TE Lvwg Erkenntnis 2015/12/9 VGW-151/080/34669/2014

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Veröffentlicht am 09.12.2015
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Entscheidungsdatum

09.12.2015

Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht
19/05 Menschenrechte

Norm

NAG §43 Abs3
EMRK Art. 8

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Verwaltungsgericht Wien hat durch seine Richterin Mag. Stojic über die Beschwerde des Herrn M. H., gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien, Magistrat der Stadt Wien, Magistratsabteilung 35, vom 04.11.2014, Zahl: MA35-9/2932992-01, mit welchem der Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) abgewiesen wurde,

zu Recht e r k a n n t:

I. Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG wird die Beschwerde abgewiesen und der angefochtene Bescheid mit der Maßgabe bestätigt, dass der Antrag vom 3.1.2012 auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung gemäß § 43 Abs. 3 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz – NAG, BGBl. I Nr. 100/2005, idF vor BGBl. I Nr. 87/2012 abgewiesen wird.

II. Der Antrag auf Aufwandersatz gemäß § 35 VwGVG wird zurückgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

Zum I. Spruchpunkt:

Mit dem angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers auf Niederlassungsbewilligung gemäß § 43 Abs. 3 Niederlassungs-und Aufenthaltsgesetz (NAG) mit der Begründung abgewiesen, dass die gemäß § 44b Abs. 2 NAG befasste Landespolizeidirektion Wien-Büro II. Instanz in ihrer Stellungnahme vom 16.12.2013 mitgeteilt habe, dass aufenthaltsbeendende Maßnahmen gegen den Beschwerdeführer zulässig seien und diese eingeleitet werden. Maßgebend dafür seien-wie auch schon für die Aberkennung der Status des Asylberechtigten-die zahlreichen gerichtlichen Verurteilungen und die daraus resultierende schwerwiegende Gefährdung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit durch den Beschwerdeführer. Der Beschwerdeführer sei zudem mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien, vom 17.10.2013, Zahl. ..., rechtskräftig am 13.2.2014 wegen Begehung einer Straftat nach § 107 Abs. 1 und 2 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 20 Monaten verurteilt worden. Daraus habe sich nach Rechtsansicht der belangten Behörde die im Bescheid des Bundesasylamtes vom 28.11.2011, zu Zl. ... (über die Aberkennung des Status des Asylberechtigten) gestellte Prognose, dass nicht davon ausgegangen werden könne, dass der Beschwerdeführer nach seiner Haftentlassung keine weiteren Straftaten begehen werde, bewahrheitet. Der Beschwerdeführer habe von der Möglichkeit zur schriftlichen Verständigung vom Ergebnis des Beweisverfahrens eine Stellungnahme abzugeben bis zur Erlassung des angefochtenen Bescheides keinen Gebrauch gemacht. Nach Ansicht der belangten Behörde seien sohin aufgrund der hohen Anzahl und der Schwere der begangenen Strafhandlungen die privaten Interessen des Beschwerdeführers an einem weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet jedenfalls nicht höher zu bewerten, als das maßgebende öffentliche Interesse an einem Schutz für die Allgemeinheit. Es seien trotz der langen Aufenthaltsdauer des Beschwerdeführers keine derart außergewöhnlichen Umstände vorgelegen, dass ihm ein direkt aus Art. 8 EMRK ableitbares Aufenthaltsrecht zugestanden werden müsste.

In der fristgerecht eingebrachten Beschwerde vom 1.12.2014 machte der nunmehr rechtsanwaltlich vertretene Beschwerdeführer nach einer Sachverhaltsdarstellung im Wesentlichen geltend, dass er und seine Familie seit nahezu 22 Jahren in Österreich leben. Er habe seine gesamte Pflichtschulzeit und praktisch sein ganzes Leben in Österreich verbracht. Seine Eltern sowie seine jüngere Schwester seien bereits österreichische Staatsbürger. Er führe seit zwei Jahren eine Beziehung mit D. P.. Seine Lebensgefährtin und der gemeinsame 8 Monate alte Sohn seien als polnische Staatsangehörige und EU-Bürger im Bundesgebiet unbefristet aufenthaltsberechtigt. Der Beschwerdeführer sei staatenlos und habe im Libanon absolut keine Bindungen oder Familienangehörigen mehr, außerdem beherrsche er die arabische Sprache kaum. Darüber hinaus seien ihm die dortigen Sitten und Bräuche fremd. Infolge seines in Österreich bestehenden Privat-und Familienlebens und der sich daraus ergebenden intensiven Verfestigung seiner Person im Bundesgebiet sei er bestrebt für seinen neugeborenen Sohn und die gemeinsame Zukunft seine Vergangenheit hinter sich zu lassen und in Freiheit ein neues Leben mit seiner Familie zu verbringen. Der Bescheid der belangten Behörde werde in seinem gesamten Umfang wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften angefochten. Die belangte Behörde habe, in dem sie die Abweisung des Antrages auf die Beurteilung der Landespolizeidirektion Wien, dass eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG gegen den Beschwerdeführer zulässig sei, die entscheidende Sach-und Rechtslage verkannt. Bei einer genauen und richtigen Berücksichtigung der momentanen Lebensumstände, müsse die Behörde zu der Erkenntnis gelangen, dass dem Privat-und Familienleben des Beschwerdeführers und seiner Familie im Sinne des Art. 8 EMRK ein höherer Stellenwert beizumessen sei, als einem allfälligen öffentlichen Interesse an seiner Außerlandesschaffung. Mit Verweis auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 29. Mai 2013, 2011/22/0133, sei eine wesentliche Sachverhaltsänderung dann gegeben, wenn nicht ausgeschlossen werden könne, dass unter Bedachtnahme der Erwägungen der Beurteilungen des Privat-und Familienlebens nach Art. 8 EMRK, ein inhaltlich anderslautender Bescheid zumindest möglich sei. Dies habe die belangte Behörde völlig verkannt und unberücksichtigt gelassen, indem sie keine korrekte Interessensabwägung nach Art. 8 EMRK vorgenommen, ihre abweisende Entscheidung ausschließlich unter Heranziehung der Vorstrafen begründet habe. Die Sachverhaltsfeststellungen des Bundesasylamtes sowie der Landespolizeidirektion Wien seien als nicht mehr aktuell anzusehen. Anstatt sich mit den derzeitigen Lebensumständen zu befassen, die sich sehr wohl wesentlich geändert hätten, habe es die belangte Behörde unterlassen aktuelle Informationen einzubeziehen bzw. selbst Untersuchungen anzustellen. Unter dem Begriff „Familie“ im Sinne der EMRK sei zunächst die sogenannte „Kernfamilie“ zu verstehen, welche zunächst ein Ehepaar mit bzw. ohne minderjährige Kinder umfasse. Dabei seien jedoch nicht nur verheiratete Paare von dem Familienbegriff umfasst, sondern jegliche familiäre Beziehung zwischen zwei Menschen. (…) In Bezug auf Art. 8 EMRK sei hinsichtlich der Aufrechterhaltung von Privat-und Familieninteressen, insbesondere auf das Kindeswohl abzustellen. Die innerstaatlichen Behörden hätten einen fairen Ausgleich zwischen den Interessen des Kindes und denen der Eltern zu treffen, wobei dem Kindeswohl besonderes Gewicht beizumessen sei (EGMR, Sahin gegen Deutschland, vom 8.7.2003, zur Nummer 30943 aus 96) (…) Es sei in der frühen Entwicklungsphase essenziell, dass eine enge Bindung zwischen beiden Elternteilen und dem Neugeborenen aufgebaut werde. Für den Beschwerdeführer und seine Lebensgefährtin sei es unvorstellbar, dass er sich von seinem neugeborenen Sohn trennen müsse. Aufgrund des 22-jährigen Aufenthaltes im Bundesgebiet bestehe eine besondere Aufenthaltsverfestigung. Der Beschwerdeführer sei sowohl gesellschaftlich als auch kulturell vollends in Österreich integriert. Sowohl seine Eltern als auch seine beiden Schwestern hätten mit ihren Familien in Österreich ihre Heimat gefunden. Das durch Art. 8 EMRK in besonderem Maße geschützte Familienleben unter nahen Verwandten werde insbesondere durch gemeinsames Wohnen oder finanzielle Abhängigkeit charakterisiert. Das Recht zum Zusammenleben sei wesentlicher Bestandteil der Garantie des Art. 8 EMRK. Nach der Judikatur des EGMR erfüllen somit sowohl das Zusammenleben und das Führen eines gemeinsamen Haushaltes als auf die finanzielle Abhängigkeit von der Familie die typischen Merkmale, die auch ein besonderes Naheverhältnis und damit auf ein durch Art. 8 EMRK geschütztes Familienleben schließen lassen. Demgegenüber habe der Beschwerdeführer keinerlei Bindungen zum Libanon und ebenso keine Möglichkeit sich dort eine Existenz aufzubauen. Außerdem bestehe im Libanon aufgrund der politischen Aktivitäten seines Vaters eine reale Gefahr der Gefährdung seiner Rechte im Sinne des Art. 2 und 3 EMRK. Eine Güterabwägung im Hinblick auf seine Lebensrealität in Österreich sowie seine nicht mehr vorhandenen Bindungen zum Libanon müsse daher jedenfalls zum Ergebnis führen, dass in seiner individuellen Situation von einer intensiven privaten und familiären Bindung in Österreich auszugehen sei und eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG auf keinen Fall zulässig sei. Österreich sei auch durch völkerrechtliche Verträge verpflichtet, das Phänomen der Staatenlosigkeit zu verhindern. Durch seinen Verbleib in Österreich habe der Beschwerdeführer die Möglichkeit, der Staatenlosigkeit an einem in der Zukunft liegenden Zeitpunkt entfliehen zu können. Es sei im sohin ein großes Anliegen, durch seinen schließlich rechtmäßigen Aufenthalt in Österreich sein Leben so zu gestalten, dass er am Ende seines bereits höchst fortgeschrittenen Integrationsprozesses die österreichische Staatsbürgerschaft erwerben könne und um zugleich wieder eine Identität als Staatsbürger eines Landes zu erhalten. Nach der Geburt seines Sohnes sei es von essenzieller Bedeutung für ihn, selbst für seinen Lebensunterhalt bzw. den Unterhalt seines Sohnes A. und dem seiner Lebensgefährtin zu sorgen, um weder den Gebietskörperschaften, noch seinen Familienangehörigen zur Last zu fallen. Er habe eine Einstellungszusage des Unternehmens „Ae.“ vom 2.12.2014 für eine Vollbeschäftigung, sobald er einen Zugang zum österreichischen Arbeitsmarkt erhalte. Die Selbsterhaltungsfähigkeit sei nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ein zentrales Element in der Berücksichtigung der Integration (VwGH vom 2. 20. Oktober 2009,2 1009/21/02 93). Die belangte Behörde habe ihre Begründungspflicht gemäß § 60 AVG verletzt. Die belangte Behörde habe im Sinne der Grundsätze der materiellen Wahrheit und des Parteiengehörs im Rahmen eines Ermittlungsverfahrens gemäß § 37 AVG selbst darüber Nachforschungen anzustellen und zu überprüfen gehabt, ob sich der Sachverhalt, der dem Bescheid des Bundesasylamtes vom 28.11.2011 zugrunde gelegen habe, seitdem maßgeblich geändert habe, um eine richtige Beurteilung der Verhältnismäßigkeit des Eingriffs in Art. 8 EMRK durchführen zu können.

Der Beschwerdeführer beantrage aus den genannten Gründen das zuständige Verwaltungsgericht möge gemäß § 24 VwGVG eine mündliche Verhandlung durchführen und gemäß Art. 130 Abs. 4 B-VG und § 28 Abs. 2 VwGVG in der Sache selbst entscheiden und dem Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels stattgeben; in eventu den angefochtenen Bescheid gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen; weiters dem Rechtsträger der belangten Behörde gemäß § 35 VwGVG in Verbindung mit der VwG-Aufwandersatzverordnung (VwG-AufwErsV), BGBl. II 517/2013, den Ersatz der ihm entstandenen Verfahrenskosten im gesetzlichen Ausmaß binnen 2 Wochen bei sonstiger Exekution aufzutragen.

Der Beschwerde waren die Einstellungszusage für den Beschwerdeführer vom 2.12.2014, sowie eine Reisepasskopie der D. P. und des A. P. angeschlossen.

Die belangte Behörde legte die Beschwerde gemeinsam mit dem bezughabenden Verwaltungsakt an das Verwaltungsgericht Wien vor und nahm von der Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung Abstand. Unter einem wurde auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung gemäß § 24 Abs. 5 VwGVG verzichtet.

Das Verwaltungsgericht Wien hat Beweis erhoben durch:

Einsichtnahme in den Administrativakt der belangten Behörde, in den Asylakt des Beschwerdeführers zu Zahl: ..., in den Strafakt zu GZ: ..., in das Hauptverhandlungsprotokoll des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 17.10.2013, in den Strafantrittsbericht der Justizanstalt Wien-Josefstadt vom 25.2.2014, in das Urteil des Oberlandesgerichts Wien vom 13.2.2014 zu GZ …, in die Straffakten des Landesgerichts für Strafsachen zu den Zahlen …, in den Protokollsvermerk und die gekürzte Urteilsausfertigung des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 1.7.2011 zu GZ: …, in den Protokollsvermerk und die gekürzte Urteilsausfertigung vom 14.10.2009 zu GZ: …, in das Gutachten der gerichtlichen Sachverständigen Dr. S. R., Fachärztin für Psychiatrie, psychotherapeutische Medizin und Neurologie vom 20.8.2011, in die Auszüge aus dem Zentralen Melderegister des Beschwerdeführers, der D. P. und des A. P., in die Meldedaten der Eltern und Geschwister des Beschwerdeführers, in den Auszug aus dem Informationsverbundsystem Zentrales Fremdenregister und den Strafregisterauszug des Beschwerdeführers vom 20.10.2015, in den Versicherungsdatenauszug des Beschwerdeführers, in die Datenbank des Magistrates der Stadt Wien betreffend Verwaltungsübertretungen, in die Leistungsübersicht des Arbeitsmarktservice Wien der letzten 3 Monate, in die vom Beschwerdeführer vorgelegte Psychotherapiebestätigung des psychologischen Dienstes der Justizanstalt Korneuburg vom 22.9.2015, in den Mietvertrag des Beschwerdeführer und Frau D. P. für eine Mietwohnung in Wien, in die Ausbildungsbestätigung des AMS Wien über eine 2004 besuchte Englischausbildung, in das Kurszertifikat für den Kurs „Buffet-/Servier-/Barkraft“ vom 28.1.2011, in die Geburtsurkunde des Standesamtes ... vom 22.10.2015 des A. P., in die Auskunft der Landespolizeidirektion Wien, Polizeikommissariat ... vom 27.10.2015, in die vorgelegte Kopie der Terminkarte des Beschwerdeführers beim Arbeitsmarktservice Wien und das Schreiben des Arbeitsmarktservice Wien vom 22.10.2015 und Einholung einer Auskunft des Arbeitsmarktservice Wien, Service für AusländerInnenbeschäftigung Wien.

Das Verwaltungsgericht Wien führte am 29.5.2015 eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, zu der der Beschwerdeführer, die belangte Behörde, die beantragte Zeugin D. P. sowie weitere Zeugen geladen wurden. Der Beschwerdeführer ist gemeinsam mit seinem Rechtsvertreter und den geladenen Zeugen zur Verhandlung erschienen. Die Zeugin Su. H. ist nicht erschienen. Die belangte Behörde entsandte keinen informierten Vertreter.

Der Beschwerdeführer verzichtete in der mündlichen Verhandlung auf die Verlesung des Aktes und die Verlesung des beigeschafften Asylaktes; ihm wurden die wesentlichen Aktenteile des Aktes des Verwaltungsgerichts Wien zur Kenntnis gebracht.

Zum Gegenstand der Verhandlung gab der Beschwerdeführer am 29.5.2015 zu Protokoll:

Zur Antragstellung bei der belangten Behörde befragt, gab der Beschwerdeführer an, dass er noch in Haft gewesen sei, als sein Asylstatus aberkannt worden sei. Der Bescheid sei ihm in Haft zugestellt worden. Nach seiner Entlassung sei er bei der belangten Behörde vorstellig geworden. Er habe der Behörde anlässlich seiner Vorsprache mitgeteilt, dass ihm das Asyl aberkannt worden sei und dass er eine Aufenthaltsgenehmigung benötige. Aus seiner Sicht habe er damit auch einen Antrag auf Aufenthaltstitel gestellt. Er habe bei der belangten Behörde etwas auszufüllen gehabt und die Kopien seiner alten Dokumente vorgelegt. Am 3.12.2012 habe er ein weiteres Formular ausgefüllt und seien von ihm weitere Unterlagen nachverlangt worden.

Auf Vorhalt der Verhandlungsleiterin, dass er mit der beantragten Niederlassungsbewilligung gemäß § 43 Abs. 3 NAG idF vor dem BGBl. I Nr. 87/2012 keinen Zugang zum Arbeitsmarkt habe, gab der Beschwerdeführer an, dass es ihm zwar wichtig sei in Österreich arbeiten zu können, er sei jedoch mit der Behandlung seines Antrages gemäß § 43 Abs. 3 NAG einverstanden gewesen. In diesem Zusammenhang ergänzte der Beschwerdeführervertreter, dass die Wertung des Antrages gemäß § 43 Abs. 3 NAG durch die belangte Behörde ausdrücklich nicht in Beschwerde gezogen worden sei.

Der Beschwerdeführer gab auf weitere Befragung zu den aktuellen Lebensverhältnissen zu Protokoll, dass er seit 22.5.2015 aus der Haft entlassen worden sei und mit seiner Lebensgefährtin Frau D. P. in einer Mietwohnung im ... Bezirk in der Nähe vom … wohnhaft sei. Die Lebensgefährtin sei bis Mai 2015 in Karenz gewesen und erhalte aktuell Leistungen aus der Mindestsicherung. Der Beschwerdeführer selbst warte auf einen Aufenthaltstitel, damit er arbeiten könne. Er sei angelernter Koch und könne in der Gastronomie zu arbeiten beginnen. Diesbezüglich habe er schon eine Einstellungszusage vorgelegt. Derzeit werde er von seinen Eltern finanziell unterstützt und werde auch die Lebensgefährtin von ihrer Mutter finanziell unterstützt.

Der Beschwerdeführer gab an, gemeinsam mit seiner Familie ca. 1992 nach Österreich gekommen zu sein. Er habe in Österreich noch eine Halbschwester, sowie eine leibliche Schwester. Er habe Österreich seit seiner Einreise mit Ausnahme von kurzen Ausflügen bspw. nach Tschechien zum Einkaufen, nie verlassen und sei in keinem anderen Land aufhältig gewesen.

Zu seinen Verurteilungen befragt, führte der Beschwerdeführer aus, dass er mit 14 Jahren das erste Mal in Haft gekommen sei. Er sei mit 7 Jahren nach Österreich gekommen und habe über keine Deutschkenntnisse verfügt. Aufgrund der Berufstätigkeit seiner Eltern sei er oft auf sich allein gestellt gewesen und habe kaum Freunde gehabt. Er habe im Wesentlichen nicht gewusst, was er mit seiner Zeit anfangen solle und habe damals aus Dummheit eine Straftat begangen. Er habe im Gefängnis weitere Vorbestrafte kennengelernt, habe Drogen genommen und sei süchtig geworden. So habe es sich dann fortgesetzt, dass er weitere Straftaten begangen habe. Die Asylaberkennung habe ihn sehr belastet, da er nichts anderes kenne als Österreich. Seine damalige Freundin, die jetzige Lebensgefährtin, sei schwanger gewesen, als es zum Vorfall vom 22.9.2013 gekommen sei. Er habe ein Messer eingesteckt gehabt. Das sei ein „Blödsinn“ gewesen. Er sei betrunken gewesen und habe auch Marihuana geraucht. Im nüchternen Zustand hätte er aus heutiger Sicht damals sicher anders reagiert.

Der Beschwerdeführer gab von sich aus an, dass er sich in einer Psychotherapie beim psychosozialen Dienst der Stadt Wien befinde. Die Therapie habe ca. im April 2014 begonnen und finde in der Regel wöchentlich statt. Die Therapie werde auch über die Krankenkasse bezahlt. Auf Befragen seines Vertreters ergänzte der Beschwerdeführer, dass ihm durch die Therapie sehr geholfen sei. Er nehme keine schweren Drogen mehr und verzichte auf Alkohol. Cannabis sei noch ein Problem für ihn, aber er arbeite im Rahmen seiner Therapie daran. Der Vertreter kündigte an, eine Stellungnahme des Therapeuten nachzureichen.

Befragt zu seiner Schulbildung in Österreich gab der Beschwerdeführer an, 9 Pflichtschuljahre sowie 18 Monate eine Lehre als Bauspengler besucht zu haben. Außerdem habe er Kurse besucht.

Im Anschluss wurde die Zeugin D. P., geb. am ...1993, polnische Staatsangehörige nach Wahrheitserinnerung und Belehrung über das Entschlagungsrecht einvernommen. Die Genannte gab an, ihren Lebensgefährten, den Beschwerdeführer, vor etwa 2 Jahren im April 2013 in Wien kennengelernt zu haben. Sie selbst wohne 8 Jahre in Wien. Der Beschwerdeführer habe zunächst bei seinen Eltern gelebt und sie bei ihren Eltern. Sie hätten eine Beziehung angefangen und sei sie schwanger geworden. Im vierten Monat der Schwangerschaft sei der Beschwerdeführer ins Gefängnis gekommen, die Beziehung hätten sie weitergeführt. Sie habe den Beschwerdeführer im Gefängnis besucht. Der gemeinsame Sohn A. sei am ...2014 geboren worden. Der Beschwerdeführer sei vor kurzem aus dem Gefängnis gekommen und hätten sie eine gemeinsame Wohnung über eine Annonce in der Zeitung gefunden. Auf Befragen zur Finanzierung des Lebensunterhaltes gab die Zeugin an, dass sie vor ihrer Schwangerschaft die HAK Abendschule besucht habe und beabsichtige diese Ausbildung abzuschließen. Derzeit beziehe sie Leistungen vom Sozialamt, für den gemeinsamen Sohn beziehe sie Familienbeihilfe und werde finanziell von ihrer Mutter unterstützt. Der Sohn werde ab Anfang August in den Kindergarten gehen und sie zu Arbeiten beginnen. Auf Befragen zur Beziehung mit dem Beschwerdeführer gab die Zeugin an, dass die Beziehung zu ihrem Lebensgefährten sehr gut sei, er sich fürsorglich um den gemeinsamen Sohn kümmere und sie und ihren Sohn im Haushalt unterstütze. Sie und der Beschwerdeführer hätten geplant, sobald die Angelegenheit mit den Dokumenten und dem Arbeitsplatz geregelt sei, Ende dieses Jahres zu heiraten.

Die Zeugin L. H., gab nach Wahrheitserinnerung und Belehrung über ihr Entschlagungsrecht auf Befragen des Vertreters an, dass sie den Beschwerdeführer und seinen Sohn unterstütze. Sie könne bspw. auf das Kind aufpassen wenn ihr Bruder arbeiten ginge. Sie selbst sei noch bis Dezember dieses Jahres in Karenz. Ihr Freund besitze in Wien zwei Gastronomielokale, die … „A.“ und das Lokal „N.“ und suche für das 2. Lokal einen Hilfskoch. Diese Stelle könnte ihr Bruder, der Beschwerdeführer, ab sofort übernehmen. Sie hätten mit der Besetzung der offenen Stelle auf dem Beschwerdeführer gewartet, damit er nach seiner Entlassung dort arbeiten könne. Während der Haft ihres Bruders sei bereits ein Antrag gestellt worden, damit ihr Bruder im genannten Lokal zu arbeiten beginnen könne.

Auf die Einvernahme der weiteren beantragten Zeugen wurde vom Beschwerdeführer ausdrücklich verzichtet und die Verhandlung vertagt.

Nach mehreren Fristerstreckungsanträgen wurden vom Beschwerdeführer vorerst keine ergänzenden Unterlagen nachgereicht und das Vollmachtsverhältnis mit dem Rechtsvertreter mit 13.8.2015 aufgelöst.

Am 7.10.2015 erfolgte die neuerliche Vollmachtsanzeige.

Das Verwaltungsgericht Wien erhob durch telefonische Anfrage beim Arbeitsmarktservice Wien, Service für AusländerInneneschäftigung Wien, am 21.10.2015, dass für den Beschwerdeführer bisher weder eine Beschäftigungsbewilligung beantragt, noch ausgestellt worden sei. Es liege ein Datensatz aus dem Jahr 2006 auf, wonach der Beschwerdeführer damals im Besitz eines Konditionsreisepasses gewesen sei.

Zur fortgesetzten Verhandlung am 21.10.2015 erschien der Beschwerdeführer mit seiner ausgewiesenen Rechtsvertreterin und mit seiner Lebensgefährtin. Frau P. wurde auf Antrag nochmals als Zeugin einvernommen.

Einleitend legte der Beschwerdeführer eine Therapiebestätigung der Justizanstalt Korneuburg vom 20.9.2015 vor und ergänzte, dass er über einen Therapieplatz beim selben Therapeuten verfüge, jedoch auf die Zustimmung der Krankenkasse warte. Zum mit Urkundenvorlage vom 20.10.2015 vorgelegten Mietvertrag gab der Beschwerdeführer an, dass die Wohnung renovierungsbedürftig und nicht bewohnbar sei. Die Wohnung im ... Bezirk sei für die Familie zu teuer gewesen. Er halte sich aufgrund finanzieller Schwierigkeiten mit seiner Lebensgefährtin und dem Sohn in der Wohnung ihrer Mutter auf und führe eine aufrechte Lebensgemeinschaft.

Befragt zum im Melderegister aufscheinenden neuerlichen Aufenthalt in der Justizanstalt Korneuburg im September 2015 gab der Beschwerdeführer zu Protokoll, dass er zu einer Freiheitsstrafe von 20 Monaten verurteilt worden sei. Einen Teil davon habe er in der Justizanstalt Korneuburg eingesessen und dort in der Küche gearbeitet. Im Februar 2015 habe es die Möglichkeit auf Freigang gegeben. Er habe dann zwei Stunden täglich und außerdem zweimal im Monat am Wochenende die Justizanstalt verlassen dürfen. Er habe, einen Monat vor seiner geplanten Entlassung, die Justizanstalt ohne Erlaubnis verlassen und sei bis September 2015 nicht mehr dorthin zurückgekehrt. Er habe damit gerechnet in der Wohnung seiner Lebensgefährtin von der Polizei abgeholt zu werden. Diese Adresse (Quartierbestätigung) sei in der Haftanstalt bekannt gewesen. Er könne sich nur so erklären, dass er an der Adresse der Lebensgefährtin nicht aufrecht gemeldet sei und die Polizeibeamten ihn daher dort nicht aufgegriffen hätten, es sei an seiner Meldeadresse auch nicht nach ihm gesucht worden.

Im September 2015 sei er bei einer Routinekontrolle auf der Straße verhaftet und wieder in die Justizanstalt Korneuburg gebracht worden.

Befragt, was er seit der letzten Verhandlung am 29.5.2015 unternommen habe, gab der Beschwerdeführer an, dass er „quasi auf der Flucht“ nichts habe machen können. Seit er Ende September 2015 wieder aus der Justizanstalt entlassen worden sei, habe er sich sofort beim AMS gemeldet.

Für ihn habe bisher keine Beschäftigungsbewilligung beantragt werden können, da er keine Entlassungsbestätigung der Justizanstalt habe vorweisen können. Er beabsichtige sich beim AMS bezüglich einer Arbeitsbewilligung zu informieren und eine solche zu beantragen.

Die Zeugin D. P. gab an, dass die gemeinsame Mietwohnung zu teuer und unpassend sei, weshalb sie alle bei ihrer Mutter wohnten. Die Mutter sei auf Arbeitssuche. Sie selbst besuche derzeit eine Maturaschule. Der Lebensunterhalt werde von der Unterstützung der Mutter, der Mindestsicherung und dem Arbeitslosengeld des Lebensgefährten finanziert. Auf Befragen der Rechtsvertreterin ergänzte sie von ihrem Vater aus Polen finanziell mit etwa 200-300 Euro jedes zweite Monat unterstützt zu werden. Als der Beschwerdeführer Haftausgang gehabt habe, habe er sich bei ihr in der Wohnung aufgehalten. Es sei für sie wegen ihrer Person sondern auch wegen des Kindes nicht vorstellbar, dass der Beschwerdeführer das Bundesgebiet verlassen müsste. Befragt nach der Möglichkeit in einem anderen Land zu leben und mit ihrem Lebensgefährten Österreich zu verlassen, gab die Zeugin an, mit dem Beschwerdeführer nicht in Polen leben zu können. Die wirtschaftlichen Verhältnisse und der Verdienst seien dort sehr schlecht und hätte sie dort keine Arbeitsmöglichkeit.

Die Rechtsvertreterin wiederholte, dass berücksichtigt werden müsse, dass der Beschwerdeführer nicht in den Libanon zurückkehren könne. Er sei der Sprache nicht mächtig und könne auch die Straßenschilder nicht lesen. Er habe im Libanon keine wirtschaftlichen oder familiären Anknüpfungspunkte. Sein Lebensmittelpunkt befinde sich in Österreich.

Der Beschwerdeführer legte in weiterer Folge am 2.11.2015 eine Wohnbestätigung vom 29.10.2015, eine Kopie der Terminkarte des Beschwerdeführers beim Arbeitsmarktservice Wien mit diversen offenen Stellen und Bewerbungsinformationen vom 20.10.2015 vor.

Mit Schriftsatz vom 9.11.2015 wurde ausdrücklich auf eine weitere Fortsetzung der mündlichen Verhandlung verzichtet.

Das Verwaltungsgericht Wien hat folgenden entscheidungswesentlichen Sachverhalt festgestellt:

Der Beschwerdeführer, ein am ...1985 geborener libanesischer Staatsangehöriger, ist als 7-jähriges Kind mit seiner Familie im Jänner 1993 illegal in das Bundesgebiet eingereist und hat, vertreten durch seine Mutter, einen Asylantrag gestellt. Dem Beschwerdeführer ist gemeinsam mit seiner Familie mit Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 2.3.1994 zur Zahl: ... gemäß § 3 Asylgesetz 1991 Asyl in Österreich gewährt worden.

Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 28.11.2011, zur Zl. ... ist dem Beschwerdeführer der zuerkannte Status des Asylberechtigten aberkannt und festgestellt worden, dass ihm die Flüchtlingseigenschaft kraft Gesetzes nicht mehr zukomme. Der Status des subsidiär Schutzberechtigten ist ihm nicht zuerkannt worden. Gleichzeitig wurde festgestellt, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung aus dem österreichischen Bundesgebiet in den Libanon gemäß § 8 Abs.3a AsylG iVm. § 9 Abs.2 AsylG unzulässig ist.

Der Beschwerdeführer wurde wiederholt wegen verschiedenen Straftaten zu Freiheitsstrafen von unterschiedlicher Dauer verurteilt:

1. Am 3.8.2000 vom Jugendgerichtshof Wien zu einer Freiheitsstrafe von 3 Monaten, bedingt, Probezeit 3 Jahre wegen versuchten Einbruchsdiebstahls, fahrlässiger Körperverletzung und Sachentziehung verurteilt.

Der bedingt nachgesehene Teil der Freiheitsstrafe wurde widerrufen.

2. Am 31.8.2000 wurde der Beschwerdeführer erneut vom Jugendgerichtshof Wien zu einer Freiheitsstrafe von 10 Monaten wegen §§ 142,202,127,128,129 29,130,136 StGB (Raub, geschlechtliche Nötigung, Diebstahl, schwerer Diebstahl, Diebstahl durch Einbruch oder Waffen, unbefugter Gebrauch von Fahrzeugen) verurteilt. Am 16.2.2001 wurde der Beschwerdeführer bedingt aus der Freiheitsstrafe mit einer Probezeit von 3 Jahren entlassen, die bedingte Entlassung jedoch vom Jugendgerichtshof Wien am 23.4.2001 wiederrufen.

3. Am 23.4.2001 wurde der Beschwerdeführer vom Jugendgerichtshof Wien zu einer Freiheitsstrafe von 6 Monaten wegen §§ 127,130,135,136, 223 und 224 StGB (Diebstahl, unbefugter Gebrauch von Fahrzeugen, Urkundenfälschung besonders geschützter Urkunden, unerlaubter Umgang mit Suchtmitteln) verurteilt.

4. Am 19.12.2001 wurde der Beschwerdeführer von Jugendgerichtshof Wien zu einer Freiheitsstrafe von 3 Wochen bedingt, Probezeit 3 Jahre wegen § 83 StGB (vorsätzliche Körperverletzung) verurteilt.

5. Am 4.9.2002 wurde der Beschwerdeführer erneut von Jugendgerichtshofs zu einer Freiheitsstrafe von 2 Jahren wegen §§ 142,127,128,129,130,15 StGB (Diebstahl durch Einbruch oder mit Waffen und Raub) verurteilt.

6. Am 27.8.2004 wurde der erwachsene Beschwerdeführer vom Landesgericht für Strafsachen Wien zu einer Freiheitsstrafe von 20 Monaten wegen §§ 127,128 und 130 StGB (schwerer Diebstahl, Urkundenunterdrückung) verurteilt.

Am 20.10.2005 wurde der Beschwerdeführer vom Landesgericht Wiener Neustadt mit Wirksamkeit vom 5.12.2005 aus der Freiheitsstrafe mit einer Probezeit von 3 Jahren bedingt entlassen.

7. Am 26.7.2006 wurde die bedingte Entlassung des Beschwerdeführers widerrufen und er zu einer Freiheitsstrafe von 18 Monaten wegen §§ 127,129 (gewerbsmäßiger Diebstahl durch Einbruch oder mit Waffen) verurteilt.

8. Am 9.11.2006 wurde der Beschwerdeführer vom Landesgericht für Strafsachen Wien zu einer Freiheitsstrafe von 7 Monaten wegen §§ 142 und 27 SMG (Raub, Vergehen nach dem Suchtmittelgesetz) verurteilt.

9. Am 13.10.2009 wurde der Beschwerdeführer erneut vom Landesgericht für Strafsachen Wien zu einer Freistrafe von 18 Monaten wegen § 164 StGB (Hehlerei) verurteilt.

Am 30.11.2010 wurde der Beschwerdeführer aus der Haft entlassen.

10. Am 8.4.2011 wurde er erneut festgenommen und am 1.7.2011 vom Landesgericht für Strafsachen Wien zu einer Freiheitsstrafe von 20 Monaten wegen § 27 SMG (versuchter gewerbsmäßiger Suchtgifthandel, unerlaubter Umgang mit Suchtgiften,) verurteilt. Der Beschwerdeführer hat am 7.4.2011 versucht einer verdeckten Ermittlerin gewerbsmäßig Suchtgift (Kokain) im Wert von 6.500 Euro gegen Entgelt zu überlassen.

Der Beschwerdeführer verbüßte zum Zeitpunkt der Aberkennung seines Asylstatus seine Strafhaft in der Justizanstalt Josefstadt in Wien.

11. Am 17.10.2013 wurde der Beschwerdeführer erneut vom Landesgericht für Strafsachen Wien wegen §§ 107 StGB (gefährliche Drohung mit einem ausgeglaubten Klappmesser mit einer Klinge von 10 cm und sinngemäßer Äußerung er werde die Person umbringen) zu einer Freiheitsstrafe von 20 Monaten verurteilt. Einen Teil seiner Strafhaft verbüßte der Beschwerdeführer in der Justizanstalt Wien Josefstadt sowie in der Justizanstalt Korneuburg. Er trat die 20-monatige Freiheitsstrafe am 13.2.2014 an und wurde das Strafende mit 22.5.2015 errechnet. Vorhaft seit 20.9.2013 wurden dem Beschwerdeführer angerechnet.

Im April 2015, somit etwa einen Monat vor seiner geplanten Entlassung, hat der Beschwerdeführer nach einem Freigang unerlaubt die Justizanstalt Korneuburg verlassen und ist nicht mehr freiwillig dorthin zurückgekehrt. Im September 2015 wurde der Beschwerdeführer im Rahmen einer Routinekontrolle auf der Straße festgenommen und erneut in die Justizanstalt Korneuburg verbracht, wo er den restlichen Teil der Freiheitsstrafe vom 2.9.2015 bis 28.9.2015 verbüßt hat.

Im Zusammenhang mit der Mitteilung der Asylaberkennung an die belangte Behörde vom 22.12.2011 sprach der Beschwerdeführer am 3.1.2012 persönlich bei der belangten Behörde vor und beantragte mündlich ein Ausweisdokument und eine Aufenthaltsgenehmigung. Der Beschwerdeführer unterfertigte am 3.1.2012 das Datenblatt zur Personalisierung seines Aufenthaltstitels, wobei aus dem Schreiben und der Einreichbestätigung vom 25.2.2013 zu ersehen ist, dass ein Aufenthaltstitel ohne Zugang zum Arbeitsmarkt (Niederlassungsbewilligung gemäß § 43 Abs. 3 NAG) im Bearbeitung genommen wurde.

Im Zusammenhang mit der Antragstellung legte der Beschwerdeführer auf Aufforderung zum Nachweis von Deutschkenntnissen gemäß § 14 NAG lediglich ein Jahreszeugnis der Berufsschule als Spengler mit negativem Abschluss vor. Ein weiteres Vorbringen zu Privat- und Familienleben wurde vom Beschwerdeführer nicht erstattet. Am 2.4.2013 stellte der Beschwerdeführer nach Belehrung einen Antrag gemäß § 19 Absatz 8 NAG, dass sein Konventionspass am 24.1.2011 abgelaufen sei und ihm die Beschaffung eines anderen gültigen Reisedokuments nicht möglich sei.

Die Landespolizeidirektion Wien Büro II. Instanz teilte auf Ersuchen der belangten Behörde in ihrer begründeten Stellungnahme vom 16.12.2013 gemäß § 44b NAG mit, dass beim Beschwerdeführer aufenthaltsbeendende Maßnahmen zulässig seien und aufenthaltsbeendende Maßnahmen eingeleitet werden. Dies begründete die Behörde im Wesentlichen mit den wiederholten gerichtlichen Verurteilungen des Beschwerdeführers, welche ihn nicht haben davon abhalten können immer wieder straffällig zu werden. Zusammengefasst sprach sich die Landespolizeidirektion Wien, Büro II Instanz ausdrücklich gegen die Erteilung des beantragten Aufenthaltstitels aus.

Der Beschwerdeführer wurde vom Ergebnis der Beweisaufnahme mit Schreiben der belangten Behörde vom 6.3.2014 schriftlich verständigt und ließ die Frist zur Stellungnahme ungenutzt verstreichen.

Der vertretene Beschwerdeführer hat das, von der belangten Behörde als Antrag auf einen Aufenthaltstitel „Niederlassungsbewilligung“ gemäß § 43 Abs. 3 NAG idF vor dem BGBl. I Nr. 87/2012 gewertete Ansuchen, in seiner Beschwerde vom 1.12.2014 und nach Belehrung in der mündlichen Verhandlung unverändert aufrechterhalten.

Der Beschwerdeführer lebt seit seinem 7. Lebensjahr im Bundesgebiet. Er befand sich als Jugendlicher erstmals in psychotherapeutischer Behandlung, war zum Teil in Heimen aufhältig, besuchte unregelmäßig die Schule und kam im Alter von 14 Jahren zum ersten Mal ins Gefängnis. Im Rahmen einer psychiatrischen Begutachtung während des Haftaufenthaltes der Justizanstalt Josefstadt am 27.8.2011 wurde im Hinblick auf ein schwieriges familiäres Umfeld und frühzeitiges auffälliges Verhalten (Feuerlegen), aggressive Verhaltensimpulse und teilweise Selbstschädigungsversuche die Notwendigkeit einer mehrjährigen, straffen Psychotherapie beim Beschwerdeführer erkannt (Gutachten von Dr. Ro. vom 27.8.2011 zu GZ: ...). Der Beschwerdeführer hat selbst mehrmals von einer laufenden oder beabsichtigten Therapie gesprochen.

In Österreich leben der Vater des Beschwerdeführers, die Stiefmutter, eine ältere Schwester, welche selbst suchtkrank ist und ebenfalls in Strafhaft war sowie eine jüngere Halbschwester, die Zeugin L. M..

Der Beschwerdeführer hat Kontakt zu seinem Vater sowie der Halbschwester und wird vom Vater bei Bedarf finanziell unterstützt. Zur Stiefmutter und zur leiblichen Schwester besteht kein erkennbarer Kontakt.

Der Beschwerdeführer absolvierte im Rahmen seines Haftaufenthaltes in der Justizanstalt Korneuburg von 26.6.2014 bis 5.3.2015 eine interne Psychotherapie. Eine externe regelmäßige wöchentliche Therapie hat der Beschwerdeführer entgegen mehrmaligen eigenen Angaben nicht nachgewiesen. Nach eigenen Angaben konsumiert der Beschwerdeführer nach wie vor Marihuana/Cannabis, jedoch keine anderen „schweren Drogen“. Seinen mit 13 Jahren begonnenen Suchtgiftkonsum hat der Beschwerdeführer bis 2011 zum Teil durch Kokainhandel finanziert (Angaben bei Begutachtung am 29.7.2011). Der Beschwerdeführer verfügte zum damaligen Zeitpunkt über keine nennenswerten sozialen Kontakte und hatte in Haft keine Besuche.

Der Beschwerdeführer hat über acht Jahre seines Aufenthaltes in Österreich in Haftanstalten verbracht. Er hat keine abgeschlossene Berufsausbildung und ist bis auf kurzfristige, tageweise Beschäftigungsverhältnisse bisher keiner längerfristigen Berufstätigkeit nachgegangen. Im Jänner 2011 hat er an einem dreiwöchigen Kurs als Buffet-/Servier-/Barkraft teilgenommen. Er verfügt seit Aberkennung des Asylstatus mit 19.12.2011 über keinen Zugang zum Arbeitsmarkt. Laut Auskunft des Arbeitsmarktservice Wien vom 21.10.2015 wurde für den Beschwerdeführer kein Antrag auf eine arbeitsmarktrechtliche Bewilligung gestellt. Der Beschwerdeführer ist seit 28.8.2015 beim Arbeitsmarktservice gemeldet und bezieht seit 30.9.2015 Arbeitslosengeld.

Der Beschwerdeführer führt seit April 2013 eine Beziehung mit einer polnischen Staatsangehörigen D. P., geboren am ...1993 und ist Vater eines am ...2014 Wien geborenen Sohnes. Frau P. ist mit ihrer Mutter seit acht Jahren im Bundesgebiet aufhältig. Die Genannten leben größtenteils in der Wohnung der Mutter von Frau P. in … Wien. Zeitweise hält sich der Beschwerdeführer in der Wohnung seines Vaters und der Stiefmutter in ... Wien auf, wo er seit 3.12.2010 aufrecht gemeldet ist. Eine eigene Wohnung konnte bisher aufgrund nicht ausreichender Mittel nicht finanziert werden. Die Lebensgefährtin und der Sohn erhalten bedarfsorientierte Mindestsicherung und Familienbeihilfe. Der Beschwerdeführer und Frau P. werden von ihren Familienmitgliedern finanziell und mit Sachgütern versorgt.

Für den Beschwerdeführer wurde am 2.12.2014 vom Lebensgefährten der Halbschwester eine nicht näher determinierte Einstellungszusage als Hilfskoch ausgestellt. Dieses Schreiben enthält weder ein spezifisches Datum, eine Befristung, noch nähere Angaben über das Ausmaß der Beschäftigung und die beabsichtigte Entlohnung. Auf Befragen in der Verhandlung am 20.10.2015 zur Aktualität dieser Arbeitsmöglichkeit, reflektierte der Beschwerdeführer wegen Zeitablauf nicht mehr auf diese Zusage, sondern gab an auf Arbeitssuche zu sein.

Gegen den Beschwerdeführer wurden bis dato keine durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahmen wie eine Rückkehrentscheidung mit Einreiseverbot oder eine Ausweisung, erlassen.

Die Sachverhaltsfeststellungen gründen sich auf den Akteninhalt im Administrativakt der belangten Behörde, auf das vom Verwaltungsgericht Wien durchgeführte ergänzende Beweisverfahren, die beigeschafften zitierten Akten und Urteilskopien des Landesgerichts für Strafsachen Wien, das psychiatrische Gutachten beim Straflandesgericht Wien vom 20.8.2011 sowie das eigene Vorbringen des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung und die Zeugenaussagen der D. P. und der weiteren Zeugin.

Die Aussagen des Beschwerdeführers konzentrierten sich hauptsächlich auf seine Lebensgefährtin und das gemeinsame Kind. Zu den anderen Familienmitgliedern machte der Beschwerdeführer nur wenige Angaben. Die Zeugin L. M. wirkte glaubwürdig, jedoch betreffend der beschäftigungsrechtlichen Situation des Beschwerdeführers über die aktenkundige Einstellzusage hinaus nicht im Detail informiert. Aufgrund der Aussagen des Beschwerdeführers erscheint ein enger Kontakt zu anderen Familienmitgliedern nicht gegeben zu sein, zumal auf deren Zeugenaussage verzichtet wurde.

Die Lebensgemeinschaft war aufgrund der Angaben des Beschwerdeführers und der Zeugin P. in der mündlichen Verhandlung sowie des gemeinsamen Kindes grundsätzlich glaubhaft, auch wenn betreffend die Wohnsituation wiederholt widersprüchliche Aussagen getroffen wurden.

Das Verwaltungsgericht Wien hat erwogen:

Gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG Z 1 erkennen ab 1.1.2014 die Verwaltungsgerichte über Beschwerden gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist.

Gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG kann das Verwaltungsgericht von der Durchführung (Fortsetzung) einer Verhandlung absehen, wenn die Parteien ausdrücklich darauf verzichten. Ein solcher Verzicht kann bis zum Beginn der (fortgesetzten) Verhandlung erklärt werden.

Im Hinblick auf die Einleitung des Verfahrens bei der belangten Behörde und die persönliche Antragstellung des Beschwerdeführers vom 3.1.2012 ist im gegenständlichen Fall gemäß der Übergangsbestimmung des §§ 81 Abs. 23 und der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes 27.01.2015, Ro 2014/22/0045 vom Verwaltungsgerichts Wien das Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I 100/2005 idF vor dem BGBl. I Nummer 87/2012 anzuwenden.

Die für die gegenständliche Entscheidung maßgeblichen Rechtsvorschriften in der somit hier anzuwendenden Fassung lauten wie folgt:

§ 8 Abs. 1 Z 2 NAG (samt Überschrift) lautet:

„Arten und Form der Aufenthaltstitel

§ 8. (1) Aufenthaltstitel werden erteilt als:

         …

2. Aufenthaltstitel „Rot-Weiß-Rot – Karte plus“, der zur befristeten Niederlassung und zur Ausübung einer selbständigen Erwerbstätigkeit und einer unselbständigen Erwerbstätigkeit gemäß § 17 AuslBG berechtigt,“ …

4. „Niederlassungsbewilligung“, die zur befristeten Niederlassung und zur Ausübung einer selbständigen Erwerbstätigkeit berechtigt; …“

§ 11 Abs. 1 bis 3 NAG (samt Überschrift) lautet:

„Allgemeine Voraussetzungen für einen Aufenthaltstitel

§ 11. (1) Aufenthaltstitel dürfen einem Fremden nicht erteilt werden, wenn

         1. gegen ihn eine durchsetzbare Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG erlassen wurde oder ein aufrechtes Rückkehrverbot gemäß § 54 FPG oder ein aufrechtes Aufenthaltsverbot gemäß § 63 oder 67 FPG besteht;

         2. gegen ihn eine Rückführungsentscheidung eines anderen EWR-Staates oder der Schweiz besteht;

         3. gegen ihn eine durchsetzbare Ausweisung erlassen wurde und seit seiner Ausreise nicht bereits achtzehn Monate vergangen sind, sofern er nicht einen Antrag gemäß § 21 Abs. 1 eingebracht hat, nachdem er seiner Ausreiseverpflichtung freiwillig nachgekommen ist;

         4. eine Aufenthaltsehe, Aufenthaltspartnerschaft oder Aufenthaltsadoption (§ 30 Abs. 1 oder 2) vorliegt;

         5.eine Überschreitung der Dauer des erlaubten visumfreien oder visumpflichtigen Aufenthalts im Zusammenhang mit § 21 Abs. 6 vorliegt oder

         6. er in den letzten zwölf Monaten wegen Umgehung der Grenzkontrolle oder nicht rechtmäßiger Einreise in das Bundesgebiet rechtskräftig bestraft wurde.

(2) Aufenthaltstitel dürfen einem Fremden nur erteilt werden, wenn

         1. der Aufenthalt des Fremden nicht öffentlichen Interessen widerstreitet;

         2. der Fremde einen Rechtsanspruch auf eine Unterkunft nachweist, die für eine vergleichbar große Familie als ortsüblich angesehen wird;

         3. der Fremde über einen alle Risken abdeckenden Krankenversicherungsschutz verfügt und diese Versicherung in Österreich auch leistungspflichtig ist;

         4. der Aufenthalt des Fremden zu keiner finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft führen könnte;

         durch die Erteilung eines Aufenthaltstitels die Beziehungen der Republik Österreich zu 5. einem anderen Staat oder einem anderen Völkerrechtssubjekt nicht wesentlich beeinträchtigt werden, und

         6. der Fremde im Fall eines Verlängerungsantrages (§ 24) das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 14a rechtzeitig erfüllt hat.

(3) Ein Aufenthaltstitel kann trotz Vorliegens eines Erteilungshindernisses gemäß Abs. 1 Z 3, 5 oder 6 sowie trotz Ermangelung einer Voraussetzung gemäß Abs. 2 Z 1 bis 6 erteilt werden, wenn dies zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (Europäische Menschenrechtskonvention – EMRK), BGBl. Nr. 210/1958, geboten ist. Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

         1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthalts und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen rechtswidrig war;

         2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens;

         3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens;

         4. der Grad der Integration;

         5. die Bindungen zum Heimatstaat des Drittstaatsangehörigen;

         6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit;

         7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts;

         8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Drittstaatsangehörigen in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren;

         9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.“ …

         

§ 14a Abs. 1 und 4 NAG (samt Überschrift) lauten:

„Modul 1 der Integrationsvereinbarung

§ 14a. (1) Drittstaatsangehörige sind mit erstmaliger Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 8 Abs. 1 Z 1, 2, 4, 5, 6 oder 8 zur Erfüllung des Moduls 1 der Integrationsvereinbarung verpflichtet. Diese Pflicht ist dem Drittstaatsangehörigen nachweislich zur Kenntnis zu bringen. …

(4) Das Modul 1 der Integrationsvereinbarung ist erfüllt, wenn der Drittstaatsangehörige

                                                                                          

1.       einen Deutsch-Integrationskurs besucht und einen Nachweis des Österreichischen Integrationsfonds über den erfolgreichen Abschluss des Deutsch-Integrationskurses vorlegt, …

§ 41a Abs. 9 NAG (samt Überschrift) lautet:

„Aufenthaltstitel „Rot-Weiß-Rot – Karte plus“

§ 41a (9) im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen ist von Amts wegen (§ 44a) oder auf begründeten Antrag (§44b), der bei der örtlich zuständigen Behörde im Inland einzubringen ist, ein Aufenthaltstitel „Rot-Weiß-Rot – Karte plus“ zu erteilen, wenn

         1. kein Erteilungshindernis gemäß § 11 Abs. 1 Z 1, 2 oder 4 vorliegt,

         2. dies gemäß § 11 Abs. 3 zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten ist und

         3. der Drittstaatsangehörige das Modul 1 der Integrationsvereinbarung (§ 14a) erfüllt hat oder zum Entscheidungszeitpunkt eine Erwerbstätigkeit ausübt.“

§ 43 Abs. 3 NAG (samt Überschrift) lautet:

„Niederlassungsbewilligung“

§ 43. (3) Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen ist von Amts wegen (§ 44a) oder auf begründeten Antrag (§ 44b), der bei der örtlich zuständigen Behörde im Inland einzubringen ist, eine „Niederlassungsbewilligung“ zu erteilen, wenn

                                             

1.       kein Erteilungshindernis gemäß § 11 Abs. 1 Z 1, 2 oder 4 vorliegt und

2.       dies gemäß § 11 Abs. 3 zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten ist.

§§ 44a und 44b NAG lauten:

„Besondere Verfahrensbestimmungen

§ 44a. (1) Die Behörde hat einen Aufenthaltstitel gemäß §§ 41a Abs. 9 oder 43 Abs. 3 von Amts wegen zu erteilen, wenn eine Ausweisung des Drittstaatsangehörigen gemäß § 10 AsylG 2005 oder eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG oder eine Ausweisung gemäß § 66 FPG jeweils auf Grund des

§ 61 FPG rechtskräftig auf Dauer für unzulässig erklärt wurde. § 73 AVG gilt. Die Frist gemäß § 73 Abs. 1 AVG beginnt mit der Zustellung der gemäß § 22 Abs. 9 AsylG 2005 oder § 105 Abs. 7 FPG zu übermittelnden Entscheidung an die Behörde.

(2) In einem Verfahren gemäß § 24 Abs. 4 oder § 26 gestellte Anträge auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 41a Abs. 9 oder 10 sowie § 43 Abs. 3 oder 4 sind unzulässig.

§ 44b. (1) Liegt kein Fall des § 44a Abs. 1 vor, sind Anträge gemäß §§ 41a Abs. 9 oder 43 Abs. 3 als unzulässig zurückzuweisen, wenn

1. gegen den Antragsteller eine Ausweisung rechtskräftig erlassen wurde, oder

2. rechtskräftig festgestellt wurde, dass eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG oder eine Ausweisung gemäß § 66 FPG jeweils auf Grund des § 61 FPG oder

eine Ausweisung gemäß § 10 AsylG 2005 bloß vorübergehend unzulässig ist, oder

3. die Landespolizeidirektion nach einer Befassung gemäß Abs. 2 in ihrer Beurteilung festgestellt hat, dass eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG oder eine Ausweisung gemäß § 66 FPG zulässig oder jeweils auf Grund des § 61 FPG bloß vorübergehend unzulässig ist, und aus dem begründeten Antragsvorbringen im Hinblick auf die Berücksichtigung des Privat- und Familienlebens gemäß § 11 Abs. 3 ein maßgeblich geänderter Sachverhalt nicht hervorkommt.

(2) Liegt kein Fall des Abs. 1 Z 1 oder 2 vor, hat die Behörde unverzüglich die der zuständigen Fremdenpolizeibehörde übergeordnete Landespolizeidirektion von einem Antrag gemäß §§ 41a Abs. 9 oder 43 Abs. 3 zu verständigen und eine begründete Stellungnahme zu fremdenpolizeilichen Maßnahmen, insbesondere ob diese bloß vorübergehend oder auf Dauer unzulässig sind, einzuholen. Bis zum Einlangen der begründeten Stellungnahme der Landespolizeidirektion ist der Ablauf der Frist gemäß § 73 Abs. 1 AVG gehemmt. Erwächst eine Aufenthaltsbeendigung in Rechtskraft, ist das Verfahren auf Erteilung des Aufenthaltstitels formlos einzustellen. Das Verfahren ist im Fall der Aufhebung einer Aufenthaltsbeendigung auf Antrag des Fremden fortzusetzen, wenn nicht neuerlich eine aufenthaltsbeendende Maßnahme gesetzt wird. Im Übrigen gilt § 11 Abs. 1 Z 1.

(3) Anträge gemäß §§ 41a Abs. 9 oder 43 Abs. 3 begründen kein Aufenthalts- oder Bleiberecht nach diesem Bundesgesetz. Ebenso stehen sie der Erlassung und Durchführung fremdenpolizeilicher Maßnahmen nicht entgegen und können daher in fremdenpolizeilichen Verfahren keine aufschiebende Wirkung entfalten.

(4) Ein einem bereits rechtskräftig erledigten Antrag nachfolgender weiterer Antrag gemäß §§ 41a Abs. 9 oder 43 Abs. 3 (Folgeantrag) ist als unzulässig zurückzuweisen, wenn aus dem begründeten Antragsvorbringen im Hinblick auf die Berücksichtigung des Privat- und Familienlebens gemäß § 11 Abs. 3 ein maßgeblich geänderter Sachverhalt nicht hervorkommt“.

Rechtliche Beurteilung:

Entgegen der Auffassung der belangten Behörde hat der Beschwerdeführer am 22.12.2011 nach der insoweit unstrittigen Aktenlage noch keinen Antrag auf Aufenthaltstitel eingebracht. Zu diesem Zeitpunkt erhielt die belangte Behörde eine amtswegige Bescheidübermittlung der Asylbehörde gemäß § 22 Abs. 9 Asylgesetz. Die Mitteilung, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers aus dem österreichischen Bundesgebiet in den Libanon gemäß § 8 Abs. 3 Asylgesetz iVm. § 9 Abs. 2 Asylgesetz unzulässig ist, stellt keine Erklärung dar, mit welcher die Ausweisung des Beschwerdeführers gemäß § 10 Asylgesetz 2005 für auf Dauer unzulässig erklärt wurde. Die belangte Behörde hat insofern richtig erkannt, dass dem Beschwerdeführer nicht amtswegig ein Aufenthaltstitel gemäß 44a NAG zu erteilen war. Der Beschwerdeführer hat nach Aktenlage und eigenen Angaben am 3.1.2012 persönlich zur Antragstellung vorgesprochen und diesbezüglich ein Formular zur Personalisierung des Aufenthaltstitels unterfertigt. Wenn auch die persönliche Vorsprache im Zusammenhang mit der Mitteilung der Asylbehörde an die belangte Behörde erfolgte, hat der Beschwerdeführer im Ergebnis nicht in Abrede gestellt, einen Antrag auf Aufenthaltstitel gestellt zu haben und mit der Behandlung seines Antrages gemäß § 43 Abs. 3 NAG einverstanden gewesen zu sein. Der Spruch des angefochtenen Bescheides war daher bezüglich des Datums der persönlichen Antragstellung durch den Beschwerdeführer richtig zustellen.

Der Beschwerdeführer hat bei der belangten Behörde keinen Nachweis über die Erfüllung der Integrationsvereinbarung erbracht und übt nach wie vor keine Erwerbstätigkeit aus.

Gemäß § 43 Abs. 3 NAG kann im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen auf begründeten Antrag eine „Niederlassungsbewilligung“ erteilt werden, wenn kein Erteilungshindernis gemäß § 11 Abs. 1 Z 1, 2 oder 4 NAG vorliegt und dies gemäß § 11 Abs. 3 zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten ist.

Erteilungshindernisse gemäß § 11 Abs. 1 Z 1, 2 oder 4 NAG liegen nicht vor.

Quelle: Landesverwaltungsgericht Wien LVwg Wien, http://www.verwaltungsgericht.wien.gv.at
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