TE Bvwg Erkenntnis 2018/2/19 W209 2165327-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 19.02.2018
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Entscheidungsdatum

19.02.2018

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs2

Spruch

W209 2165327-1/17E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Reinhard SEITZ als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX, geboren am XXXX, StA. Afghanistan, gegen den Bescheid des dem Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 29.06.2017, Zl. 1127016405 - 161191041, betreffend Abweisung eines Antrages auf Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) und des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 (Spruchpunkt II.), Erlassung einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG, Versagung eines Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 und Feststellung gemäß § 52 Abs. 9 FPG, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers nach Afghanistan zulässig ist (Spruchpunkt III.), sowie Setzung einer vierzehntägigen Frist für die freiwillige Ausreise ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV.) nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer (in der Folge BF), ein afghanischer Staatsangehöriger, reiste nach im August 2016 illegal und schlepperunterstützt in Österreich ein und stellte am 30.08.2016 einen Antrag auf internationalen Schutz.

2. Bei seiner Erstbefragung durch die Landespolizeidirektion Vorarlberg am 30.08.2016 führte der BF als Fluchtgrund aus, er habe in Afghanistan eine Polizeischule besuchen wollen. Der Bruder seiner Frau habe dies nicht gewollt. Der Bruder seiner Frau sei bei den Taliban und habe gewollt, dass er mit ihnen gegen die Regierung kämpfe. Der BF sei zwei Jahre lang von seinem Schwager immer wieder geschlagen und mit einem Messer am Körper verletzt worden. Im Dezember habe er den Entschluss gefasst, sein Heimatland zu verlassen. Bei einer Rückkehr fürchte der BF, dass der Schwager ihn umbringen würde. Der Schwager habe bereits auf den Bruder des BF geschossen, da dieser ihn beschützen habe wollen.

3. Am 01.03.2017 wurde der BF vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Salzburg, (in der Folge BFA), im Beisein eines Dolmetschers für die Sprache Paschtu, einvernommen. Eingangs gab der BF an, vollkommen gesund zu sein. Der BF legte unter anderem eine Tazkira in Fotokopie, ein afghanisches Highschool-Abschlusszeugnis und eine Schulbesuchsbestätigung des Innenministeriums, einen afghanischen Strafregisterauszug, sowie weitere, die Unbescholtenheit des BF bestätigende, Dokumente vor.

Der BF gab an er heiße XXXX, sei laut der Tazkira am XXXX in Kabul geboren und afghanischer Staatsangehöriger. Er gehöre der Volksgruppe der Paschtunen an und sei sunnitischer Moslem. Seine letzte Wohnanschrift sei in Kabul, im XXXX - XXXX, gelegen. Seiner Familie gehöre ein Haus im XXXX Bezirk von Kabul. In Paktia habe die Familie Grundstücke. Dort habe er gelebt und ein normales Leben geführt. Er sei mit XXXX XXXX verheiratet, diese sei ein oder zwei Jahre älter als er. Die Eheschließung sei vor zirka sieben Jahren in Kabul erfolgt. Die Ehefrau befinde sich zusammen mit den beiden gemeinsamen Kindern XXXX (zirka sechs Jahre alt) und XXXX (zirka drei Jahre alt) in Kabul. Diese würden beim Vater und der Mutter des BF leben. Seine fünf Brüder XXXX, XXXX, XXXX, XXXX und XXXX würden sich teils in Pakistan und teils in der Türkei aufhalten, seine drei Schwestern XXXX, XXXX und XXXX würden allesamt mit seinen Eltern in Kabul leben. Er verfüge nach eigener Ansicht über einen gut funktionierenden Familienverbund.

Er habe zwölf Jahre lang die Schule besucht und in Ghazni seinen Abschluss gemacht. Er könne in Paschtu und Dari lesen und schreiben. Bis er die Ausbildung zum Polizisten beginnen habe wollen, habe der BF in einer Zementfirma gearbeitet. Kontakt zu seinen Eltern bestehe ab und zu über das Internet.

Zu den Fluchtgründen führte der BF aus, er habe Polizist werden wollen. Die Brüder seiner Frau seien dagegen gewesen und hätten ihm gesagt, er solle sich den Taliban anschließen. Als er seine Frau bei ihren Brüdern in Shinwar (in der Provinz Nangarhar) abholen habe wollen, sei er von seinen Schwagern geschlagen und mit einer, durch ein angebrachtes Bajonette erweiterten Kalaschnikow gestochen worden. Daraufhin sei er nach Kabul gefahren, um dort medizinische Versorgung zu erhalten. Er habe weiterhin seine Ausbildung zum Polizist beginnen wollen und es seien weitere Drohungen durch die Schwager erfolgt. Bei einer Hochzeit, welche der BF bewusst gemieden habe, sei es zwischen seinen Brüdern und den Schwagern zu einer Schlägerei gekommen.

In der Woche vor dem Ausbildungsstart zum Polizisten sei der BF mit seinem Bruder XXXX nach Logar gefahren um dessen Auto zu tauschen. Auf dem Rückweg nach Kabul sei ihnen in der Nähe von Pule Kandahari ein verdächtiges Auto hinter ihnen aufgefallen. Dieses Auto habe sie überholt und sei dann gleich außer Sichtweite gewesen. Dann habe er das Auto und Menschen in der Nähe von Pule Kandahari auf der Straße stehen sehen. Es sei dämmrig gewesen. Diese Personen hätten auf den BF und seinen Bruder geschossen. Sein Bruder sei angeschossen geworden, der BF habe versucht sofort aus dem Auto zu gelangen. Er habe dabei einen Schwager namens XXXX erkannt. Bei diesem Zwischenfall habe sich der BF zwei vordere Zähne gebrochen und an der Unterlippe verletzt. Auch das Kinn habe er sich gebrochen. Mit seinem blutigen Körper habe sich er sich in ein Haus flüchten können. Er habe daraufhin seine Familie verständigt. Sein jüngerer Bruder habe ihn am nächsten Morgen abgeholt und ins Krankenhaus nach Kabul gebracht. Nach elf Tagen im Krankenhaus habe er einen Anruf seines Vaters erhalten, dieser teilte ihm mit, dass die Schwager wüssten, dass er sich in diesem Krankenhaus befinde. Sie würden ihn suchen. Der BF habe dann ohne seine Familie zu verständigen das Krankenhaus verlassen und sei nach Nimrouz gefahren um dort einen Schlepper zu finden. Zusammen mit seinem jüngeren Bruder XXXX habe er diesen Schlepper organisiert. Noch in Kabul habe der BF erfahren, dass sein Bruder XXXX durch den Angriff schwer verletzt worden und bewusstlos zurückgeblieben sei. Er sei dann verletzt von Kabul nach Pakistan geflüchtet.

Von den Bajonetteverletzungen trage der BF Narben an seinem Oberschenkel, dem linken Arm, dem Rücken und der linken Kopfseite davon. Fünf Personen seien bei diesem Hinterhalt anwesend gewesen. Bei zweien habe der BF Waffen gesehen. Der Hinterhalt sei direkt auf der Straße erfolgt, neben dem Auto seien Motorräder gestanden. Links und rechts seien Häuser gewesen. Es habe auch einen Basar gegeben. Zwei Personen hätten mit Kalaschnikows auf das fahrende Fahrzeug geschossen. Der BF sei aus dem fahrenden Fahrzeug gesprungen und danach in die umliegenden Häuser geflüchtet. Die Distanz zwischen dem Auto des BF und den Schützen habe 70 Meter betragen. Vom Sprung aus dem Auto bis zur nächsten Deckung seien es 15 Meter gewesen. Die Angreifer hätten den BF und seinen Bruder töten wollen, da sie seit dem Zwischenfall bei der Hochzeit mit dem Bruder des BF verfeindet gewesen seien.

Auf Nachfrage durch das BFA bestätigte der BF, dass er dem Feuer von zwei Sturmgewehren unverletzt entkommen habe können. Der Schusswechsel habe zwischen 40 Sekunden und einer Minute angedauert. Auf die Frage, warum die Angreifer den bewusstlosen Bruder des BF nicht getötet hätten, nachdem sie doch mit Tötungsabsicht angegriffen hätten, gab der BF an, die Angreifer hätten angenommen, dass er und sein Bruder beim Angriff getötet worden seien. Da es in der Nähe eines Bazars zu diesem Angriff gekommen sei, hätten sich die Angreifer nicht versichern können, dass sie beide tot seien. Das BFA hielt dem BF daraufhin vor, dass er gerade angegeben habe, geflüchtet zu sein, weswegen es unglaubwürdig erscheint, dass die Angreifer annehmen hätten können, den BF und seinen Bruder getötet zu haben. Der BF erklärte daraufhin, die Angreifer hätten nur angenommen, seinen Bruder getötet zu haben. Er sei nicht verfolgt worden, da sich viele Menschen am Bazar befunden hätten.

Während seines elftägigen Aufenthaltes in der Klinik in Kabul habe er mit Vater, Mutter, Tante, Onkel und Freunden Kontakt gehabt. Auf die Frage, warum er seine Frau und die Kinder nie erwähnt habe, und ob sich die Frau keine Sorgen um ihn mache, gab der BF an, seine Frau sei zu jener Zeit in XXXX und nicht in Kabul gewesen. Er habe seine Frau und die Kinder bei der Flucht nicht mitnehmen können. Vom Krankenhaus weg sei er nach Nimrouz geflohen. Eine Nachholung sei nicht möglich gewesen. Als der BF in Herat gewesen sei, sei seine Frau bei ihren Eltern gewesen, ihre Brüder seien dagegen gewesen, dass sie nach Kabul komme. Mittlerweile sei seine Frau in Kabul. Sie habe sich dazu entschieden, zu den Eltern des BF zu ziehen, nachdem dieser von ihren Brüdern so schlecht behandelt worden sei. Dies könne auch eine Vermittlung von Weißbärten gewesen sein. Eine Heiratsurkunde gebe es nicht. Es könnte sein, dass es Hochzeitsfotos gebe. Er habe jedoch keine gemeinsamen Fotos mit seiner Ehefrau, unter Paschtunen sei es unter Eheleuten nicht üblich, gemeinsame Fotos zu machen. Es könnte sein, dass es Familienfotos gebe, jedoch keine, auf denen seine Kinder abgebildet seien, denn Paschtunen würden nichts öffentlich machen. Auf den Vorhalt durch die Behörde, dass er aber einen Facebook-Account habe, gibt der BF an: ein Foto seiner Frau sei dort auch nicht verfügbar. Mit dem Kind sei er jedoch auf einem Foto zu sehen. Dazu erklärte der BF, dass nur Frauenfotos nicht öffentlich gemacht werden würden. Dokumente in Bezug auf die Kinder würde es nicht geben, erst ab dem siebten Lebensjahr würden diese eine Tazkira erhalten.

Der BF könne nicht mehr nach Afghanistan zurückkehren, da er von seinem Bruder XXXX einen Anruf erhalten habe, in dem dieser ihm mitgeteilt habe, in Jalalabad einen Schwager angeschossen zu haben. Dies sei eine Racheaktion gewesen.

Während des Krankenhausaufenthaltes hätten die Schwager mit dem Vater des BF telefoniert. Daher wisse der BF, dass die Schwager ihn verfolgt hätten. Zum Krankenhaus selbst seien sie jedoch nicht gekommen.

4. Am 09.03.2017 erfolgte eine ärztliche Untersuchung des BF. Der untersuchende Arzt für Allgemeinmedizin XXXX hielt darin fest, dass der Körper des BF mehrere Narben unterschiedlicher Größe aufweise. Aufgrund ihrer Unspezifität könnten diese Narben keinem eindeutigen Verletzungskontext zugeordnet werden. Sie könnten - neben dem hier im Verfahrensgang unter Punkt 3. angegebenen - auch unter anderen denkbaren Umständen zustande gekommen sein (z.B. Arbeits-, Unfall-, Sport- oder andere Freizeitverletzung).

5. Im weiteren Verlauf des Verfahrens reichte der BF neun fremdsprachliche Schriftstücke im Original, sowie 23 Schriftstücke in Kopie, bei der belangten Behörde ein.

6. Mit Bescheid vom 29.06.2017, Zl. 1127016405 - 161191041/BMI-, wies das BFA den Antrag des BF auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 in Verbindung mit § 2 Abs. 1 Z 13 Asylgesetz 2005 (Spruchpunkt I.) sowie hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Afghanistan gemäß § 8 Abs. 1 in Verbindung mit § 2 Abs. 1 Z 13 Asylgesetz 2005 ab (Spruchpunkt II.) und verband diese Entscheidung in Spruchpunkt III. gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG in Verbindung mit § 9 BFA-VG mit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG wurde ihm nicht erteilt. Es wurde festgestellt, dass die Abschiebung des BF nach Afghanistan gemäß § 46 FPG zulässig sei. Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise des BF 2 Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung.

In der Begründung des Bescheides traf die belangte Behörde Feststellungen zur Person des BF und zur Lage in dessen Herkunftsstaat. Eine asylrelevante Verfolgung liege nicht vor, das diesbezügliche Vorbringen des BF sei unglaubhaft. Es hätten sich für die Behörde derart viele Widersprüche ergeben, dass die Behörde das Vorbringen als unglaubwürdig zu werten hatte. Ebenso sah es die Behörde nicht als gegeben an, dass der BF verheiratet und Vater zweier Kinder sei. Es bestünden keine stichhaltigen Gründe gegen eine Abschiebung des BF nach Afghanistan. Im Falle der Rückkehr drohe ihm keine Gefahr, die eine Erteilung des subsidiären Schutzes rechtfertigen würde.

Der BF erfülle nicht die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG, der Erlassung einer Rückkehrentscheidung stehe sein Recht auf Achtung des Privat- oder Familienlebens angesichts der kurzen Aufenthaltsdauer und des Fehlens von familiären oder privaten Bindungen im Inland nicht entgegen. Angesichts der abweisenden Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz ergebe sich die Zulässigkeit einer Abschiebung des BF nach Afghanistan. Die Frist für die freiwillige Ausreise von 14 Tagen ergebe sich aus § 55 FPG, da besondere Umstände, die der BF bei der Regelung seiner persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen habe, nicht gegeben seien.

Beweiswürdigend führte das BFA (zusammengefasst) aus, dass der BF bezüglich seiner behaupteten Herkunftsregion, Volks- und Staatsangehörigkeit aufgrund seiner Sprach- und Lokalkenntnisse - im Gegensatz zu seinem Fluchtvorbringen - glaubwürdig sei. Die Feststellungen zur Situation in Afghanistan, denen der BF nicht substantiiert entgegengetreten sei, würden auf einer Zusammenstellung der Staatendokumentation des BFA basieren. Diese sei zur Objektivität verpflichtet und die Qualität sei durch die erarbeiteten Standards der Staatendokumentation sichergestellt.

Subsidiärer Schutz wurde dem BF nicht zuerkannt, da im Falle einer Rückkehr des BF in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 oder 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder 13 zur GFK oder eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt oder im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes aufgrund der derzeitigen allgemeinen Lage in Afghanistan nicht drohe. Es bestehe eine innerstaatliche Fluchtalternative für den BF. Eine Rückkehr nach Kabul, wo seine gesamte Familie sesshaft sei, könne dem BF zugemutet werden. Sein Gesundheitszustand sei unbedenklich und er sei mit den landestypischen Verhältnissen in Kabul vertraut.

7. Gegen diesen Bescheid erhob der BF, vertreten durch den Verein Menschenrechte, mit am 14.07.2017 eingelangtem Schreiben fristgerecht das Rechtsmittel der Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht (in der Folge BVwG).

Der BF beantragte sinngemäß, das BVwG möge:

1. den angefochtenen Bescheid dahingehend abändern, dass ihm der Status eines Asylberechtigten zuerkannt werde; in eventu

2. den angefochtenen Bescheid beheben und zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an die erste Instanz zurückverweisen; in eventu

3. den angefochtenen Bescheid dahingehend abändern, dass ihm der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt werde;

4. dem BF einen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen zuerkennen;

5. die Rückkehrentscheidung aufheben;

6. eine mündliche Verhandlung anberaumen.

In der Beschwerdebegründung führt der BF aus, der Bescheid leide an Rechtswidrigkeit des Inhalts und ebenso seien Verfahrensvorschriften verletzt worden.

Inhaltlich hält der BF seine Aussagen aufrecht. Seines Erachtens ergebe sich daraus ein Fluchtgrund. Er sei seinen Mitwirkungspflichten im Verfahren nachgekommen, die Behörde hingegen habe verabsäumt, Hinweisen von Amts wegen weiter nachzugehen. Im Wesentlichen habe die Behörde ihre Beweiswürdigung falsch getroffen. So sei beispielsweise die Würdigung, dass die vorgebrachte Bedrohung gegenüber dem BF und seiner Familie in diesem Ausmaß nicht feststellbar sei, da der jüngere Bruder des BF XXXX von Kabul aus Dokumente nach Österreich versendet habe, obwohl dieser scheinbar vorher nach Pakistan geflüchtet sei, damit zu erklären, dass der Bruder des BF heimlich nach Kabul gefahren sei und daraufhin Afghanistan wieder verlassen habe.

Auch der Umstand, dass der BF selbst Polizist habe werden wollen, ändere nichts an der Tatsache, dass die afghanischen Sicherheitsbehörden nicht in der Lage seien, ihm den notwendigen Schutz zu gewähren. Weiters leide der angefochtene Bescheid an einem schwerwiegenden Verfahrensmangel, die belangte Behörde habe es unterlassen, sich mit dem gesamten individuellen Vorbringen sachgerecht auseinanderzusetzen und diesbezüglich ein adäquates Ermittlungsverfahren durchzuführen.

In eventu müsse dem BF aufgrund der Lage in Afghanistan subsidiärer Schutz gewährt werden.

8. Das BVwG führte am 04.12.2017 unter Beisein eines Dolmetsch für die Sprache Paschtu und des Rechtsvertreters des BF eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, in welcher der BF ausführlich zu seinen persönlichen Umständen im Herkunftsstaat, seinen Fluchtgründen und zu seiner Integration in Österreich befragt wurde. Im Rahmen dieser Verhandlung wurde auch erörtert, warum der aus Kabul stammende BF eine Frau in Nangarhar geheiratet habe, deren Familienmitglieder den Taliban zugehörig seien. Dazu führte der BF aus, dass sein Schwiegervater vormals für die afghanische Regierung gearbeitet habe. Konkret sei der Schwiegervater hintereinander Distriktvorsteher in den Distrikten Batikut, Ghanikhel und Achin gewesen. Erst nach dem Tod des Schwiegervaters und der Heirat des BF hätten sich dessen Söhne den Taliban angeschlossen. Nun könne er nicht nach Afghanistan zurückkehren, da man ihn nicht am Leben lassen würde.

9. Nachdem die rechtliche Vertretung des BF am 13.12.2017 vom Bundesverwaltungsgericht aufgefordert wurde hinsichtlich des genauen Namens und gegebenenfalls alternativer Schreibweisen des Schwiegervaters des BF eine Stellungnahme abzugeben, langte die diesbezügliche Stellungnahme am selben Tag ein. Laut dieser Stellungnahme heiße der Schwiegervater des BF XXXX und sei auch als

XXXX bekannt. Er sei zwischen 2009 und 2014 Distriktvorsteher gewesen. Es wurde auch die persische Originalschreibweise des Namens des Schwiegervaters übermittelt.

10. Am 20.12.2017 wurde seitens des Bundesverwaltungsgerichts eine Anfrage an die Staatendokumentation des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl gerichtet. Inhalt dieser Anfrage war die Frage, ob im Zeitraum von ca. 2009 bis 2014 eine Person namens XXXX (auch bekannt als XXXX) in der Provinz Nangarhar die Funktion des Distriktvorstehers in den Distrikten Batikut, Ghanikhel oder Achin ausgeübt habe. In eventu wurde auch angefragt, ob im Zeitraum von ca. 2009 bis 2014 eine Person namens XXXX (auch bekannt als Hajie Khamrei XXXXe) in der Provinz Nangarhar eine politische Funktion, die mit der eines Distriktvorstehers vergleichbar ist, in den Distrikten Batikut, Ghanikhel oder Achin ausgeübt habe. Es wurde auch die persische Originalschreibweise des Namens des Schwiegervaters übermittelt, woraufhin die Staatendokumentation mitteilte, dass eine Originalschreibweise korrekt mit Hajie Namki XXXXe zu übersetzen sei.

11. Am 10.01.2018 übermittelte die Staatendokumentation dem Bundesverwaltungsgericht die Anfragebeantwortung. Die Recherche habe ergeben, dass es im Zeitraum zwischen 2009 und 2014 in den Distrikten Bati Kut, Achin und Ghanikhel der Provinz Nangarhar keine Person namens XXXX (auch XXXX) gegeben habe, die den Posten des Distriktvorstehers oder eine politische Funktion, die mit der eines Distriktvorstehers vergleichbar sei, innegehabt habe. Der Anfragebeantwortung wurden umfassende Quellenangaben angehängt, aus denen hervorgeht, dass die Staatendokumentation ihrer Recherche verschiedenste Namenskonstellationen und Schreibweisen der betreffenden Person zugrunde gelegt habe.

12. Mit Schreiben vom 11.01.2018 wurde dem BF das Ergebnis der Anfrage an die Staatendokumentation übermittelt. Er wurde in diesem Zusammenhang zur Stellungnahme binnen zweiwöchiger Frist aufgefordert.

13. Am 19.01.2018 langte die diesbezügliche Stellungnahme des BF beim BVwG ein. Der BF wies darin ausdrücklich nochmals darauf hin, dass er im gesamten Verfahren die Wahrheit gesagt habe. Er könne sich nicht erklären, wieso die von ihm angegebenen Namen nicht bei der durchgeführten Anfragebeantwortung aufgelistet worden seien. Leider könne er dafür keinen Beweis erbringen. Es befinde sich nur seine Tante in Nangarhar. Ihr Sohn sei jedoch Mitglied bei den Taliban, weswegen sie auch keine Bestätigung oder Nachweis für den BF erbringen könne.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen

1.1 Zur Person des Beschwerdeführers:

Der BF heißt XXXX und ist am XXXX geboren.

Der BF ist Staatsangehöriger von Afghanistan, sunnitischen Glaubens, spricht Paschtu und gehört der Volksgruppe der Paschtunen an.

Der BF ist gesund.

Der BF ist in Österreich strafrechtlich unbescholten.

Vor seiner Ausreise lebte der BF in Kabul. Er hat in Afghanistan zwölf Jahre lang die Schule besucht und kann in Paschtu und Dari lesen und schreiben. Nach seinem Schulabschluss arbeitete der BF in einer Zementfirma.

Die Eltern des BF leben in Kabul und besitzen ein Haus im XXXX Bezirk von Kabul. Der BF verfügt über einen gut funktionierenden Familienverband. Der Vater des BF arbeitete in Kabul für das Landwirtschaftsministerium. Die finanzielle Lage der Familie des BF ist sehr gut. Die Familie besitzt Geschäfte und noch ein weiteres Haus in einem anderen Stadtteil von Kabul.

Es kann nicht festgestellt werden, dass der BF verheiratet ist.

Seit zwei Monaten (Stand 04.12.2017) besucht der BF einen Deutschkurs auf A1-Niveau.

Der BF begann am 05.09.2017 eine Ausbildung im Gastronomiebereich (Koch) im Rahmen des Projektes "Linie 150". Diese Ausbildung endet am 31.08.2018.

Jeden Dienstag nimmt der BF am Berufsschulunterricht am BFI in Salzburg teil.

Der BF hat keine Angehörigen oder Verwandten in Europa.

1.2 Zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers:

Der BF konnte nicht glaubhaft machen, dass ihm in Afghanistan eine an asylrelevante Merkmale anknüpfende Verfolgung droht. Es kann somit nicht festgestellt werden, dass der BF im Falle seiner Rückkehr nach Afghanistan in Kabul einer konkreten und individuellen Verfolgung ausgesetzt wäre.

Es kann nicht festgestellt werden, dass dem BF im Falle der Rückkehr in sein Herkunftsland ein Eingriff in seine körperliche Unversehrtheit droht.

Es kann nicht festgestellt werden, dass der BF im Falle der Rückkehr in sein Herkunftsland Gefahr liefe, grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse wie Nahrung, Kleidung sowie Unterkunft nicht befriedigen zu können, und in eine ausweglose bzw. existenzbedrohende Situation geraten würde.

Der BF kann die Stadt Kabul von Österreich aus sicher mit dem Flugzeug erreichen.

1.3 Zur maßgeblichen Situation in Afghanistan:

Auszug aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation (Stand 27.06.2017):

Nach dem Sturz des Taliban-Regimes im Jahr 2001 wurde eine neue Verfassung erarbeitet (IDEA o.D.), und im Jahre 2004 angenommen (Staatendokumentation des BFA 7.2016; vgl. auch: IDEA o.D.). Sie basiert auf der Verfassung aus dem Jahre 1964. Bei Ratifizierung sah diese Verfassung vor, dass kein Gesetz gegen die Grundsätze und Bestimmungen des Islam verstoßen darf und alle Bürger Afghanistans, Mann und Frau, gleiche Rechte und Pflichten vor dem Gesetz haben (BFA Staatendokumentation des BFA 3.2014; vgl. Max Planck Institute 27.1.2004).

Die Innenpolitik ist seit der Einigung zwischen den Stichwahlkandidaten der Präsidentschaftswahl auf eine Regierung der Nationalen Einheit (RNE) von mühsamen Konsolidierungsbemühungen geprägt. Nach langwierigen Auseinandersetzungen zwischen den beiden Lagern der Regierung unter Führung von Präsident Ashraf Ghani und dem Regierungsvorsitzenden (Chief Executive Officer, CEO) Abdullah Abdullah sind kurz vor dem Warschauer NATO-Gipfel im Juli 2016 schließlich alle Ministerämter besetzt worden (AA 9.2016). Das bestehende Parlament bleibt erhalten (CRS 12.1.2017), nachdem die für Oktober 2016 angekündigten Parlamentswahlen wegen bisher ausstehender Wahlrechtsreformen nicht am geplanten Termin abgehalten werden konnten (AA 9.2016; vgl. CRS 12.1.2017).

Parlament und Parlamentswahlen

Generell leidet die Legislative unter einem kaum entwickelten Parteiensystem und mangelnder Rechenschaft der Parlamentarier gegenüber ihren Wähler/innen. Seit Mitte 2015 ist die Legislaturperiode des Parlamentes abgelaufen. Seine fortgesetzte Arbeit unter Ausbleiben von Neuwahlen sorgt für stetig wachsende Kritik (AA 9.2016). Im Jänner 2017 verlautbarte das Büro von CEO Abdullah Abdullah, dass Parlaments- und Bezirksratswahlen im nächsten Jahr abgehalten werden (Pajhwok 19.1.2017).

Die afghanische Nationalversammlung besteht aus dem Unterhaus, Wolesi Jirga, und dem Oberhaus, Meshrano Jirga, auch Ältestenrat oder Senat genannt. Das Unterhaus hat 249 Sitze, die sich proportional zur Bevölkerungszahl auf die 34 Provinzen verteilen. Verfassungsgemäß sind für Frauen 68 Sitze und für die Minderheit der Kutschi 10 Sitze im Unterhaus reserviert (USDOS 13.4.2016 vgl. auch: CRS 12.1.2017).

Das Oberhaus umfasst 102 Sitze. Zwei Drittel von diesen werden von den gewählten Provinzräten vergeben. Das verbleibende Drittel, wovon 50% mit Frauen besetzt werden müssen, vergibt der Präsident selbst. Zwei der vom Präsidenten zu vergebenden Sitze sind verfassungsgemäß für die Kutschi-Minderheit und zwei weitere für Behinderte bestimmt. Die verfassungsmäßigen Quoten gewährleisten einen Frauenanteil von 25% im Parlament und über 30% in den Provinzräten. Ein Sitz im Oberhaus ist für einen Sikh- oder Hindu-Repräsentanten reserviert (USDOS 13.4.2016).

Die Rolle des Zweikammern-Parlaments bleibt trotz mitunter erheblichem Selbstbewusstsein der Parlamentarier begrenzt. Zwar beweisen die Abgeordneten mit der kritischen Anhörung und auch Abänderung von Gesetzentwürfen in teils wichtigen Punkten, dass das Parlament grundsätzlich funktionsfähig ist. Zugleich nutzt das Parlament seine verfassungsmäßigen Rechte, um die Regierungsarbeit destruktiv zu behindern, deren Personalvorschläge z. T. über längere Zeiträume zu blockieren und sich Zugeständnisse teuer abkaufen zu lassen. Insbesondere das Unterhaus spielt hier eine unrühmliche Rolle und hat sich dadurch sowohl die RNE als auch die Zivilgesellschaft zum Gegner gemacht (AA 9.2016).

Parteien

Der Terminus Partei umfasst gegenwärtig eine Reihe von Organisationen mit sehr unterschiedlichen organisatorischen und politischen Hintergründen. Trotzdem existieren Ähnlichkeiten in ihrer Arbeitsweise. Einer Anzahl von ihnen war es möglich die Exekutive und Legislative der Regierung zu beeinflussen (USIP 3.2015).

Die afghanische Parteienlandschaft ist mit über 50 registrierten Parteien stark zersplittert. Die meisten dieser Gruppierungen erscheinen jedoch mehr als Machtvehikel ihrer Führungsfiguren, denn als politisch-programmatisch gefestigte Parteien. Ethnischer Proporz, persönliche Beziehungen und ad hoc geformte Koalitionen genießen traditionell mehr Einfluss als politische Organisationen. Die Schwäche des sich noch entwickelnden Parteiensystems ist auf fehlende strukturelle Elemente (wie z.B. ein Parteienfinanzierungsgesetz) zurückzuführen, sowie auf eine allgemeine Skepsis der Bevölkerung und der Medien. Reformversuche sind im Gange - werden aber durch die unterschiedlichen Interessenlagen immer wieder gestört, etwa durch das Unterhaus selbst (AA 9.2016).

Im Jahr 2009 wurde ein neues Parteiengesetz eingeführt, welches von allen Parteien verlangte sich neu zu registrieren und zum Ziel hatte ihre Zahl zu reduzieren. Anstatt wie zuvor die Unterschrift von 700 Mitgliedern, müssen sie nun 10.000 Unterschriften aus allen Provinzen erbringen. Diese Bedingung reduzierte tatsächlich die Zahl der offiziell registrierten Parteien von mehr als 100 auf 63, trug aber scheinbar nur wenig zur Konsolidierung des Parteiensystems bei (USIP 3.2015).

Unter der neuen Verfassung haben sich seit 2001 zuvor islamistisch-militärische Fraktionen, kommunistische Organisationen, ethno-nationalistische Gruppen und zivilgesellschaftliche Gruppen zu politischen Parteien gewandelt. Sie repräsentieren einen vielgestaltigen Querschnitt der politischen Landschaft und haben sich in den letzten Jahren zu Institutionen entwickelt. Keine von ihnen ist eine weltanschauliche Organisation oder Mobilmacher von Wähler/innen, wie es Parteien in reiferen Demokratien sind (USIP 3.2015). Eine Diskriminierung oder Strafverfolgung aufgrund exilpolitischer Aktivitäten nach Rückkehr aus dem Ausland ist nicht anzunehmen. Auch einige Führungsfiguren der RNE sind aus dem Exil zurückgekehrt, um Ämter bis hin zum Ministerrang zu übernehmen. Präsident Ashraf Ghani verbrachte selbst die Zeit der Bürgerkriege und der Taliban-Herrschaft in den 1990er Jahren weitgehend im pakistanischen und US-amerikanischen Exil (AA 9.2016).

Friedens- und Versöhnungsprozess:

Im afghanischen Friedens- und Versöhnungsprozess gibt es weiterhin keine greifbaren Fortschritte. Die von der RNE sofort nach Amtsantritt konsequent auf den Weg gebrachte Annäherung an Pakistan stagniert, seit die afghanische Regierung Pakistan der Mitwirkung an mehreren schweren Sicherheitsvorfällen in Afghanistan beschuldigte. Im Juli 2015 kam es erstmals zu direkten Vorgesprächen zwischen der afghanischen Regierung und den Taliban über einen Friedensprozess, die aber nach der Enthüllung des jahrelang verschleierten Todes des Taliban-Führers Mullah Omar bereits nach der ersten Runde wieder eingestellt wurden. Die Reintegration versöhnungswilliger Aufständischer bleibt weiter hinter den Erwartungen zurück, auch wenn bis heute angeblich ca. 10.000 ehemalige Taliban über das "Afghanistan Peace and Reintegration Program" in die Gesellschaft reintegriert wurden (AA 9.2016).

Hezb-e Islami Gulbuddin (HIG)

Nach zweijährigen Verhandlungen (Die Zeit 22.9.2016), unterzeichneten im September 2016 Vertreter der afghanischen Regierung und der Hezb-e Islami ein Abkommen (CRS 12.1.2017), das der Hezb-e Islami Immunität für "vergangene politische und militärische" Taten zusichert. Dafür verpflichtet sich die Gruppe alle militärischen Aktivitäten einzustellen (DW 29.9.2016). Einen Tag nach Unterzeichnung des Friedensabkommen zwischen der Hezb-e Islami und der Regierung, erklärte erstere in einer Stellungnahme eine Waffenruhe (The Express Tribune 30.9.2016). Das Abkommen beinhaltet unter anderem die Möglichkeit eines Regierungspostens für Hekmatyar; auch soll sich die afghanische Regierung bemühen, int. Sanktionen gegen Hekmatyar aufheben zu lassen (CRS 12.1.2017). Sobald internationale Sanktionen aufgehoben sind, wird von Hekmatyar erwartet, nach 20 Jahren aus dem Exil nach Afghanistan zurückkehren. Im Jahr 2003 war Hekmatyar von den USA zum "internationalen Terroristen" erklärt worden (NYT 29.9.2016). Schlussendlich wurden im Februar 2017 die Sanktionen gegen Hekmatyar von den Vereinten Nationen aufgehoben (BBC News 4.2.2017).

Sicherheitslage

Die Sicherheitslage ist beeinträchtigt durch eine tief verwurzelte militante Opposition. Die afghanische Regierung behält die Kontrolle über Kabul, größere Bevölkerungszentren, Transitrouten, Provinzhauptstädten und den Großteil der Distriktzentren. Die afghanischen Sicherheitskräfte zeigten Entschlossenheit und steigerten auch weiterhin ihre Leistungsfähigkeit im Kampf gegen den von den Taliban geführten Aufstand. Die Taliban kämpften weiterhin um Distriktzentren, bedrohten Provinzhauptstädte und eroberten landesweit kurzfristig Hauptkommunikationsrouten; speziell in Gegenden von Bedeutung wie z.B. Kunduz City und der Provinz Helmand (USDOD 12.2016). Zu Jahresende haben die afghanischen Sicherheitskräfte (ANDSF) Aufständische in Gegenden von Helmand, Uruzgan, Kandahar, Kunduz, Laghman, Zabul, Wardak und Faryab bekämpft (SIGAR 30.1.2017).

In den letzten zwei Jahren hatten die Taliban kurzzeitig Fortschritte gemacht, wie z.B. in Helmand und Kunduz, nachdem die ISAF-Truppen die Sicherheitsverantwortung den afghanischen Sicherheits- und Verteidigungskräften (ANDSF) übergeben hatten. Die Taliban nutzen die Schwächen der ANDSF aus, wann immer sie Gelegenheit dazu haben. Der IS (Islamischer Staat) ist eine neue Form des Terrors im Namen des Islam, ähnlich der al-Qaida, auf zahlenmäßig niedrigerem Niveau, aber mit einem deutlich brutaleren Vorgehen. Die Gruppierung operierte ursprünglich im Osten entlang der afghanisch-pakistanischen Grenze und erscheint, Einzelberichten zufolge, auch im Nordosten und Nordwesten des Landes (Lokaler Sicherheitsberater in Afghanistan 17.2.2017).

INSO beziffert die Gesamtzahl sicherheitsrelevanter Vorfälle in Afghanistan im Jahr 2016 mit 28.838 (INSO 2017).

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1.12.2015 - 15.2.2016

16.2.2016 - 19.5.2016

20.5.2016 - 15.8.2016

16.8.2016 - 17.11.2016

1.12.2015 - 17.11.2016

sicherheitsrelevante Vorfälle

4.014

6.122

5.996

6.261

22.393

Bewaffnete Zusammenstöße

2.248

3.918

3.753

4.069

13.988

Vorfälle mit IED¿s

770

1.065

1.037

1.126

3.998

gezielte Tötungen

154

163

268

183

768

Selbstmordattentate

20

15

17

19

71

(UN GASC 13.12.2016; UN GASC

7.9.2016; UNGASC10.6.2016; UN GASC 7.3.2016; Darstellung durch die Staatendokumentation des BFA )

Mit Stand September 2016, schätzen Unterstützungsmission der NATO, dass die Taliban rund 10% der Bevölkerung beeinflussen oder kontrollieren. Die afghanischen Verteidigungsstreitkräfte (ANDSF) waren im Allgemeinen in der Lage, große Bevölkerungszentren zu beschützen. Sie hielten die Taliban davon ab, Kontrolle in bestimmten Gegenden über einen längeren Zeitraum zu halten und reagierten auf Talibanangriffe. Den Taliban hingegen gelang es, ländliche Gegenden einzunehmen; sie kehrten in Gegenden zurück, die von den ANDSF bereits befreit worden waren, und in denen die ANDSF ihre Präsenz nicht halten konnten. Sie führten außerdem Angriffe durch, um das öffentliche Vertrauen in die Sicherheitskräfte der Regierung, und deren Fähigkeit, für Schutz zu sorgen, zu untergraben (USDOD 12.2016). Berichten zufolge hat sich die Anzahl direkter Schussangriffe der Taliban gegen Mitglieder der afghanischen Nationalarmee (ANA) und afghaninischen Nationalpolizei (ANP) erhöht (SIGAR 30.1.2017).

Einem Bericht des U.S. amerikanischen Pentagons zufolge haben die afghanischen Sicherheitskräfte Fortschritte gemacht, wenn auch keine dauerhaften (USDOD 12.2016). Laut Innenministerium wurden im Jahr 2016 im Zuge von militärischen Operationen - ausgeführt durch die Polizei und das Militär - landesweit mehr als 18.500 feindliche Kämpfer getötet und weitere 12.000 verletzt. Die afghanischen Sicherheitskräfte versprachen, sie würden auch während des harten Winters gegen die Taliban und den Islamischen Staat vorgehen (VOA 5.1.2017).

Obwohl die afghanischen Sicherheitskräfte alle Provinzhauptstädte sichern konnten, wurden sie von den Taliban landesweit herausgefordert: intensive bewaffnete Zusammenstöße zwischen Taliban und afghanischen Sicherheitskräften verschlechterten die Sicherheitslage im Berichtszeitraum (16.8. - 17.11.2016) (UN GASC 13.12.2016; vgl. auch: SCR 30.11.2016). Den afghanischen Sicherheitskräften gelang es im August 2016, mehrere große Talibanangriffe auf verschiedene Provinzhauptstädte zu vereiteln, und verlorenes Territorium rasch wieder zurückzuerobern (USDOD 12.2016).

Kontrolle von Distrikten und Regionen

Den Aufständischen misslangen acht Versuche, die Provinzhauptstadt einzunehmen; den Rebellen war es möglich, Territorium einzunehmen. High-profile Angriffe hielten an. Im vierten Quartal 2016 waren 2,5 Millionen Menschen unter direktem Einfluss der Taliban, während es im 3. Quartal noch 2,9 Millionen waren (SIGAR 30.1.2017).

Laut einem Sicherheitsbericht für das vierte Quartal, sind 57,2% der 407 Distrikte unter Regierungskontrolle bzw. -einfluss; dies deutet einen Rückgang von 6,2% gegenüber dem dritten Quartal: zu jenem Zeitpunkt waren 233 Distrikte unter Regierungskontrolle, 51 Distrikte waren unter Kontrolle der Rebellen und 133 Distrikte waren umkämpft. Provinzen, mit der höchsten Anzahl an Distrikten unter Rebelleneinfluss oder -kontrolle waren: Uruzgan mit 5 von 6 Distrikten, und Helmand mit 8 von 14 Distrikten. Regionen, in denen Rebellen den größten Einfluss oder Kontrolle haben, konzentrieren sich auf den Nordosten in Helmand, Nordwesten von Kandahar und die Grenzregion der beiden Provinzen (Kandahar und Helmand), sowie Uruzgan und das nordwestliche Zabul (SIGAR 30.1.2017).

Rebellengruppen

Regierungsfeindliche Elemente versuchten weiterhin durch Bedrohungen, Entführungen und gezielten Tötungen ihren Einfluss zu verstärken. Im Berichtszeitraum wurden 183 Mordanschläge registriert, davon sind 27 gescheitert. Dies bedeutet einen Rückgang von 32% gegenüber dem Vergleichszeitraum im Jahr 2015 (UN GASC 13.12.2016). Rebellengruppen, inklusive hochrangiger Führer der Taliban und des Haqqani Netzwerkes, behielten ihre Rückzugsgebiete auf pakistanischem Territorium (USDOD 12.2016).

Afghanistan ist mit einer Bedrohung durch militante Opposition und extremistischen Netzwerken konfrontiert; zu diesen zählen die Taliban, das Haqqani Netzwerk, und in geringerem Maße al-Qaida und andere Rebellengruppen und extremistische Gruppierungen. Die Vereinigten Staaten von Amerika unterstützen eine von Afghanen geführte und ausgehandelte Konfliktresolution in Afghanistan - gemeinsam mit internationalen Partnern sollen die Rahmenbedingungen für einen friedlichen politischen Vergleich zwischen afghanischer Regierung und Rebellengruppen geschaffen werden (USDOD 12.2016).

Zwangsrekrutierungen durch die Taliban, Milizen, Warlords oder kriminelle Banden sind nicht auszuschließen. Konkrete Fälle kommen jedoch aus Furcht vor Konsequenzen für die Rekrutierten oder ihren Familien kaum an die Öffentlichkeit (AA 9.2016).

Taliban und ihre Offensive

Die afghanischen Sicherheitskräfte behielten die Kontrolle über große Ballungsräume und reagierten rasch auf jegliche Gebietsgewinne der Taliban (USDOD 12.2016). Die Taliban erhöhten das Operationstempo im Herbst 2016, indem sie Druck auf die Provinzhauptstädte von Helmand, Uruzgan, Farah und Kunduz ausübten, sowie die Regierungskontrolle in Schlüsseldistrikten beeinträchtigten und versuchten, Versorgungsrouten zu unterbrechen (UN GASC 13.12.2016). Die Taliban verweigern einen politischen Dialog mit der Regierung (SCR 12.2016).

Die Taliban haben die Ziele ihrer Offensive "Operation Omari" im Jahr 2016 verfehlt (USDOD 12.2016). Ihr Ziel waren großangelegte Offensiven gegen Regierungsstützpunkte, unterstützt durch Selbstmordattentate und Angriffe von Aufständischen, um die vom Westen unterstütze Regierung zu vertreiben (Reuters 12.4.2016). Gebietsgewinne der Taliban waren nicht dauerhaft, nachdem die ANDSF immer wieder die Distriktzentren und Bevölkerungsgegenden innerhalb eines Tages zurückerobern konnte. Die Taliban haben ihre lokalen und temporären Erfolge ausgenutzt, indem sie diese als große strategische Veränderungen in sozialen Medien und in anderen öffentlichen Informationskampagnen verlautbarten (USDOD12.2016). Zusätzlich zum bewaffneten Konflikt zwischen den afghanischen Sicherheitskräften und den Taliban kämpften die Taliban gegen den ISIL-KP (Islamischer Staat in der Provinz Khorasan) (UN GASC 13.12.2016).

Der derzeitig Talibanführer Mullah Haibatullah Akhundzada hat im Jänner 2017 16 Schattengouverneure in Afghanistan ersetzt, um seinen Einfluss über den Aufstand zu stärken. Aufgrund interner Unstimmigkeiten und Überläufern zu feindlichen Gruppierungen, wie dem Islamischen Staat, waren die afghanischen Taliban geschwächt. hochrangige Quellen der Taliban waren der Meinung, die neu ernannten Gouverneure würden den Talibanführer stärken, dennoch gab es keine Veränderung in Helmand. Die südliche Provinz - größtenteils unter Talibankontrolle - liefert der Gruppe den Großteil der finanziellen Unterstützung durch Opium. Behauptet wird, Akhundzada hätte nicht den gleichen Einfluss über Helmand, wie einst Mansour (Reuters 27.1.2017).

Im Mai 2016 wurde der Talibanführer Mullah Akhtar Mohammad Mansour durch eine US-Drohne in der Provinz Balochistan in Pakistan getötet (BBC News 22.5.2016; vgl. auch: The National 13.1.2017). Zum Nachfolger wurde Mullah Haibatullah Akhundzada ernannt - ein ehemaliger islamischer Rechtsgelehrter - der bis zu diesem Zeitpunkt als einer der Stellvertreter diente (Reuters 25.5.2016; vgl. auch:

The National 13.1.2017). Dieser ernannte als Stellvertreter Sirajuddin Haqqani, den Sohn des Führers des Haqqani-Netzwerkes (The National 13.1.2017) und Mullah Yaqoub, Sohn des Talibangründers Mullah Omar (DW 25.5.2016).

Haqqani-Netzwerk

Das Haqqani-Netzwerk ist eine sunnitische Rebellengruppe, die durch Jalaluddin Haqqani gegründet wurde. Sirajuddin Haqqani, Sohn des Jalaluddin, führt das Tagesgeschäft, gemeinsam mit seinen engsten Verwandten (NCTC o.D.). Sirajuddin Haqqani, wurde zum Stellvertreter des Talibanführers Mullah Haibatullah Akhundzada ernannt (The National 13.1.2017).

Das Netzwerk ist ein Verbündeter der Taliban - dennoch ist es kein Teil der Kernbewegung (CRS 26.5.2016). Das Netzwerk ist mit anderen terroristischen Organisationen in der Region, inklusive al-Qaida und den Taliban, verbündet (Khaama Press 16.10.2014). Die Stärke des Haqqani-Netzwerks wird auf 3.000 Kämpfer geschätzt (CRS 12.1.2017). Das Netzwerk ist hauptsächlich in Nordwaziristan (Pakistan) zu verorten und führt grenzübergreifende Operationen nach Ostafghanistan und Kabul durch (NCTC o.D.).

Das Haqqani-Netzwerk ist fähig - speziell in der Stadt Kabul - Operationen durchzuführen; finanziert sich durch legale und illegale Geschäfte in den Gegenden Afghanistans, in denen es eine Präsenz hat, aber auch in Pakistan und im Persischen Golf. Das Netzwerk führt vermehrt Entführungen aus - wahrscheinlich um sich zu finanzieren und seine Wichtigkeit zu stärken (CRS 12.1.2017).

Kommandanten des Haqqani Netzwerk sagten zu Journalist/innen, das Netzwerk sei bereit eine politische Vereinbarung mit der afghanischen Regierung zu treffen, sofern sich die Taliban dazu entschließen würden, eine solche Vereinbarung einzugehen (CRS 12.1.2017).

Al-Qaida

Laut US-amerikanischen Beamten war die Präsenz von al-Qaida in den Jahren 2001 bis 2015 minimal (weniger als 100 Kämpfer); al-Qaida fungierte als Unterstützer für Rebellengruppen (CRS 12.1.2017). Im Jahr 2015 entdeckten und zerstörten die afghanischen Sicherheitskräfte gemeinsam mit US-Spezialkräften ein Kamp der al-Quaida in der Provinz Kandahar (CRS 12.1.2017; vgl. auch: FP 2.11.2015); dabei wurden 160 Kämpfer getötet (FP 2.11.2015). Diese Entdeckung deutet darauf hin, dass al-Qaida die Präsenz in Afghanistan vergrößert hat. US-amerikanische Kommandanten bezifferten die Zahl der Kämpfer in Afghanistan mit 100-300, während die afghanischen Behörden die Zahl der Kämpfer auf 300-500 schätzten (CRS 12.1.2017). Im Dezember 2015 wurde berichtet, dass al-Qaida sich primär auf den Osten und Nordosten konzertierte und nicht wie ursprünglich von US-amerikanischer Seite angenommen, nur auf Nordostafghanistan (LWJ 16.4.2016).

IS/ISIS/ISIL/ISKP/ISIL-K/Daesh - Islamischer Staat

Seit dem Jahr 2014 hat die Terrorgruppe Islamischer Staat (IS) eine kleine Präsenz in Afghanistan etabliert (RAND 28.11.2016). Die Führer des IS nennen diese Provinz Wilayat Khorasan - in Anlehnung an die historische Region, die Teile des Irans, Zentralasien, Afghanistan und Pakistan beinhaltete (RAND 28.11.2016; vgl. auch:

MEI 5.2016). Anfangs wuchs der IS schnell (MEI 5.2016). Der IS trat im Jahr 2014 in zwei getrennten Regionen in Afghanistan auf: in den östlichsten Regionen Nangarhars, an der AfPak-Grenze und im Distrikt Kajaki in der Provinz Helmand (USIP 3.11.2016).

Trotz Bemühungen, seine Macht und seinen Einfluss in der Region zu vergrößern, kontrolliert der IS nahezu kein Territorium außer kleineren Gegenden wie z.B. die Distrikte Deh Bala, Achin und Naziyan in der östlichen Provinz Nangarhar (RAND 28.11.2016; vgl. auch: USIP 3.11.2016). Zwar kämpfte der IS hart in Afghanistan, um Fuß zu fassen. Die Gruppe wird von den Ansässigen jedoch Großteils als fremde Kraft gesehen (MEI 5.2016). Nur eine Handvoll Angriffe führte der IS in der Region durch. Es gelang ihm nicht, sich die Unterstützung der Ansässigen zu sichern; auch hatte er mit schwacher Führung zu kämpfen (RAND 28.11.2016). Der IS hatte mit Verlusten zu kämpfen (MEI 5.2016). Unterstützt von internationalen Militärkräften, führten die afghanischen Sicherheitskräfte regelmäßig Luft- und Bodenoperationen gegen den IS in den Provinzen Nangarhar und Kunar durch - dies verkleinerte die Präsenz der Gruppe in beiden Provinzen. Eine kleinere Präsenz des IS existiert in Nuristan (UN GASC 13.12.2016).

Auch wenn die Gruppierung weiterhin interne Streitigkeiten der Taliban ausnützt, um die Präsenz zu halten, ist sie mit einem harten Kampf konfrontiert, um permanenter Bestandteil komplexer afghanischer Stammes- und Militärstrukturen zu werden. Anhaltender Druck durch US-amerikanische Luftangriffe haben weiterhin die Möglichkeiten des IS in Afghanistan untergraben; auch wird der IS weiterhin davon abgehalten, seinen eigenen Bereich in Afghanistan einzunehmen (MEI 5.2016). Laut US-amerikanischem Außenministerium hat der IS keinen sicherheitsrelevanten Einfluss außerhalb von isolierten Provinzen in Ostafghanistan (SIGAR 30.1.2017).

Unterstützt von internationalen Militärkräften, führten die afghanischen Sicherheitskräfte regelmäßig Luft- und Bodenoperationen gegen den IS in den Provinzen Nangarhar und Kunar durch - dies verkleinerte die Präsenz der Gruppe in beiden Provinzen. Eine kleinere Präsenz des IS existiert in Nuristan (UN GASC 13.12.2016).

Presseberichten zufolge betrachtet die afghanische Bevölkerung die Talibanpraktiken als moderat im Gegensatz zu den brutalen Praktiken des IS. Kämpfer der Taliban und des IS gerieten, aufgrund politischer oder anderer Differenzen, aber auch aufgrund der Kontrolle von Territorium, aneinander (CRS 12.1.2017).

Drogenanbau und Gegenmaßnahmen

Einkünfte aus dem Drogenschmuggel versorgen auch weiterhin den Aufstand und kriminelle Netzwerke (USDOD 12.2016). Laut einem Bericht des afghanischen Drogenbekämpfungsministeriums, vergrößerte sich die Anbaufläche für Opium um 10% im Jahr 2016 auf etwa 201.000 Hektar. Speziell in Nordafghanistan und in der Provinz Badghis, verstärkte sich der Anbau: Blaumohn wächst in 21 der 34 Provinzen, im Vergleich zum Jahr 2015, wo nur 20 Provinzen betroffen waren. Seit dem Jahr 2008 wurde zum ersten Mal von Opiumanbau in der Provinz Jawzjan berichtet. Helmand bleibt mit 80.273 Hektar (40%) auch weiterhin Hauptanbauprovinz, gefolgt von Badghis, Kandahar und der Provinz Uruzgan. Die potentielle Opiumproduktion im Jahr 2016 macht insgesamt 4.800 Tonnen aus - eine Steigerung von 43% (3.300 Tonnen) im Gegensatz zum Jahr 2015. Die hohe Produktionsrate kann einer Steigerung des Opiumertrags pro Hektar und eingeschränkter Beseitigungsbemühungen, aufgrund von finanziellen und sicherheitsrelevanten Ressourcen, zugeschrieben werden. Hauptsächlich erhöhten sich die Erträge aufgrund von vorteilhaften Bedingungen, wie z.B. des Wetters und nicht vorhandener Pflanzenkrankheiten (UN GASC 17.12.2016).

Zivile Opfer

Die Mission der Vereinten Nationen in Afghanistan (UNAMA) dokumentiert weiterhin regierungsfeindliche Elemente, die illegale und willkürliche Angriffe gegen Zivilist/innen ausführen (UNAMA 10.2016). Zwischen 1.1. und 31.12.2016 registrierte UNAMA 11.418 zivile Opfer (3.498 Tote und 7.920 Verletzte) - dies deutet einen Rückgang von 2% bei Getöteten und eine Erhöhung um 6% bei Verletzten im Gegensatz zum Vergleichszeitraum des Jahres 2015 an. Bodenkonfrontation waren weiterhin die Hauptursache für zivile Opfer, gefolgt von Selbstmordangriffen und komplexen Attentaten, sowie unkonventionellen Spreng- und Brandvorrichtung (IED), und gezielter und willkürlicher Tötungen (UNAMA 6.2.2017).

UNAMA verzeichnete 3.512 minderjährige Opfer (923 Kinder starben und 2.589 wurden verletzt) - eine Erhöhung von 24% gegenüber dem Vergleichszeitraum des Vorjahres; die höchste Zahl an minderjährigen Opfern seit Aufzeichnungsbeginn. Hauptursache waren Munitionsrückstände, deren Opfer meist Kinder waren. Im Jahr 2016 wurden 1.218 weibliche Opfer registriert (341 Tote und 877 Verletzte), dies deutet einen Rückgang von 2% gegenüber dem Vorjahr an (UNAMA 6.2.2017).

Hauptsächlich waren die südlichen Regionen von dem bewaffneten Konflikt betroffen: 2.989 zivilen Opfern (1.056 Tote und 1.933 Verletzte) - eine Erhöhung von 17% gegenüber dem Jahr 2015. In den zentralen Regionen wurde die zweithöchste Rate an zivilen Opfern registriert: 2.348 zivile Opfer (534 Tote und 1.814 Verletzte) - eine Erhöhung von 34% gegenüber dem Vorjahreswert, aufgrund von Selbstmordangriffen und komplexen Angriffe auf die Stadt Kabul. Die östlichen und nordöstlichen Regionen verzeichneten einen Rückgang bei zivilen Opfern: 1.595 zivile Opfer (433 Tote und 1.162 Verletzte) im Osten und 1.270 zivile Opfer (382 Tote und 888 Verletzte) in den nordöstlichen Regionen. Im Norden des Landes wurden 1.362 zivile Opfer registriert (384 Tote und 978 Verletzte), sowie in den südöstlichen Regionen 903 zivile Opfer (340 Tote und 563 Verletzte). Im Westen wurden 836 zivile Opfer (344 Tote und 492 Verletzte) und 115 zivile Opfer (25 Tote und 90 Verletzte) im zentralen Hochgebirge registriert (UNAMA 6.2.2017).

Laut UNAMA waren 61% aller zivilen Opfer regierungsfeindlichen Elementen zuzuschreiben (hauptsächlich Taliban), 24% regierungsfreundlichen Kräften (20% den afghanischen Sicherheitskräften, 2% bewaffneten regierungsfreundlichen Gruppen und 2% internationalen militärischen Kräften); Bodenkämpfen zwischen regierungsfreundlichen Kräften und regierungsfeindlichen Kräften waren Ursache für 10% ziviler Opfer, während 5% der zivile

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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