TE Bvwg Beschluss 2018/3/2 G304 2176225-1

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Veröffentlicht am 02.03.2018
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Entscheidungsdatum

02.03.2018

Norm

AsylG 2005 §3
B-VG Art.133 Abs4
VwGVG §28 Abs3 Satz2

Spruch

G304 2176225-1/6E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Beatrix LEHNER als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX, geb. XXXX, StA. Irak, vertreten durch Verein für Menschenrechte Österreich, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 17.10.2017, Zl. XXXX, beschlossen:

A) In Erledigung der Beschwerde wird der angefochtene Bescheid

behoben und die Angelegenheit gemäß § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang:

1. Mit Bescheid der belangten Behörde vom 17.10.2017 wurde der Antrag des Beschwerdeführers (im Folgenden: BF) auf internationalen Schutz vom 03.04.2015 hinsichtlich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z. 13 AsylG abgewiesen(Spruchpunkt I.). Gemäß § 8 Abs. 1 Z. 1 AsylG wurde sein Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Irak abgewiesen (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde dem BF gemäß § 57 AsylG nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z. 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG idgF wurde gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z. 2 FPG 2005 idgF erlassen. (Spruchpunkt III.).Es wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG in den Irak zulässig ist. (Spruchpunkt III.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG wurde die Frist zur freiwilligen Ausreise aus dem Bundesgebeit mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt (Spruchpunkt IV.).

2. Gegen diesen Bescheid wurde fristgerecht Beschwerde erhoben.

3. Am 13.11.2017 langte beim Bundesverwaltungsgericht die gegenständliche Beschwerde samt dazugehörigen Verwaltungsakten ein. Mit Beschwerdevorlage merkte die belangte Behörde an, auf die Durchführung und Teilnahme an einer mündlichen Beschwerdeverhandlung zu verzichten.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der BF ist irakischer Staatsangehöriger, arabischer Volksgruppenangehöriger und sunnitischer Moslem.

Sein Antrag auf internationalen Schutz vom 03.04.2015 wurde mit gegenständlich angefochtenem Bescheid des BFA abgewiesen, und zwar mit der Begründung, sein Fluchtvorbringen sei nicht asylrelevant und unglaubwürdig.

2. Beweiswürdigung:

Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang und die unter II. getroffenen Feststellungen beruhen auf dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes der belangten Behörde und des vorliegenden Gerichtsaktes des BVwG.

2.2. Zur Person des BF

Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit, Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit des BF ergaben sich aus den mit Beschwerde im angefochtenen Bescheid unbestritten gebliebenen Feststellungen.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zuständigkeit und anzuwendendes Recht:

3.1.1. Gemäß § 9 Abs. 2 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, und § 7 Abs. 1 Z 1 des BFA-Verfahrensgesetzes (BFAVG), BGBl. I Nr. 87/2012 idgF, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Entscheidungen (Bescheide) des BFA.

Da sich die gegenständliche - zulässige und rechtzeitige - Beschwerde gegen einen Bescheid des BFA richtet, ist das Bundesverwaltungsgericht für die Entscheidung zuständig.

3.1.2. Gemäß § 6 des Bundesverwaltungsgerichtsgesetzes (BVwGG), BGBl. I Nr. 10/2013, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Da in den maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen eine Senatszuständigkeit nicht vorgesehen ist, obliegt in der gegenständlichen Rechtssache die Entscheidung dem nach der jeweils geltenden Geschäftsverteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuständigen Einzelrichter.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl. I Nr. 33/2013 idgF, geregelt. Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung (BAO), BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes (AgrVG), BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 (DVG), BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem, dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß §§ 16 Abs. 6 und 18 Abs. 7 BFAVG sind die §§ 13 Abs. 2 bis 5 und 22 VwGVG nicht anwendbar.

Gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist.

Zu Spruchteil A):

3.2. Zurückverweisung:

3.2.1. Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist. Gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist.

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

Nach Abs. 2 kann die Verhandlung entfallen, wenn der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist.

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß

Art 130 Abs. 1 Z 1 B-VG (Anmerkung: sog. Bescheidbeschwerden) dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht (Z 1) oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist (Z 2).

Gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, wenn die Voraussetzungen des Abs. 2 leg cit. nicht vorliegen, im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hierbei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.

Das Modell der Aufhebung des Bescheids und Zurückverweisung des Angelegenheit an die Behörde folgt konzeptionell jenem des § 66 Abs. 2 AVG (vgl. Fister/Fuchs/Sachs, Verwaltungsgerichtsverfahren (2013) § 28 VwGVG Anm11). Gemäß dieser Bestimmung kann die Berufungsbehörde, sofern der ihr vorliegende Sachverhalt so mangelhaft ist, dass die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint, den angefochtenen Bescheid beheben und die Angelegenheit zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an eine im Instanzenzug untergeordnete Behörde zurückverweisen. Wie oben ausgeführt, ist aufgrund von § 17 VwGVG die subsidiäre Anwendung von § 66 Abs. 2 AVG durch die Verwaltungsgerichte ausgeschlossen.

Im Gegensatz zu § 66 Abs. 2 AVG setzt § 28 Abs. 3 VwGVG die Notwendigkeit der Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung nicht mehr voraus.

Der VwGH hat mit Erkenntnis vom 26.06.2014, Zl. Ro 2014/03/0063 (hier: Waffenverbot), in Bezug auf die grundsätzliche Sachentscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte nach

§ 28 VwGVG und die Möglichkeit der Zurückverweisung ausgesprochen, dass angesichts des in § 28 VwGVG insgesamt verankerten Systems die nach § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG bestehende Zurückverweisungsmöglichkeit eine Ausnahme von der grundsätzlichen meritorischen Entscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte darstellt. So kommt eine Aufhebung des Bescheides nicht in Betracht, wenn der für die Entscheidung maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist. Von der Möglichkeit der Zurückverweisung kann nur bei krassen bzw. besonders gravierenden Ermittlungslücken Gebrauch gemacht werden. Eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen wird daher insbesondere dann in Betracht kommen, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts (vgl. § 37 AVG) lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden. Das Verwaltungsgericht hat nachvollziehbar zu begründen, wenn es eine meritorische Entscheidungszuständigkeit nicht als gegeben annimmt, etwa weil es das Vorliegen der Voraussetzungen der Z 1 und Z 2 des § 28 Abs. 2 VwGVG verneint bzw. wenn es von der Möglichkeit des § 28 Abs. 3 erster Satz VwGVG nicht Gebraucht macht.

3.2.2. Gemäß § 60 AVG sind in der Begründung eines Bescheides die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammenzufassen. Die Begründung eines Bescheides bedeutet die Bekanntgabe der Erwägungen, aus denen die Behörde zur Überzeugung gelangt ist, dass ein bestimmter Sachverhalt vorliegt und dass damit der Tatbestand einer bestimmten Rechtsnorm verwirklicht ist. Die Begründung eines Bescheides hat Klarheit über die tatsächlichen Annahmen der Behörde und ihre rechtlichen Erwägungen zu schaffen. In sachverhaltsmäßiger Hinsicht hat sie daher alle jene Feststellungen in konkretisierter Form zu enthalten, die zur Subsumierung dieses Sachverhaltes unter die von der Behörde herangezogene Norm erforderlich sind. Denn nur so ist es möglich, den Bescheid auf seine Rechtsrichtigkeit zu überprüfen (VwGH 23.11.1993, Zl. 93/04/0156; 13.10.1991, Zl. 90/09/0186; 28.07.1994, Zl. 90/07/0029).

3.2.3. Die belangte Behörde hielt eine nachhaltige Hinwendung des BF zum Christentum nicht für glaubhaft.

Im angefochtenen Bescheid wurde ausgeführt: "Es ist davon auszugehen, dass man nach tatsächlich verinnerlichter Auseinandersetzung mit einer Religion in der Lage ist, detailliertere Angaben zu den wesentlichen Unterschieden anzuführen. Würden Sie sich jedoch tatsächlich seit 2012, das sind immerhin bereits fünf Jahre, mit dem Christentum auseinandersetzen, hätten Sie als wesentlichen Unterschied zum Christentum die Zurückweisung der Dreifaltigkeit im Koran erwähnt. Der Glaube an einen Gott als eine Dreifaltigkeit, das heißt eine Wesenseinheit aus Vater, Sohn und Heiligem Geist. Im Islam wird dies nämlich als barbarisch betrachtet. Des Weiteren gaben Sie als persönlichen Hauptgrund Ihres Religionswechsels an, dass Christen niemanden töten würden. Hierzu ist jedoch anzuführen, dass, wenn Sie tatsächlich innerlich seit 2012 mit dem Christentum auseinandergesetzt hätten, Sie durchaus auch von den negativen Seiten in der Geschichte des Christentums wie zum Beispiel von den Kreuzzügen, Hexenverfolgungen, sowie dem Antijudaismus (Judenfeindschaft) gehört haben mussten."

Dass der BF vor der belangten Behörde nicht die Dreifaltigkeit im Christentum als einen wesentlichen Unterschied zum Islam und die "negativen Seiten in der Geschichte des Christentums", wie zum Beispiel Kreuzzüge und Hexenverfolgungen erwähnt hat, kann man jedoch nicht als unzureichende Auseinandersetzung mit seinem Glauben werten, konnte er doch in der niederschriftlichen Einvernahme, befragt nach "wesentlichen Unterschieden" zwischen Islam und Christentum doch einige zwischen diesen beiden Religionen bestehende Unterschiede aufzählen, auch wenn die belangte Behörde diese teilweise als oberflächlich und als in den Medien verbreitete Vorurteile des Islams und Christentums bezeichnet hat.

Fest steht, dass der BF vor dem BFA angab, XXXX 2012 erstmals auf das Christentum aufmerksam geworden und am XXXX.2013 im Irak getauft und vom Islam zum Christentum konvertiert zu sein. Nachdem sein Bruder bei ihm eine Bibel gefunden habe, sei der BF von seiner Familie verstoßen worden. Der BF habe am XXXX seinen Familienwohnsitz verlassen und bei einem christlichen Freund Zuflucht genommen. Am XXXX sei der BF mit einem Drohbrief einer "unbekannten Gruppierung" bedroht worden. Dies sei eine Warnung von "XXXX" gewesen.

Der von ihm vorgelegte Drohbrief hielt die belangte Behörde für ein im Irak leicht erwerbbares Schriftstück, das ihrer Ansicht nach nur zur Stärkung seines Fluchtvorbringens ausgestellt worden sei.

Im angefochtenen Bescheid wurde zur Konversion des BF zum Christentum Folgendes ausgeführt:

"Zur Lage der Christen im Irak ist auszuführen, dass nach Einsicht in die Länderinformationen zu Irak ersichtlich ist, dass die irakische Verfassung das Recht auf Religions- und Glaubensfreiheit weitgehend anerkennt. Die Verfassung garantiert auch Religionsfreiheit inklusive der Freiheit ihrer Ausübung. Das Strafgesetzbuch kennt keine aus dem islamischen Recht übernommenen Straftatbestände wie z.B. den Abfall vom Islam. Eine systematische Diskriminierung oder Verfolgung religiöser oder ethnischer Minderheiten durch staatliche Behörden findet nicht statt. Die ho. Behörde geht davon aus, dass Sie als konvertierter Christ in der Lage sein werden Ihr Leben im Irak weiterzuführen. Sie waren sogar in der Lage ab Ihrer Taufe weitere Jahre als Christ im Irak zu leben."

Entgegen der begründenden Ausführungen im angefochtenen Bescheid gibt es nach den von der belangten Behörde dem angefochtenen Bescheid zur Religionsfreiheit zugrunde gelegten Länderfeststellungen zwar keine Gesetze im irakischen Zivil- oder Strafrecht, die Strafen für Personen vorsehen, die vom islamischen Glauben abfallen, jedoch Gesetze und Regulierungen, die die Konversion vom islamischen Glauben zu anderen Religionen verhindern. Iraks Muslime sind darüber hinaus auch nach wie vor der Scharia, dem islamischen Recht, untergeordnet. Dieses verbietet Apostasie, also den Abfall vom islamischen Glauben. Menschen, die den islamischen Glauben ablegen wollen, sind darüber hinaus oft ernsthafter Verfolgung durch die Gesellschaft ausgesetzt, werden zum Teil sogar getötet, oftmals von den eigenen Angehörigen/Bekannten. Feindseligkeiten gegenüber den Konvertiten oder Atheisten sind zudem im Irak weit verbreitet.

Dass der BF aufgrund seiner Auseinandersetzung mit dem christlichen Glauben bedroht wurde, ist nicht von vornherein auszuschließen, hat der BF doch bei Wahrunterstellung seines angegebenen Fluchtgrundes, im Irak zum Christentum konvertiert zu sein, laut Länderberichten eine ernsthafte Verfolgung durch die irakische Gesellschaft zu befürchten.

Die belangte Behörde hat im vorliegenden Fall zwar die Übersetzung der vom BF vorgelegten Bescheinigungsmittel, wie einer "Ausstoßerklärung" seiner Familie vom XXXX.2014 und eines "Drohbriefes" veranlasst, sich ansonsten jedoch nicht näher mit der Glaubwürdigkeit bzw. Echtheit dieser Bescheinigungsmittel auseinandergesetzt. Dies wäre jedoch bereits angesichts der Tatsache, dass die damit betraute Dolmetscherin dem BFA mit E-Mail vom XXXX.2017 mitgeteilt hat, dass sie "Drohbriefe" - wie auch den gegenständlich von ihr übersetzten Drohbrief - als schwierig zu übersetzende Dokumente werte, würden doch für die meisten Drohungen Metaphern, Suren und Verse aus dem Koran herangezogen, notwendig gewesen.

Dass der vorgelegte Drohbrief mit dem Stempel einer Person, deren Namen einen Teil der vom BF angeführten schiitischen Miliz beinhaltet, versehen ist, spricht für einen möglichen Zusammenhang der vom BF angeführten Bedrohung mit der schiitischen Miliz "XXXX. Die Einholung näherer Informationen zu dieser Person wäre jedenfalls hilfreich gewesen.

Die belangte Behörde hätte sich mit dem vom BF vorgelegten Drohbrief jedenfalls näher auseinandersetzen und vor dem Hintergrund der dem angefochtenen Bescheid zugrunde liegenden Länderberichten auch mit der staatlichen Schutzfähigkeit im Irak näher auseinandersetzen müssen. Die schiitische Miliz "XXXX", welcher die den BF bedrohende "unbekannte Gruppe" angehört haben soll, gilt nach dem angefochtenen Bescheid zugrunde gelegten XXXX besonders gewalttätige Gruppierung innerhalb der Volksmobilisierung, die religiös-politische mit kriminellen Motiven verbindet. Eine nähere Auseinandersetzung mit der vom BF behaupteten XXXX 2014 aufgrund einer Konversion zum Christentum erfolgten Bedrohung und dem in diesem Zusammenhang vorgelegten Drohbrief ist auch vor dem Hintergrund der dem angefochtenen Bescheid zugrunde gelegten Länderfeststellungen, dass innerhalb der Volksmobilisierungseinheiten viele der schiitischen Milizen eine islamistische Ideologie, die sich an jener des Iran orientiert, vertreten, erforderlich.

Auch der vom BF vorgelegten "Ausstoßerklärung" seiner Familie vom XXXX.2014, der seinen Angaben zufolge Auslöser für das Verlassen seines Familienwohnsitzes war, hat die belangte Behörde keine Bedeutung beigemessen. Der BF wollte mit dieser "Ausstoßerklärung" einen "Ausstoß aus seiner Familie" nachweisen.

Auf dieser Erklärung steht "Wir bestätigen den Inhalt dieser Stammes-Urkunde von XXXX.2004 (...)." Darunter steht der Name des Bürgermeisters mit Datum "XXXX.2014" darunter.

Fraglich ist, ob die auf der vorgelegten Ausstoßerklärung angeführten Daten - XXXX.2004 und XXXX.2014 - versehentlich unterschiedlich angeführt wurden. Die Echtheit dieser Urkunde könnte etwa über den auf dieser Urkunde angeführten Bürgermeister in der angegebenen Heimatgemeinde überprüft werden.

Die belangte Behörde führte widersprüchlich zu ihren zuvor getroffenen Länderfeststellungen in der Beweiswürdigung des angefochtenen Bescheides aus, das Strafgesetzbuch kenne keine aus dem islamischen Recht übernommenen Straftatbestände wie beispielsweise den Abfall vom Islam, und es gebe im Irak keine Strafen für konvertierte Christen die sich vom Islam abwenden, und zog den Schluss, dass der BF als konvertierter Christ in der Lage sein werde, sein Leben im Irak weiterzuführen, sei er doch sogar ab seiner Taufe in der Lage gewesen, weitere Jahre als Christ im Irak zu leben.

Die belangte Behörde schloss aufgrund des Vorbringens des BF, er habe sich nach seiner Bedrohung XXXX 2014 bis zu seiner Ausreise bis März 2015 noch etwa ein Jahr lang im Irak aufgehalten, auf keine dem BF im Irak tatsächlich drohende Verfolgung.

Dabei hat sie jedoch außer Acht gelassen, dass der BF bei seiner niederschriftlichen Einvernahme vor dem BFA angab, sich während dieser Zeit bei einer christlichen Familie versteckt und während dieser Zeit sich auch nicht getraut zu haben, in die Kirche zu gehen. Der BF konnte über Nachfrage auch den Namen und die genaue Wohnsitzadresse dieser Familie, bei welcher er vor seiner Ausreise gelebt haben will, angeben.

Die belangte Behörde gab an, dass der BF vor der belangten Behörde zunächst nur von einem Aufenthalt bei seiner Familie und erst später von einer Zuflucht bei einer namentlich genannten christlichen Familie vor seiner Ausreise gesprochen habe.

Der BF gab bei seiner niederschriftlichen Einvernahme vor dem BFA jedoch an, bis zu seiner Flucht mit seiner Familie an seiner Heimatadresse gelebt zu haben, gab dann über Nachfrage jedoch an, seinen Familienwohnsitz bereits am XXXX.2014 verlassen zu haben und zu einem Freund, der ebenfalls Christ sei, gezogen zu sein. Später in seiner Einvernahme gab der BF an, er habe sich nach Erhalt eines Drohbriefes XXXX 2014 noch etwa ein Jahr lang in seinem Herkunftsstaat aufgehalten und bei einer christlichen Familie versteckt gehalten.

An dieser Stelle hätte die belangte Behörde den BF beispielsweise fragen können, ob es sich dabei um die Familie seines christlichen Freundes, bei dem er laut seinen Angaben zuvor am XXXX.2014 Wohnsitz genommen haben will, gehandelt hat.

Die belangte Behörde schloss aus seinem Vorbringen, der BF habe in seinem Herkunftsstaat heimlich die Kirche besucht, darauf, dass er durchaus in der Lage sei, seinen Glauben im Irak nicht öffentlich zu präsentieren, sondern seine religiösen Aktivitäten geheim zu halten, und ist demnach von keiner dem BF in seinem Herkunftsstaat aufgrund seines Glaubens drohende Verfolgung ausgegangen.

Die belangte Behörde gab zudem an, dem BF sei zumutbar, sein weiteres Leben an seinem Herkunftsort in Bagdad zu verbringen, habe er doch selbst sogar angegeben, vor seiner Ausreise bei einer christlichen Familie gelebt zu haben.

Bei seiner niederschriftlichen Einvernahme vor dem BFA gab der BF jedoch an, er habe sich bei einer christlichen Familie versteckt gehalten.

Aufgrund eines sich Versteckthaltens kann jedenfalls noch nicht von einer innerstaatlichen Fluchtalternative gesprochen werden (etwa VwGH 18.04.1996, Zl. 95/20/0295; VwGH 20.03.1997, Zl 95/20/0606; in diesem Sinne ebenfalls VwGH 29.10.1998, Zl. 96/20/0069).

Der BF gab vor dem BFA zudem an, sein Bruder habe beim BF eine Bibel entdeckt, woraufhin ihn seine Familie verstoßen habe. Von seiner Taufe habe seine Familie jedoch noch nichts erfahren. Er gab an:

"Ich habe ihnen gar nichts erklärt. Ich habe ihnen nichts erklärt. Sie wissen noch immer nicht, dass ich getauft wurde. Wenn sie das gewusst hätten, wäre ich sofort umgebracht worden. Von der eigenen Familie, vom Clan. Es gibt auch ein Gesetz im Islam, dass es erlaubt ist, dass jeder Moslem jemanden töten darf, wenn ein Moslem seine Religion abschwört. Diese Drohbriefe, die ich bekommen habe, habe ich bekommen nur weil sie die Bibel gefunden haben."

Die belangte Behörde gab an, trotz vorgelegter Ausstoßerklärung seiner Familie vom XXXX.2014 sei der BF in seinem Herkunftsstaat nie konkret von einem seiner Familienangehörigen bedroht worden. Dabei hat sie jedoch außer Acht gelassen, dass sich der BF seither nicht mehr an seiner Heimatadresse, sondern an der Adresse seines christlichen Freundes bzw. einer christlichen Familie versteckt gehalten haben soll.

Dass in seinem Herkunftsstaat eine ersthafte Bedrohung des BF durch in seinem Herkunftsstaat verbliebene Familienangehörige besteht, ist auch vor dem Hintergrund der dem angefochtenen Bescheid zugrunde gelegten Länderberichten der Einwanderungs- und Flüchtlingsbehörde von Kanada von Juni 2014 und September 2016, wonach Menschen, die den islamischen Glauben ablegen wollen, oft ernsthafter Verfolgung durch die Gesellschaft ausgesetzt seien und zum Teil sogar oftmals von den eigenen Angehörigen/ Bekannten getötet werden, und Feindseligkeiten gegenüber den Konvertiten oder Atheisten im Irak weit verbreitet seien, nicht von vornherein auszuschließen.

Die belangte Behörde konnte entgegen ihren Ausführungen im angefochtenen Bescheid, dem BF sei ein weiteres Leben in Bagdad zumutbar, und er habe sogar angegeben, zum Schluss bei einer christlichen Familie gelebt zu haben, somit nicht von einer dem BF zumutbaren weiteren Aufenthalt in Bagdad ausgehen.

3.2.4. Aus Sicht des Gerichts verstößt das Vorgehen der belangten Behörde im konkreten Fall gegen die in § 37 iVm § 39 Abs. 2 AVG 2005 determinierten Ermittlungspflichten, wonach diese den maßgebenden Sachverhalt von Amts wegen zu ermitteln und festzustellen hat. Das vor der belangten Behörde geführte Ermittlungsverfahren und der angefochtene Bescheid erweisen sich als mangelhaft.

Eine hinreichende Auseinandersetzung der belangten Behörde mit dem Fluchtvorbringen des BF vor dem Hintergrund aktueller Länderfeststellungen ist im gegenständlichen Fall unterblieben, ebenso wie eine nähere Auseinandersetzung mit der Echtheit bzw. dem Inhalt der vom BF vorgelegten Bescheinigungsmittel - vor allem dem "Drohbrief" und der "Ausstoßerklärung" seiner Familie.

Damit hat die belangte Behörde teilwiese entscheidungsrelevante Ermittlungen unterlassen, wobei diese Ermittlungen nunmehr durch das BVwG vorgenommen werden müssten.

Eine Nachholung des durchzuführenden Ermittlungsverfahrens und eine erstmalige Ermittlung und Beurteilung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das BVwG kann nicht im Sinne des Gesetzes liegen, vor allem unter Berücksichtigung des Umstandes, dass das BFA als Spezialbehörde im Rahmen der Staatendokumentation gemäß § 5 BFA-Einrichtungsgesetz für die Sammlung relevanter Tatsachen zur Situation in den betreffenden Staaten samt den Quellen zuständig ist.

Da der maßgebliche Sachverhalt aufgrund der Unterlassung notwendiger Ermittlungen der belangten Behörde nicht feststeht und diese Ermittlungstätigkeit sowie die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes (erstmals) durch das BVwG selbst vorgenommen werden müsste, war der angefochtene Bescheid gemäß § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG aufzuheben und zur Erlassung eines neuen Bescheides an die belangte Behörde zurückzuverweisen.

Der Vollständigkeit halber ist darauf hinzuweisen, dass die Verwaltungsbehörde (lediglich) an die rechtliche Beurteilung des gemäß § 28 Abs. 3, 2. Satz VwGVG aufhebenden und zurückzuverweisenden Beschlusses des Verwaltungsgerichtes gebunden ist (s. § 28 Abs. 3, 3. Satz VwGVG, vgl. auch z.B. VwGH 22.12.2005, Zl. 2004/07/0010, VwGH 08.07.2004, Zl. 2003/07/0141 zu § 66 Abs. 2 AVG); durch eine Zurückverweisung nach § 28 Abs. 3, 2. Satz VwGVG tritt das Verfahren aber in die Lage zurück, in der es sich vor Erlassung des aufgehobenen Bescheides befunden hatte (Wirkung der Aufhebung ex tunc, s. Fister/Fuchs/Sachs, Verwaltungsgerichtsverfahren (2013) Anm. 14 zu §28 VwGVG; vgl. auch 22.05.1984, Zl. 84/07/0012), sodass die belangte Behörde das im Rahmen des Beschwerdeverfahrens erstattete weitere Parteivorbringen zu berücksichtigen und gemäß § 18 Abs. 1 AsylG gegebenenfalls darauf hinzuwirken haben wird, dass dieses ergänzt bzw. vervollständig wird.

3.3. Entfall der mündlichen Verhandlung

Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG unterbleiben, zumal aufgrund der Aktenalge in Verbindung mit dem Vorbringen in der Beschwerde feststeht, dass er angefochtene Bescheid zu beheben und zur Erlassung eines neuen Bescheides an das BFA zurückzuverweisen war.

Zu Spruchteil B): Unzulässigkeit der Revision

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Die gegenständliche Entscheidung weicht nicht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH vom 26.06.2014, Ro 2014/03/063) ab. Durch das genannte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes fehlt es auch nicht an einer Rechtsprechung und di zu lösende Rechtsfrage wird in der Rechtsprechung auch nicth uneinheitlich beantwortet.

Schlagworte

Bescheinigungsmittel, Beweiswürdigung, Ermittlungspflicht,
Kassation, mangelnde Sachverhaltsfeststellung, Religion

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:G304.2176225.1.00

Zuletzt aktualisiert am

13.03.2018
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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