TE Bvwg Beschluss 2018/2/19 W117 2114712-1

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Veröffentlicht am 19.02.2018
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Entscheidungsdatum

19.02.2018

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §8 Abs1
B-VG Art.133 Abs4
VwGVG §28 Abs3 Satz2

Spruch

W117 2114712-1/5E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Andreas DRUCKENTHANER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX, geb. am XXXX, StA. Mongolei, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 25.08.2015, Zl. 1024224407/14767535, zu Recht beschlossen:

I. In Erledigung der Beschwerde wird der angefochtene Bescheid behoben und die Angelegenheit gemäß § 28 Abs. 3, 2. Satz VwGVG zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.

II. Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

Verfahrensgang und Sachverhalt:

Die Beschwerdeführerin, eine Staatsangehörige der Mongolei stellte am 05.07.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz.

Im Zuge ihrer Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 05.07.2014 machte die Beschwerdeführerin als Fluchtgrund im Wesentlichen geltend, dass sie wegen der Luftverschmutzung in Ulanbator gesundheitliche Probleme bekomme und deswegen dort nicht mehr leben könne; sie wolle in einer gesunden Umgebung leben. Die Mongolei habe sie legal unter Verwendung ihres mongolischen Reisepasses verlassen.

Am 14.01.2015 brachte sie anlässlich ihrer Einvernahme beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (Bundesamt) jedoch andere Fluchtgründe, nämlich eine staatliche Verfolgung wegen einer ihr unterstellten Straftat vor, und begründete dies auf entsprechenden Vorhalt damit, Angst gehabt zu haben und dass sie nicht mehr habe sagen wollen, weil sie nicht gewusst habe, ob sie nicht sofort ins Gefängnis müsste bzw. zurückgeschickt würde. Bezüglich ihres Gesundheitszustandes gab sie an, blutdrucksenkende bzw. schmerzlindernde Medikamente wegen starker Schmerzen im Rücken, Blut im Stuhl und Kopfschmerzen verordnet erhalten zu haben, wozu sie keine Befunde vorlegen konnte. In der Mongolei habe es keine Behandlungsmöglichkeit gegeben. Zu den ihr zur Kenntnis gebrachten Länderfeststellungen gab sie an, dass es keine medizinische Versorgung gebe und dass es nicht stimme, dass die mongolischen Behörden von der Unschuld einer Person ausgehen würden; Korruption stelle ein großes Problem in der Mongolei dar; ob man nach einer Asylantragstellung Probleme mit den Behörden bekomme, wisse sie nicht.

Mit dem angefochtenen Bescheid des Bundesamtes vom 25.08.2015 wurde der Antrag der Beschwerdeführerin gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 hinsichtlich Asyl (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs.1 AsylG 2005 hinsichtlich subsidiären Schutz (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß §§ 57 und 55 AsylG 2005 wurde der Beschwerdeführerin nicht erteilt und gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG gegen die Beschwerdeführerin eine Rückehrentscheidung erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass ihre Abschiebung gemäß § 46 FPG in die Mongolei zulässig ist (Spruchpunkt III.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG wurde die Frist für die freiwillige Ausreise mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt (Spruchpunkt IV.).

In der Begründung dieser Entscheidung finden sich zu den beweiswürdigenden Ausführungen, dass die mongolischen Behörden der Beschwerdeführerin nach Bezahlung ihrer Kaution und Haftentlassung wohl auch ihre Reisedokumente abgenommen hätte, um das gegen sie eingeleitete Verfahren zu sichern und eine Flucht in das Ausland zu verhindern, keine Bezug habenden Länderfeststellungen.

Auch zu den weiteren Ausführungen, dass es ihr im Fall einer tatsächlichen Verfolgung nicht möglich gewesen wäre, auf legalem Weg auszureisen, finden sich keine Bezug habenden Länderfeststellungen, womit diese Ausführungen einer entsprechenden Grundlage entbehren.

In der dagegen eingebrachten vollumfänglichen Beschwerde führte die Beschwerdeführerin im Wesentlichen aus, dass die Behörde ihrem Vorbringen am 14.01.2015 keinerlei Beachtung geschenkt habe. Sie sei sich der gravierenden Abweichungen in ihren Angaben zu den Fluchtgründen bewusst, jedoch gebe es gewichtige Gründe. Sie habe Angst gehabt, vor einem Polizeibeamten ihre Gründe anzugeben. Die Polizei in der Mongolei habe ihr keinen Schutz gewährt, wie hätte sie dann vor einem solchen Organ ihre Befürchtungen und Erlebnisse schildern sollen. Dies sei ihr zu diesem Zeitpunkt nicht möglich gewesen. Auch sei sie der Meinung, dass die Erstbefragung gemäß § 19 Abs. 1 AsylG 2005 sich nicht näher auf die Fluchtgründe zu beziehen habe und daher für die Beurteilung der Glaubwürdigkeit ihres Fluchtvorbringens nicht heranzuziehen sei. Eine Überprüfung ihrer Angaben in ihrem Heimatland beispielsweise mittels eines Vertrauensanwaltes sei nicht erfolgt. Beantragt wurde ua. die Behebung des angefochtenen Bescheides und die Zurückverweisung zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides.

Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Entscheidungsgrundlage:

* gegenständliche Aktenlage.

Würdigung der Entscheidungsgrundlage:

Verfahrensgang und Sachverhalt ergeben sich unzweifelhaft aus der Aktenlage.

Hervorzuheben ist, dass die gegenständliche Fallproblematik in den fehlenden Länderfeststellungen darüber, ob in der Mongolei Untersuchungshäftlingen im Fall der Entlassung auf Kaution der Reisepass zur Verhinderung einer Flucht abgenommen wird bzw. ob bzw. wann Personen im Fall ihrer behördlichen Verfolgung an der Ausreise gehindert werden, zu erblicken ist.

Rechtliche Beurteilung:

Mit 01.01.2014 sind das Bundesverwaltungsgerichtsgesetz (BVwGG), das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl-Verfahrensgesetz (BFA-VG) und das Fremdenpolizeigesetz 2005 idF BGBl. I Nr. 87/2012 in Kraft getreten.

Gemäß § 6 des Bundesverwaltungsgerichtsgesetzes (BVwGG), BGBl. I Nr. 10/2013, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht im Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Da in den maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen eine Senatszuständigkeit nicht vorgesehen ist, obliegt in der gegenständlichen Rechtssache die Entscheidung dem nach der jeweils geltenden Geschäftsverteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuständigen Einzelrichter.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl. I Nr. 33/2013 idgF geregelt. Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 11 VwGVG sind, soweit in diesem und im vorangehenden Abschnitt nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren nach diesem Abschnitt jene Verfahrensvorschriften anzuwenden, die die Behörde in einem Verfahren anzuwenden hat, das der Beschwerde beim Verwaltungsgericht vorangeht.

Gemäß § 73 Abs. 1 AsylG 2005 idgF ist das AsylG 2005 am 01.01.2006 in Kraft getreten; es ist gemäß § 75 Abs. 1 AsylG auf alle Verfahren anzuwenden, die am 31.12.2005 noch nicht anhängig waren.

Gegenständlich sind die Verfahrensbestimmungen des AVG, des BFA-VG, des VwGVG und jene im AsylG 2005 enthaltenen sowie die materiellen Bestimmungen des FPG idgF samt jenen Normen, auf welche das FPG verweist, anzuwenden.

Zu Spruchpunkt I.:

Die für den gegenständlichen Fall maßgeblichen Bestimmungen lauten:

§28 Abs. 2 VwGVG:

Über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG hat das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn

1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder

2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

(3) Liegen die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vor, hat das Verwaltungsgericht im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hierbei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.

Nach der aktuellen Judikatur zu §28 Abs. 3 VwGVG (vgl. VwGH 2014/03/00634 vom 26.06.2014) "wird daher eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen insbesondere dann in Betracht kommen,

wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat,

wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts (vgl § 37 AVG) lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt

oder bloß ansatzweise ermittelt hat.

Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden."

Zur Anwendung des § 28 Abs. 3 VwGVG im gegenständlichen Fall:

In Bezug auf Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides ist anzumerken, dass die Entscheidung gemäß § 3 AsylG 2005 eine Beurteilung der Glaubwürdigkeit des Vorbringens des Beschwerdeführers erfordert, wofür im vorliegenden Fall

* Länderfeststellungen zu der Frage, ob der Beschwerdeführerin im Fall ihrer Entlassung aus der Untersuchungshaft auf Kaution der Reisepass abgenommen

* bzw. ob sie wegen einer behördlichen Verfolgung an der Ausreise gehindert worden wäre bzw. auch welche Strafe ihr in der Mongolei zur behaupteten Strafverfolgung drohen würde, notwendig sind.

Im Falle des Fehlens entsprechenden Länderdokumentationsmaterials hat, wie die Beschwerde zutreffend ausführt,

* eine Überprüfung ihrer Angaben in ihrem Heimatland beispielsweise mittels eines Vertrauensanwaltes zu erfolgen.

Die Ermittlungsergebnisse sind der Beschwerdeführerin vorzuhalten und darauf aufbauend eine neue Entscheidung zu treffen.

Sohin wurde der Sachverhalt bezüglich des genannten Spruchpunktes I. ungenügend erhoben, was den Bescheid der Verwaltungsbehörde insofern mit einem Mangel im Sinne obiger Judikatur - argum "bloß ansatzweise ermittelt" - gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG belastet.

Von der in § 28 VwGVG eingeräumten Möglichkeit, die unmittelbare Beweisaufnahme selbst durchzuführen, war im vorliegenden Fall schon deshalb nicht Gebrauch zu machen, weil das Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht sich als Mehrparteienverfahren darstellt, so dass schon aufgrund der dadurch bedingten Erhöhung des administrativ - manipulativen Aufwandes bei Durchführung einer mündlichen Verhandlung und die Ladung mehrerer Parteien keine Kostenersparnis zu erzielen wäre.

Außerdem erführe das Verfahren durch eine Entscheidung durch das Verwaltungsgericht insofern keine Beschleunigung, als das Bundesverwaltungsgericht nicht mehr als asyl- und fremdenrechtliche Spezialbehörde anzusehen ist und die Verwaltungsbehörde durch die bei ihr eingerichtete Staatendokumentation wesentlich rascher und effizienter notwendige Ermittlungen nachholen kann.

Die Behebung hat sich daher schon auf Spruchpunkt I. zu beziehen, wobei wie bereits angeführt, von einer groben Mangelhaftigkeit der Ermittlungen auszugehen ist.

Die Behebung von Spruchpunkt I. hat rechtslogisch die Behebung von der Spruchpunkte II. bis IV. zur Folge.

Zu Spruchpunkt II.:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Im vorliegenden Fall ist die ordentliche Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig:

Die gegenständlich behebende Entscheidung erfolgte vor dem Hintergrund der eindeutigen (aktuellen) Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu § 28 Abs. 3 VwGVG. Diesbezüglich warf der gegenständliche Fall keine Rechtsfragen auf.

Schlagworte

aktuelle Länderfeststellungen, Behebung der Entscheidung,
Ermittlungspflicht, Kassation, mangelnde Sachverhaltsfeststellung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:W117.2114712.1.00

Zuletzt aktualisiert am

07.03.2018
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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