TE Bvwg Erkenntnis 2018/3/5 W256 2144121-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 05.03.2018
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

05.03.2018

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
B-VG Art.133 Abs4
VwGVG §32 Abs1 Z2

Spruch

W256 2144121-2/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Caroline KIMM als Einzelrichterin über den Antrag von XXXX , auch XXXX , geboren am XXXX , StA Afghanistan, vertreten durch die Diakonie Flüchtlingsdienst gem. GmbH, auf Wiederaufnahme des mit Erkenntnis vom 21. Dezember 2017, Zahl: W256 2144121-1/14E, abgeschlossenen Asylverfahrens zu Recht:

A) Der Antrag wird als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang und Sachverhalt:

Der Antragssteller, ein afghanischer Staatsangehöriger, stellte am 18. Juni 2015 einen Antrag auf internationalen Schutz nach dem Asylgesetz 2005 (AsylG 2005), welcher mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 20. Dezember 2016 abgewiesen wurde.

Gegen diesen Bescheid hat der Beschwerdeführer Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht erhoben, welches nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung mit Erkenntnis vom 21. Dezember 2017 die Beschwerde als unbegründet abgewiesen hat. In der Begründung führte das Bundesverwaltungsgericht - sofern hier wesentlich - in Bezug auf die Nichtgewährung von subsidiärem Schutz aus, dass hinsichtlich der in Afghanistan, insbesondere in Kabul vorherrschenden Versorgungslage und der allgemeinen Lebensbedingungen der Bevölkerung aus den getroffenen Feststellungen hervorgehe, dass die Verwirklichung grundlegender sozialer und wirtschaftlicher Bedürfnisse, wie etwa der Zugang zu Arbeit, Nahrung, Wohnraum und Gesundheitsversorgung zwar nur sehr eingeschränkt, aber doch möglich bzw. gesichert sei. Beweiswürdigend wurde dargelegt, dass sich diese Feststellungen aus dem - dem Beschwerdeführer mit der Ladung zur mündlichen Verhandlung am 30. August 2017 zugestellten - Gutachten des in der Gerichtssachverständigenliste (www.sv.justiz.gv.at) als allgemein beeidet und gerichtlich zertifiziert eingetragenen Sachverständigen XXXX vom 5. März 2017 zu BvwG XXXX (Ia und II)) ergeben, und sich diese im Übrigen auch mit den sich aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation ergebenden ebenfalls getroffenen Feststellungen zur Versorgungslage in Afghanistan allgemein, wonach die Wirtschaftslage in Afghanistan zwar angespannt, aber im Aufschwung und damit eine Rückkehr nach Afghanistan (Kabul) generell nicht unmöglich ist, decken würden. Individuelle Umstände, die im Falle der Rückkehr nach Afghanistan bzw. Kabul eine reale Gefahr der Verletzung von Art. 3 MRK (auch in Bezug auf die Versorgungslage) für maßgeblich wahrscheinlich erscheinen lassen, seien vom Beschwerdeführer nicht aufgezeigt worden, weshalb unter Berücksichtigung der Länderberichte und der persönlichen Situation des Beschwerdeführers in einer Gesamtbetrachtung nicht zu erkennen sei, dass der Beschwerdeführer im Falle einer Abschiebung in eine ausweglose Lage geraten und real Gefahr laufen würde, eine Verletzung seiner durch Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der durch die Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention geschützten Rechte zu erleiden.

Am 28. Februar 2018 langte der - postalisch laut Poststempel am 26. Februar 2018 übermittelte - vorliegende Antrag auf Wiederaufnahme beim Bundesverwaltungsgericht ein. Darin wird im Wesentlichen ausgeführt, das Bundesverwaltungsgericht habe die Abweisung im Hinblick auf die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten tragend auf das Gutachten von XXXX bezogen. Am 12. Februar 2018 sei der Rechtsvertretung des Beschwerdeführers ein Gutachten von XXXX übermittelt worden, welches sich mit der Wissenschaftlichkeit des Gutachten von XXXX auseinandergesetzt und dessen Ungeeignetheit festgestellt habe. Das Gutachten von XXXX stelle ein neues Beweismittel dar, welches jene Tatsachen in Zweifel ziehe, auf welche sich das Bundesverwaltungsgericht im Hinblick auf die Annahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative tragend gestützt habe. Es liege daher ein tauglicher Wiederaufnahmegrund vor, der geeignet sei, im Hauptinhalt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes ein anders lautendes Erkenntnis herbeizuführen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Rechtliche Beurteilung:

Der vom Beschwerdeführer geltend gemachte Wiederaufnahmegrund im Sinne des § 32 Abs. 1 Z 2 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) setzt unter anderem voraus, dass neue Tatsachen oder Beweismittel hervorkommen, die im Verfahren ohne Verschulden der Partei nicht geltend gemacht werden konnten und allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens voraussichtlich ein im Hauptinhalt des Spruchs anders lautendes Erkenntnis herbeigeführt hätten.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 32 Abs. 1 Z 2 VwGVG rechtfertigen neu hervorgekommene Tatsachen und Beweismittel (also solche, die bereits zur Zeit des früheren Verfahrens bestanden haben, aber erst später bekannt wurden) - bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen - eine Wiederaufnahme des Verfahrens, wenn sie die Richtigkeit des angenommenen Sachverhalts in einem wesentlichen Punkt als zweifelhaft erscheinen lassen; gleiches gilt nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes für neu entstandene Beweismittel, sofern sie sich auf "alte" - d.h. nicht erst nach Abschluss des wiederaufzunehmenden Verfahrens entstandene - Tatsachen beziehen (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 8. September 2015, Ra 2014/18/0089, mwN).

Die Wiederaufnahme des Verfahrens setzt weiters die Eignung der neuen Tatsachen oder Beweismittel voraus, dass diese allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens voraussichtlich ein im Hauptinhalt des Spruchs anders lautendes Ergebnis herbeigeführt hätten. Ob diese Eignung vorliegt, ist eine Rechtsfrage, die im Wiederaufnahmeverfahren zu beantworten ist; ob tatsächlich ein anderes Ergebnis des Verfahrens zustande kommt, ist sodann eine Frage, die im wiederaufgenommenen Verfahren zu klären ist (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 19. April 2007, 2004/09/0159).

Tauglich ist ein Beweismittel als Wiederaufnahmegrund (ungeachtet des Erfordernisses der Neuheit) also nur dann, wenn es nach seinem objektiven Inhalt und unvorgreiflich der Bewertung seiner Glaubwürdigkeit die abstrakte Eignung besitzt, jene Tatsachen in Zweifel zu ziehen, auf welche das Bundesverwaltungsgericht entweder die den Gegenstand des Wiederaufnahmeverfahrens bildende Entscheidung oder zumindest die zum Ergebnis dieser Entscheidung führende Beweiswürdigung tragend gestützt hat (vgl. das bereits zitierte Erkenntnis vom 19. April 2007).

Im vorliegenden Fall hat sich das Bundesverwaltungsgericht - entgegen der Behauptung des Beschwerdeführers - bei seiner Feststellung zur (Versorgungs)Lage in Afghanistan nicht allein (tragend) auf das Gutachten von XXXX gestützt, sondern diesbezüglich auch die damit in Einklang stehenden Angaben im Länderinformationsblatt der Staatendokumentation herangezogen. Da somit aber die vorliegende Entscheidung jedenfalls durch das - nicht in Zweifel gezogene - Länderinformationsblatt getragen und damit auch gedeckt wird, kann das - das Gutachten von XXXX als völlig ungeeignet bezeichnende - Gutachten von XXXX keinesfalls als die Entscheidung geeignet zu widerlegen und damit als tauglicher Wiederaufnahmegrund gewertet werden.

Hinzu kommt, dass dem Beschwerdeführer bereits im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht ausreichend Gelegenheit eingeräumt wurde, sich zum - ihm am 30. August 2017 übermittelten - Gutachten von XXXX zu äußern. Gründe, die den Beschwerdeführer daran gehindert hätten, das gegenständliche Gutachten zumindest bis zum Abschluss des Verfahrens am 21. Dezember 2017 in das Verfahren einzubringen, sind nicht hervorgekommen bzw. wurden solche auch gar nicht behauptet. Es kann daher im vorliegenden Fall nicht davon ausgegangen werden, dass das vom Beschwerdeführer ins Treffen geführte Gutachten im abgeschlossenen Asylverfahren nicht ohne sein Verschulden im Sinne des § 32 Abs. 1 Z 2 VwGVG geltend gemacht werden konnte, weshalb auch aus diesen Erwägungen die Voraussetzungen für die Bewilligung der Wiederaufnahme nicht vorlagen (vgl. dazu die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 14. November 2012, 2010/08/0165 und vom 16. September 2009, 2005/10/0107 zur inhaltsgleichen Bestimmung des § 69 Abs. 1 Z 2 AVG u.v.m.).

Eine nähere Auseinandersetzung damit, ob es sich beim vorliegenden Gutachten überhaupt um ein zur Wiederaufnahme taugliches neues Beweismittel handelt, konnte aufgrund der obigen Erwägungen daher unterbleiben (siehe dazu das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 11. November 2016, Ra 2016/12/0096 m.w.H.).

Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte vor dem Hintergrund, dass der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde als geklärt anzusehen war, gemäß § 21 Abs 7 BFA-VG entfallen.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden, und zwar unabhängig davon, ob im Asylverfahren eine Entscheidung eines Höchstgerichts noch möglich bzw. ausständig ist (siehe dazu das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 13. Dezember 2016, G 248/2016 , mit welchem u.a., die Wortfolge in § 32 Abs. 1 VwGVG alte Fassung "eine Revision beim Verwaltungsgerichtshof gegen das Erkenntnis nicht mehr zulässig ist und" als verfassungswidrig aufgehoben wurde; siehe auch das in diesem Zusammenhang ergangene Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 7. März 2017, Ro 2016/02/0001, wonach es unsachlich und auch nicht mit dem Grundsatz eines effektiven Rechtsschutzes vereinbar sei, mit der Entscheidung über den Wiederaufnahmeantrag solange zuwarten zu müssen, bis der Verwaltungsgerichtshof über die Revision entschieden hat.).

Damit erübrigt sich eine Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts über den Antrag des Beschwerdeführers auf Erlassung einer einstweiligen Anordnung nach dem Unionsrecht.

Zu Spruchpunkt B.

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt.

Weder mangelt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. die oben angeführten Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes), noch weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab; diese ist auch nicht uneinheitlich.

Sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage liegen nicht vor.

Schlagworte

Gutachten, Verschulden, Voraussetzungen, Wiederaufnahme,
Wiederaufnahmegrund, Wiederaufnahmsantrag

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:W256.2144121.2.00

Zuletzt aktualisiert am

13.03.2018
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten