TE Bvwg Erkenntnis 2018/3/6 W246 2136935-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 06.03.2018
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Entscheidungsdatum

06.03.2018

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1 Z1
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §50
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2
VwGVG §31 Abs1

Spruch

W246 2136935-1/12E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

I. Das Bundesverwaltungsgericht beschließt durch den Richter Dr. Heinz VERDINO als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Mario ZÜGER, gegen Spruchpunkt I. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 23.09.2016, Zl. 1054403609-150304681:

A) Das Verfahren wird wegen Zurückziehung der Beschwerde gemäß § 28 Abs. 1 iVm § 31 Abs. 1 VwGVG eingestellt.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

II. Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Dr. Heinz VERDINO als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Mario ZÜGER, gegen die Spruchpunkte II., III. und IV. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 23.09.2016, Zl. 1054403609-150304681, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht:

A) Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer reiste illegal nach Österreich ein und stellte am 24.03.2015 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.

2. Am 26.03.2015 fand vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes die niederschriftliche Erstbefragung des Beschwerdeführers statt.

3. Am 19.07.2016 und 19.08.2016 erfolgten die niederschriftlichen Einvernahmen des Beschwerdeführers vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl. Dabei führte er im Wesentlichen an, dass es in seinem Heimatdorf Streitigkeiten mit einer anderen Familie gegeben habe, bei welchen ein Mitglied der anderen Familie getötet und das Haus seiner Familie niedergebrannt worden sei. Da der Beschwerdeführer von dieser anderen Familie bedroht worden sei, sei er zu seinem Onkel nach Kandahar gezogen und habe dort viele Jahre für ihn gearbeitet. In weiterer Folge habe der Beschwerdeführer begonnen, auf einem Stützpunkt für die Amerikaner zu arbeiten, woraufhin sein Vater von den Taliban aufgefordert worden sei, ihnen den Beschwerdeführer zu übergeben; dabei hätten sie auch einen Drohbrief hinterlassen und seinen Vater persönlich bedroht. Aus diesem Grund habe der Beschwerdeführer schließlich Afghanistan verlassen.

Der Beschwerdeführer legte in seiner Einvernahme vom 19.07.2016 u.a. eine Tazkira, ein Zertifikat von Omega vom 15.04.2016 hinsichtlich seiner Teilnahme am Modulprogramm "Zukunftsperspektiven und Zielfindung für junge MigrantInnen", eine Bestätigung der Caritas vom 18.07.2016 hinsichtlich seiner Teilnahme an einer außerordentlichen Spracherwerbsmaßnahme sowie einen Antrag auf Mitgliedschaft im McFIT-Fitnesscenter vor.

4. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl wies den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz mit dem im Spruch genannten Bescheid bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten in Spruchpunkt I. gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100 idF BGBl. I Nr. 24/2016, und bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan in Spruchpunkt II. gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 leg.cit. ab. Weiters wurde dem Beschwerdeführer kein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 leg.cit. erteilt, ihm gegenüber gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 leg.cit. iVm § 9 BFA-VG, BGBl. I Nr. 87/2012 idF BGBl. I Nr. 25/2016, eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG, BGBl. I Nr. 100/2005 idF BGBl. I Nr. 24/2016, erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 leg.cit. festgestellt, dass seine Abschiebung nach Afghanistan gemäß § 46 leg.cit. zulässig sei (Spruchpunkt III.). Schließlich sprach das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl aus, dass gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 leg.cit. die Frist für die freiwillige Ausreise zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt IV.).

Die Abweisung des Antrages auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten begründete das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl im Wesentlichen damit, dass das Vorbringen des Beschwerdeführers vage sowie widersprüchlich und daher nicht glaubhaft sei. Zu Spruchpunkt II. führte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl aus, dass der Beschwerdeführer entweder zu seiner Familie in die Herkunftsprovinz zurückkehren oder aber sich alleine in Kabul, Herat oder einer anderen Großstadt Afghanistans ansiedeln könne. Schließlich führt der angefochtene Bescheid aus, dass die öffentlichen Interessen an der Außerlandesbringung des Beschwerdeführers gegenüber seinen privaten Interessen am Verbleib in Österreich überwiegen würden und ein Eingriff in seine durch Art. 8 EMRK geschützten Rechte daher als gerechtfertigt anzusehen sei.

5. Mit Verfahrensanordnung vom 27.09.2016 wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG, BGBl. I Nr. 87/2012 idF BGBl. I Nr. 25/2016, der Verein Menschenrechte Österreich als Rechtsberater für das Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht zur Seite gestellt.

6. Der Beschwerdeführer erhob gegen den oben angeführten Bescheid fristgerecht Beschwerde, welche am 06.10.2016 beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl einlangte. Diese führt unter Verweis auf diverse Länderberichte zur Frage der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten aus, dass die Lage sowohl in der Provinz Paktia als auch in der Provinz Kandahar prekär sei, weshalb der Beschwerdeführer dorthin nicht zurückkehren könne. In Kabul kenne sich der Beschwerdeführer nicht aus und habe er dort auch niemanden, wobei sich auch die Sicherheitslage in Kabul verschlechtert habe.

7. Mit Schreiben vom 22.10.2016 zog der Beschwerdeführer im Wege seines Rechtsvertreters die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des oben angeführten Bescheides zurück und erstattete hinsichtlich der gegen die Spruchpunkte II. sowie III. des angefochtenen Bescheides eingebrachten Beschwerde ein ergänzendes Vorbringen:

Unter Verweis auf "Gutachten" zweier länderkundiger Sachverständigen, Länderberichte und entsprechende Judikate führt der Beschwerdeführer aus, dass die Sicherheitslage in den Provinzen Paktia und Kandahar äußerst volatil sei und dem Beschwerdeführer eine Rückkehr in eine dieser Provinzen nicht zumutbar sei. Auch eine Ansiedlung in der Stadt Kabul sei im Fall des Beschwerdeführers auf Grund seiner fehlenden sozialen sowie familiären Anknüpfungspunkte, seiner mangelnden Ortskenntnisse, seiner fehlenden Schul- sowie Berufsausbildung, seiner prekären finanziellen Situation und der nicht möglichen finanziellen Unterstützung durch seine Familienangehörigen nicht zumutbar. Der Beschwerdeführer würde bei einer Außerlandesschaffung mit hoher Wahrscheinlichkeit in Afghanistan keine Lebensgrundlage vorfinden, also die Grundbedürfnisse der menschlichen Existenz nicht decken können, und in eine ausweglose Situation geraten.

8. Mit Schreiben vom 31.07.2017 nahm der Beschwerdeführer im Wege seines Rechtsvertreters zu den vom Bundesverwaltungsgericht mit der Ladung zur mündlichen Verhandlung am 03.08.2017 übermittelten Länderberichten Stellung und wies dabei zunächst unter Zitierung von Länderberichten abermals auf die schlechte Sicherheitslage in den Provinzen Paktia und Kandahar hin.

Darüber hinaus geht die Stellungnahme ausführlich auf das mit der Ladung übermittelte Gutachten des Mag. Mahringer vom 05.03.2017 zur Sicherheits- und Versorgungslage in der Stadt Kabul ein und weist hierbei unter Anführung diverser Länderberichte und gutachterlicher Stellungnahmen (v.a. Anmerkungen von UNHCR von Dezember 2016 zur Situation in Afghanistan; Update der Schweizerischen Flüchtlingshilfe zur aktuellen Sicherheitslage in Afghanistan vom 30.09.2016; Bericht von Amnesty International vom 31.05.2016;

Länderinformationsblatt von IOM zu Afghanistan von 2016;

gutachterliche Stellungnahme des Dr. Rasuly vom 03.01.2017) auf das Wesentliche zusammengefasst auf die auf Grund mangelnder Ressourcen äußerst prekäre wirtschaftliche Lage von afghanischen Staatsangehörigen hin, die nach Afghanistan zurückkehren und sich dort in der Stadt Kabul ansiedeln.

9. Das Bundesverwaltungsgericht führte am 03.08.2017 u.a. in Anwesenheit des Rechtsvertreters des Beschwerdeführers eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, in der er ausführlich zu seinen persönlichen Umständen im Herkunftsstaat und seiner Integration in Österreich befragt wurde.

Dabei führte der Beschwerdeführer an, die Stadt Kabul lediglich durchreist zu haben, nachdem er sein Heimatdorf verlassen habe und aus Afghanistan ausgereist sei. Er habe in der Stadt Kabul keine Verwandten oder sonstige Bekannte. Da er weder über eine Schul- noch über eine Berufsausbildung verfüge, könne er im Fall einer Rückkehr nach Afghanistan und einer Ansiedlung in der Stadt Kabul auch keine Arbeit finden, von der überleben könnte. Die finanzielle Lage seiner Familienangehörigen im Heimatdorf sei schlecht, eine Unterstützung durch diese sei daher nicht zu erwarten.

Der Beschwerdeführer legte in der mündlichen Verhandlung Auszüge aus dem EASO-Bericht von November 2016 zu Paktia und Kandahar vor, die dem Verhandlungsprotokoll als Beilagen angeschlossen wurden.

10. Mit Schreiben des Bundesverwaltungsgerichtes vom 14.12.2017 wurden dem Beschwerdeführer aktuelle Länderberichte (Ruttig, Notiz Afghanistan, Referat vom 12.04.2017; Stahlmann, Überleben in Afghanistan? Asylmagazin 3/2017; Kurzinformationen der Staatendokumentation vom 22.06.2017 und 25.09.2017 zum Länderinformationsblatt von März 2017) übermittelt und ihm Gelegenheit gegeben, zu diesen innerhalb einer zweiwöchigen Frist Stellung zu nehmen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der entscheidungsrelevante Sachverhalt steht fest. Auf Grundlage des eingebrachten Antrages auf internationalen Schutz, der Erstbefragung sowie der Einvernahmen des Beschwerdeführers durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes sowie des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, der Beschwerde gegen den im Spruch genannten Bescheid, des Schreibens vom 22.10.2016 sowie der Stellungnahme vom 31.07.2017, der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht, der im Verfahren vorgelegten Dokumente und der Einsichtnahme in den Bezug habenden Verwaltungsakt, das Zentrale Melderegister, das Fremdeninformationssystem, das Strafregister sowie das Grundversorgungs-Informationssystem werden folgende Feststellungen getroffen und der Entscheidung zugrunde gelegt:

1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:

1.1.1. Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Afghanistan, Angehöriger der Volksgruppe der Paschtunen und sunnitischer Muslim. Die Muttersprache des Beschwerdeführers ist Paschtu.

Er führt den Namen XXXX und ist am XXXX in einem Dorf in der Provinz Paktia geboren, wo für zwei Jahre die Schule besuchte. Im Alter zwischen zehn und zwölf Jahren zog der Beschwerdeführer zu einem Onkel mütterlicherseits in die Provinz Kandahar, wo er im Restaurant dieses Onkels vorwiegend als Reinigungskraft und teilweise auch als Kellner sowie Abwäscher arbeitete, wodurch er die Familie in seiner Herkunftsprovinz unterstützen konnte. Der Beschwerdeführer übte diese Tätigkeit bis ca. zweieinhalb Jahre vor seiner Ausreise aus Afghanistan aus. Die letzten zweieinhalb Jahre vor seiner Ausreise aus Afghanistan war der Beschwerdeführer auf einer Militärbasis der US-Amerikaner als Küchengehilfe und auch als "Security" tätig.

Der Beschwerdeführer ist ein junger und gesunder Mann, der nicht verheiratet und kinderlos ist. Der Vater, die Mutter, die drei Schwestern und ein Bruder des Beschwerdeführers sind nach wie vor in Paktia aufhältig; der Aufenthaltsort seines weiteren Bruders ist dem Beschwerdeführer nicht bekannt.

1.1.2. Der Beschwerdeführer reiste aus Afghanistan aus und gelangte illegal nach Österreich, wo er am 24.03.2015 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz stellte.

1.1.3. Der Beschwerdeführer befindet sich seit seiner Antragstellung im März 2015 auf Grund einer vorübergehenden Aufenthaltsberechtigung nach dem AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100 idF BGBl. I Nr. 145/2017, (in der Folge: AsylG 2005) durchgehend rechtmäßig im Bundesgebiet. Er bezieht seit seiner Einreise beinahe durchgehend Leistungen aus der vorübergehenden Grundversorgung.

Der Beschwerdeführer übt zwar in Österreich keine berufliche Tätigkeit aus, leistet jedoch freiwillige Hilfsarbeiten (Reinigungs- und Gartenarbeiten) bei einem älteren österreichischen Ehepaar. Er besuchte in der Zeit seines Aufenthaltes in Österreich Deutschkurse und verfügt über einfache Deutschkenntnisse. Weiters nahm er am Modulprogramm "Zukunftsperspektiven und Zielfindung für junge MigrantInnen" teil. In seiner Freizeit treibt der Beschwerdeführer Sport (u.a. Fitnesscenter).

Der Beschwerdeführer ist in Österreich strafgerichtlich unbescholten.

1.2. Zu einer möglichen Rückkehr des Beschwerdeführers in den Herkunftsstaat:

Dem Beschwerdeführer würde bei einer Rückkehr nach Afghanistan in die Provinz Paktia oder in die Provinz Kandahar jeweils ein Eingriff in seine körperliche Unversehrtheit drohen. Bei einer Rückkehr nach Afghanistan und einer Ansiedlung außerhalb dieser Provinzen, insbesondere in der Stadt Kabul, die über den Luftweg sicher erreichbar ist, würde ihm kein Eingriff in seine körperliche Unversehrtheit drohen; er liefe dort nicht Gefahr, grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse wie Nahrung, Kleidung sowie Unterkunft nicht befriedigen zu können und in eine ausweglose bzw. existenzbedrohende Situation zu geraten.

1.3. Zur maßgeblichen Situation in Afghanistan:

1.3.1. Auszug aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 02.03.2017 samt Aktualisierung von September 2017 (bereinigt um grammatikalische und orthographische Fehler):

Sicherheitslage

Allgemeines

Die Sicherheitslage ist beeinträchtigt durch eine tief verwurzelte militante Opposition. Die afghanische Regierung behält die Kontrolle über Kabul, größere Bevölkerungszentren, Transitrouten, Provinzhauptstädte und den Großteil der Distriktzentren. Die afghanischen Sicherheitskräfte zeigten Entschlossenheit und steigerten auch weiterhin ihre Leistungsfähigkeit im Kampf gegen den von den Taliban geführten Aufstand. Die Taliban kämpften weiterhin um Distriktzentren, bedrohten Provinzhauptstädte und eroberten landesweit kurzfristig Hauptkommunikationsrouten - speziell in Gegenden von Bedeutung wie z.B. Kunduz City und der Provinz Helmand (USDOD 12.2016). Zu Jahresende haben die afghanischen Sicherheitskräfte (ANDSF) Aufständische in Gegenden von Helmand, Uruzgan, Kandahar, Kunduz, Laghman, Zabul, Wardak und Faryab bekämpft (SIGAR 30.1.2017).

In den letzten zwei Jahren hatten die Taliban kurzzeitig Fortschritte gemacht, wie z.B. in Helmand und Kunduz, nachdem die ISAF-Truppen die Sicherheitsverantwortung den afghanischen Sicherheits- und Verteidigungskräften (ANDSF) übergeben hatten. Die Taliban nutzen die Schwächen der ANDSF aus, wann immer sie Gelegenheit dazu haben. Der IS (Islamischer Staat) ist eine neue Form des Terrors im Namen des Islam, ähnlich der al-Qaida, auf zahlenmäßig niedrigerem Niveau, aber mit einem deutlich brutaleren Vorgehen. Die Gruppierung operierte ursprünglich im Osten entlang der afghanisch-pakistanischen Grenze und erscheint Einzelberichten zufolge auch im Nordosten und Nordwesten des Landes (lokaler Sicherheitsberater in Afghanistan, 17.2.2017).

Mit Stand September 2016 schätzt die Unterstützungsmission der NATO, dass die Taliban rund 10% der Bevölkerung beeinflussen oder kontrollieren. Die afghanischen Verteidigungsstreitkräfte (ANDSF) waren im Allgemeinen in der Lage, große Bevölkerungszentren zu beschützen. Sie hielten die Taliban davon ab, Kontrolle in bestimmten Gegenden über einen längeren Zeitraum zu halten und reagierten auf Talibanangriffe. Den Taliban hingegen gelang es, ländliche Gegenden einzunehmen; sie kehrten in Gegenden zurück, die von den ANDSF bereits befreit worden waren, und in denen die ANDSF ihre Präsenz nicht halten konnten. Sie führten außerdem Angriffe durch, um das öffentliche Vertrauen in die Sicherheitskräfte der Regierung, und deren Fähigkeit, für Schutz zu sorgen, zu untergraben (USDOD 12.2016). Berichten zufolge hat sich die Anzahl direkter Schussangriffe der Taliban gegen Mitglieder der afghanischen Nationalarmee (ANA) und afghaninischen Nationalpolizei (ANP) erhöht (SIGAR 30.1.2017).

Einem Bericht des U.S.-amerikanischen Pentagons zufolge haben die afghanischen Sicherheitskräfte Fortschritte gemacht, wenn auch keine dauerhaften (USDOD 12.2016). Laut Innenministerium wurden im Jahr 2016 im Zuge von militärischen Operationen - ausgeführt durch die Polizei und das Militär - landesweit mehr als 18.500 feindliche Kämpfer getötet und weitere 12.000 verletzt. Die afghanischen Sicherheitskräfte versprachen, sie würden auch während des harten Winters gegen die Taliban und den Islamischen Staat vorgehen (VOA 5.1.2017).

Obwohl die afghanischen Sicherheitskräfte alle Provinzhauptstädte sichern konnten, wurden sie von den Taliban landesweit herausgefordert: Intensive bewaffnete Zusammenstöße zwischen Taliban und afghanischen Sicherheitskräften verschlechterten die Sicherheitslage im Berichtszeitraum (16.8. - 17.11.2016) (UN GASC 13.12.2016; vgl. auch SCR 30.11.2016). Den afghanischen Sicherheitskräften gelang es im August 2016, mehrere große Talibanangriffe auf verschiedene Provinzhauptstädte zu vereiteln und verlorenes Territorium rasch wieder zurückzuerobern (USDOD 12.2016).

Kontrolle von Distrikten und Regionen

Den Aufständischen misslangen acht Versuche, die Provinzhauptstadt einzunehmen; den Rebellen war es möglich, Territorium einzunehmen. High-profile Angriffe hielten an. Im vierten Quartal 2016 waren 2,5 Millionen Menschen unter direktem Einfluss der Taliban, während es im 3. Quartal noch 2,9 Millionen waren (SIGAR 30.1.2017).

Laut einem Sicherheitsbericht für das vierte Quartal sind 57,2% der 407 Distrikte unter Regierungskontrolle bzw. -einfluss; dies bedeutet einen Rückgang von 6,2% gegenüber dem dritten Quartal: Zu jenem Zeitpunkt waren 233 Distrikte unter Regierungskontrolle, 51 Distrikte waren unter Kontrolle der Rebellen und 133 Distrikte waren umkämpft. Provinzen mit der höchsten Anzahl an Distrikten unter Rebelleneinfluss oder -kontrolle waren Uruzgan mit 5 von 6 Distrikten und Helmand mit 8 von 14 Distrikten. Regionen, in denen Rebellen den größten Einfluss oder Kontrolle haben, konzentrieren sich auf den Nordosten in Helmand, den Nordwesten von Kandahar und die Grenzregion der beiden Provinzen (Kandahar und Helmand) sowie Uruzgan und das nordwestliche Zabul (SIGAR 30.1.2017).

Rebellengruppen

Regierungsfeindliche Elemente versuchten weiterhin durch Bedrohungen, Entführungen und gezielte Tötungen ihren Einfluss zu verstärken. Im Berichtszeitraum wurden 183 Mordanschläge registriert, davon sind 27 gescheitert. Dies bedeutet einen Rückgang von 32% gegenüber dem Vergleichszeitraum im Jahr 2015 (UN GASC 13.12.2016). Rebellengruppen, inklusive hochrangiger Führer der Taliban und des Haqqani Netzwerkes, behielten ihre Rückzugsgebiete auf pakistanischem Territorium (USDOD 12.2016).

Afghanistan ist mit einer Bedrohung durch militante Opposition und extremistischen Netzwerken konfrontiert; zu diesen zählen die Taliban, das Haqqani Netzwerk und in geringerem Maße al-Qaida und andere Rebellengruppen und extremistische Gruppierungen. Die Vereinigten Staaten von Amerika unterstützen eine von Afghanen geführte und ausgehandelte Konfliktresolution in Afghanistan - gemeinsam mit internationalen Partnern sollen die Rahmenbedingungen für einen friedlichen politischen Vergleich zwischen afghanischer Regierung und Rebellengruppen geschaffen werden (USDOD 12.2016).

Zwangsrekrutierungen durch die Taliban, Milizen, Warlords oder kriminelle Banden sind nicht auszuschließen. Konkrete Fälle kommen jedoch aus Furcht vor Konsequenzen für die Rekrutierten oder ihren Familien kaum an die Öffentlichkeit (AA 9.2016).

Taliban und ihre Offensive

Die afghanischen Sicherheitskräfte behielten die Kontrolle über große Ballungsräume und reagierten rasch auf jegliche Gebietsgewinne der Taliban (USDOD 12.2016). Die Taliban erhöhten das Operationstempo im Herbst 2016, indem sie Druck auf die Provinzhauptstädte von Helmand, Uruzgan, Farah und Kunduz ausübten sowie die Regierungskontrolle in Schlüsseldistrikten beeinträchtigten und versuchten, Versorgungsrouten zu unterbrechen (UN GASC 13.12.2016). Die Taliban verweigern einen politischen Dialog mit der Regierung (SCR 12.2016).

Die Taliban haben die Ziele ihrer Offensive "Operation Omari" im Jahr 2016 verfehlt (USDOD 12.2016). Ihr Ziel waren großangelegte Offensiven gegen Regierungsstützpunkte, unterstützt durch Selbstmordattentate und Angriffe von Aufständischen, um die vom Westen unterstützte Regierung zu vertreiben (Reuters 12.4.2016). Gebietsgewinne der Taliban waren nicht dauerhaft, nachdem die ANDSF immer wieder die Distriktzentren und Bevölkerungsgegenden innerhalb eines Tages zurückerobern konnte. Die Taliban haben ihre lokalen und temporären Erfolge ausgenutzt, indem sie diese als große strategische Veränderungen in sozialen Medien und in anderen öffentlichen Informationskampagnen verlautbarten (USDOD12.2016). Zusätzlich zum bewaffneten Konflikt zwischen den afghanischen Sicherheitskräften und den Taliban kämpften die Taliban gegen den ISIL-KP (Islamischer Staat in der Provinz Khorasan) (UN GASC 13.12.2016).

Der derzeitig Talibanführer Mullah Haibatullah Akhundzada hat im Jänner 2017 16 Schattengouverneure in Afghanistan ersetzt, um seinen Einfluss über den Aufstand zu stärken. Aufgrund interner Unstimmigkeiten und Überläufern zu feindlichen Gruppierungen wie dem Islamischen Staat waren die afghanischen Taliban geschwächt. Hochrangige Quellen der Taliban waren der Meinung, die neu ernannten Gouverneure würden den Talibanführer stärken, dennoch gab es keine Veränderung in Helmand. Die südliche Provinz - größtenteils unter Talibankontrolle - liefert der Gruppe den Großteil der finanziellen Unterstützung durch Opium. Behauptet wird, Akhundzada hätte nicht den gleichen Einfluss über Helmand wie einst Mansour (Reuters 27.1.2017).

Im Mai 2016 wurde der Talibanführer Mullah Akhtar Mohammad Mansour durch eine US-Drohne in der Provinz Balochistan in Pakistan getötet (BBC News 22.5.2016; vgl. auch: The National 13.1.2017). Zum Nachfolger wurde Mullah Haibatullah Akhundzada ernannt - ein ehemaliger islamischer Rechtsgelehrter -, der bis zu diesem Zeitpunkt als einer der Stellvertreter diente (Reuters 25.5.2016; vgl. auch: The National 13.1.2017). Dieser ernannte als Stellvertreter Sirajuddin Haqqani, den Sohn des Führers des Haqqani-Netzwerkes (The National 13.1.2017) und Mullah Yaqoub, Sohn des Talibangründers Mullah Omar (DW 25.5.2016).

Haqqani-Netzwerk

Das Haqqani-Netzwerk ist eine sunnitische Rebellengruppe, die durch Jalaluddin Haqqani gegründet wurde. Sirajuddin Haqqani, Sohn des Jalaluddin, führt das Tagesgeschäft, gemeinsam mit seinen engsten Verwandten (NCTC o.D.). Sirajuddin Haqqani wurde zum Stellvertreter des Talibanführers Mullah Haibatullah Akhundzada ernannt (The National 13.1.2017).

Das Netzwerk ist ein Verbündeter der Taliban - dennoch ist es kein Teil der Kernbewegung (CRS 26.5.2016). Das Netzwerk ist mit anderen terroristischen Organisationen in der Region, inklusive al-Qaida und den Taliban, verbündet (Khaama Press 16.10.2014). Die Stärke des Haqqani-Netzwerks wird auf 3.000 Kämpfer geschätzt (CRS 12.1.2017). Das Netzwerk ist hauptsächlich in Nordwaziristan (Pakistan) zu verorten und führt grenzübergreifende Operationen nach Ostafghanistan und Kabul durch (NCTC o.D.).

Das Haqqani-Netzwerk ist fähig - speziell in der Stadt Kabul - Operationen durchzuführen; es finanziert sich durch legale und illegale Geschäfte in den Gegenden Afghanistans, in denen es eine Präsenz hat, aber auch in Pakistan und im Persischen Golf. Das Netzwerk führt vermehrt Entführungen aus - wahrscheinlich um sich zu finanzieren und seine Wichtigkeit zu stärken (CRS 12.1.2017).

Kommandanten des Haqqani-Netzwerks sagten zu Journalist/innen, das Netzwerk sei bereit, eine politische Vereinbarung mit der afghanischen Regierung zu treffen, sofern sich die Taliban dazu entschließen würden, eine solche Vereinbarung einzugehen (CRS 12.1.2017).

Al-Qaida

Laut US-amerikanischen Beamten war die Präsenz von al-Qaida in den Jahren 2001 bis 2015 minimal (weniger als 100 Kämpfer); al-Qaida fungierte als Unterstützer für Rebellengruppen (CRS 12.1.2017). Im Jahr 2015 entdeckten und zerstörten die afghanischen Sicherheitskräfte gemeinsam mit US-Spezialkräften ein Camp der al-Quaida in der Provinz Kandahar (CRS 12.1.2017; vgl. auch: FP 2.11.2015); dabei wurden 160 Kämpfer getötet (FP 2.11.2015). Diese Entdeckung deutet darauf hin, dass al-Qaida die Präsenz in Afghanistan vergrößert hat. US-amerikanische Kommandanten bezifferten die Zahl der Kämpfer in Afghanistan mit 100 - 300, während die afghanischen Behörden die Zahl der Kämpfer auf 300 - 500 schätzten (CRS 12.1.2017). Im Dezember 2015 wurde berichtet, dass al-Qaida sich primär auf den Osten und Nordosten konzentrierte und nicht wie ursprünglich von US-amerikanischer Seite angenommen nur auf Nordostafghanistan (LWJ 16.4.2016).

IS/ISIS/ISIL/ISKP/ISIL-K/Daesh - Islamischer Staat

Seit dem Jahr 2014 hat die Terrorgruppe Islamischer Staat (IS) eine kleine Präsenz in Afghanistan etabliert (RAND 28.11.2016). Die Führer des IS nennen diese Provinz Wilayat Khorasan - in Anlehnung an die historische Region, die Teile des Irans, Zentralasien, Afghanistan und Pakistan beinhaltete (RAND 28.11.2016; vgl. auch:

MEI 5.2016). Anfangs wuchs der IS schnell (MEI 5.2016). Der IS trat im Jahr 2014 in zwei getrennten Regionen in Afghanistan auf: In den östlichsten Regionen Nangarhars, an der AfPak-Grenze und im Distrikt Kajaki in der Provinz Helmand (USIP 3.11.2016).

Trotz Bemühungen, seine Macht und seinen Einfluss in der Region zu vergrößern, kontrolliert der IS nahezu kein Territorium außer kleineren Gegenden wie z.B. die Distrikte Deh Bala, Achin und Naziyan in der östlichen Provinz Nangarhar (RAND 28.11.2016; vgl. auch: USIP 3.11.2016). Zwar kämpfte der IS hart in Afghanistan, um Fuß zu fassen. Die Gruppe wird von den Ansässigen jedoch großteils als fremde Kraft gesehen (MEI 5.2016). Nur eine handvoll Angriffe führte der IS in der Region durch. Es gelang ihm nicht, sich die Unterstützung der Ansässigen zu sichern; auch hatte er mit schwacher Führung zu kämpfen (RAND 28.11.2016). Der IS hatte mit Verlusten zu kämpfen (MEI 5.2016). Unterstützt von internationalen Militärkräften führten die afghanischen Sicherheitskräfte regelmäßig Luft- und Bodenoperationen gegen den IS in den Provinzen Nangarhar und Kunar durch - dies verkleinerte die Präsenz der Gruppe in beiden Provinzen. Eine kleinere Präsenz des IS existiert in Nuristan (UN GASC 13.12.2016).

Auch wenn die Gruppierung weiterhin interne Streitigkeiten der Taliban ausnützt, um die Präsenz zu halten, ist sie mit einem harten Kampf konfrontiert, um permanenter Bestandteil komplexer afghanischer Stammes- und Militärstrukturen zu werden. Anhaltender Druck durch US-amerikanische Luftangriffe haben weiterhin die Möglichkeiten des IS in Afghanistan untergraben; auch wird der IS weiterhin davon abgehalten, seinen eigenen Bereich in Afghanistan einzunehmen (MEI 5.2016). Laut US-amerikanischem Außenministerium hat der IS keinen sicherheitsrelevanten Einfluss außerhalb von isolierten Provinzen in Ostafghanistan (SIGAR 30.1.2017).

Unterstützt von internationalen Militärkräften führten die afghanischen Sicherheitskräfte regelmäßig Luft- und Bodenoperationen gegen den IS in den Provinzen Nangarhar und Kunar durch - dies verkleinerte die Präsenz der Gruppe in beiden Provinzen. Eine kleinere Präsenz des IS existiert in Nuristan (UN GASC 13.12.2016).

Presseberichten zufolge betrachtet die afghanische Bevölkerung die Talibanpraktiken als moderat im Gegensatz zu den brutalen Praktiken des IS. Kämpfer der Taliban und des IS gerieten aufgrund politischer oder anderer Differenzen, aber auch aufgrund der Kontrolle von Territorium, aneinander (CRS 12.1.2017).

Zivile Opfer

Die Mission der Vereinten Nationen in Afghanistan (UNAMA) dokumentiert weiterhin regierungsfeindliche Elemente, die illegale und willkürliche Angriffe gegen Zivilist/innen ausführen (UNAMA 10.2016). Zwischen 1.1. und 31.12.2016 registrierte UNAMA 11.418 zivile Opfer (3.498 Tote und 7.920 Verletzte) - dies deutet einen Rückgang von 2% bei Getöteten und eine Erhöhung um 6% bei Verletzten im Gegensatz zum Vergleichszeitraum des Jahres 2015 an. Bodenkonfrontation waren weiterhin die Hauptursache für zivile Opfer, gefolgt von Selbstmordangriffen und komplexen Attentaten sowie unkonventionellen Spreng- und Brandvorrichtungen (IED) und gezielter und willkürlicher Tötungen (UNAMA 6.2.2017).

UNAMA verzeichnete 3.512 minderjährige Opfer (923 Kinder starben und 2.589 wurden verletzt) - eine Erhöhung von 24% gegenüber dem Vergleichszeitraum des Vorjahres; die höchste Zahl an minderjährigen Opfern seit Aufzeichnungsbeginn. Hauptursache waren Munitionsrückstände, deren Opfer meist Kinder waren. Im Jahr 2016 wurden 1.218 weibliche Opfer registriert (341 Tote und 877 Verletzte), dies deutet einen Rückgang von 2% gegenüber dem Vorjahr an (UNAMA 6.2.2017).

Hauptsächlich waren die südlichen Regionen von dem bewaffneten Konflikt betroffen: 2.989 zivile Opfer (1.056 Tote und 1.933 Verletzte) - eine Erhöhung von 17% gegenüber dem Jahr 2015. In den zentralen Regionen wurde die zweithöchste Rate an zivilen Opfern registriert: 2.348 zivile Opfer (534 Tote und 1.814 Verletzte) - eine Erhöhung von 34% gegenüber dem Vorjahreswert, aufgrund von Selbstmordangriffen und komplexen Angriffen auf die Stadt Kabul. Die östlichen und nordöstlichen Regionen verzeichneten einen Rückgang bei zivilen Opfern: 1.595 zivile Opfer (433 Tote und 1.162 Verletzte) im Osten und 1.270 zivile Opfer (382 Tote und 888 Verletzte) in den nordöstlichen Regionen. Im Norden des Landes wurden 1.362 zivile Opfer registriert (384 Tote und 978 Verletzte) sowie in den südöstlichen Regionen 903 zivile Opfer (340 Tote und 563 Verletzte). Im Westen wurden 836 zivile Opfer (344 Tote und 492 Verletzte) und 115 zivile Opfer (25 Tote und 90 Verletzte) im zentralen Hochgebirge registriert (UNAMA 6.2.2017).

Laut UNAMA waren 61% aller zivilen Opfer regierungsfeindlichen Elementen zuzuschreiben (hauptsächlich Taliban), 24% regierungsfreundlichen Kräften (20% den afghanischen Sicherheitskräften, 2% bewaffneten regierungsfreundlichen Gruppen und 2% internationalen militärischen Kräften); Bodenkämpfe zwischen regierungsfreundlichen Kräften und regierungsfeindlichen Kräften waren Ursache für 10% ziviler Opfer, während 5% der zivilen Opfer vorwiegend durch Unfälle mit Munitionsrückständen bedingt waren (UNAMA 6.2.2017).

Sicherheitsbehörden

Die afghanischen Verteidigungs- und Sicherheitskräfte (ANDSF) bestehen aus folgenden Komponenten: Der afghanischen Nationalarmee (ANA), welche auch die Luftwaffe (AAF) und das ANA-Kommando für Spezialoperationen (ANASOC) beinhaltet; der afghanischen Nationalpolizei (ANP), die ebenso die uniformierte afghanische Polizei beinhaltet (AUP), der afghanischen Nationalpolizei für zivile Ordnung (ANCOP), der afghanischen Grenzpolizei (ABP) und der afghanischen Polizei, die Verbrechen bekämpft (AACP). Sie stehen unter der Kontrolle des Verteidigungsministeriums. Die afghanische Lokalpolizei (ALP) sowie ihre Komponenten (etwa die afghanischen Kräfte zum Schutz der Öffentlichkeit [APPF] und die afghanische Polizei zur Drogenbekämpfung [CNPA]) sind unter der Führung des Innenministeriums (USDOD 6. 2016).

Die afghanischen Verteidigungs- und Sicherheitskräfte (Afghan National Defense and Security Forces, ANDSF) haben - wenn auch unbeständig - Fortschritte gemacht. Sie führten ihre Frühjahrs- und Sommeroperationen erfolgreich durch. Ihnen gelang es, im August 2016 mehrere große Talibanangriffe auf verschiedene Provinzhauptstädte zu vereiteln und verlorenes Territorium rasch wieder zurückzuerobern. Schwierigkeiten in Schlüsselbereichen wie Spionage, Luftfahrt und Logistik verbesserten sich, beeinträchtigten dennoch die Schlagkraft. Die afghanischen Sicherheitskräfte behielten die Kontrolle über große Ballungsräume und reagierten rasch auf jegliche Gebietsgewinne der Taliban (USDOD 12.2016).

Die afghanischen Sicherheitskräfte haben zwar im Jahr 2015 die volle Verantwortung für die Sicherheit des Landes übernommen (AA 9.2016; vgl. auch: USIP 5.2016); dennoch werden sie teilweise durch US-amerikanische bzw. Koalitionskräfte unterstützt (USDOD 6.2016).

Drei Ministerien verantworten die Sicherheit in Afghanistan: Das afghanische Innenministerium (Afghanistan's Ministry of Interior - MoI), das Verteidigungsministerium (Ministry of Defense - MoD) und der afghanische Geheimdienst (NDS). Das Innenministerium ist primär für die interne Ordnung zuständig, dazu zählt auch die Afghan Local Police (ALP). Die (Afghan National Police [ANP]) untersteht dem Verteidigungsministerium und ist für die externe Sicherheit zuständig. Ihre primäre Aufgabe ist die Bekämpfung der Aufständischen. Das National Directorate of Security (NDS) fungiert als Geheimdienst und ist auch für die Untersuchung von Kriminalfällen zuständig, welche die nationale Sicherheit betreffen (USDOS 13.4.2016).

Die autorisierte Truppenstärke der ANDSF wird mit 352.000 beziffert (USDOD 6.2016), davon 4.228 Frauen (SIGAR 30.7.2016).

Die monatlichen Ausfälle (umfasst alle geplanten und ungeplanten Ausfälle von Pensionierungen über unerlaubte Abwesenheit bis hin zu Gefallenen) der ANDSF liegen bei 2.4% - eine leichte Erhöhung gegenüber dem Dreijahresmittel von 2.2% (USDOD 6.2016).

Afghan National Police (ANP) und Afghan Local Police (ALP)

Die ANP gewährleistet die zivile Ordnung und bekämpft Korruption und die Produktion sowie den Schmuggel von Drogen. Der Fokus der ANP liegt derzeit aber in der Bekämpfung von Aufständischen gemeinsam mit der ANA. Das Langzeitziel der ANP ist weiterhin, sich in einen traditionellen Polizeiapparat zu verwandeln. Mit Stand 31.5.2016 beträgt die Stärke der ANP etwa 148.000 Mann. Dies beinhaltet nicht die rund 6.500 Auszubildenden in Polizeiakademien und andere, die Ausbildungszentren landesweit ausgebildet werden. Frauen sind mit etwa 1.8% in der ANP vertreten (USDOD 6.2016). 2.834 Polizistinnen sind derzeit bei der Polizei, dies beinhaltete auch jene, die in Ausbildung sind (USDOS 13.4.2016; vgl. auch: Sputnik News 14.6.2016).

Die Personalstärke der ALP beträgt etwa 28.800 Mann; zusätzlich autorisiert sind weitere 30.000 Mann, welche nicht in der allgemeinen ANDSF-Struktur inkludiert sind (USDOD 6.2016). Aufgabe der ALP ist es, Sicherheit innerhalb von Dörfern und ländlichen Gebieten zu gewährleisten, indem die Bevölkerung vor Angriffen durch Aufständische geschützt wird, Anlagen gesichert und lokale Aktionen gegen Rebellen durchgeführt werden (USDOD 6.2016).

Die monatlichen Ausfälle der ANP betragen über die letzten Jahre relativ stabil durchschnittlich 1.9% (USDOD 6.2016).

Afghanische Nationalarmee (ANA)

Die afghanische Nationalarmee (ANA) untersteht dem Verteidigungsministerium und ist für die externe Sicherheit verantwortlich, primär bekämpft sie den Aufstand im Inneren (USDOS 13.4.2016).

Mit Stand 31. Mai 2016 betrug der autorisierte Personalstand der ANA 171.000 Mann, inklusive 7.100 Mann in den Luftstreitkräften (Afghan Air Force - AAF); etwa 820 Frauen sind in der ANA, inklusive AAF. Die Ausfälle in der ANA sind je nach Einheit unterschiedlich. Die allgemeine Ausfallsquote lag unter 3%, gegenüber 2,5% in der letzten Berichtsperiode. Die Einheiten der Luftstreitkräfte und der afghanischen Spezialeinheiten (ASSF) hielten weiterhin die niedrigsten Ausfallsquoten und die höchsten Verbleibquoten aller ANDSF-Teile (USDOD 6.2016).

Die Vereinigten Staaten von Amerika errichteten fünf Militärbasen in: Herat, Gardez, Kandahar, Mazar-e Sharif und Kabul (CRS 8.11.2016).

Resolute Support Mission

Die ‚Resolute Support Mission' ist eine von der NATO-geführte Mission, die mit 1. Jänner 2015 ins Leben gerufen wurde. Hauptsächlich konzentriert sie sich auf Ausbildungs-, Beratungs- und Unterstützungsaktivitäten auf ministerieller und Behördenebene sowie in höheren Ebenen der Armee und Polizei. Die personelle Stärke der Resolute Support Mission beträgt 13.000 (durch NATO und anderen Partnernationen). Das Hauptquartier ist in Kabul (Bagram) mit vier weiteren Niederlassungen in Mazar-e-Sharif, Herat, Kandahar und Laghman (NATO 5.2016).

Sicherheitslage in den einzelnen Provinzen

Paktya/Paktia

Paktia ist eine gebirgige Provinz im südlichen Afghanistan (Pajhwok o. D.b; vgl. auch: The Atlantic 7.11.2016). Die Provinz hat folgende Distrikte und administrative Einheiten, zu denen auch die Provinzhauptstadt Gardez zählt: Ahmadabad, SayedKaram, Ahmadkhel, Mirzaka, Zazi, Lazha, Mangal, Janikhel, Tsamkani, Dandaw Patan, Shwak, Gerda Serai, Wuza Zadran und Zurmat. Die hauptsächlich in Paktia lebenden Stämme sind Paschtunen, die meist Paschtu sprechen. Die Ausnahme bilden wenige Familien, die auch Dari sprechen (Pajhwok o. D.b). Die Bevölkerungszahl der Provinz wird auf 561.200 geschätzt (CSO 2016).

In der östlichen Provinz Paktia leben Paschtunen-Familien traditionellerweise in einem großen Familienverband, um ihre Sicherheit, ihre Ehre und ihr Eigentum zu beschützen. Diese Familien können bis zu vier Generationen mit etwa 150 Mitgliedern umfassen, die alle im gleichen Anwesen miteinander leben. Diese Art von Familien ist besonders respektiert, da feindliche Übergriffe unwahrscheinlich sind - dies inkludiert auch potentielle Angriffe durch Aufständische (IWPR 15.4.2016).

Im Zeitraum 1.9.2015 - 31.5.2016 wurden in der Provinz Paktia 394 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert (EASO 11.2016).

Bei einem Besuch in Paktia unterstrich der Gouverneur von Khost die Notwendigkeit der Zusammenarbeit, um die Sicherheitslage zu verbessern und Stammesdispute zu lösen. Die Beseitigung von Stammesdisputen beider Provinzen würde die Sicherheitslage in der Region verbessern und das Vertrauen der Bevölkerung in die Regierung wiederherstellen. Sicherheits- und Verteidigungsbeamte, Mitglieder des Provinzrates, Stammesälteste und andere Beamte der Provinzen Khost und Paktia diskutierten über eine verbesserte Kooperation und Koordination bei der Bekämpfung von Verbrechen (Pajhwok 2.2.2017).

Das Haqqani Netzwerk operiert in Paktia (CRS 12.1.2017; vgl. auch:

LWJ 15.8.2016) - bei Luftangriffen wurden Anführer des Netzwerks getötet (The Nation 31.8.2016) oder Mitglieder im Rahmen von Razzien verhaftet (Khaama Press 1.6.2016). Der Distrikt Jani Khel hat für das Haqqani Netzwerk eine besondere Bedeutung; aufgrund dessen geographischer Lage bietet er jenen, die den Distrikt kontrollieren, strategische Vorteile. Der Distrikt selbst grenzt an die Provinz Khost und verbindet so diese beiden Provinzen mit einem Abschnitt der Khost-Gardez-Autobahn, die ebenso durch die Provinzhauptstadt Gardez verläuft (The Diplomat 29.8.2016). Talibanaufständische und das Haqqani Netzwerk sind in einer Reihe von Distrikten in Paktia aktiv (Khaama Press 31.5.2016).

In der Provinz werden Militäroperationen durchgeführt, um gewisse Gegenden von Aufständischen zu befreien (Xinhua 17.12.2016; Khaama Press 28.10.2016; Press TV 5.9.2016; Khaama Press 17.8.2016; Khaama Press 21.7.2016; Khaama Press 1.6.2016); unter anderem in Form von Luftangriffen (Khaama Press 28.10.2016; The Nation 31.8.2016; Khaama Press 31.5.2016). Zusammenstöße zwischen Aufständischen und Sicherheitskräften finden statt (Radio Pakistan 28.8.2016; Pajhwok 26.6.2016).

In der Provinz befindet sich eine internationale Militärbasis, die Forward Operating Base (FOB) Gardez (The Atlantic 7.11.2016).

Kandahar

Die südliche Provinz Kandahar ist bekannt als kommerzielles Zentrum des Landes. Im Norden grenzt Kandahar an die Provinz Uruzgan, im Süden an Beluchistan und die Durandlinie, im Osten an die Provinz Zabul und im Westen an die Provinz Helmand (Pajhwok o.D.u). Die Bevölkerungszahl der Provinz wird auf 1.252.786 geschätzt (CSO 2016). Die Hauptstadt Kandahar wird als eine der strategisch wichtigsten und vielschichtigsten Städte Afghanistans erachtet (The National 22.1.2017).

Die Kabul-Kandahar Autobahn ist eine der wichtigsten Autobahnen Afghanistans: Tausende pendeln auf ihr täglich privat oder beruflich in über zehn Provinzen (Tolonews 17.4.2015; vgl. auch: Khaama Press 17.2.2017).

Im Zeitraum 1.9.2015 - 31.5.2016 wurden in der Provinz Kandahar

1.880 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert (EASO 11.2016).

In der Provinz Kandahar liegt ein Luftstützpunkt der NATO-Koalitionskräfte (Reuters 22.2.2015; vgl. auch: Reuters 19.2.2017). Im Oktober 2016 kamen hochrangige Sicherheitsmitarbeiter aus dem In- und Ausland in Kandahar zusammen, um Konzepte zur Verbesserung der Sicherheitslage im Süden Afghanistans zu entwickeln. Die hochrangige internationale Delegation lieferte den nationalen Behörden Vorschläge zur Verbesserung der Sicherheitslage. Die Sicherheitslage in Kandahar ist besser als vergleichsweise in anderen Provinzen; Behörden zufolge liegt dies an der Kooperation der Bevölkerung und besseren Koordinierung der Sicherheitsorgane (Pajhwok 24.10.2016).

Kandahar - Ursprung des Talibanaufstandes - war in den letzten Monaten relativ stabil, wenngleich regierungsfeindliche Aufständische versuchten, die Provinz zu destabilisieren (Khaama Press 1.2.2017; vgl. auch: Khaama Press 22.1.2017). Beispielsweise wurde das Gästehaus des Gouverneurs angegriffen und mehrere hochrangige Beamte getötet, inklusive 5 Diplomaten aus den Vereinten Arabischen Emiraten (Khaama Press 22.1.2017; vgl. auch: Xinhua 11.1.2017).

In der ganzen Provinz werden militärische Operationen durchgeführt (Bernama 2.2.2017; Khaama Press 1.2.2017; Tolonews 22.1.2017). Zusammenstöße zwischen regierungsfeindlichen Elementen und den afghanischen Sicherheitskräften fanden statt (Khaama Press 3.12.2016; Khaama Press 24.11.2016).

Kabul

Die Provinzhauptstadt von Kabul und gleichzeitig Hauptstadt von Afghanistan ist Kabul Stadt. Die Provinz Kabul grenzt im Nordwesten an die Provinz Parwan, im Nordosten an Kapisa, im Osten an Laghman, an Nangarhar im Südosten, an Logar im Süden und an (Maidan) Wardak im Südwesten. Kabul ist mit den Provinzen Kandahar, Herat und Mazar durch die sogenannte Ringstraße und mit Peshawar in Pakistan durch die Kabul-Torkham-Autobahn verbunden. Die Stadt hat 22 Stadtgemeinden und 14 administrative Einheiten (Pajhwok o.D.z). Die Bevölkerungszahl der Provinz wird auf 4.523.718 geschätzt (CSO 2016).

Im Zeitraum 1.9.2015 - 31.5.2016 wurden im Distrikt Kabul 151 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert (EASO 11.2016).

Provinz Kabul

Im Zeitraum 1.9.2015 - 31.5.2016 wurden in der gesamten Provinz Kabul 161 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert (EASO 11.2016).

Die afghanische Regierung behält die Kontrolle über Kabul, größere Transitrouten, Provinzhauptstädte und fast alle Distriktzentren (USDOD 12.2015). Aufständischengruppen planen oft Angriffe auf Gebäude und Individuen mit afghanischem und amerikanischem Hintergrund: Afghanische und US-amerikanische Regierungseinrichtungen, ausländische Vertretungen, militärische Einrichtungen, gewerbliche Einrichtungen, Büros von Nichtregierungsorganisation, Restaurants, Hotels und Gästehäuser, Flughäfen sowie Bildungszentren (Khaama Press 13.1.2017). Nach einem Zeitraum länger andauernder relativer Ruhe in der Hauptstadt explodierte im Jänner 2017 in der Nähe des afghanischen Parlaments eine Bombe; bei diesem Angriff starben mehr als 30 Menschen (DW 10.1.2017). Die Taliban bekannten sich zu diesem Vorfall und gaben an, hochrangige Beamte des Geheimdienstes wären ihr Ziel gewesen (BBC News 10.1.2017).

In der Provinz Kabul finden regelmäßig militärische Operationen statt (Afghanistan Times 8.2.2017; Khaama Press 10.1.2017; Tolonews 4.1.2017; Bakhtar News 29.6.2016). Taliban-Kommandanten der Provinz Kabul wurden getötet (Afghan Spirit 18.7.2016). Zusammenstöße zwischen Taliban und Sicherheitskräften finden statt (Tolonews 4.1.2017a).

Regierungsfeindliche Aufständische greifen regelmäßig religiöse Orte, wie z.B. Moscheen, an. In den letzten Monaten haben eine Anzahl von Angriffen, gezielt gegen schiitische Muslime, in Hauptstädten wie Kabul und Herat stattgefunden (Khaama Press 2.1.2017; vgl. auch: UNAMA 6.2.2017).

Religionsfreiheit

Etwa 99.7% der Bevölkerung sind Muslime, davon sind 84.7 - 89.7% Sunniten (CIA 21.11.2016; vgl. USCIRF 4.2016). Schätzungen zufolge, sind etwa 10 - 19% der Bevölkerung Schiiten (AA 9.2016; vgl. auch:

CIA 21.10.2016). Andere in Afghanistan vertretene Glaubensgemeinschaften wie z.B. Sikhs, Hindus, Baha¿i und Christen machen zusammen nicht mehr als 1% der Bevölkerung aus. Offiziell lebt noch ein Jude in Afghanistan (AA 9.2016).

Laut Verfassung ist der Islam die Staatsreligion Afghanistans. Religionsfreiheit ist in der afghanischen Verfassung verankert, dies gilt allerdings ausdrücklich nur für Anhänger/innen anderer Religionen als dem Islam. Die von Afghanistan ratifizierten internationalen Verträge und Konventionen wie auch die nationalen Gesetze sind allesamt im Lichte des generellen Islamvorbehalts (Art. 3 der Verfassung) zu verstehen (AA 9.2016; vgl. auch: Max Planck Institut 27.1.2004). Die Glaubensfreiheit, die auch die freie Religionsauswahl beinhaltet, gilt in Afghanistan daher für Muslime nicht. Darüber hinaus ist die Abkehr vom Islam (Apostasie) nach Scharia-Recht auch strafbewehrt (AA 9.11.2016).

Die Religionsfreiheit hat sich seit 2001 verbessert, wird aber noch immer durch Gewalt und Drangsale gegen religiöse Minderheiten und reformierte Muslime behindert. Blasphemie und Abtrünnigkeit werden als Kapitalverbrechen angesehen. Nichtmuslimische Religionen sind erlaubt, doch wird stark versucht, deren Missionierungsbestrebungen zu behindern (FH 27.1.2016). Hindus, Sikhs und Schiiten, speziell jene, die den ethnischen Hazara angehören, sind Diskriminierung durch die sunnitische Mehrheit ausgesetzt (FH 27.1.2016; vgl. auch:

CSR 8.11.2016).

Im Strafgesetzbuch gibt es keine Definition für Apostasie. Laut der sunnitisch-hanafitischen Rechtsprechung gilt Enthauptung als angemessene Strafe für Männer, für Frauen lebenslange Haft, sofern sie die Apostasie nicht bereuen. Ein Richter kann eine mindere Strafe verhängen, wenn Zweifel an der Apostasie bestehen. Zu Verfolgung von Apostasie und Blasphemie existieren keine Berichte. Dennoch hatten Individuen, die vom Islam konvertierten, Angst vor Konsequenzen. Christen berichteten, dass sie aus Furcht vor Vergeltung Situationen vermieden, in denen es gegenüber der Regierung so aussehe, als ob sie missionieren würden (USDOS 10.8.2016).

Nichtmuslimische Minderheiten, wie Sikh, Hindu und Christen, sind sozialer Diskriminierung und Belästigung ausgesetzt, und in manchen Fällen sogar Gewalt. Dieses Vorgehen ist jedoch nicht systematisch (USDOS 10.8.2016). Dennoch bekleiden Mitglieder dieser Gemeinschaften vereinzelt Ämter auf höchster Ebene (CSR 8.11.2016). Im Mai 2014 bekleidete ein Hindu den Posten des afghanischen Botschafters in Kanada (RFERL 15.5.2014). Davor war Sham Lal Bathija als hochrangiger Wirtschaftsberater von Karzai tätig (The New Indian Express 16.5.2012).

Paschtunen

Ethnische Paschtunen sind die größte Ethnie Afghanistans. Sie sprechen Paschtu/Pashto; die meisten ihrer Regierungsvertreter sprechen auch Dari (CSR 12.1.2015). Die Paschtunen haben viele Sitze in beiden Häusern des Parlaments, aber nicht mehr als 50% der Gesamtsitze (USDOS 13.4.2016). Die Paschtunen sind im nationalen Durchschnitt mit etwa 44% in der Afghan National Army (ANA) und der Afghan National Police (ANP) repräsentiert (Brookings 31.10.2016).

Paschtunen siedeln sich in einem halbmondförmigen Gürtel an, der sich von Nordwestafghanistan über den gesamten Süden und die Gebiete östlich von Kabul bis in den Nordwesten Pakistans erstreckt. Kleinere Gruppen sind über das gesamte Land verstreut, auch im Norden des Landes, wo Paschtunen Ende des 19. Jahrhunderts speziell angesiedelt wurden und sich seitdem auch selbst angesiedelt haben (Staatendokumentation des BFA 7.2016).

Grundlage des paschtunischen Selbstverständnisses sind ihre genealogischen Überlieferungen und die darauf beruhende Stammesstruktur. Eng mit der Stammesstruktur verbunden ist ein komplexes System von Wertvorstellungen und Verhaltensrichtlinien, die häufig unter dem Namen "Pashtunwali" zusammengefasst werden und die besagen, dass es für einen Paschtunen nicht ausreicht, Paschtu zu sprechen, sondern dass man auch die Regeln dieses Ehren- und Verhaltenskodex befolgen muss. Die Zugehörigkeit zu einem bestimmten Stammlinienverband bedeutet viele Verpflichtungen aber auch Rechte, weshalb sich solche Verbände als Solidaritätsgruppen verstehen lassen (Staatendokumentation des BFA 7.2016).

Ethnische Minderheiten

In Afghanistan leben laut Schätzungen vom Juli 2016 mehr als 33.3 Millionen Menschen (CIA 12.11.2016). Zuverlässige statistische Angaben zu den Ethnien Afghanistans und zu den verschiedenen Sprachen existieren nicht (Staatendokumentation des BFA 7.2016). Schätzungen zufolge sind 40% Paschtunen, rund 30% Tadschiken, ca. 10% Hazara und 9% Usbeken. Auch existieren noch andere ethnische Minderheiten, wie z.B. die Aimaken, die ein Zusammenschluss aus vier semi-nomadischen Stämmen mongolisch-iranischer Abstammung sind, sowie die Belutschen, die zusammen etwa 4% der Bevölkerung ausmachen (GIZ 1.2017).

Artikel 4 der Verfassung Afghanistans besagt: "Die Nation Afghanistans besteht aus den Völkerschaften der Paschtunen, Tadschiken, Hazara, Usbeken, Turkmenen, Belutschen, Paschai, Nuristani, Aimaq, Araber, Kirgisen, Qizilbasch, Gojar, Brahui und anderen Völkerschaften. Das Wort ‚Afghane' wird für jeden Staatsbürger der Nation Afghanistans verwendet."

(Staatendokumentation des BFA 7.2016). Die afghanische Verfassung schützt sämtliche ethnische Minderheiten. Neben den offiziellen Landessprachen Dari und Paschtu wird in der Verfassung (Art. 16) sechs weiteren Sprachen ein offizieller Status in jenen Gebieten eingeräumt, wo die Mehrheit der Bevölkerung (auch) eine dieser Sprachen spricht. Diese weiteren in der Verfassung genannten Sprachen sind Usbekisch, Turkmenisch, Belutschisch, Pashai, Nuristani und Pamiri (AA 9.2016; vgl. auch: Max Planck Institut 27.1.2004). Es gibt keine Hinweise, dass bestimmte soziale Gruppen ausgeschlossen werden. Keine Gesetze verhindern die Teilnahme der Minderheiten am politischen Leben. Nichtsdestotrotz beschweren sich unterschiedliche ethnische Gruppen, keinen Zugang zu staatlicher Anstellung in Provinzen haben, in denen sie eine Minderheit darstellen (USDOS 13.4.2016).

Der Gleichheitsgrundsatz ist in der afghanischen Verfassung verankert. Fälle von Sippenhaft oder sozialer Diskriminierung sind jedoch nicht auszuschließen und kommen vor allem in Dorfgemeinschaften auf dem Land häufig vor (AA 9.2016). Ethnische Spannungen zwischen unterschiedlichen Gruppen resultierten weiterhin in Konflikten und Tötungen (USDOS 13.4.2016).

Grundversorgung und Wirtschaft

Im Jahr 2015 belegte Afghanistan im 'Human Development Index' (HDI) den 171. von 188 Plätzen (UNDP 2016; vgl. auch: AA 11.2016). Afghanistan bleibt trotz eines gewaltigen Fortschritts innerhalb einer Dekade eines der ärmsten Länder weltweit. Die Sicherheit und politische Ungewissheit sowie die Reduzierung internationaler Truppen gemeinsam mit einer schwachen Regierung und schwachen Institutionen haben Wachstum und Beschäftigung gehemmt und seit kurzem zu einer erhöhten Migration geführt (IWF 13.4.2016).

Trotz eines guten Wirtschaftswachstums von 2007 bis 2011 stagnierte die Armutsrate bei 36%. Am häufigsten tritt Armut in ländlichen Gebieten auf, wo die Existenzgrundlage von der Landwirtschaft abhängig ist (WB 2.5.2016). Die Regierung hat die landwirtschaftliche Entwicklung zur Priorität erhoben. Dadurch sollen auch gering qualifizierte Afghaninnen und Afghanen bessere Chancen auf einen Arbeitsplatz bekommen. Insbesondere sollen die landwirtschaftlichen Erzeugnisse Afghanistans wieder eine stärkere Rolle auf den Weltmärkten spielen. Gerade im ländlichen Raum bleiben die Herausforderungen für eine selbsttragende wirtschaftliche Entwicklung angesichts mangelnder Infrastruktur, fehlender Erwerbsmöglichkeiten außerhalb der Landwirtschaft und geringem Ausbildungsstand der Bevölkerung (Analphabetenquote auf dem Land von rund 90%) aber groß. Sicher ist, dass die jährlich rund 400.000 neu auf den Arbeitsmarkt drängenden jungen Menschen nicht vollständig vom landwirtschaftlichen Sektor absorbiert werden können (AA 11.2016).

Das BIP-Wachstum im Jahr 2015 wurde auf 1,5% geschätzt, als Faktoren zählten die sich verschlechternde Sicherheitslage, welche Privatinvestitionen schwächte, die verspätete Vollstreckung des Haushaltsplanes und unvorteilhafte Wetterbedingungen, die zu einem niedrigeren landwirtschaftlichen Ertrag führten (IMF 13.4.2016). Die wirtschaftliche Entwicklung Afghanistans wird trotz positiver Wachstumsraten in der letzten Dekade weiterhin nicht durch ein selbsttragendes Wirtschaftswachstum, sondern durch die Zuschüsse der internationalen Gebergemeinschaft stimuliert. Den größten Anteil am BIP (2015: 19,2 Mrd. USD, lt. Weltbank) hat der Dienstleistungssektor mit 55%, gefolgt von der Landwirtschaft mit 22,6%. Industrieproduktion ist kaum vorhanden. Trotz einer großen Bedeutung des Außenhandels - Afghanistan ist in hohem Maße von Importen abhängig - sind afghanische Produkte bisher auf internationalen sowie regionalen Märkten kaum wettbewerbsfähig (AA 11.2016). Das Wirtschaftswachstum ist in den Jahren 2014 und 2015 stark auf 1.5-2% gesunken; internationale Entwicklungshilfe führte zu Wachstum und Jobs in Konfliktregionen, dennoch steuerte e

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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