichtungen, ausländische Vertretungen, militärische Einrichtungen, gewerbliche Einrichtungen, Büros von Nichtregierungsorganisation, Restaurants, Hotels und Gästehäuser, Flughäfen und Bildungszentren (Khaama Press 13.1.2017). Nach einem Zeitraum länger andauernder relativer Ruhe in der Hauptstadt, explodierte im Jänner 2017 in der Nähe des afghanischen Parlaments eine Bombe; bei diesem Angriff starben mehr als 30 Menschen (DW 10.1.2017). Die Taliban bekannten sich zu diesem Vorfall und gaben an, hochrangige Beamte des Geheimdienstes wären ihr Ziel gewesen (BBC News 10.1.2017).

In der Provinz Kabul finden regelmäßig militärische Operationen statt (Afghanistan Times 8.2.2017; Khaama Press 10.1.2017; Tolonews 4.1.2017a; Bakhtar News 29.6.2016). Taliban Kommandanten der Provinz Kabul wurden getötet (Afghan Spirit 18.7.2016). Zusammenstößen zwischen Taliban und Sicherheitskräften finden statt (Tolonews 4.1.2017a).

Regierungsfeindliche Aufständische greifen regelmäßig religiöse Orte, wie z.B. Moscheen, an. In den letzten Monaten haben eine Anzahl von Angriffen, gezielt gegen schiitische Muslime, in Hauptstädten, wie Kabul und Herat stattgefunden (Khaama Press 2.1.2017; vgl. auch: UNAMA 6.2.2017).

Balkh

Die Provinz Balkh liegt in Nordafghanistan; sie ist geostrategisch gesehen eine wichtige Provinz und bekannt als Zentrum für wirtschaftliche und politische Aktivitäten. Die Hauptstadt Mazar-e Sharif, liegt an der Autobahn zwischen Maimana [Anm.:

Provinzhauptstadt Faryab] und Pul-e-Khumri [Anm.: Provinzhauptstadt Baghlan]. Sie hat folgende administrative Einheiten: Hairatan Port, Nahra-i-Shahi, Dihdadi, Balkh, Daulatabad, Chamtal, Sholgar, Chaharbolak, Kashanda, Zari, Charkont, Shortipa, Kaldar, Marmal, und Khalm. Die Provinz grenzt im Norden an Tadschikistan und Usbekistan. Die Provinz Samangan liegt sowohl östlich als auch südlich. Die Provinz Kunduz lieg im Osten, Jawzjan im Westen und Sar-e Pul im Süden (Pajhwok o.D.y). Balkh grenzt an drei zentralasiatische Staaten an: Turkmenistan, Usbekistan und Tadschikistan (RFE/RL 9.2015). Die Bevölkerungszahl der Provinz wird auf 1.353.626 geschätzt (CSO 2016).

Im Zeitraum 1.1. - 31.8.2015 wurden in der Provinz Balkh 226 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert (EASO 21.1.2016).

Die zentral gelegene Provinz Balkh - mit ihrer friedlichen Umgebung, historischen Denkmälern und wunderschönen Landschaft - wird als einer der friedlichsten und sichersten Orte Afghanistans geschätzt (Xinhua 12.12.2016; DW 4.8.2016). Obwohl Balkh zu den relativ ruhigen Provinzen in Nordafghanistan zählt, versuchen dennoch bewaffnete Aufständische die Provinz zu destabilisieren. In den letzten Monaten kam es zu Vorfällen in Schlüsselbezirken der Provinz (Khaama Press 17.1.2017; vgl. auch: Khaama Press 14.12.2016; Xinhua 11.11.2016; Xinhua 1.10.2016). Laut dem Gouverneur Noor würden Aufständische versuchen, in abgelegenen Gegenden Stützpunkte zu errichten (Khaama Press 30.3.2016). Zusammenstößen zwischen Taliban und Sicherheitskräften finden statt (Khaama Press 30.3.2016; vgl. auch: Tolonews 26.5.2016; Tolonews 18.4.2016). In der Provinz wurden militärische Operationen durchgeführt (Kabul Tribune 5.1.2017). Dabei hatten die Taliban Verluste zu verzeichnen (Khaama Press 14.12.2016; Tolonews 26.5.2016). Auf Veranlassung des Provinzgouverneur Atta Noor wurden auch in abgelegenen Gegenden großangelegte militärische Operationen durchgeführt (Khaama Press 17.1.2017; vgl. auch: Khaama Press 14.12.2016; Khaama Press 7.3.2016).

Die Stadt Mazar-e Sharif ist eine Art "Vorzeigeprojekt" Afghanistans für wichtige ausländische Gäste (Liaison Officer to Ministry of Interior of GIROA 14.11.2014). Balkh ist, in Bezug auf Angriffe der Taliban, zentralasiatischer Aufständischer oder IS-Kämpfer die sicherste Provinz in Nordafghanistan. Grund dafür ist das Machtmonopol, das der tadschikisch-stämmige Gouverneur und ehemalige Warlord Atta Mohammed Noor bis in die abgelegensten Winkel der Provinz ausübt. Nichtsdestotrotz ist die Stabilität stark abhängig von den Beziehungen des Gouverneurs zum ehemaligen Warlord und nunmehrigen ersten Vizepräsidenten Abdul Rashid Dostum. Im Juni 2015 haben sich die beiden Rivalen darauf geeinigt, miteinander zu arbeiten, um die Sicherheit in Nordafghanistan wiederherzustellen. Die Stabilität der Provinz Balkh war ein Hauptfokus der NATO-Kräfte (RFE/RL 8.7.2015). Im Distrikt Balkh wird die Reduzierung von Rebellenaktivitäten der Leistungsfähigkeit der ANSF und des neuen Distriktpolizeichefs zugeschrieben (APPRO 1.2015)

High-profile Angriff:

Bei einem Angriff auf das deutsche Konsulat in Mazar-e Sharif waren am 10.11.2016 sechs Menschen getötet und fast 130 weitere verletzt worden (Die Zeit 20.11.2016). Nach Polizeiangaben attackierte am späten Abend ein Selbstmordattentäter mit seinem Auto das Gelände des deutschen Generalkonsulats in Mazar-e Sharif. Die Autobombe sei gegen 23:10 Uhr Ortszeit am Tor der diplomatischen Einrichtung explodiert, sagte der Sicherheitschef der Provinz Balkh. Bei den Toten soll es sich um Afghanen handeln. Alle deutschen Mitarbeiter des Generalkonsulats seien bei dem Angriff unversehrt geblieben (Die Zeit 10.11.2016). Das Gebäude selbst wurde in Teilen zerstört. Der überlebende Attentäter wurde dem Bericht zufolge wenige Stunden später von afghanischen Sicherheitskräften festgenommen (Die Zeit 20.11.2016).

Außerhalb von Mazar-e Sharif, in der Provinz Balkh, existiert ein Flüchtlingscamp - auch für Afghan/innen - die Schutz in der Provinz Balkh suchen. Mehr als 300 Familien haben dieses Camp zu ihrem temporären Heim gemacht (RFE/RL 8.7.2015).

Wardak/ Maidan Wardak

Maidan Shahr ist die Provinzhauptstadt. Distrikte der Provinz Wardak sind: Sayed Abad, Jaghto, Chak, Daimirdad, Jalrez, central Bihsud und Hisa-i-Awal Bihsud. Kabul und Logar liegen im Osten der Provinz (Maidan) Wardak, Bamyan im Westen und Nordwesten, Ghazni im Süden und Südwesten, sowie die Provinz Parwan im Norden (Pajhwok o.D.u). Die Bevölkerungszahl der Provinz wird auf 606.077 geschätzt (CSO 2016).

Die Hauptautobahn Kabul-Kandahar geht durch die Provinz Maidan Wardak und verbindet dadurch die südlichen, aber auch südöstlichen Provinzen mit der Hauptstadt Kabul (Khaama Press 6.5.2016).

Im Zeitraum 1.9.2015 - 31.5.2016 wurden in der Provinz Wardak 359 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert (EASO 11.2016).

Im Vergleich zum vorigen Berichtszeitraum wurden Veränderungen der Sicherheitslage in der Provinz festgehalten - gleichwohl sind die Gewinne der Taliban in diesen Teilen des Landes minimal und unbeständig (USDOD 12.2016). Talibanaufständische sind in einer Anzahl von abgelegenen Distrikten in der Provinz aktiv (Khaama Press 3.7.2016). Aufständische werden durch die Sicherheitskräfte in der Provinz Wardak bekämpft (SIGAR 30.1.2017) und auch militärische Operationen werden durchgeführt (Khaama Press 25.9.2016; Khaama Press 28.10.2016; Khaama Press 17.8.2016; Khaama Press 21.7.2016; Khaama Press 1.6.2016).

Ereichbarkeit

Im Jahr 2001 existierten in Afghanistan weniger als 80 km (50 Meilen) asphaltierter Straßen (TCSM 2.2.2015). Trotz Herausforderungen und Problemen wurden inzwischen mehr als 24.000 km Straße im Land asphaltiert. Zu den asphaltierten Straßen zählen

3.600 km regionaler Autobahnen, die "Ring Road", Provinzstraßen und nationale Autobahnen (Pajhwok 4.3.2016). Schätzungen zufolge, wurden im Ballungsraum Kabul alleine 925 km Straßen asphaltiert, mit der Aussicht auf zusätzliche Erweiterungen (TCSM 2.2.2015).

Unprofessionelles Fahrverhalten und beschädigte Straßen werden als die Hauptursache für Unfälle in Afghanistan gesehen, welche Dutzende Menschenleben jährlich fordern (Khaama Press 23.1.2016; vgl. auch:

Kabul Times 17.2.2017); ebenso sind schlecht asphaltierte Straßen Grund für Unfälle (Kabul Times 17.2.2017).

Ring Road

Straßen wie der "Highway 1" auch bekannt als "Ring Road", die den Kern des Landes umkreist, sind nun asphaltiert und machen das Land für Reisen und die Wirtschaft zugänglicher (Huffington Post 9.10.2015). Die afghanische Ring Road verbindet Kabul mit den vier bedeutendsten Provinzhauptstädten Herat, Kandahar City, Jalalabad und Mazar-e Sharif (USAID 2014; vgl. auch: The Guardian 22.10.2014). Sie verbindet aber auch 16 der 34 Provinzen Afghanistans miteinander. Die Gesamtlänge des Highway One ist 3.360 km (PRI 18

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten