TE Bvwg Erkenntnis 2018/2/19 W233 2186147-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 19.02.2018
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

19.02.2018

Norm

AsylG 2005 §5
B-VG Art.133 Abs4
FPG §61

Spruch

W233 2186147-1/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Andreas FELLNER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX , Staatsangehöriger von Togo, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 19.01.2018, Zl. 1158391503 - 170766019, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird gemäß § 5 AsylG 2005 und § 61 FPG als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang

Der zum Antragszeitpunkt volljährige Beschwerdeführer (BF) gibt an XXXX zu heißen und Staatsangehöriger von Togo zu sein. Der BF gelangte illegal in das österreichische Bundesgebiet und stelle am 30.06.2017 einen Antrag auf internationalen Schutz.

Über den BF liegt eine EURODAC-Treffermeldung nach erkennungsdienstlicher Behandlung in Italien (Kategorie 2) vom 19.06.2017 auf.

Im Verlauf seiner Erstbefragung durch die Landespolizeidirektion Tirol am 30.06.2017 gab der BF im Wesentlichen an, dass er an keinen Beschwerden oder Krankheiten leide, die ihn an der Einvernahme hindern oder das Asylverfahren in der Folge beeinträchtigen. Er habe im Dezember 2015 seinen Herkunftsstaat verlassen und sei über Benin, Niger und Algerien nach Libyen gereist. In der Folge sei er von Libyen nach Italien weitergereist wo er zu den dortigen Behörden Kontakt gehabt hätte und er einer erkennungsdienstlichen Behandlung unterzogen worden wäre. Befragt, was er über den Aufenthalt in den von ihm durchreisten Ländern der Europäischen Union angeben könnte, führte er aus, dass es ihm in Italien gut gegangen sei, er aber zugeben müsse, dass er nach Deutschland zu seinen Freunden gewollt hätte. Die Frage, ob er in einem dieser von ihm durchreisten Ländern um Asyl angesucht habe, verneinte der BF. Befragt, ob etwas dagegen spräche, dass er in eines der von ihm durchreisten Länder zurückkehre, führte er aus, dass er lieber nach Deutschland gehen würde, da er dort seine Freunde hätte, die er jedoch nicht persönlich, sondern nur über Facebook kenne.

Als fluchtauslösenden Grund brachte der BF vor, dass er in seinem Heimatstaat immer wieder angegriffen und verletzt worden wäre, da er mit Kleidung gehandelt hätte. Da seine Geschäfte immer schlechter gelaufen wären, hätte er gehofft dass er es in Deutschland besser haben würde. Auch sein bereits verstorbener Vater wäre in Deutschland aufhältig gewesen. Im Falle seiner Rückkehr fürchte er zu sterben.

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) richtete sodann unter Hinweis auf den über den BF von Italien gespeicherten EURODAC-Treffer am 23.08.2017 ein auf Art. 13 Abs. 1 der Verordnung (EU) 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.06.2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (im Folgenden: "Dublin III-VO") gestütztes Wiederaufnahmeersuchen an Italien.

Mit Schreiben vom 27.12.2017 teilte die österreichische Dublin-Behörde Italien mit, dass auf Grund der nicht fristgerecht erfolgten Antwort der Dublin III-Verordnung eine Verfristung eingetreten und Italien nunmehr zuständig für die Durchführung des gegenständlichen Asylverfahrens sei.

Bereist mit Verfahrensanordnung vom 07.07.2017 wurde dem BF mitgeteilt, dass beabsichtigt sei, seinen Antrag auf internationalen Schutz zurückzuweisen, da ein Dublin Konsultationsverfahren mit Italien geführt werde. Dieses Schriftstück wurde dem BF noch am 07.07.2017 gegen Übernahmebestätigung persönlich ausgefolgt.

Am 07.09.2017 wurde der BF über Veranlassung des BFA von einem allgemein beeideten und gerichtlich zertifizierten Sachverständigen für medizinische Begutachtungen im Asylverfahren einer Untersuchung im Hinblick auf sein tatsächliches Lebensalter unterzogen, aufgrund derer bei ihm die Erreichung der Volljährigkeit festgestellt worden ist. Sein spätmöglichstes "fiktives" Geburtsdatum wurde mit XXXX errechnet. Zum Zeitpunkt der Antragstellung hat sich der BF im Altersbereich von mindestens 18,81 Jahren befunden.

Am 18.01.2018 erfolgte nach durchgeführter Rechtsberatung, im Beisein einer Rechtsberaterin, die niederschriftliche Einvernahme des BF vor dem BFA. Hierbei gab der Antragsteller zu Protokoll, dass er gesundheitlich keine Probleme habe und an keinen Krankheiten leide, keine Medikamente nehme und auch nicht in ärztlicher Behandlung stehe. Allerdings liegt im Akt des BF eine "Dokumentation der Arzt- und Krankenhausbesuche für AsylwerberInnen in der Grundversorgung" ein, wonach er am 09.10.2017 und am 23.10.2017 bei einem Arzt für Allgemeinmedizin vorstellig gewesen ist. Als Anamnese ist in dieser Dokumentation festgehalten, dass der BF beim Harnlassen über Schmerzen klage und deswegen bei ihm eine Behandlung mit NSAR begonnen und ihm im Falle der Persistenz das Aufsuchen eines Urologen zur weiteren Abklärung empfohlen worden ist (vgl. AS 193-195). Er habe weder in Österreich noch in einem anderen europäischen Staat Angehörige. Befragt, ob er während seines Aufenthalts in Italien von konkreten gegen ihn gerichteten Vorfällen betroffen gewesen wäre, führe er aus, dass es im Lager sehr viele Nigerianer und es dort jeden Tag Auseinandersetzungen unter Einsatz von Messern gegeben hätte. Er hätte sich an diesen Auseinandersetzungen zwar nicht beteiligt, hätte jedoch deswegen Angst bekommen und wäre daher geflohen. Darüberhinaus wäre er von nigerianischen Jugendlichen belästigt und zur Herausgabe von Geld aufgefordert worden. Zudem hätte er in Italien nichts zu Essen und auch keine medizinische Versorgung erhalten. In Italien hätte er Rückenschmerzen und Schmerzen im linken Oberarm gehabt und wäre es ihm nicht möglich gewesen einen Arzt zu konsolidieren. Er habe sich wegen dieser Vorkommnisse an die Lagerleitung gewendet, die aber nichts unternommen hätte. Eine Anzeige bei der italienischen Polizei habe er nicht erstattet, da er im Lager eingeschlossen worden wäre und keine Papiere gehabt hätte. Konfrontiert damit, dass Italien für die Prüfung seines Antrags auf internationalen Schutz zuständig sei, gab der BF zu Protokoll, dass eine Rückkehr nach Italien für ihn sehr schwerwiegend wäre und zudem großen psychischen Stress für ihn bedeuten würde. Er könne und wolle daher nicht nach Italien zurückkehren. Nachgefragt, ob es konkrete Gründe, die einer Rückkehr nach Italien entgegenstehen würden gäbe, wiederholte der BF, dass er in Italien keine medizinische Versorgung und kein Essen erhalten hätte und es im Lager andauernd Streit und Auseinandersetzungen gegeben hätte. Zu den ihm zur Kenntnis gebrachten Länderfeststellungen über Italien hat sich der BF nicht substantiiert geäußert. Die während der Einvernahme anwesende Rechtsberaterin stellt keine Fragen, noch gab sie eine Stellungnahme ab.

Mit dem angefochtenen Bescheid vom 19.01.2018 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz ohne in die Sache einzutreten gemäß § 5 Abs. 1 AsylG 2005 als unzulässig zurückgewiesen und ausgesprochen, dass Italien für die Prüfung des Antrages gemäß Art. 13 Abs. 1 Dublin III-VO zuständig sei (Spruchpunkt I.). Gleichzeitig wurde gegen den Beschwerdeführer gemäß § 61 Abs. 1 FPG die Außerlandesbringung angeordnet und festgestellt, dass demzufolge eine Abschiebung nach Italien gemäß § 61 Abs. 2 FPG zulässig sei (Spruchpunkt II.).

Die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die Sachverhaltsfeststellungen sowie die Beweiswürdigung zur Lage im Mitgliedstaat wurden im angefochtenen Bescheid im Wesentlichen folgendermaßen zusammengefasst (unkorrigiert und gekürzt durch das BVwG, Stand Jänner 2018):

1. Neueste Ereignisse - Integrierte Kurzinformationen (Stand vom 19.01.2018)

2018 haben in Italien bis 12. Jänner 2.326 Personen einen Asylantrag gestellt. Mit demselben Datum waren 2.214 Asylverfahren entschieden. Davon erhielten 164 Antragsteller einen Flüchtlingsstatus, 117 einen subsidiären Schutz, 562 humanitären Schutz und 1.267 endeten negativ (einschließlich unzulässiger Anträge). 104 Antragsteller entzogen sich dem Verfahren (MdI 12.1.2018). Mit Stand 31.12.2017 waren im Land 183.681 Fremde in staatlicher Unterbringung (VB 17.1.2018).

Quellen:

-

MdI - Ministero dell Interno (12.1.2018): Statistiken des MdI, per -E-Mail

-

VB des BM.I Italien (17.1.2018): Bericht des VB, per E-Mail

2. Allgemeines zum Asylverfahren

In Italien existiert ein rechtsstaatliches Asylverfahren mit gerichtlichen Beschwerdemöglichkeiten (AIDA 2.2017; für ausführliche Informationen siehe dieselbe Quelle).

Aus aktuellen Statistiken des italienischen Innenministeriums geht hervor, dass es im Jahre 2016 insgesamt 123.600 Asylanträge gegeben hat, was einer Steigerung von 47% gegenüber 2015 entspricht (MdI 10.3.2017, vgl. Eurostat 16.3.2017). 4.808 Personen haben 2016 Flüchtlingsstatus zuerkannt bekommen, 12.873 subsidiären Schutz und

18.979 internationalen humanitären Schutz. 54.254 Anträge (60%) wurden abgewiesen (MdI - 10.3.2017).

Die Asylverfahren nehmen je nach Region sechs bis fünfzehn Monate in Anspruch. Wenn Rechtsmittel ergriffen werden, kann sich diese Dauer auf bis zu zwei Jahren erstrecken (USDOS 3.3.2017).

Aus Statistiken des italienischen Innenministeriums geht hervor, dass es in Italien 2017 mit Stand 21. April 46.225 Asylanträge gab.

Quellen:

-

AIDA - Asylum Information Database (ASGI - Association for Legal Studies on Immigration; ECRE - European Council on Refugees and Exiles) (2.2017): National Country Report Italy, http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_it_2016update.pdf, Zugriff 23.3.2017

-

MdI - Ministero dell'Interno (10.3.2017): Dati e statistiche, http://www.libertaciviliimmigrazione.dlci.interno.gov.it/it/documentazione/statistica/i-numeri-dellasilo; Zugriff 23.3.2017

-

USDOS - US Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 - Italy,

http://www.ecoi.net/local_link/337159/479923_de.html, Zugriff 30.3.2017

-

VB des BM.I Italien (26.4.2017): Statistik des ital. Innenministeriums, per E-Mail

3. Dublin-Rückkehrer

Die meisten Dublin-Rückkehrer landen auf den Flughäfen Rom-Fiumicino und Mailand-Malpensa. Ihnen wird am Flughafen von der Polizei eine Einladung (verbale di invito) ausgehändigt, der zu entnehmen ist, welche Quästur für ihr Asylverfahren zuständig ist. Die Situation von Dublin-Rückkehrern hängt vom Stand ihres Verfahrens in Italien ab:

1. Wenn ein Rückkehrer noch keinen Asylantrag in Italien gestellt hat, kann er dies nun tun, so wie jede andere Person auch (AIDA 2.2017).

2. Ist das Verfahren des Rückkehrers noch anhängig, wird es fortgesetzt und er hat dieselben Rechte wie jeder andere Asylwerber auch (AIDA 2.2017).

3. Wenn ein Verfahren vor endgültiger Entscheidung unterbrochen wurde, etwa weil sich der Antragsteller diesem entzogen hat, und der Betreffende wird von Italien im Rahmen von Art. 18(1)(c) zurückgenommen, wird das Verfahren auf Antrag wieder aufgenommen (EASO 12.2015).

4. Bei Rückkehrern, die unter Art. 18(1)(d) und 18(2) fallen und welche Italien verlassen haben, bevor sie über eine negative erstinstanzliche Entscheidung informiert werden konnten, beginnt die Rechtsmittelfrist erst zu laufen, wenn der Rückkehrer von der Entscheidung in Kenntnis gesetzt wurde (EASO 12.2015; vgl. AIDA 2.2017).

5. Wurde der Rückkehrer beim ersten Aufenthalt in Italien von einer negativen Entscheidung in Kenntnis gesetzt und hat dagegen nicht berufen, kann er zur Außerlandesbringung in ein CIE (Schubhaftlager) gebracht werden. Wurde ihm die Entscheidung nicht zur Kenntnis gebracht, steht dem Rückkehrer der Beschwerdeweg offen, sobald er informiert wurde (AIDA 2.2017).

6. Hat sich der Rückkehrer dem persönlichen Interview nicht gestellt und sein Antrag wurde daher negativ beschieden, kann er nach Rückkehr ein neues Interview beantragen (AIDA 2.2017).

Quellen:

-

AIDA - Asylum Information Database (ASGI - Association for Legal Studies on Immigration; ECRE - European Council on Refugees and Exiles) (2.2017): National Country Report Italy, http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_it_2016update.pdf, Zugriff 23.3.2017

-

EASO - European Asylum Support Office (12.2015): Quality Matrix Report: Dublin procedure, per E-Mail

4. Non-Refoulement

Grundsätzlich bietet Italien Schutz gegen Abschiebung oder Rückkehr von Flüchtlingen in Länder, in denen ihr Leben oder ihre Freiheit aufgrund Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe oder politischer Gesinnung bedroht wäre (USDOS 25.6.2015).

Hinsichtlich unbegleiteter Minderjähriger besteht ein absolutes Rückschiebeverbot an der Grenze (UNICEF 29.3.2017).

Das italienische Innenministerium hat ausdrücklich darauf verwiesen, dass der Zugang zu Asylverfahren und Grundrechten Personen nicht verweigert werden kann, für die willkürlich angenommen wird, dass sie des internationalen Schutzes nicht bedürfen. Außerdem wurde explizit bestätigt, dass alle Migranten das Recht haben, vor Refoulement geschützt zu werden. Es würden laut Innenministerium keine Ausweisungsbefehle erlassen, wenn Migranten zuvor nicht korrekt informiert wurden (AIDA 2.2017).

Quellen:

-

AIDA - Asylum Information Database (ASGI - Association for Legal Studies on Immigration; ECRE - European Council on Refugees and Exiles) (2.2017): National Country Report Italy, http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_it_2016update.pdf, Zugriff 23.3.2017

-

UNICEF - United Nations Children's Fund (29.3.2017): Approvata la "Legge Zampa": più tutele e inclusione per i minori stranieri non accompagnati,

http://www.unicef.it/doc/7324/approvata-la-legge-zampa-per-minori-stranieri-non-accompagnati.htm, Zugriff 3.4.2017

-

USDOS - US Department of State (25.6.2015): Country Report on Human Rights Practices 2014 - Italy, http://www.ecoi.net/local_link/306380/443655_de.html, Zugriff 14.4.2016

5. Versorgung

5.1. Unterbringung

Grundsätzlich sind Fremde zur Unterbringung in Italien berechtigt, sobald sie den Willen erkennbar machen, um Asyl ansuchen zu wollen und eine entsprechende Bedürftigkeit besteht. Das Unterbringungsrecht gilt bis zur erstinstanzlichen Entscheidung bzw. dem Ende der Rechtsmittelfrist. Bei Rechtsmitteln mit automatisch aufschiebender Wirkung besteht dieses Recht auch bis zur Entscheidung des Gerichts. Gemäß der Praxis in den Jahren 2015 und 2016 erfolgt der tatsächliche Zugang zur Unterbringung erst mit der formellen Registrierung des Antrags (verbalizzazione) anstatt sofort nach der erkennungsdienstlichen Behandlung (fotosegnalamento). Zwischen diesen beiden Schritten sind, abhängig von Region und Antragszahlen, Wartezeiten von Wochen oder gar Monaten möglich, in denen Betroffene Probleme beim Zugang zu alternativer Unterbringung haben können. Betroffene Asylwerber ohne ausreichende Geldmittel sind daher auf Freunde oder Notunterkünfte angewiesen, oder es droht ihnen Obdachlosigkeit. Zum Ausmaß dieses Phänomens gibt es allerdings keine statistischen Zahlen. Tatsächlich ist diese Problematik durch die Erweiterung der SPRAR-Kapazitäten und Einführung der temporären Unterbringungsstrukturen (CAS) nur für Personen relevant, die ihren Antrag im Land stellen, nicht für auf See geretteten Asylwerber (AIDA 2.2017).

Wie die untenstehende Statistik des italienischen Innenministeriums zeigt, wurden die Unterbringungskapazitäten in den letzten 3 Jahren massiv gesteigert.

Bild kann nicht dargestellt werden

(MdI - 31.3.2017)

CPSA - (Centri di primo soccorso e accoglienza) / Hotspots

Menschen, die - vor allem auf dem Seeweg - illegal nach Italien kommen, erhalten zunächst Unterstützung in den großen Einwanderungszentren bzw. Hotspots (AIDA 2.2017, vgl: MdI 28.7.2015). Die ursprünglichen CPSA in Lampedusa und Pozzallo bilden seit 2016 zusammen mit den Zentren Taranto und Trapani die sogenannten Hotspots. Dieses Hotspot-Konzept wurde von der Europäischen Kommission entwickelt, um jene Mitgliedsstaaten zu unterstützen, die an den EU-Außengrenzen einem besonderen Migrationsdruck ausgesetzt sind. Nähere Informationen sind weiter unten dem Abschnitt "Hotspots" zu entnehmen (AIDA 2.2017, vgl. EC o. D.). Nach dieser Phase der ersten Hilfe unmittelbar nach Ankunft in den CPSA bzw. Hotspots werden die Fremden, je nach Status, entweder rückgeführt oder in andre Unterkünfte verlegt (AIDA 2.2017, vgl. MdI 28.7.2015).

CDA, CARA und CAS

CDA, CARA und CAS sind Erstaufnahmezentren und bieten eine eher grundlegende Versorgung mit Essen, Kleidung, Basisinformation, Rechtsberatung und medizinischer Notversorgung. Es handelt sich um große Erstaufnahmezentren mit sehr vielen Unterbringungsplätzen (AIDA 2.2017).

Die CDA (centri di accoglienza) sind allgemeine Aufnahmezentren, in denen insbesondere die auf dem Staatsgebiet aufgegriffenen Fremden zur Identitätsfeststellung und Statusbestimmung untergebracht werden, während CARA (Centri d'Accoglienza Richiedenti Asilo) Zentren für die Aufnahme von Asylwerbern sind. CDA und CARA umfassen derzeit 15 Erstaufnahmezentren mit ca. 14.694 Plätzen (AIDA 2.2017). Asylwerber sollen dort einige Wochen oder Monate untergebracht werden, bis die administrativen Formalitäten bezüglich eines Asylantrags abgeschlossen und ein neuer Unterkunftspatz gefunden ist. Sprachtraining oder andere Integrationsmaßnahmen finden in diesen Zentren nicht statt (CoE 2.3.2017).

CARA, CDA und CPSA sollen sukzessive in den durch das Gesetz 142/2015 eingeführten sogenannten "hub regionali" aufgehen. Jede Region soll über einen solchen hub verfügen. Migranten, die in den Hotspots um internationalen Schutz ansuchen, sollen dann an diese "hub regionali" als Erstaufnahmezentren weitergeleitet werden. Ziel ist es, die Strukturen zu straffen und die Schutzsuchenden in Zentren unterzubringen, die in der Nähe von Einwanderungsbüros liegen (AIDA 2.2017, vgl. MdI 2016; SFH 8.2016)

Die CAS (Centri di accoglienza straordinaria) sind temporäre Aufnahmezentren, die speziell in Zeiten hoher Migrationsströme andere Zentren entlasten sollen. De facto dienen sie zur Unterbringung von Bootsflüchtlingen. Ihre Zahl wird je nach Bedarf angepasst und ist daher nur schwer festzumachen. Die CAS dienen auch als "Second-Line-Aufnahme" in Vorbereitung auf die Unterbringung in SPRAR. Derzeit sind ca. 130.000 Personen in über 7000 CAS-Unterkünften in ganz Italien untergebracht (AIDA 2.2017, vgl. MdI 28.7.2015). Primär als Notunterkünfte vorgesehen, liegt der Schwerpunkt der CAS nicht auf einer längerfristigen Integration, obwohl viele Asylsuchende während der Bearbeitung ihrer Asylanträge in einem CAS untergebracht sind (CoE 2.3.2017).

Grundsätzlich sollen Asylwerber jedenfalls in allen hier genannten Einrichtungen nur temporär untergebracht werden, bis eine Verlegung in das SPRAR (Sistema di protezione per richiedenti asilo e rifugiati) möglich ist. Da SPRAR aber nicht über ausreichende Kapazitäten verfügt, gibt es einen chronischen Rückstau, der wiederum eine zum Teil massive Überbelegung der CAS-Unterkünfte zur Folge hat. Viele Asylsuchende bleiben bis zum Asylentschied in den CAS. Um eine gewisse Entlastung des Systems herbeizuführen, werden Asylwerber oft sofort nach Erhalt eines positiven Bescheids aus dem Aufnahmesystem genommen (AIDA 2.2017).

Generell variiert die Qualität zwischen den verschiedenen Arten von Flüchtlingsunterkünften und auch innerhalb der jeweiligen Kategorien stark und hängt vom Ausmaß der jeweiligen Überbelegung und dem lokalen Management ab (AIDA 2.2017). Die Bedingungen in einigen Einrichtungen führen zu Bedenken nach den Artikeln 3 und 5 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) (CoE 2.3.2017).

SPRAR - (Sistema di Protezione per Richiedenti Asilo e Rifugiati)

Das SPRAR besteht derzeit (Stand 2. Februar 2017) aus 640 kleineren dezentralisierten Zweitaufnahmezentren/Projekten mit einer aktuellen Gesamtkapazität von 25.838 betreuten Personen. Etwa 95 dieser Projekte widmen sich unbegleiteten Minderjährigen (2.007 Personen) und 44 Unterkünfte mit insgesamt 592 Plätzen widmen sich Menschen mit psychischen Problemen (SPRAR 2.2.2017).

Die SPRAR-Projekte der Gemeinden sind hauptsächlich Wohnungen oder kleine Zentren und bieten Übersetzungsleistungen, linguistisch-kulturelle Mediation, rechtliche Beratung, medizinische Versorgung, sozio-psychologische Unterstützung, Unterstützung Vulnerabler, Integrationsberatung sowie Freizeitaktivitäten. Die Unterbringungsbedingungen sind besser als in CARA-Zentren. Es steht mehr Platz pro Person zur Verfügung (in kleineren Einheiten teilen sich oft nur zwei Personen ein Zimmer) und die hygienischen Standards sind besser. Es gibt Erholungsbereiche, manchmal besteht auch die Möglichkeit, selbst zu kochen. Bei Unterbringung unbegleiteter Minderjähriger werden diese Standards normalerweise - beispielsweise um Sportmöglichkeiten - nochmals ausgeweitet (AIDA 2.2017).

Trotz aller positiver Aspekte ist das Wachstum von SPRAR in den vergangenen Jahren nicht ausreichend, um den Unterbringungsbedürfnissen in ausreichendem Maße entsprechen zu können. SPRAR deckt derzeit nur etwa 20% der Aufnahmenachfrage ab (AIDA 2.2017, vgl. MdI 31.3.2017).

Ist in keiner der vorgesehenen Strukturen Platz für einen Asylwerber gegeben, wäre für den Zeitraum, in dem dieser nicht untergebracht werden kann, eigentlich ein Taggeld vorgesehen. In der Praxis wird dieses aber nicht ausbezahlt. Stattdessen wird der Asylwerber unter Inkaufnahme einer entsprechenden Überbelegung trotzdem untergebracht (AIDA 2.2017).

NGOs berichten, dass Tausende legale und illegale Fremde - ohne Zugang zu öffentlichen Diensten und Leistungen - in verlassenen alten Gebäuden leben (USDOS 3.3.2017).

NGOs

Außerhalb der staatlichen Strukturen existiert noch ein Netzwerk privater Unterbringungsmöglichkeiten, betrieben etwa von Kirchen und Freiwilligenorganisationen. Ihre Zahl ist schwierig festzumachen. Interessant sind sie im Notfall oder für die Unterbringung von Familien (AIDA 2.2017).

CIE - (Centro di identificazione ed espulsione)

Personen, die sich illegal im Land aufhalten und für internationalen Schutz nicht in Frage kommen, werden in Erwartung der Abschiebung in den Schubhaftzentren CIE untergebracht. Die Dauer des Aufenthalts beträgt hierbei maximal 18 Monate (MdI 28.7.2015).

Italien verfügt mit Stand vom 20. Jänner 2016 über insgesamt sechs in Betrieb befindlichen CIEs mit einer theoretischen Kapazität von insgesamt 720 Plätzen (PI 2.2016).

Quellen:

-

AIDA - Asylum Information Database (ASGI - Association for Legal Studies on Immigration; ECRE - European Council on Refugees and Exiles) (2.2017): National Country Report Italy, http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_it_2016update.pdf, Zugriff 23.3.2017

-

CoE - Council of Europe Secretary General (2.3.2017): Bericht zu Fact-Finding-Mission zur Lage von MigrantInnen und Flüchtlingen von 16. bis 21. Oktober 2016 (Aufnahmebedingungen; unbegleitete Kinder;

internationale Schutzverfahren; MigrantInnen im Transit;

Integration; etc.),

https://search.coe.int/cm/Pages/result_details.aspx?ObjectId=09000016806f9d70, Zugriff 7.4.2017

-

EC - European Commission (o.D.), Hotspot-Konzept zur Steuerung außergewöhnlicher Migrationsströme, https://ec.europa.eu/home-affairs/sites/homeaffairs/files/what-we-do/policies/european-agenda-migration/background-information/docs/2_hotspots_de.pdf, Zugriff 3.4.2017

-

MdI - Ministero dell'Interno Italiano (28.7.2015): Centri per l'imigrazione,

http://www.interno.gov.it/it/temi/immigrazione-e-asilo/sistema-accoglienza-sul-territorio/centri-limmigrazione, Zugriff 28.3.2017

-

MdI - Ministero dell'Interno Italiano (2016): Piano accoglienza 2016. Tavolo di ccordinamento nazionale, Zugriff 11.4.2017

-

MdI - Ministero dell'Interno (31.3.2017): Dati e statistiche, http://www.libertaciviliimmigrazione.dlci.interno.gov.it/it/documentazione/statistica/cruscotto-statistico-giornaliero, Zugriff 4.4.2017

-

PI - Parlamento Italiano, Senato della Repubblica (2.2016):

Rapporto sui centri di identificazione ed espulsione in Italia, https://www.senato.it/application/xmanager/projects/leg17/file/repository/commissioni/dirittiumaniXVII/rapporto_cie.pdf, Zugriff 11.4.2017

-

SFH - Schweizerische Flüchtlingshilfe (8.2016): Asylverfahren und Aufnahmebedingungen in Italien, https://www.ecoi.net/file_upload/90_1472034789_160815-sfh-bericht-italien-aufnahmebedingungen-final.pdf, Zugriff 11.4.2017

-

SPRAR - Sistema di Protezione per Richiedenti Asilo e Rifugiati (2.2.2017): Composizione di base della rete SPRAR, http://www.sprar.it/i-numeri-dello-sprar, Zugriff 11.4.2017

-

USDOS - US Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 - Italy,

http://www.ecoi.net/local_link/337159/479923_de.html, Zugriff 30.3.2017

-

VB des BM.I Italien (19.4.2017): Statistik des ital. Innenministeriums, per E-Mail

5.2. Dublin-Rückkehrer

Dublin-Rückkehrer die noch nicht in Italien offiziell untergebracht waren, haben Zugang zu Unterbringung. Eine allgemeine Aussage, wie lange es dauert bis tatsächlich ein Platz gefunden ist, ist nicht möglich. Aufgrund von Informationsmangel, Fragmentierung des Systems und Platzknappheit, dauert es tendenziell länger. In den letzten Jahren wurden daher temporäre Aufnahmestrukturen für die Rückkehrer geschaffen, in denen vulnerable Fälle verbleiben bis eine alternative Unterbringung gefunden ist, bzw. in denen nicht-vulnerable Fälle bleiben, bis ihr rechtlicher Status geklärt ist. Berichten zufolge kommt es aber vor, dass Dublin-Rückkehrer nicht untergebracht werden und sich daher selbst um ihre Unterbringung - mitunter in Behelfssiedlungen - kümmern müssen (AIDA 2.2017).

Wenn Rückkehrer in Italien bereits einmal offiziell untergebracht waren und diese Unterbringung einfach verlassen haben, kann dies zu Problemen führen. Wenn diese Personen nach Rückkehr einen Antrag auf Unterbringung stellen, kann dieser von der zuständigen Präfektur abgelehnt werden. Ebenso haben Rückkehrer mit einem Schutzstatus in Italien Probleme beim Zugang zu Unterbringung (AIDA 2.2017).

Im Sinne des Tarakhel-Urteils stellte IT im Juni 2015 in einem Rundbrief eine Liste von SPRAR-Einrichtungen zur Verfügung, welche für die Unterbringung von Familien geeignet sind. Zuletzt wurde am 12. Oktober 2016 ein neuer Rundbrief versendet und die Liste aktualisiert. Sie umfasst nun 11 SPRAR-Projekte mit zusammen 58 Unterbringungsplätzen für Familien mit Kindern (MdI 12.10.2016).

Die NGOs Danish Refugee Council und Swiss Refugee Council haben Anfang 2017 6 Fälle von vulnerablen Rückkehrern (Familien mit Kindern bzw. Schwangeren) nach Italien einem Monitoring unterzogen und berichten, dass 2 dieser Fälle bei Rückkehr keinen Zugang zu Unterbringung hatten. Die übrigen 4 Fälle wurden zunächst übergangsweise untergebracht, wobei die Bedingungen als für Vulnerable unpassend kritisiert wurden. In weiterer Folge konnten Plätze in SPRAR gefunden werden. Die Betroffenen und die beteiligten NGOs sprechen von Willkür oder zumindest Unvorhersehbarkeit seitens der italienischen Behörden. Als problematisch wurde in den gemonitorten Fällen vor allem der mangelnde Informationsfluss betreffend die Vulnerabilität der Rückkehrer zwischen den Behörden des überstellenden Staats und Italiens beschrieben (DRC/SRC 9.2.2017).

Der BM.I-Verbindungsbeamte in Italien, der gegebenenfalls die Rückkehr vulnerabler Fälle aus Österreich am Flughafen Rom-Fiumicino begleiten kann, berichtete im Feber 2017 von der Rückkehr einer Familie mit Kindern nach Italien, woraus sich abseits des Einzelfalls interessante allgemeine Fakten ergeben. Am Flughafen Fiumicino sind ab 10:30 Uhr Vertreter der Vereinigung ITC (Interpreti Traduttori in Cooperativa) vertreten. Es handelt sich dabei um eine Kooperative von Übersetzern, Dolmetschern und Kulturmediatoren, die in ganz Italien mit über 2.000 Experten aktiv sind und mehrere italienische Behörden und internationale Organisationen mit ihrer Kompetenz beim Umgang mit Migranten unterstützen. Diese decken offenbar eine gewisse Bandbreite an Sprachen ab und unterstützen gegebenenfalls bei der niederschriftlichen Befragung zu den Asylgründen in Italien. Die Quästur hat direkt am Flughafen Rom Fiumicino eine Zweigstelle eingerichtet, um den administrativen Ablauf zu beschleunigen und den Rückkehrern die Anfahrt ins Zentrum von Rom zu ersparen. Nach der Befragung wurde der Familie der zeitlich auf 6 Monate befristete Aufenthaltstitel für Asylwerber von der Quästur ausgestellt und die Familie erhielt eine Mahlzeit, während mit der Präfektur von Rom abgeklärt wurde, wo die Rückkehrer vorübergehend unterzubringen wären. Da zum Zeitpunkt der Anreise keine Plätze in SPRAR-Strukturen (Unterkünfte der 2. Stufe; auch: Folgeunterkünfte) zur Verfügung standen, wurde die Familie zuerst außerordentlich untergebracht (in sogenannten Centri accoglienza straordinari). Auch bei dieser Art der Unterbringung werden Familien in eigenen Strukturen untergebracht. Sobald ein Platz in einer SPRAR-Struktur frei wird, werden die Familien dorthin verlegt. Der Transfer in die Unterbringung erfolgt entweder organisiert, oder mit öffentlichen Verkehrsmitteln, wobei die Kosten dann durch die Vereinigung "ITC" getragen werden. Im gemonitorten Fall war der Transfer für denselben Nachmittag angekündigt. (VB 14.2.2017; ITC o.D.).

Quellen:

-

AIDA - Asylum Information Database (ASGI - Association for Legal Studies on Immigration; ECRE - European Council on Refugees and Exiles) (2.2017): National Country Report Italy, http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_it_2016update.pdf, Zugriff 23.3.2017

-

DRC - Danish Refugee Council / SRC - Swiss Refugee Council (9.2.2017): Is mutual trust enough? The situation of persons with special reception needs upon return to Italy, https://www.refugeecouncil.ch/assets/news/2017/drc-osar-drmp-report-090217.pdf, Zugriff 8.5.2017

-

ITC Interpreti Traduttori in Cooperativa (o.D.): The Cooperative, http://www.cooperativaitc.org/en/about-us/the-cooperative, Zugriff 9.5.2017

-

MdI - Ministero dell Interno (12.10.2016): Circular Letter, per -E-Mail

-

VB des BM.I für Italien (14.2.2017): Bericht des VB, per E-Mail

5.3. Medizinische Versorgung

Asylwerber und Personen mit einem Schutzstatus in Italien müssen sich beim italienischen nationalen Gesundheitsdienst registrieren und haben dann in Bezug auf medizinische Versorgung dieselben Rechte und Pflichten wie italienische Staatsbürger. Das Recht auf medizinische Versorgung erfolgt im Moment der Registrierung eines Asylantrags, der wiederum von der Zuweisung eines "codice fiscale" (Steuer-Codes) abhängt, der von den Quästuren im Zuge der Formalisierung des Asylantrags vergeben wird. Das kann Wochen oder sogar Monate dauern, zumal 2016 ein eigenes Steuercode-System für Asylwerber eingeführt wurde. Bis dahin haben Asylsuchende nur Zugang zu medizinischen Basisleistungen wie etwa einer Notfallversorgung, wie sie gemäß Artikel 35 des Einwanderungsgesetzes (TUI) auch illegalen Migranten zusteht. Die Anmeldung erfolgt in den Büros der lokalen Gesundheitsdienste (Aziende sanitaria locali, ASL). Im Zuge der Registrierung wird eine Gesundheitskarte (tessera sanitaria) ausgestellt. Die Registrierung berechtigt zu folgenden Leistungen:

freie Wahl eines Hausarztes bzw. Kinderarztes (kostenlose Arztbesuche, Hausbesuche, Rezepte, usw.); Geburtshilfe und gynäkologische Betreuung bei der Familienberatung (consultorio familiare) ohne allgemeinärztliche Überweisung; kostenlose Aufenthalte in öffentlichen Krankenhäusern (AIDA 2.2017).

Asylwerber und Schutzberechtigte können sich auf Basis einer Eigendeklaration bei der ASL als bedürftig registrieren lassen. Sie werden dann arbeitslosen Staatsbürgern gleichgestellt und müssen keine Praxisgebühr ("Ticket") bezahlen. Die Praxis ist aber nicht im ganzen Land einheitlich. Auch bezüglich der Verlängerung der Befreiung gibt es regional unterschiedliche Regelungen. Die Sprachbarriere ist das größte Zugangshindernis zu medizinischer Versorgung. Asylwerber und Schutzberechtigte mit psychischen Problemen (z.B. Folteropfer) haben das Recht auf dieselbe Behandlung wie italienische Staatsbürger. Seit April 2016 existiert in Rom ein NGO-Projekt zur Indentifizierung und Rehabilitation von Folteropfern (AIDA 2.2017).

Der Zugang zur Gesundheitsversorgung wird in der Praxis dadurch beeinträchtigt, dass viele Asylwerber und Schutzberechtigte nicht über ihre Rechte und das administrative Verfahren zum Erhalt einer Gesundheitskarte informiert sind. Dies gilt insbesondere, wenn sie sich in einer prekären Wohnsituation befinden (SFH 8.2016).

Auch illegal aufhältige Personen können von medizinischen Notdiensten usw. Gebrauch machen. Die Gesetze verbieten es dem medizinischen und Verwaltungspersonal, die Polizei bezüglich illegaler Migranten zu informieren (UNHRC 21.7.2014).

MedCOI bearbeitet grundsätzlich keine medizinischen Anfragen zu EU-Mitgliedsstaaten, da die medizinischen Mitarbeiter von MedCOI (Ärzte) davon ausgehen, dass medizinische Behandlungsmöglichkeiten in der EU generell in ausreichendem Maße verfügbar sind. Ausnahmen von dieser Regel sind nur in sehr spezifischen Einzelfällen möglich (MedCOI 14.12.2016).

Quellen:

-

AIDA - Asylum Information Database (ASGI - Association for Legal Studies on Immigration; ECRE - European Council on Refugees and Exiles) (2.2017): National Country Report Italy, http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_it_2016update.pdf, Zugriff 23.3.2017

-

MedCOI - Medical Country of Origin Information (14.12.2016):

Auskunft MedCOI, per E-Mail

-

SFH - Schweizerische Flüchtlingshilfe (8.2016): Asylverfahren und Aufnahmebedingungen in Italien, https://www.ecoi.net/file_upload/90_1472034789_160815-sfh-bericht-italien-aufnahmebedingungen-final.pdf, Zugriff 11.4.2017

-

UNHRC - United Nations Human Rights Council (21.7.2014): National report submitted by the Government of Italy, http://www.ecoi.net/file_upload/1930_1414580593_g1408921.pdf, Zugriff 27.4.2016

Es folgte im angefochtenen Bescheid die rechtliche Beurteilung zu den beiden Spruchpunkten. Der Antrag auf internationalen Schutz sei zurückzuweisen, weil Art. 13 Abs. 1 Dublin III-VO formell erfüllt (und implizit sohin Italien für die Prüfung des Antrages zuständig) sei. Ein im besonderen Maße substantiiertes, glaubhaftes Vorbringen, betreffend das Vorliegen außergewöhnlicher Umstände, welche die Gefahr einer Verletzung der EMRK im Falle einer Überstellung der beschwerdeführenden Partei ernstlich für möglich erscheinen lassen würden, sei im Verfahren nicht erstattet worden. Es seien auch weder schützenswerte familiäre, noch besondere private Anknüpfungspunkte in Österreich gegeben, weshalb die Außerlandesbringung des Beschwerdeführers keinen ungerechtfertigten Eingriff in das Grundrecht nach Art. 8 EMRK darstelle. Eine hinreichende Wahrscheinlichkeit einer Gefahr der Verletzung der EMRK oder eine systematische notorische Verletzung fundamentaler Menschenrechte in Italien seien nicht zu erkennen. In Italien sei eine ausreichende Versorgung für Asylwerber gewährleistet. Die Regelvermutung des § 5 Abs. 3 AsylG treffe zu und es habe sich kein Anlass für die Ausübung des Selbsteintrittsrechts gemäß Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO ergeben. Der BF habe keine Familienbindungen im Bundesgebiet, und sei seine Aufenthaltsdauer als bloß kurz zu bezeichnen. Seine Außerlandesbringung stelle daher keine Verletzung seiner Rechte gem. Art. 8 EMRK dar.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die fristgerecht erhobene Beschwerde, in welcher der BF im Wesentlichen vorbringt, dass er in Italien in einem Lager untergebracht worden wäre, in welchem es ständig Streitigkeiten und blutige Auseinandersetzungen gegeben hätte, wodurch seine körperliche Sicherheit und Unversehrtheit gefährdet gewesen wäre. Er habe sich aufgrund dieser Missstände an die Lagerleitung und die Polizeibehörden gewendet, die jedoch beide nicht entsprechend eingeschritten wären. Im Lager hätte er gesundheitliche Probleme gehabt und hätte keine medizinische Hilfe erhalten. In Österreich stünde er aufgrund von Schmerzen beim Harnlassen in regelmäßiger ärztlicher Behandlung, die er in Italien nicht erhalten würde. In einer Gesamtabwägung hätte zudem auch berücksichtigt werden müssen, dass der BF trotz der festgestellten Volljährigkeit noch sehr jung sei und angesichts der in Italien vorliegenden schwierigen Umstände hinsichtlich der Versorgung von Asylwerbern nichts desto trotz eine gewisse Vulnerabilität aufweise. Darüber hinaus stellte der BF den Antrag auf Anberaumung einer mündlichen Verhandlung und Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung seiner Beschwerde.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der Beschwerdeführer ist ein volljähriger Staatsangehöriger aus Togo und reiste über Italien in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten ein, wo er am 19.06.2017 erkennungsdienstlich behandelt wurde. Am 30.06.2017 brachte er schließlich den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich ein.

Das BFA stellte am 23.08.2017 ein Aufnahmeersuchen gem. Art. 13 Abs. 1 der Dublin III-VO an Italien. Die Zuständigkeit Italiens ist aufgrund Verfristung im Sinne von Art. 22 Abs. 7 Dublin III-VO mit Wirksamkeit vom 24.10.2016 eingetreten.

Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer (etwa wegen seines Gesundheitszustandes oder wegen der dortigen Lage) im Falle seiner Überstellung nach Italien Gefahr liefe, einer unmenschlichen Behandlung oder Strafe oder der Todesstrafe beziehungsweise einer sonstigen konkreten individuellen Gefahr unterworfen zu werden. Im zuständigen Mitgliedstaat Italien herrschen keine systematischen Mängel in Verfahren wegen internationalen Schutzes.

Der Antragsteller leidet nicht an einer lebensbedrohlichen Erkrankung, bezüglich derer es keine medizinische Behandlungen in Italien gäbe. Die vom Beschwerdeführer ins Treffen geführten gesundheitlichen Probleme sind nicht geeignet, den Schutzbereich des Art. 3 EMRK zu tangieren, welcher nur bei Vorliegen außergewöhnlicher Umstände zu einer Verletzung von Art. 3 EMRK führt. Solche außergewöhnlichen Umstände liegen etwa vor, wenn ein lebensbedrohlich Erkrankter durch die Abschiebung einem realen Risiko ausgesetzt würde, unter qualvollen Umständen zu sterben (vgl. VwGH Beschluss vom 23.02.2016, Ra 2015/20/0142, nmN) oder im Fall, dass die Abschiebung einen schwer kranken Menschen betrifft, gewichtige Gründe für die Annahme vorliegen, dass dieser, auch wenn er sich nicht in unmittelbarer Lebensgefahr befindet, einer realen Gefahr ausgesetzt wäre, wegen des Fehlens einer geeigneten Heilbehandlung im Zielstaat oder des mangelndes Zugangs zu einer solchen Heilbehandlung eine ernste, schnelle und irreversible Verschlechterung des Gesundheitszustandes, die ein starkes Leid zur Folge hätte, oder eine erhebliche Verringerung der Lebenserwartung zu erfahren (EGMR "Paposhvili vs Belgium", vom 13.12.2016, Zahl: 41738/10).

Der BF hat weder im Bundesgebiet noch sonst im EU-Raum Verwandte oder sonstige Personen, mit denen er besonders eng verbunden wäre.

Das Bundesverwaltungsgericht schließt sich den Feststellungen des angefochtenen Bescheides zur Lage im Mitgliedstaat an.

2. Beweiswürdigung:

Die festgestellten Tatsachen hinsichtlich der illegalen Einreise des Beschwerdeführers in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten sowie dessen erkennungsdienstlicher Behandlung in Italien ergeben sich aus den Angaben des Beschwerdeführers im Rahmen seiner Einvernahmen sowie aus dem vorliegenden EURODAC-Treffer der Kategorie 2.

Die Feststellung bezüglich der Zuständigkeit Italiens ergibt sich aus den im Akt dokumentierten Konsultationsverfahren mit Italien. Dass Italien keine Antwort auf das österreichische Wiederaufnahmeersuchen erteilt hat, schadet im Sinne von Art. 22 Abs. 7 Dublin III-VO nicht, da die genannte Bestimmung im Falle der Verfristung bei der Beantwortung eines Aufnahmeersuchens eine Zustimmungsfiktion konstruiert. Die Bestimmung nennt ausdrücklich die Konsequenz der Verfristung, nämlich dass davon auszugehen ist, dass dem Aufnahmegesuch stattgegeben wird, was die Verpflichtung nach sich zieht, die betreffende Person wieder aufzunehmen und angemessene Vorkehrung für die Ankunft zu treffen. Dieser Zuständigkeitsübergang ist - unter Zugrundelegung des Datums der Stellung des Aufnahmegesuchs nach Art. 21 Abs. 1 Dublin III-VO am 23.08.2016 nach Ablauf der Antwortfrist von zwei Monaten - mit Wirksamkeit vom 24.10.2016 eingetreten. In diesem Zusammenhang wird auch auf das Urteil des EuGH vom 26. Ju

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten