Entscheidungsdatum
06.03.2018Norm
AsylG 2005 §5 Abs1Spruch
W233 2150808-1/3E
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Andreas FELLNER als Einzelrichter über die Beschwerden von XXXX , geboren am XXXX , Staatsangehöriger von Irak, vertreten durch Diakonie Flüchtlingsdienst gem. GmbH, ARGE Rechtsberatung, Wattgasse 48/3, 1170 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 24.01.2018, Zl.: 1177927810 - 18004345 beschlossen:
A) Der Beschwerde wird gemäß § 21 Absatz 3 2. Satz BFA-VG
stattgegeben, das Verfahren über den Antrag auf internationalen Schutz wird zugelassen und der bekämpfte Bescheid behoben.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger aus dem Irak, wurde am 30.12.2017, um 04.40 Uhr, im Bahnhof Salzburg von Organen der Landespolizeidirektion Salzburg gemäß § 39 FPG festgenommen und in der Folge in das Polizeianhaltezentrum Salzburg verbracht.
Im Rahmen der niederschriftlichen Befragung führte der Beschwerdeführer aus, dass er am Vortag aus Rumänien gekommen sei und sich auf der Durchreise nach Großbritannien befinden würde. Nach der Belehrung, dass er sich unrechtmäßig in Österreich aufhalte, ihm die Weiterreise untersagt und er nach Rumänien wieder zurückgebracht werde, führte der Beschwerdeführer aus, dass er damit nicht einverstanden sei, da er nach England reisen wolle. Darüber hinaus gab er an, dass er in Österreich keinen Antrag auf internationalen Schutz stellen wolle. Auf Nachfrage führte er weiter aus, dass er gesund sei, in Österreich über keine sozialen oder familiären Anknüpfungspunkte verfügen und im Falle der Haftentlassung nach England weiterreisen würde.
Mit Mandatsbescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 30.12.2017, wurde über den BF die Schubhaft gemäß § 76 Abs. 2 Z 2 FPG zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer Anordnung zur Außerlandesberingung und zur Sicherung der Abschiebung angeordnet. Die dagegen eingebrachte Beschwerde hat das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) mit Erkenntnis vom 10.01.2018, Zl: L514 2181812-1/10E als unbegründet abgewiesen und festgestellt, dass zum Zeitpunkt dieser Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.
Am 16.02.2018, um 10:05 Uhr, wurde der BF aus der Schubhaft entlassen.
2. Über den BF liegt eine EURODAC-Treffermeldung nach Antragstellung auf internationalen in Rumänien vom 16.12.2017 auf.
Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) richtete unter Hinweis auf den über den BF von Rumänien gespeicherten EURODAC-Treffer am 02.01.2018 ein auf Art. 18 Abs. 1 lit. b der Verordnung (EU) 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.06.2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (im Folgenden: "Dublin III-VO") gestütztes Wiederaufnahmeersuchen an Rumänien. Mit Schreiben vom 15.01.2018, stimmten die rumänischen Behörden diesem Ersuchen gemäß Art. 18 Abs. 1 lit. b Dublin III-VO ausdrücklich zu.
3. Im Zug seiner Anhaltung in Schubhaft stellte der BF am 12.01.2018 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich und gab im Rahmen seiner niederschriftlichen Ersteinvernahme vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 13.01.2018 im Wesentlichen an, dass er an keinen Beschwerden oder Krankheiten leide, die ihn an der Einvernahme hindern oder das Asylverfahren in der Folge beeinträchtigen. Er habe am 03.12.2017 seinen Herkunftsstaat verlassen und sei über die Türkei nach Rumänien gereist, wo er sich 14 Tage lang in Bukarest aufgehalten hätte und wo er zu den dortigen Behörden Kontakt gehabt hätte und er einer erkennungsdienstlichen Behandlung unterzogen worden wäre. Befragt, was er über den Aufenthalt in Rumänien angeben könnte, führte er aus, dass es ihm dort sehr schlecht ergangen und er dort schlecht behandelt worden wäre. Er wäre fünf Tage lang in einem Gefängnis angehalten und gezwungen worden seine Fingerabdrücke zu geben, damit er wieder freigelassen werde. Am Ende dieser Niederschrift ist unter Punkt 14 - "sonstige sachdienliche Hinweise" angeführt, dass der BF angegeben habe, dass er Angst habe nach Rumänien zurückgeschickt zu werden. Er wäre dort schlecht behandelt worden und möchte er unter keinen Umständen dorthin zurückkehren.
Am 18.01.2018 wurden dem BF gegen Unterschriftsleistung unter anderem eine Ladung zur Einvernahme vor das Bundesamt für den 25.01.2018 und das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation über Rumänien, mit Stand vom 19.12.2017, übergeben.
Am 23.01.2018 langte beim BFA eine vom Verein für Menschenrechte vertretenen Beschwerdeführer unterfertigte Erklärung ein, wonach er sich mit seiner Überstellung in den für die Prüfung seines Antrags auf internationalen Schutz zuständigen Mitgliedstaat einverstanden erklärt. Unter einem ist dieser Erklärung ein vom BF eigenhändig unterschriebenes als Stellungnahme bezeichnetes Schreiben angehängt, womit dieser auf die Durchführung seines Parteigehörs beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl verzichtet, da ein solches Parteiengehör gerade zur Verzögerung im Verfahren führen würde. Weiters ist in diesem als Stellungnahme bezeichneten Schreiben ausgeführt, dass der BF das BFA ersuchte mit dem entsprechenden Bescheid ohne Durchführung eines Parteiengehörs festzustellen, dass für die Prüfung seines Antrags auf internationalen Schutz der Mitgliedstaat Rumänien zuständig ist.
4. Mit dem angefochtenen Bescheid vom 24.01.2018 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz ohne in die Sache einzutreten gemäß § 5 Abs. 1 AsylG 2005 als unzulässig zurückgewiesen und ausgesprochen, dass Rumänien für die Prüfung des Antrages gemäß Art. 18 Abs. 1 lit. b Dublin III-VO zuständig sei (Spruchpunkt I.). Gleichzeitig wurde gegen den Beschwerdeführer gemäß § 61 Abs. 1 FPG die Außerlandesbringung angeordnet und festgestellt, dass demzufolge eine Abschiebung nach Rumänien gemäß § 61 Abs. 2 FPG zulässig sei (Spruchpunkt II.).
Der Antrag auf internationalen Schutz sei zurückzuweisen, weil gemäß Art. 18 Abs. 1 lit. b Dublin III-VO Rumänien für die Prüfung der Anträge zuständig sei. Ein im besonderen Maße substantiiertes, glaubhaftes Vorbringen, betreffend das Vorliegen außergewöhnlicher Umstände, welche die Gefahr einer Verletzung der EMRK im Falle einer Überstellung der beschwerdeführenden Partei ernstlich für möglich erscheinen lassen würde, sei im Verfahren nicht erstattet worden.
Des Weiteren stellte die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid fest, dass beabsichtigt gewesen sei, dem BF am 25.01.2018 Parteiengehör zu gewähren, um seine Ausführungen aus der Erstbefragung zu konkretisieren. Der BF habe sich jedoch beim VMÖ zur freiwilligen, unterstützten Dublin-Ausreise nach Rumänien angemeldet, und somit aus eigener Entscheidung heraus, auf dieses Parteiengehör verzichtet. Da er sich bereit erkläre freiwillig nach Rumänien zurückzukehren, könne nicht davon ausgegangen werden, dass ihm Misshandlung, Verfolgung oder unmenschliche Behandlung in Rumänien seitens der dortigen Behörden drohen würde.
5. Gegen diesen Bescheid richtet sich die fristgerecht eingebrachte Beschwerde des BF im Zulassungsverfahren, mit welcher der Bescheid im Wesentlichen wegen Verletzung von Verfahrensvorschriften, im Besonderen den Verzicht des BF auf Parteiengehör, angefochten wird. Der BF hätte im Zuge seines Gesprächs am 23.01.2018 nicht gewusst bzw. nicht verstanden, was damals beim Verein Menschenrechte Österreich unterschrieben habe. Der BF bringt in diesem Zusammenhang vor, dass das Gespräch beim Verein Menschenrechte Österreich auf Kurdisch-Kurmanji geführt worden wäre, er jedoch Kurdisch-Sorani spreche. Jedenfalls hätte er dieses Schreiben, hätte er den Inhalt und die Konsequenzen verstanden, keinesfalls unterzeichnet.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Der Beschwerdeführer stellte am 16.12.2017 in Rumänen einen Antrag auf internationalen Schutz. Am 30.12.2017, um 04.40 Uhr, wurde er im Bahnhof Salzburg gemäß § 39 FPG festgenommen und bis 16.02.2018, 10:05 Uhr im Anhaltezentrum Vordernberg in Schubhaft angehalten. Im Stande seiner Anhaltung in Schubhaft stellte der BF am 12.01.2018 einen weiteren Antrag auf internationalen Schutz in Österreich.
Die belangte Behörde hat kein ordentliches Ermittlungsverfahren zur Feststellung des maßgebenden, dh. des für die zu treffende Entscheidung auf Grund der anzuwendenden Rechtsvorschriften relevanten Sachverhalts, durchgeführt.
2. Beweiswürdigung:
Die Feststellung, dass der BF am 16.12.2017 in Rumänien einen Antrag auf internationalen Schutz stellte, ergibt sich aus dem von Rumänien über ihn in das EURODAC Informationssystem eingespeicherten Datensatz.
Die Feststellung, dass der BF in Schubhaft angehalten und aus dem Stande der Schubhaft am 12.01.2018 auch einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich gestellt hat, ergibt sich aus den vom BFA vorgelegten Verwaltungsakten.
Die Feststellung, dass die belangte Behörde kein ordentliches Ermittlungsverfahren geführt hat, ergibt sich aus dem Umstand, dass die belangte Behörde zum Zeitpunkt ihrer Entscheidung nicht davon ausgehen hätte dürfen, dass der für ihre Entscheidung maßgebende relevante Sachverhalt feststeht.
Im Einzelnen ist wie folgt auszuführen:
Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl vermag rechtlich nicht nachvollziehbar darzutun, warum es von der Einvernahme des BF im Zulassungsverfahren abgesehen hat. Im Besonderen stellt die im angefochtenen Bescheid unter Punkt Beweiswürdigung wiedergegebene Würdigung, dass für 25.01.2018 beabsichtigt gewesen sei, dem BF Parteiengehör und damit die Gelegenheit einzuräumen, seine Ausführungen aus der Erstbefragung zu konkretisieren, er jedoch freiwillig auf dieses Parteiengehör verzichtet hätte, keine geeigneten Ermittlungsschritte dar, um den maßgebenden, dh. den für die zu treffende Entscheidung auf Grund der anzuwendenden Rechtsvorschriften relevanten Sachverhalt, festzustellen. Dies insbesondere unter dem Blickwinkel, dass § 19 Abs. 2 AsylG 2005 eine Einvernahme im Zulassungsverfahren grundsätzlich verpflichtend vorsieht. Nur dann wenn ein Asylwerber auf Grund von in seiner Person gelegenen Umstände nicht in der Lage ist, durch Aussagen zur Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts beizutragen oder es sich um einen Folgeantrag handelt, dem der faktische Abschiebeschutz nicht zukommt, kann eine Einvernahme vor dem Bundesamt entfallen. Diese Voraussetzungen sind im Falle des BF aber nicht gegeben. Darüber hinaus verpflichtet § 29 Abs. 5 AsylG 2005 die belangte Behörde die Einvernahme zur Wahrung des Parteiengehörs in Anwesenheit eines Rechtsberaters durchzuführen. In einer solchen Einvernahme hat der Asylwerber die Möglichkeit, weitere Tatsachen und Beweismittel anzuführen oder vorzulegen. Dazu heißt es in Filzwieser/Frank/Kloibmüller/Raschhofer, Asyl- und Fremdenrecht, Stand: 15.1.2016, § 29, K6, Seite 901, dass eine solche Einvernahme für den Antragsteller die Möglichkeit beinhalten muss, effektiv gegen die vorläufige Ansicht der Behörde vorzugehen, da es sich ansonsten um ein Scheinverfahren handeln würde.
Die belangte Behörde hat dem BF zwar mit seiner Ladung für den 25.01.2018 auch das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation über Rumänien mit Stand vom 19.12.2017 übermittelt, ohne ihm jedoch - innerhalb einer angemessenen Frist - die Möglichkeit zur Abgabe einer Stellungnahme zu diesen Länderinformationen einzuräumen. Nach der einschlägigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes muss die Behörde den Parteien das Parteiengehör ausdrücklich, in förmlicher Weise und von Amts wegen einräumen (vgl. VwGH Ra 2008/08/0061 vom 17.02.2010 mwN). Demnach reicht die bloße Aushändigung der Länderinformation, ohne entsprechende Aufforderung zur Abgabe einer Stellungnahme innerhalb einer angemessenen Frist nicht.
Unter Zugrundelegung der obigen Ausführungen und im Besonderen der Tatsache, dass der BF noch anlässlich seiner Einvernahme vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 13.01.2018 unter Punkt 14 ausdrücklich angegeben hat, dass er unter keinen Umständen nach Rumänien zurückkehren möchte, konnte die belangte Behörde somit nicht davon ausgehen, dass mit der von ihm abgegebenen Stellungnahme der maßgebende relevante Sachverhalt geklärt ist und somit auf seine Einvernahme verzichtet hätte werden dürfen.
3. Rechtliche Beurteilung: Zu A) Stattgebung der Beschwerde
3.1. Die maßgeblichen Bestimmungen des Asylgesetz 2005 (AsylG 2005) lauten:
"§ 5 (1) Ein nicht gemäß §§ 4 oder 4a erledigter Antrag auf internationalen Schutz ist als unzulässig zurückzuweisen, wenn ein anderer Staat vertraglich oder auf Grund der Dublin-Verordnung zur Prüfung des Asylantrages oder des Antrages auf internationalen Schutz zu-ständig ist. Mit der Zurückweisungsentscheidung ist auch festzustellen, welcher Staat zuständig ist. Eine Zurückweisung des Antrages hat zu unterbleiben, wenn im Rahmen einer Prüfung des § 9 Abs. 2 BFA-VG festgestellt wird, dass eine mit der Zurückweisung verbundene Anordnung zur Außerlandesbringung zu einer Verletzung von Art. 8 EMRK führen würde.
(2) [...]
(3) Sofern nicht besondere Gründe, die in der Person des Asylwerbers gelegen sind, glaubhaft gemacht werden oder beim Bundesamt oder beim Bundesverwaltungsgericht offenkundig sind, die für die reale Gefahr des fehlenden Schutzes vor Verfolgung sprechen, ist davon auszugehen, dass der Asylwerber in einem Staat nach Abs. 1 Schutz vor Verfolgung findet.
§ 19 (1) [...]
(2) Ein Asylwerber ist vom Bundesamt, soweit er nicht auf Grund von in seiner Person gelegenen Umständen nicht in der Lage ist, durch Aussagen zur Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes beizutragen, zumindest einmal im Zulassungsverfahren und - soweit nicht bereits im Zulassungsverfahren über den Antrag entschieden wird - zumindest einmal nach Zulassung des Verfahrens einzuvernehmen. Eine Einvernahme kann unterbleiben, wenn dem Asylwerber, ein faktischer Abschiebeschutz nicht zukommt (§ 12a Abs. 1 oder 3). Weiters kann eine Einvernahme im Zulassungsverfahren unterbleiben, wenn das Verfahren zugelassen wird. § 24 Abs. 3 bleibt unberührt.
[...]
§ 25 (1) [...]
(2) Das Zurückziehen eines Antrags auf internationalen Schutz ist im Verfahren vor dem Bundesamt nicht möglich, es sei denn, der Asylwerber ist in Österreich rechtmäßig niedergelassen (§ 2 Abs. 2 NAG). [...]
§ 29 (1) [...]
(5) Bei der Einvernahme zur Wahrung des Parteiengehörs hat der Rechtsberater (§ 49 BFA-VG) anwesend zu sein. Zu Beginn dieser Einvernahme ist dem Asylwerber das bisherige Beweisergebnis vorzuhalten. Der Asylwerber hat die Möglichkeit, weitere Tatsachen und Beweismittel anzuführen oder vorzulegen.
[...]
3.2. Die maßgeblichen Bestimmungen des BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG) lauten:
§ 21 Abs. 3 BFA-VG: "Ist der Beschwerde gegen die Entscheidung des Bundesamtes im Zulassungsverfahren stattzugeben, ist das Verfahren zugelassen. Der Beschwerde gegen die Entscheidung im Zulassungsverfahren ist auch stattzugeben, wenn der vorliegende Sachverhalt so mangelhaft ist, dass die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint."
Gemäß ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 21 Abs. 3 BFA-VG (vgl. jüngst Ra2016/19/0208-8 vom 5. Oktober 2016 mwN) hat eine Entscheidung nach § 21 Abs. 3 zweiter Satz BFA-VG gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG in Form eines (das Beschwerdeverfahren beendenden und nicht bloß verfahrensleitenden) Beschlusses zu ergehen.
3.3. Im vorliegenden Fall ist Dublin III-VO anzuwenden:
"Art. 3 - Verfahren zur Prüfung eines Antrags auf internationalen Schutz
Die Mitgliedstaaten prüfen jeden Antrag auf internationalen Schutz, den ein Drittstaatsange-höriger oder Staatenloser im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats einschließlich an der Grenze oder in den Transitzonen stellt. Der Antrag wird von einem einzigen Mitgliedstaat geprüft, der nach den Kriterien des Kapitels III als zuständiger Staat bestimmt wird.
[...]
Art. 7 - Rangfolge der Kriterien
(1) Die Kriterien zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats finden in der in diesem Kapitel genannten Rangfolge Anwendung.
(2) Bei der Bestimmung des nach den Kriterien dieses Kapitels zuständigen Mitgliedstaats wird von der Situation ausgegangen, die zu dem Zeitpunkt gegeben ist, zu dem der Antrag-steller seinen Antrag auf internationalen Schutz zum ersten Mal in einem Mitgliedstaat stellt.
(3) Im Hinblick auf die Anwendung der in den Artikeln 8, 10 und 6 (Anmerkung: gemeint wohl 16) genannten Kriterien berücksichtigen die Mitgliedstaaten alle vorliegenden Indizien für den Aufenthalt von Familienangehörigen, Verwandten oder Personen jeder anderen verwandtschaftlichen Beziehung des Antragstellers im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats, sofern diese Indizien vorgelegt werden, bevor ein anderer Mitgliedstaat dem Gesuch um Auf-ahme- oder Wiederaufnahme der betreffenden Person gemäß den Artikeln 22 und 25 stattgegeben hat, und sofern über frühere Anträge des Antragstellers auf internationalen Schutz noch keine Erstentscheidung in der Sache ergangen ist.
KAPITEL IV
ABHÄNGIGE PERSONEN UND ERMESSENSKLAUSELN
Artikel 16 - Abhängige Personen
(1) Ist ein Antragsteller wegen Schwangerschaft, eines neugeborenen Kindes, schwerer Krankheit, ernsthafter Behinderung oder hohen Alters auf die Unterstützung seines Kindes, eines seiner Geschwister oder eines Elternteils, das/der sich rechtmäßig in einem Mitgliedstaat aufhält, angewiesen oder ist sein Kind, eines seiner Geschwister oder ein Elternteil, das/der sich rechtmäßig in einem Mitgliedstaat aufhält, auf die Unterstützung des
Antragstellers angewiesen, so entscheiden die Mitgliedstaaten in der Regel, den Antragsteller und dieses Kind, dieses seiner Geschwister oder Elternteil nicht zu trennen bzw. sie zusammenzuführen, sofern die familiäre Bindung bereits im Herkunftsland bestanden hat, das Kind, eines seiner Geschwister oder der Elternteil in der Lage ist, die abhängige Person zu unterstützen und die betroffenen Personen ihren Wunsch schriftlich kundgetan haben.
(2) Hält sich das Kind, eines seiner Geschwister oder ein Elternteil im Sinne des Absatzes 1 rechtmäßig in einem anderen Mitgliedstaat als der Antragsteller auf, so ist der Mitgliedstaat, in dem sich das Kind, eines seiner Geschwister oder ein Elternteil rechtmäßig aufhält, zuständiger Mitgliedstaat, sofern der Gesundheitszustand des Antragstellers diesen nicht längerfristig daran hindert, in diesen Mitgliedstaat zu reisen. In diesem Fall, ist der Mitgliedstaat, in dem sich der Antragsteller aufhält, zuständiger Mitgliedstaat. Dieser Mitgliedstaat kann nicht zum Gegenstand der Verpflichtung gemacht werden, das Kind, eines seiner Geschwister oder ein Elternteil in sein Hoheitsgebiet zu verbringen.
(3) Der Kommission wird die Befugnis übertragen gemäß Artikel 45 in Bezug auf die Elemente, die zur Beurteilung des Abhängigkeitsverhältnisses zu berücksichtigen sind, in Bezug auf die Kriterien zur Feststellung des Bestehens einer nachgewiesenen familiären Bindung, in Bezug auf die Kriterien zur Beurteilung der Fähigkeit der betreffenden Person zur Sorge für die abhängige Person und in Bezug auf die Elemente, die zur Beurteilung einer längerfristigen Reiseunfähigkeit zu berücksichtigen sind, delegierte Rechtsakte zu erlassen.
(4) Die Kommission legt im Wege von Durchführungsrechtsakten einheitliche Bedingungen für Konsultationen und den Informationsaustausch zwischen den Mitgliedstaaten fest. Diese
Durchführungsrechtsakte werden nach dem in Artikel 44 Absatz 2 genannten Prüfverfahren erlassen.
Art. 17 - Ermessensklauseln
(1) Abweichend von Artikel 3 Absatz 1 kann jeder Mitgliedstaat beschließen, einen bei ihm von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen gestellten Antrag auf internationalen Schutz zu prüfen, auch wenn er nach den in dieser Verordnung festgelegten Kriterien nicht für die Prüfung zuständig ist.
Der Mitgliedstaat, der gemäß diesem Absatz beschließt, einen Antrag auf internationalen Schutz zu prüfen, wird dadurch zum zuständigen Mitgliedstaat und übernimmt die mit dieser Zuständigkeit einhergehenden Verpflichtungen. Er unterrichtet gegebenenfalls über das elektronische Kommunikationsnetz DubliNet, das gemäß Artikel 18 der Verordnung (EG) Nr. 1560/2003 eingerichtet worden ist, den zuvor zuständigen Mitgliedstaat, den Mitgliedstaat, der ein Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats durchführt, oder den Mitgliedstaat, an den ein Aufnahme- oder Wiederaufnahmegesuch gerichtet wurde.
Der Mitgliedstaat, der nach Maßgabe dieses Absatzes zuständig wird, teilt diese Tatsache unverzüglich über Eurodac nach Maßgabe der Verordnung (EU) Nr. 603/2013 mit, indem er den Zeitpunkt über die erfolgte Entscheidung zur Prüfung des Antrags anfügt.
(2) Der Mitgliedstaat, in dem ein Antrag auf internationalen Schutz gestellt worden ist und der das Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats durchführt, oder der zuständige Mitgliedstaat kann, bevor eine Erstentscheidung in der Sache ergangen ist, jederzeit einen anderen Mitgliedstaat ersuchen, den Antragsteller aufzunehmen, aus humanitären Gründen, die sich insbesondere aus dem familiären oder kulturellen Kontext ergeben, um Personen jeder verwandtschaftlichen Beziehung zusammenzuführen, auch wenn der andere Mitgliedstaat nach den Kriterien in den Artikeln 8 bis 11 und 16 nicht zuständig ist. Die betroffenen Personen müssen dem schriftlich zustimmen.
Das Aufnahmegesuch umfasst alle Unterlagen, über die der ersuchende Mitgliedstaat verfügt, um dem ersuchten Mitgliedstaat die Beurteilung des Falles zu ermöglichen.
Der ersuchte Mitgliedstaat nimmt alle erforderlichen Überprüfungen vor, um zu prüfen, dass die angeführten humanitären Gründe vorliegen, und antwortet dem ersuchenden Mitgliedstaat über das elektronische Kommunikationsnetz DubliNet, das gemäß Artikel 18 der Verordnung (EG) Nr. 1560/2003 eingerichtet wurde, innerhalb von zwei Monaten nach Eingang des Gesuchs. Eine Ablehnung des Gesuchs ist zu begründen.
Gibt der ersuchte Mitgliedstaat dem Gesuch statt, so wird ihm die Zuständigkeit für die Antragsprüfung übertragen.
KAPITEL V
PFLICHTEN DES ZUSTÄNDIGEN MITGLIEDSTAATS
Artikel 18 - Pflichten des zuständigen Mitgliedstaats
(1) Der nach dieser Verordnung zuständige Mitgliedstaat ist verpflichtet:
a) einen Antragsteller, der in einem anderen Mitgliedstaat einen Antrag gestellt hat, nach Maßgabe der Artikel 21, 22 und 29 aufzunehmen;
b) einen Antragsteller, der während der Prüfung seines Antrags in einem anderen Mitgliedstaat einen Antrag gestellt hat oder der sich im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats ohne Aufenthaltstitel aufhält, nach Maßgabe der Artikel 23, 24, 25 und 29 wieder aufzunehmen;
c) einen Drittstaatsangehörigen oder einen Staatenlosen, der seinen Antrag während der Antragsprüfung zurückgezogen und in einem anderen Mitgliedstaat einen Antrag gestellt hat oder der sich ohne Aufenthaltstitel im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats aufhält, nach Maßgabe der Artikel 23, 24, 25 und 29 wieder aufzunehmen;
d) einen Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen, dessen Antrag abgelehnt wurde und der in einem anderen Mitgliedstaat einen Antrag gestellt hat oder der sich im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats ohne Aufenthaltstitel aufhält, nach Maßgabe der Artikel 23, 24, 25 und 29 wieder aufzunehmen.
(2) Der zuständige Mitgliedstaat prüft in allen dem Anwendungsbereich des Absatzes 1 Buchstaben a und b unterliegenden Fällen den gestellten Antrag auf internationalen Schutz oder schließt seine Prüfung ab.
Hat der zuständige Mitgliedstaat in den in den Anwendungsbereich von Absatz 1 Buchstabe c fallenden Fällen die Prüfung nicht fortgeführt, nachdem der Antragsteller den Antrag zurückgezogen hat, bevor eine Entscheidung in der Sache in erster Instanz ergangen ist, stellt dieser Mitgliedstaat sicher, dass der Antragsteller berechtigt ist, zu beantragen, dass die Prüfung seines Antrags abgeschlossen wird, oder einen neuen Antrag auf internationalen Schutz zu stellen, der nicht als Folgeantrag im Sinne der Richtlinie 2013/32/EU behandelt wird. In diesen Fällen gewährleisten die Mitgliedstaaten, dass die Prüfung des Antrags abgeschlossen wird.
In den in den Anwendungsbereich des Absatzes 1 Buchstabe d fallenden Fällen, in denen der Antrag nur in erster Instanz abgelehnt worden ist, stellt der zuständige Mitgliedstaat sicher, dass die betreffende Person die Möglichkeit hat oder hatte, einen wirksamen Rechtsbehelf gemäß Artikel 46 der Richtlinie 2013/32/EU einzulegen."
3.4. Die Dublin III-VO ist eine Verordnung des Rechts der Europäischen Union, die Regelungen über die Zuständigkeit zur Prüfung von Anträgen auf internationalen Schutz von Drittstaatsangehörigen trifft. Sie gilt also nicht für mögliche Anträge auf internationalen Schutz von EU-Bürgern, ebenso wenig ist sie auf Personen anwendbar, denen bereits der Flüchtlingsstatus zuerkannt wurde. Das wesentliche Grundprinzip ist jenes, dass den Drittstaatsangehörigen in einem der Mitgliedstaaten das Recht auf ein faires, rechtsstaatliches Asylverfahren zukommt, jedoch nur ein Recht auf ein Verfahren in einem Mitgliedstaat, dessen Zuständigkeit sich primär nicht aufgrund des Wunsches des Asylwerbers, sondern aufgrund der in der Verordnung festgesetzten hierarchisch geordneten Zuständigkeitskriterien ergibt.
3.5. Gemäß § 21 Abs. 3 2. Satz BFA-VG ist der Beschwerde gegen die Entscheidung im Zulassungsverfahren auch stattzugeben, wenn der vorliegende Sachverhalt so mangelhaft ist, dass die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint.
3.6. Zwar ist hinsichtlich der Frage der Unzuständigkeit Österreichs für die Durchführung des gegenständlichen Asylverfahrens dem Bundesamt beizupflichten, dass sich aus dem fest-gestellten Sachverhalt grundsätzlich die Zuständigkeit Rumäniens ergibt. Dies folgt aus den Regelungen des Art. 18 Abs. 1 lit. b der Dublin III-Verordnung, da sich der BF während seines in Rumänien laufenden Asylverfahrens unerlaubt in einen anderen Mitgliedstaat, in seinem Fall die Republik Österreich, begeben hat (siehe Filzwieser/Sprung, Kommentar zur Dublin III-Verordnung, Stand 1.2.2014, Art. 18, K 9).
Dennoch geht das Bundesverwaltungsgericht davon aus, dass zum Entscheidungszeitpunkt eine Überstellung des Beschwerdeführers nach Rumänien nicht zulässig ist, da in casu die gegenständliche Entscheidung des Bundesamtes auf Basis eines insgesamt qualifiziert mangelhaften Verfahrens ergangen ist, weshalb eine Behebung und Zurückverweisung nach § 21 Abs. 3 2. Satz BFA-VG zu erfolgen hatte.
Dies aus folgenden Erwägungen:
3.6.1. Wie oben ausgeführt, hat der BF im Stande der Schubhaft am 12.01.2018 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich gestellt und in seiner Erstbefragung am 13.01.2018 deutlich ausgeführt, dass er unter keinen Umständen nach Rumänien zurückkehren wolle, da er dort schlecht behandelt worden wäre. In der Folge hat die belangte Behörde dem BF am 18.01.2018 das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation über Rumänien ausgehändigt, ohne ihm jedoch eine Frist zur Abgabe einer Stellungnahme zu diesen Länderinformationen einzuräumen. Mit Schriftsatz vom 23.01.2018 informiert der BF die belangte Behörde, dass er mit seiner Überstellung in den für die Prüfung seines Antrags zuständigen Mitgliedstaat Rumänien einverstanden sei und er auf seine Einvernahme im Zulassungsverfahren verzichte, da diese zu einer Verzögerung seines Verfahrens führen würde. In dieser offensichtlich als Kopiervorlage erstellten Stellungnahme findet sich weder eine Stellungnahme zu den ihm überreichten Länderinformationen noch zu seinem erst kürzlich vorgebrachten Vorbringen, dass er in Rumänien schlecht behandelt worden wäre und keinesfalls nach Rumänien zurückkehren wolle. Im Besonderen hat der BF diese noch in seiner Erstbefragung erstattete Vorbringen auch nicht zurückgenommen oder relativiert. Auffallend ist auch, dass im mit dieser Erklärung und der Stellungnahme vom Verein Menschenrechte Österreich an die belangte Behörde gerichteten Anschreiben, die Frage gestellt wird, ob der Termin für die Ladung des BF vor das BFA am 25.01.2018 von diesem wahrgenommen werden müsse, da er nun ja auf Asyl in Österreich verzichtet hätte. Dazu ist festzuhalten, dass gemäß § 25 Abs. 2 AsylG 2005 mit Ausnahme, dass ein Asylwerber in Österreich rechtmäßig niedergelassen ist, ein Zurückziehen eines Antrages auf internationalen Schutz in einem Verfahren vor dem Bundesamt nicht möglich ist.
3.7. Das Bundesamt wird daher im fortgesetzten Verfahren den Beschwerdeführer zu seinem Vorbringen im Sinne von § 19 Abs. 2 AsylG 2005 einzuvernehmen haben.
3.8. Wie dargelegt wurde im gegenständlichen Fall der entscheidungsrelevante Sachverhalt trotz bestehender Möglichkeiten nicht ausreichend ermittelt, weshalb gemäß § 21 Abs. 3 2. Satz BFA-VG zwingend vorzugehend war.
3.9. Eine mündliche Verhandlung konnte gemäß § 21 Abs. 6a und 7 BFA-VG unterbleiben.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen. Nach Art. 133 Abs. 4 erster Satz B-VG idF BGBl. I Nr. 51/2012 ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Im vorliegenden Fall ist die ordentliche Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung abhängt. Denn das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu den einzelnen Spruchpunkten des angefochtenen Bescheides wiedergegeben.
Schlagworte
Behebung der Entscheidung, Einvernahme, Ermittlungspflicht,European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2018:W233.2187120.1.00Zuletzt aktualisiert am
12.03.2018