TE Bvwg Erkenntnis 2018/3/2 W220 2013746-1

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Veröffentlicht am 02.03.2018
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Entscheidungsdatum

02.03.2018

Norm

B-VG Art.133 Abs4
FPG §46a
VwGVG §28 Abs2

Spruch

W220 2013746-1/9E

W220 2013746-2/9E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Daniela UNTERER als Einzelrichterin über die Beschwerden der XXXX, geb. XXXX, StA. Indien, gegen

I.) den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 23.10.2014, Zl. 800610803/140071744/BMI-BFA,

und

II.) den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 20.11.2015, Zl. 800610803/151547019/BMI-BFA,

zu Recht erkannt:

A)

I. Der Beschwerde wird stattgegeben und der angefochtene Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG behoben.

II. Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

1. Verfahrensgang und Sachverhalt:

1. Die Beschwerdeführerin reiste in Begleitung ihres Ehemannes illegal in Österreich ein und stellte am 12.07.2010 einen Antrag auf internationalen Schutz.

Am selben Tag erfolgte die Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes, wobei die Beschwerdeführerin u.a. als ihren Namen XXXX und als ihr Geburtsdatum den XXXX angab.

Am 14.07.2010 wurde die Beschwerdeführerin vor dem Bundesasylamt niederschriftlich einvernommen.

Am 15.07.2010 erließ das Bundesasylamt den Bescheid FZ. 10 06.108 - BAT, mit dem der Antrag der Beschwerdeführerin bezüglich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten und bezüglich der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Indien abgewiesen wurde. Die Beschwerdeführerin wurde aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Indien ausgewiesen.

2. Mit Erkenntnis des Asylgerichtshofs vom 29.09.2010, Zl. C16 414.602-1/2010/3E, wurde die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde abgewiesen.

2.1. Im Rahmen einer niederschriftlichen Einvernahme vor der Fremdenpolizei am 13.06.2012 füllte die Beschwerdeführerin ein Formular zur Erlangung eines Heimreisezertifikates aus, dies unter Angabe der unter Punkt 1. bezeichneten Identitätsdaten. Auf Basis dessen wurde die Ausstellung eines Heimreisezertifikates bei der indischen Botschaft beantragt.

2.2. Die Beschwerdeführerin wurde am 27.02.2013 und am 17.06.2013 wegen rechtswidrigen Aufenthalts gem. § 120 Abs. 1a FPG angezeigt.

3.1. (ad I.) Die Beschwerdeführerin stellte am 24.08.2014 einen Antrag auf Ausstellung einer Duldungskarte. Unter einem wurde ein Konvolut von Unterlagen vorgelegt.

Aufgrund der Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme vom 15.10.2014 wurde am 21.10.2014 eine Stellungnahme erstattet.

3.2. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 23.10.2014, Zl. 800610803/140071744/BMI-BFA, wurde der Antrag auf Ausstellung einer Duldungskarte gem. § 46a FPG gem. § 8 iVm § 73 AVG zurückgewiesen. Die belangte Behörde begründete die Zurückweisung damit, dass nach dem Wortlaut des § 46a Abs. 1a FPG ein Aufenthalt von Fremden im Bundesgebiet geduldet sei, wenn das Bundesamt von Amts wegen feststelle, dass eine Abschiebung aus tatsächlichen, vom Fremden nicht zu vertretenden Gründen nicht möglich sei. Es bestehe somit kein Antragsrecht. Auch von Amts wegen habe nicht festgestellt werden können, dass die Abschiebung aus tatsächlichen Gründen nicht möglich sei.

3.3. Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin durch ihren damaligen Vertreter fristgerecht die zu I. gegenständliche Beschwerde.

4.1. (ad II.) Die Beschwerdeführerin stellte in weiterer Folge am 30.07.2015 einen (ersten) Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK, dies allerdings unter dem Namen XXXX und dem Geburtsdatum XXXX. Unter einem legte sie einen Schriftsatz und ein Konvolut von Unterlagen insbesondere zum Beleg ihrer Integrationsleistungen und u.a. auch die Kopie einer Geburtsurkunde samt Übersetzung auf Deutsch, vor, die ebenfalls die nunmehr angegeben Identitätsdaten ausweisen.

4.2. Infolgedessen forderte das BFA die Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 19.08.2015 zur Vorlage eines gültigen Reisedokuments auf. Diesbezüglich sprach die Beschwerdeführerin am 08.09.2015 und am 24.09.2015 beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl vor, wobei sie zuletzt angab, sie könne sich aus Indien einen alten Reisepass in Kopie schicken lassen.

4.3. Mit Bescheid vom 24.09.2015, Zl. 800610803/150968687/BMI-BFA wurde der Antrag der Beschwerdeführerin auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen gem. § 58 Abs. 11 Z 2 AsylG als unzulässig zurückgewiesen (Spruchpunkt I). Gegen die Beschwerdeführerin wurde eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt II.) und eine 14-tägige Frist für die freiwillige Ausreise eingeräumt (Spruchpunkt III.). Die Zurückweisung des Antrages wurde damit begründet, dass die Beschwerdeführerin im gegenständlichen Verfahren andere Identitätsdaten angab als im Verfahren über den Antrag auf internationalen Schutz und sie mangels Urkundenvorlage ihre Mitwirkungspflicht verletzt habe.

4.4. Am 25.09.2015 legte die Beschwerdeführerin die Kopie eines abgelaufenen Reisepasses (gültig vom 25.02.2005 bis 24.02.2015) vor (ebenfalls die unter 3.1. genannten Identitätsdaten ausweisend).

4.5. Der unter 4.1. bezeichnete Bescheid erwuchs in Rechtskraft.

5.1. (ad II.) Die Beschwerdeführerin stellte am 14.10.2015 neuerlich einen - den gegenständlichen - Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK und legte dabei wiederum ein Konvolut von Unterlagen vor.

5.2. Die Beschwerdeführerin wurde am 19.11.2015 vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl niederschriftlich einvernommen. Dabei wurde auch der Reisepass der BF, gültig von 21.04.2015 bis 20.04.2025, sichergestellt.

5.3. Der Antrag der Beschwerdeführerin auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK vom 14.10.2015 wurde mit Bescheid des Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl vom 20.11.2015, Zl. 800610803/151547019/BMI-Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, gem. § 55 AsylG abgewiesen. Begründend führte die belangte Behörde nach Vornahme einer Interessenabwägung aus, dass bei der Beschwerdeführerin die Erteilung eines Aufenthaltstitels gem. § 9 Abs. 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens nicht geboten sei und eine Titelerteilung gem. § 55 AsylG daher nicht in Betracht gekommen sei.

Zudem stützte sich das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zur Nichterlassung einer Rückkehrentscheidung auf § 59 Abs. 5 FPG.

5.4. Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin durch ihren damaligen rechtsfreundlichen Vertreter fristgerecht die zu II. gegenständliche Beschwerde.

6. Die Beschwerdeführerin wurde am 18.02.2016 nach Indien abgeschoben.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Die Beschwerdeführerin ist Staatsangehörige von Indien.

Sie reiste unrechtmäßig nach Österreich ein und stellte am 12.07.2010 einen Antrag auf internationalen Schutz, der mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 15.07.2010 abgewiesen und die Beschwerdeführerin aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Indien ausgewiesen wurde. Die dagegen erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Asylgerichtshofs vom 29.09.2010 abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin machte im Rahmen dieses Verfahrens durchwegs falsche Angaben zu ihrem Namen und ihrem Geburtsdatum. Auch bei der Einvernahme und dem Formular zur Erlangung eines Heimreisezertifikates gab die Beschwerdeführerin einen falschen Namen und ein falsches Geburtsdatum an.

Die Beschwerdeführerin verblieb nach der Ausweisungsentscheidung im österreichischen Bundesgebiet. Am 18.02.2016 wurde sie nach Indien abgeschoben.

Die Beschwerdeführerin hat während ihres Aufenthalts in Österreich deutsche Sprachkenntnisse auf dem Niveau B.1. erworben. Sie hat in dieser Zeit soziale Kontakte geknüpft und übte zeitweise Erwerbstätigkeiten aus.

Der BF ist 31 Jahre alt. Sie hat vor ihrer Einreise nach Österreich im Jahr 2010 in Indien gelebt und wurde dort umfassend sozialisiert. Der Ehegatte der Beschwerdeführerin, mit dem sie gemeinsam nach Österreich einreiste, ist unbekannten Aufenthalts. Die beiden Kinder der Beschwerdeführerin leben in Indien. Seit zwei Jahren lebt die Beschwerdeführerin wieder in Indien.

2. Beweiswürdigung:

Der oben angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unbedenklichen und unzweifelhaften Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakten des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl und des Gerichtsakts des Bundesverwaltungsgerichts.

Die Staatsangehörigkeit der Beschwerdeführerin ist unstrittig. Die Feststellungen zum Verlauf des Verfahrens über ihren Antrag auf internationalen Schutz ergeben sich unstrittig aus dem Akteninhalt.

Dass die Beschwerdeführerin im Rahmen ihres Asylverfahrens und im Verfahren zur Erlangung eines Heimreisezertifikates falsche Identitätsangaben machte, ergibt sich einerseits daraus, dass sich aus den im Jahr 2015 beigebrachten Reisepässen (Abgelaufener in Kopie und Gültiger im Original) ein anderer Name und ein anderes Geburtsdatum ergibt. Die Beschwerdeführerin gestand die Angabe falscher Identitätsdaten auch selbst in der Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 19.11.2015 ein (vgl. AS 195).

Es ergibt sich zweifelsohne aus dem Akteninhalt, dass die Beschwerdeführerin nach der gegen sie ergangenen Ausweisungsentscheidung in Österreich verblieb. Die Feststellung zur Abschiebung der Beschwerdeführerin nach Indien beruht auf dem entsprechenden Bericht der LPD NÖ vom 18.02.2016.

Die Feststellung zur Sprachkompetenz der Beschwerdeführerin basiert auf dem vorgelegten "B1-Zeugnis" des Internationalen Kulturinstituts vom 02.06.2015 (AS 21), jene zur Existenz sozialer Kontakte auf den vorgelegten Unterstützungsschreiben (vgl. AS 45ff) sowie jene zur zeitweisen Erwerbstätigkeit auf dem Sozialversicherungsdatenauszug (vgl. AS 191) und ihrem Vorbringen, dass sie mehrmals wöchentlich als Reklameverteilerin arbeite (AS 196).

Das Alter der Beschwerdeführerin ergibt sich aus dem im Reisepass belegten Geburtsdatum, die Feststellungen zum Leben und zur Sozialisierung in Indien beruhen auf ihren Angaben im Asylverfahren. Dass ihr Ehegatte unbekannten Aufenthalts ist, beruht darauf, dass dieser laut ZMR-Auskunft seit Oktober 2016 nicht mehr gemeldet ist. Dass die Kinder der Beschwerdeführerin in Indien leben, ergibt sich aus ihren Angaben vor der belangten Behörde (AS 195).

Aus der Abschiebung der Beschwerdeführerin nach Indien am 18.02.2016 ist zu schließen, dass sie seit zwei Jahren nicht mehr in Österreich, sondern in Indien lebt.

3. Rechtliche Beurteilung:

III.1. Zu Spruchpunkt A):

III.2. Zu Spruchteil A) I.):

2.1. § 46a idF. BGBl. I Nr. 38/2011 lautete auszugsweise:

"§ 46a. (1) Der Aufenthalt von Fremden im Bundesgebiet ist geduldet, solange deren Abschiebung gemäß

1. §§ 50 und 51 oder

2. §§ 8 Abs. 3a und 9 Abs. 2 AsylG 2005 unzulässig ist.

(1a) Darüber hinaus ist der Aufenthalt von Fremden im Bundesgebiet geduldet, wenn die Behörde von Amts wegen feststellt, dass die Abschiebung des Betroffenen aus tatsächlichen, vom Fremden nicht zu vertretenden Gründen nicht möglich ist, es sei denn, dass nach einer zurückweisenden Entscheidung gemäß § 5 AsylG 2005 eine Zuständigkeit des anderen Staates weiterhin besteht oder dieser die Zuständigkeit weiterhin oder neuerlich anerkennt. Diese Duldung kann von der Behörde mit Auflagen verbunden werden, sie endet jedenfalls mit Wegfall der Hinderungsgründe. Die festgesetzten Auflagen sind dem Fremden von der Behörde mit Verfahrensanordnung (§ 63 Abs. 2 AVG) mitzuteilen. § 56 gilt sinngemäß.

(1b) Vom Fremden zu vertretende Gründe liegen jedenfalls vor, wenn er

1. seine Identität verschleiert,

2. einen Ladungstermin zur Klärung seiner Identität oder zur Einholung eines Ersatzreisedokumentes nicht befolgt oder

3. an den zur Erlangung eines Ersatzreisedokumentes notwendigen Schritten nicht mitwirkt oder diese vereitelt.

(2) [...]

(3) [...]"

§ 46a FPG idgF. lautet auszugsweise:

"§ 46a. (1) Der Aufenthalt von Fremden im Bundesgebiet ist zu dulden, solange

1. deren Abschiebung gemäß §§ 50, 51 oder 52 Abs. 9 Satz 1 unzulässig ist, vorausgesetzt die Abschiebung ist nicht in einen anderen Staat zulässig;

2. deren Abschiebung gemäß §§ 8 Abs. 3a und 9 Abs. 2 AsylG 2005 unzulässig ist;

3. deren Abschiebung aus tatsächlichen, vom Fremden nicht zu vertretenen Gründen unmöglich erscheint oder

4. die Rückkehrentscheidung im Sinne des § 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG vorübergehend unzulässig ist;

es sei denn, es besteht nach einer Entscheidung gemäß § 61 weiterhin die Zuständigkeit eines anderen Staates oder dieser erkennt sie weiterhin oder neuerlich an. Die Ausreiseverpflichtung eines Fremden, dessen Aufenthalt im Bundesgebiet gemäß Satz 1 geduldet ist, bleibt unberührt.

(2) [...]

(3) Vom Fremden zu vertretende Gründe (Abschiebungshindernisse) liegen jedenfalls vor, wenn er

1. seine Identität verschleiert,

2. einen Ladungstermin zur Klärung seiner Identität oder zur Einholung eines Ersatzreisedokumentes nicht befolgt oder

3. an den zur Erlangung eines Ersatzreisedokumentes notwendigen Schritten nicht mitwirkt oder diese vereitelt.

(4) Bei Vorliegen der Voraussetzungen nach Abs. 1 hat das Bundesamt von Amts wegen oder auf Antrag eine Karte für Geduldete auszustellen. Im Antrag ist der Grund der Duldung gemäß Abs. 1 Z 1, 2, 3 oder 4 zu bezeichnen. Die Karte dient dem Nachweis der Identität des Fremden im Verfahren vor dem Bundesamt und hat insbesondere die Bezeichnungen "Republik Österreich" und "Karte für Geduldete", weiters Namen, Geschlecht, Geburtsdatum, Staatsangehörigkeit, Lichtbild und Unterschrift des Geduldeten sowie die Bezeichnung der Behörde, Datum der Ausstellung und Namen des Genehmigenden zu enthalten. Die nähere Gestaltung der Karte legt der Bundesminister für Inneres durch Verordnung fest.

(5) [...]

(6) Der Aufenthalt des Fremden gilt mit Ausfolgung der Karte als geduldet, es sei denn das Vorliegen der Voraussetzungen nach Abs. 1 wurde bereits zu einem früheren Zeitpunkt rechtskräftig festgestellt. Diesfalls gilt der Aufenthalt ab dem Zeitpunkt der Rechtskraft der Feststellung als geduldet."

2.2. Der VfGH hat in seinem E vom 9. Dezember 2014, G 160/2014 ua, dargelegt, die behördliche Pflicht zur Ausstellung einer Karte für Geduldete dient auch dem Schutz der Interessen spezifischer Einzelpersonen, weshalb der Verpflichtung der Behörde zur Ausstellung dieser Karte ein entsprechendes Recht eines Fremden gegenübersteht. Dieses subjektive öffentliche Recht begründe in Verbindung mit § 8 AVG die Parteistellung des Fremden in einem Verfahren über die Ausstellung der Karte - und damit einen Anspruch auf eine meritorische Entscheidung über dieses Recht, aus dem sich wieder ein Antragsrecht auf Ausstellung der Karte ergibt. Eine Duldung nach § 46a Abs. 1a FrPolG 2005 tritt mit dem Vorliegen ihrer tatsächlichen Voraussetzungen ex lege ein. Dem Fremden kommt daher ein Antragsrecht auf Ausstellung einer Karte für Geduldete iSd § 46a Abs. 2 FrPolG 2005 zu. In dem über diesen Antrag abzuführenden Verfahren ist auch das Vorliegen der Voraussetzungen für eine Duldung inhaltlich zu prüfen (Hinweis E VfGH 10. Dezember 2014, B 609/2013; E VfGH 24. Februar 2015, B 77/2013). Diesen Überlegungen des VfGH ist beizutreten. Demzufolge hat ein Fremder das Recht, einen Antrag auf Ausstellung einer Karte für Geduldete zu stellen. Der Antrag des Fremden wäre daher nicht zurückzuweisen, sondern einer meritorischen Erledigung zuzuführen gewesen. Durch die dennoch erfolgte Verweigerung einer Sachentscheidung hat die belBeh den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet, sodass dieser gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben war (vgl. VwGH 19.05.2015, 2015/21/0001).

Der Antrag der Beschwerdeführerin wurde demnach im gegenständlichen Fall rechtswidrig zurückgewiesen, da ihr nach dem Gesagten ein Antragsrecht zukam. Die belangte Behörde belastete den angefochtenen Bescheid durch Verweigerung einer Sachentscheidung mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit.

2.3. Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z. 1 B VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht (Z 1) oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist (Z 2).

Gemäß Abs. 5 leg.cit. sind die Behörden verpflichtet, in der betreffenden Rechtssache mit den ihnen zu Gebote stehenden rechtlichen Mitteln unverzüglich den der Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichts entsprechenden Rechtszustand herzustellen, wenn das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid aufhebt.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs darf ein Verwaltungsgericht auf Grund einer gegen eine Zurückweisung erhobenen Beschwerde nur über die Rechtmäßigkeit des Zurückweisungsbescheides, nicht hingegen über den Antrag selbst entscheiden. (vgl. dazu etwa VwGH 12.10.2015, Zl. Ra 2015/22/0115, mit Verweis auf VwGH 29.04.2015, Zl. 2013/08/013627.01.2010).

"Sache" im Sinne des § 28 Abs. 2 VwGVG und demnach Gegenstand des Beschwerdeverfahrens vor dem Bundesverwaltungsgericht ist im vorliegenden Fall die Rechtmäßigkeit der Zurückweisung des Antrages auf Ausstellung einer Karte für Geduldete durch das BFA (vgl. VwGH 12.10.2015, Zl. Ra 2015/22/0115, mit Verweis auf VwGH 18.12.2014, Zl. Ra 2014/07/0002, 0003; VwGH 23.06.2015, Zl. Ra 2015/22/0040; VwGH 16.09.2015, Zl. Ra 2015/22/0082 bis 0084).

Da der angefochtene Bescheid durch Verweigerung einer Sachentscheidung mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet ist, war er gem. § 28 Abs. 2 VwGVG zu beheben.

III.3. Zu Spruchteil A) II.):

3.1. Die maßgeblichen Bestimmungen des AsylG, des FPG und des BFA-VG lauten:

AsylG:

Aufenthaltstitel aus Gründen des Art. 8 EMRK

"§ 55. (1) Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen ist von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine "Aufenthaltsberechtigung plus" zu erteilen, wenn

----------

1.-dies gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten ist und

2.-der Drittstaatsangehörige das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 Integrationsgesetz (IntG), BGBl. I Nr. 68/2017, erfüllt hat oder zum Entscheidungszeitpunkt eine erlaubte Erwerbstätigkeit ausübt, mit deren Einkommen die monatliche Geringfügigkeitsgrenze (§ 5 Abs. 2 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG), BGBl. I Nr. 189/1955) erreicht wird.

(2) Liegt nur die Voraussetzung des Abs. 1 Z 1 vor, ist eine "Aufenthaltsberechtigung" zu erteilen.

Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme

§ 10 [...]

(3) Wird der Antrag eines Drittstaatsangehörigen auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55, 56 oder 57 abgewiesen, so ist diese Entscheidung mit einer Rückkehrentscheidung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden. Wird ein solcher Antrag zurückgewiesen, gilt dies nur insoweit, als dass kein Fall des § 58 Abs. 9 Z 1 bis 3 vorliegt.

[...]

FPG

§52 [...]

(3) Gegen einen Drittstaatsangehörigen hat das Bundesamt unter einem mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn dessen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55, 56 oder 57 AsylG 2005 zurück- oder abgewiesen wird.

[...]

(9) Mit der Rückkehrentscheidung ist gleichzeitig festzustellen, ob die Abschiebung des Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist. Dies gilt nicht, wenn die Feststellung des Drittstaates, in den der Drittstaatsangehörige abgeschoben werden soll, aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich ist.

[...]

§ 59 [...]

(5) Besteht gegen einen Drittstaatsangehörigen bereits eine aufrechte rechtskräftige Rückkehrentscheidung, so bedarf es bei allen nachfolgenden Verfahrenshandlungen nach dem 7., 8. und 11. Hauptstück oder dem AsylG 2005 keiner neuerlichen Rückkehrentscheidung, es sei denn, es sind neue Tatsachen gemäß § 53 Abs. 2 und 3 hervorgekommen.

[...]

BFA-VG

Schutz des Privat- und Familienlebens

§ 9. (1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

4. der Grad der Integration,

5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§ 45 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005) verfügen, unzulässig wäre."

[...]

3.2. Voraussetzung für die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 Abs. 1 AsylG 2005 ist, dass dies zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG iSd Art. 8 EMRK geboten ist.

Gemäß Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs. Gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

Zweifellos handelt es sich sowohl beim BFA als auch beim Bundesverwaltungsgericht um öffentliche Behörden im Sinne des Art. 8 Abs. 2 EMRK und ist der Eingriff in § 10 AsylG gesetzlich vorgesehen.

Der VwGH hat festgestellt, dass beharrliches illegales Verbleiben eines Fremden nach rechtskräftigem Abschluss des Asylverfahrens bzw. ein länger dauernder illegaler Aufenthalt eine gewichtige Gefährdung der öffentlichen Ordnung im Hinblick auf ein geordnetes Fremdenwesen darstellen würde, was eine Ausweisung als dringend geboten erscheinen lässt (VwGH 31.10.2002, Zl. 2002/18/0190). Auch der Verfassungsgerichtshof verweist darauf, dass ein allein durch beharrliche Missachtung der fremden- und aufenthaltsrechtlichen Vorschriften erwirkter Aufenthalt keinen Rechtsanspruch aus Art. 8 EMRK bewirken könne. Eine andere Auffassung würde sogar zu einer Bevorzugung dieser Gruppe gegenüber den sich rechtstreu Verhaltenden führen (VfSlg. 19.086/2010 mwH).

Dem Umstand, dass der Aufenthaltsstatus des Fremden ein unsicherer war, kommt zwar Bedeutung zu, er hat aber nicht zur Konsequenz, dass der während unsicheren Aufenthaltes erlangten Integration überhaupt kein Gewicht beizumessen ist (vgl. E 4. August 2016, Ra 2015/21/0249 bis 253). Allerdings ist der Umstand zu berücksichtigen, dass der Inlandsaufenthalt überwiegend unrechtmäßig war (Hinweis E 30. Juni 2016, Ra 2016/21/0165; E 11. November 2013, 2013/22/0072).

Auch ein während eines unsicheren Aufenthaltsstatus entstandenes Familienleben hat vor dem Hintergrund der gebotenen Gesamtbetrachtung nicht zur Konsequenz, dass diesem überhaupt kein Gewicht beizumessen wäre und ein solcherart begründetes familiäres Interesse nie zur Unzulässigkeit einer Ausweisung führen könnte (VwGH 16.11.2016, Ra 2016/18/0041; Hinweis E vom 19. Juni 2012, 2012/18/0027, 2012/18/0055).

3.3. Die Beschwerdeführerin hielt sich von Juli 2010 bis Februar 2016, sohin etwa fünf Jahre und sieben Monate, in Österreich auf. Die Dauer ihres Aufenthalts ist jedoch dadurch relativiert, dass sie seit September 2010 - nach negativem Abschluss ihres Asylverfahrens - beharrlich im Bundesgebiet verblieb, sodass der Aufenthalt weit überwiegend unrechtmäßig war. Die jahrelange Nichtbeachtung der Entscheidung des Asylgerichtshofs ist zu Ungunsten der Beschwerdeführerin zu werten. Damit machte sie deutlich, behördliche Entscheidungen nicht zu akzeptieren. Der Beschwerdeführerin ist daher die jahrelange gravierende Missachtung des österreichischen Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts durch Nichtbefolgen der Ausreiseaufforderung vorzuwerfen. Ein Familienleben der Beschwerdeführerin im Bundesgebiet ist nicht auszumachen - einerseits hält sie sich gar nicht mehr in Österreich auf, andererseits ist auch ihr Ehegatte unbekannten Aufenthalts. Die Schutzwürdigkeit des Privatlebens der Beschwerdeführerin ist dadurch gemindert, dass sie eine Effektuierung der gegen sie ergangenen Ausweisungsentscheidung dadurch, dass sie während des Asylverfahrens und des Verfahrens zur Ausstellung eines Heimreisezertifikates falsche Identitätsdaten angab, vereitelte und ihre Identität während dieser Verfahren verschleierte. Die Beschwerdeführerin hat in sprachlicher und sozialer Hinsicht Integrationsschritte gesetzt, zudem war sie auch zweitweise erwerbstätig, sodass diese Aspekte zu ihren Gunsten zu gewichten sind. Zugleich hat die Beschwerdeführerin auch anhaltende und starke Bindungen zu ihrem Herkunftsstaat Indien:

Sie verbrachte einen prägenden und den weit überwiegenden Teil ihres Lebens in Indien, wurde dort sozialisiert und spricht eine in ihrer Heimat weit verbreitete Sprache auf muttersprachlichem Niveau. Ihre Kinder leben nach wie vor in Indien. Es hat auch nichts darauf hingedeutet, dass es der Beschwerdeführerin im Falle einer Rückkehr in ihren Herkunftsstaat nicht möglich wäre, sich in die dortige Gesellschaft erneut zu integrieren und sich eine Existenzgrundlage zu schaffen. Besonders beachtlich ist, dass die Beschwerdeführerin bereits seit zwei Jahren wieder in Indien lebt, sodass die Bindungen zu ihrem Herkunftsstaat seither wieder unmittelbar gegeben sind, hingegen jene zu Österreich mangels Aufenthalts hier weniger gewichtig werden. Die Situation für die Beschwerdeführerin in Indien unterscheidet sich hinsichtlich der öffentlichen Sicherheit, der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen von den Verhältnissen in Österreich zwar notorischerweise, in Hinblick auf die persönliche Situation des Beschwerdeführerin - sie ist gesund und arbeitsfähig und hat in Indien familiäre Anknüpfungspunkte - sind jedoch keine Umstände auszumachen, weshalb ihr eine Reintegration in Indien nicht möglich wäre. Die Beschwerdeführerin ist nicht straffällig geworden, wobei dieser Aspekt neutral bewertet wird, davon auszugehen ist, dass es von einem Fremden, welcher sich im Bundesgebiet aufhält als selbstverständlich anzunehmen ist, dass er die geltenden Rechtsvorschriften einhält.

Die Beschwerdeführerin begründete ihr Privatleben ganz überwiegend in einem Zeitpunkt, als ihr Aufenthalt bereits unrechtmäßig war. Während der kurzen Dauer ihres Asylverfahrens musste sie sich ihres unsicheren Aufenthaltsstatus¿ bewusst sein. Mit Blick auf die von der Beschwerdeführerin gesetzten Integrationsschritte ist daher festzuhalten, dass sie sich bei allen Integrationsschritten des unsicheren Aufenthaltsstatus¿ bzw. später des unrechtmäßigen Aufenthalts und damit auch der Vorläufigkeit der Integrationsschritte bewusst sein musste. So musste sich die Beschwerdeführerin darüber im Klaren sein, dass sie eingegangene Bindungen im Bundesgebiet nicht werde aufrechterhalten können.

Das Verfahren über den Antrag auf internationalen Schutz der BF dauerte ab der Antragstellung Juli 2010 bis zur Entscheidung des AsylGH im September 2010 über die gegen den Bescheid des BAA erhobene Beschwerde, sodass die dreimonatige Verfahrensdauer in Ansehung der Abführung eines erstinstanzlichen sowie eines Beschwerdeverfahrens eine angemessene Verfahrensdauer darstellt, ein Organisationsverschulden ist dabei nicht auszumachen.

In einer Gesamtabwägung kommt das erkennende Gericht damit zum Schluss, dass sich die Beschwerdeführerin zwar einen geraume Zeit in Österreich aufhielt und zudem in dieser Zeit unstrittig auf mehreren Ebenen Integrationsschritte setzte, die zu ihren Gunsten zu gewichten sind. Die Aufenthaltsdauer ist aber dadurch relativiert, dass sie sich weit überwiegend unrechtmäßig in Österreich aufhielt, zudem lebt sie bereits seit zwei Jahren wieder in Indien, sodass angesichts dessen der vormalige Lebensmittelpunkt in Österreich weniger gewichtig erscheint als bei einem aufrechten Aufenthalt. Es standen den persönlichen Interessen der Beschwerdeführerin auch wesentliche Umstände entgegen - wie bereits dargestellt, verschleierte sie ihre Identität und hinderte damit lange Zeit die Effektuierung der gegen sie ergangenen Ausweisungsentscheidung. Diese Umstände verstärken das gegen einen Verbleib im Inland sprechende öffentliche Interesse bzw. relativieren die Länge der Aufenthaltsdauer im Inland.

Nach Maßgabe einer Interessenabwägung im Sinne des § 9 BFA-VG überwiegt daher das öffentliche Interesse an der Beendigung des unrechtmäßigen Aufenthaltes der Beschwerdeführerin im Bundesgebiet und liegt daher eine Verletzung des Art. 8 EMRK nicht vor, sodass die Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK gem. § 55 AsylG nicht geboten war.

3.4. Aus § 10 Abs. 3 AsylG 2005 ergibt sich, dass dann, wenn kein Fall des § 58 Abs. 9 AsylG 2005 vorliegt, auch eine Antragsabweisung mit einer Rückkehrentscheidung zu verbinden ist.

Hinsichtlich des Unterbleibens des Erlasses einer Rückkehrentscheidung infolge der Abweisung des Antrags auf einen Aufenthaltstitel gem. § 55 AsylG stützte sich das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl - nicht zutreffend - auf § 59 Abs. 5 FPG, da sich diese Bestimmung nach dem Folgenden nur auf solche Rückkehrentscheidungen bezieht, die mit einem Einreiseverbot verbunden sind, was gegenständlich nicht der Fall ist:

Der Wortlaut des § 59 Abs. 5 FrPolG 2005 idF des FNG 2014 ist missglückt. Vor allem die Bezugnahme auf alle "nachfolgenden Verfahrenshandlungen nach dem 7., 8. und 11. Hauptstück oder dem AsylG 2005", bei denen es bei Existenz einer aufrechten rechtskräftigen Rückkehrentscheidung keiner neuerlichen Rückkehrentscheidung "bedarf", ist sprachlich offenkundig verfehlt. So versteht es sich etwa - um nur die primäre "Verfahrenshandlung" nach dem 7. Hauptstück des FrPolG 2005 herauszugreifen - von selbst, dass es im Zuge einer Abschiebung (oder allenfalls auch für eine solche) bei Bestehen einer aufrechten rechtskräftigen Rückkehrentscheidung keiner wiederholten Rückkehrentscheidung bedarf. Insoweit kann der Bestimmung daher, nimmt man sie wörtlich, keine sinnvolle Handlungsanweisung entnommen werden. Dessen ungeachtet scheint aber auch vor dem Hintergrund der ErläutRV zu § 59 Abs. 5 FrPolG 2005 idF FNG 2014 (1803 BlgNR 24. GP 67) erkennbar, worum es geht:

Existiert bereits eine rechtskräftige und noch aufrechte Rückkehrentscheidung (vgl. E 19. November 2015, Ra 2015/20/0082 bis 0087 - es muss eine solche sein, die mit einem Einreiseverbot verbunden ist), die als Titel für eine Außerlandesbringung des Drittstaatsangehörigen herangezogen werden kann, so "bedarf" es ausnahmsweise - sofern nicht aufgrund "neu hervorgekommener" Tatsachen eine Neubemessung des bestehenden Einreiseverbotes erforderlich ist - entgegen den diesbezüglichen gesetzlichen Anordnungen (in § 10 AsylG 2005 bzw. in § 52 FrPolG 2005) nicht der Erlassung einer wiederholten - unter dem Blickwinkel der beabsichtigten Außerlandesbringung entbehrlichen - Rückkehrentscheidung (samt Einreiseverbot); (vgl. dazu VwGH 16.12.2015, Ro 2015/21/0037).

§ 59 Abs. 5 FrPolG 2005 soll der Verfahrensökonomie dienen und bewirken, dass es keiner neuerlichen Rückkehrentscheidungen bedarf, wenn bereits rechtskräftige Rückkehrentscheidungen vorliegen, es sei denn, dass neue Tatsachen iSd § 53 Abs. 2 und 3 FrPolG 2005 hervorkommen, die eine Neubemessung der Dauer eines Einreiseverbotes erforderlich machen. Durch den Verweis auf § 53 FrPolG 2005, der die Erlassung eines Einreiseverbotes regelt, geht in Zusammenschau mit den Materialien (vgl. EB RV 1803 BlgNR 24. GP, 67 zum FNG, BGBl. I Nr. 87/2012) hervor, dass sich § 59 Abs. 5 FrPolG 2005 nur auf solche Rückkehrentscheidungen bezieht, die mit einem Einreiseverbot verbunden sind. Nur im Fall der Änderung des für die Bemessung der Dauer des Einreiseverbotes relevanten Sachverhaltes bedarf es einer neuen Rückkehrentscheidung, um allenfalls die Dauer des mit ihr zu verbindenden Einreiseverbotes neu festlegen zu können; ist die Rückkehrentscheidung allerdings von vornherein nicht mit einem Einreiseverbot verbunden, fällt sie nicht in den Anwendungsbereich dieser Norm. In solchen Fällen ist daher - mangels anderer gesetzlicher Anordnung - die bisherige Rechtsprechung des VwGH zur Erforderlichkeit der Verbindung einer ab- oder zurückweisenden Entscheidung der Asylbehörden mit einer Ausweisung, unabhängig davon, ob zum Entscheidungszeitpunkt bereits eine rechtskräftige Ausweisung vorliegt (Hinweis Erkenntnisse vom 7. Mai 2008, 2007/19/0466, und vom 19. Februar 2009, 2008/01/0344) auf die ab 1. Jänner 2014 geltende Rechtslage übertragbar (vgl. VwGH 19.11.2015 Ra 2015/20/0082).

Mangels Erlass¿ einer Rückkehrentscheidung mit gegenständlich angefochtenem Bescheid war dies auch nicht "Sache" des Beschwerdeverfahrens und kommt nach der Sachlage im Entscheidungszeitpunkt auch angesichts der bereits erfolgten Abschiebung der Beschwerdeführerin nach Indien im Februar 2016 nicht (mehr) in Betracht, als die Rückkehrentscheidung gem. § 52 FPG an einen Inlandsaufenthalt (Österreich) anknüpft.

4. Zum Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung:

Ad I.: Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG entfallen, zumal aufgrund der Aktenlage feststeht, dass der mit der Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben ist.

Ad II.: In der Beschwerde wurden keine weiteren Integrationsaspekte dargetan, die nicht ohnehin zugunsten der Beschwerdeführerin gewertet wurden, sodass auch keine Notwendigkeit einer mündlichen Verhandlung bestand (vgl. in diesem Zusammenhang zur Nichtverletzung der Verhandlungspflicht VwGH Ra 2016/21/0277 vom 20.10.2016).

Aufgrund des Umstandes, dass die Beschwerdeführerin im Februar 2016 nach Indien abgeschoben wurde, also nur kurze Zeit nach Erlass des angefochtenen Bescheids bzw. Erhebung einer Beschwerde dagegen, sind auch keine Anhaltspunkte für über das damalige Vorbringen hinausgehende Integrationsaspekte hervorgekommen.

Da der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt ist, konnte gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG eine mündliche Verhandlung somit unterbleiben.

Zu Spruchpunkt B):

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung (vgl. dazu die jeweils in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur). Die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht vorgekommen.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte

Antragsrecht, Behebung der Entscheidung, Duldung, Karte für
Geduldete

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:W220.2013746.1.00

Zuletzt aktualisiert am

12.03.2018
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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