Entscheidungsdatum
23.02.2017Index
41/02 Passrecht FremdenrechtNorm
NAG §11 Abs3Text
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Verwaltungsgericht Wien hat durch seinen Richter Mag. Zach über die Beschwerde vom 15.12.2016 der Frau J. Y., vertreten durch RA, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 08.11.2016, Zl. MA35-9/2750374-09, mit welchem der Antrag vom 14.07.2016 auf Erteilung eines Aufenthaltstitels für den Zweck "Studierender" gemäß § 64 Abs. 1 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz - NAG i.d.g.F. iVm. § 21 Abs. 1 NAG i.d.g.F. abgewiesen wurde,
zu Recht erkannt:
I. Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen, und der angefochtene Bescheid bestätigt.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerdeführerin ist Staatsbürgerin Chinas (Taiwan) und stellte am 14.7.2016 persönlich bei der belangten Behörde einen Erstantrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels als Studierende. Mit dem hier gegenständlichen Bescheid der belangten Behörde wurde dieser Antrag wegen unzulässiger Inlandsantragstellung abgewiesen.
Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, dass bei der Beschwerdeführerin die Voraussetzungen für die Zulässigkeit der Inlandsantragstellung gemäß § 21 Abs. 3 NAG nicht gegeben seien. Die Beschwerdeführerin sei zwar bereits seit dem Jahr 2002 in Österreich aufhältig und habe über Aufenthaltstitel für den Zweck Schüler bzw. Studierende verfügt, durch diese Aufenthaltstitel sei die Beschwerdeführerin aber nicht zur dauerhaften Niederlassung berechtigt gewesen, sondern hätten diese Aufenthaltstitel lediglich eine zeitlich begrenzte Legitimierung eines vorübergehenden Aufenthaltsrechtes dargestellt.
Die Beschwerdeführerin habe auch keine Gründe vorgebracht, weshalb eine rechtmäßige Auslandsantragstellung unzumutbar gewesen sei. Der von der Beschwerdeführerin vor dem gegenständlichen Antrag gestellte Antrag auf Verlängerung ihres bisherigen Aufenthaltstitels für den Zweck Studierende vom 27.11.2015 sei mit Bescheid vom 1.3.2016 negativ entschieden worden. Die Beschwerdeführerin sei aber trotz Rechtskraft dieses Bescheides nicht ausgereist. Eine Abwägung gemäß § 11 Abs. 3 NAG Falle zu Ungunsten der Beschwerdeführerin aus. Die Beschwerdeführerin hätte durch ein korrektes Einbringen ihres nunmehrigen Erstantrages keine gravierenden oder gar unzumutbaren Konsequenzen davongetragen.
In der durch ihren rechtsfreundlicher Vertreter rechtzeitig eingebrachten Beschwerde bringt die Beschwerdeführerin sinngemäß vor, dass die Voraussetzungen für die Zulässigkeit der Inlandsantragstellung vorliegen würden, da die Beschwerdeführerin bereits seit dem Jahr 2002 in Österreich aufhältig sei, sohin schon seit über 14 Jahren. Sie habe in Österreich die Schule absolviert, die Matura gemacht und sodann in Wien und in Salzburg Musik studiert. Dabei habe die Beschwerdeführerin stets über einen gültigen Aufenthaltstitel verfügt. Aufgrund des inländischen Schulbesuches und des Musikstudiums und der langen Aufenthaltsdauer sei die Beschwerdeführerin jedenfalls nachhaltig in Österreich integriert. Sie sei in Österreich sozialisiert und befinde sich ihr Lebensmittelpunkt sowie ihr gesamtes soziales Umfeld seit 14 Jahren ausschließlich in Österreich.
Es liege kein Erteilungshindernis gemäß § 11 NAG vor. Vielmehr seien sämtliche Voraussetzungen erfüllt. Der Aufenthalt im Bundesgebiet von 14 Jahren, die ausgezeichnete Integration und das aktuell betriebene Studium rechtfertige jedenfalls die Zulässigkeit der Inlandsantragstellung. Es sei der Beschwerdeführerin nachweislich unmöglich bzw. unzumutbar auszureisen, da sie im Alter von 12 Jahren nach Österreich gekommen sei und seither – abgesehen von Urlauben in Taiwan – ausschließlich in Österreich gelebt habe. Die Behörde habe dies und ihre in Österreich abgeschlossene Schulbildung und ihr Studium nicht berücksichtigt und gewürdigt. Die Beschwerdeführerin sei – abgesehen von Urlaubsaufenthalten – nicht mehr in Taiwan aufhältig, beherrsche selbstverständlich die deutsche Sprache wie ihre Muttersprache und befinde sich ihr gesamtes soziales Umfeld ausschließlich in Österreich. Sie bewohne eine ortsübliche Unterkunft und gehe derzeit ihrem Medizinstudium nach. Eine Auslandsantragstellung wäre der Beschwerdeführerin aufgrund der Verletzung ihres Rechts auf Privatleben unzumutbar, wäre sie doch gezwungen, ihr laufendes Medizinstudium abzubrechen. Ein Wiedereinstieg in dieses wäre an der Privatuniversität äußerst schwierig bzw. unmöglich und sei demnach eine Auslandsantragstellung nicht zumutbar. Somit ergebe sich unzweifelhaft, dass sämtliche Voraussetzungen für die Zulassung der Inlandsantragstellung im konkreten Fall vorliegen würden. Irgendeine Beeinträchtigung der öffentlichen Interessen sei im konkreten Fall nicht zu erblicken.
Weiters führte die Beschwerdeführerin Judikaturzitate des VwGH und des Verwaltungsgerichts Wien betreffend die Relevanz von der Dauer eines Aufenthalts eines Fremden in Österreich hinsichtlich humanitären Bleiberechts an.
Neue Beweismittel wurden in der Beschwerde nicht angeboten. Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung wurde nicht beantragt.
Das Verwaltungsgericht Wien hat erwogen:
Folgender Entscheidung relevante Sachverhalt steht als erwiesen fest:
Die Beschwerdeführerin ist Staatsbürgerin Chinas (Taiwan) und stellte laut unbestrittener Aktenlage am 14.7.2016 persönlich bei der belangten Behörde einen Erstantrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels als Studierende. Im Zuge des behördlichen Verfahrens stellte die Beschwerdeführerin durch ihren rechtsfreundlicher Vertreter weiters einen Zusatzantrag gemäß § 21 Abs. 3 NAG. Mit dem hier gegenständlichen Bescheid der belangten Behörde wurde dieser Antrag wegen unzulässiger Inlandsantragstellung abgewiesen.
Unstrittig ist weiters, dass die Beschwerdeführerin seit dem Jahr 2002 durchgehend in Österreich legal aufhältig ist und bis zum 1.3.2016 über einen Aufenthaltstitel als Studierende verfügte. Mit Bescheid vom 1.3.2016 der belangten Behörde wurde laut Aktenlage der Verlängerungsantrag vom 27.11.2015 der Beschwerdeführerin betreffend ihren Aufenthaltstitel als Studierende abgewiesen. Laut unbestrittener Aktenlage ist dieser Bescheid in Rechtskraft erwachsen.
Die Beschwerdeführerin bringt selbst vor, dass sie seit dem Jahr 2002 durchgehend in Österreich aufhältig ist. Daraus folgt – ebenfalls unstrittig – dass die Beschwerdeführerin auch nach der Rechtskraft des Bescheides vom 1.3.2016 nicht aus Österreich ausgereist ist.
Laut aktenkundiger schriftlicher Bestätigung der ... Privatuniversität Wien vom 10.9.2015 und einem Ausbildungsvertrag zwischen dieser Universität und der Beschwerdeführerin steht fest, dass die Beschwerdeführerin berechtigt war, den Studiengang Human/Zahnmedizin im Herbst 2015 zu beginnen.
Die Feststellungen sind in der unbestrittenen Aktenlage bzw. im eigenen Vorbringen der Beschwerdeführerin begründet.
Rechtliche Beurteilung:
§ 21 NAG normiert zum Verfahren bei Erstanträgen folgendes:
§ 21. (1) Erstanträge sind vor der Einreise in das Bundesgebiet bei der örtlich zuständigen Berufsvertretungsbehörde im Ausland einzubringen. Die Entscheidung ist im Ausland abzuwarten.
(2) Abweichend von Abs. 1 sind zur Antragstellung im Inland berechtigt:
1.
Familienangehörige von Österreichern, EWR-Bürgern und Schweizer Bürgern, die in Österreich dauernd wohnhaft sind und nicht ihr unionsrechtliches oder das ihnen auf Grund des Freizügigkeitsabkommens EG-Schweiz zukommende Aufenthaltsrecht von mehr als drei Monaten in Anspruch genommen haben, nach rechtmäßiger Einreise und während ihres rechtmäßigen Aufenthalts;
2.
Fremde bis längstens sechs Monate nach Ende ihrer rechtmäßigen Niederlassung im Bundesgebiet, wenn sie für diese Niederlassung keine Bewilligung oder Dokumentation nach diesem Bundesgesetz benötigt haben;
3.
Fremde bis längstens sechs Monate nach Verlust der österreichischen Staatsbürgerschaft, oder der Staatsangehörigkeit der Schweiz oder eines EWR-Staates;
4.
Kinder im Fall des § 23 Abs. 4 binnen sechs Monaten nach der Geburt;
5.
Fremde, die an sich zur visumfreien Einreise berechtigt sind, während ihres erlaubten visumfreien Aufenthalts;
6.
Fremde, die eine Aufenthaltsbewilligung als Forscher (§ 67) beantragen, und deren Familienangehörige jeweils nach rechtmäßiger Einreise und während ihres rechtmäßigen Aufenthalts;
7.
Drittstaatsangehörige, die einen Aufenthaltstitel „Rot-Weiß-Rot – Karte“ gemäß § 41 Abs. 1 beantragen, während ihres rechtmäßigen Aufenthaltes im Bundesgebiet mit einem Visum gemäß § 24a FPG;
8.
Drittstaatsangehörige, die einen Aufenthaltstitel „Rot-Weiß-Rot – Karte“ gemäß § 41 beantragen, während ihres rechtmäßigen Aufenthaltes im Bundesgebiet mit einer Bestätigung gemäß § 64 Abs. 4;
9.
Drittstaatsangehörige, die gemäß § 1 Abs. 2 lit. i oder j AuslBG oder § 1 Z 5, 7 oder 9 AuslBVO vom Anwendungsbereich des AuslBG ausgenommen sind oder die unter § 1 Z 4 Personengruppenverordnung 2014 – PersGV 2014, BGBl. II Nr. 340/2013, fallen und die eine Aufenthaltsbewilligung „Sonderfälle unselbständiger Erwerbstätigkeit“ oder eine Aufenthaltsbewilligung „Studierender“ beantragen, nach rechtmäßiger Einreise und während ihres rechtmäßigen Aufenthalts und
10.
Drittstaatsangehörige, die über ein österreichisches Reife-, Reifeprüfungs- oder Diplomprüfungszeugnis einer in- oder ausländischen Schule verfügen, nach rechtmäßiger Einreise und während ihres rechtmäßigen Aufenthalts.
(3) Abweichend von Abs. 1 kann die Behörde auf begründeten Antrag die Antragstellung im Inland zulassen, wenn kein Erteilungshindernis gemäß § 11 Abs. 1 Z 1, 2 oder 4 vorliegt und die Ausreise des Fremden aus dem Bundesgebiet zum Zweck der Antragstellung nachweislich nicht möglich oder nicht zumutbar ist:
1.
im Fall eines unbegleiteten Minderjährigen (§ 2 Abs. 1 Z 17) zur Wahrung des Kindeswohls oder
2.
zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK (§ 11 Abs. 3).
Die Stellung eines solchen Antrages ist nur bis zur Erlassung des Bescheides zulässig. Über diesen Umstand ist der Fremde zu belehren.
[…]
Gemäß § 11 Abs. 3 NAG kann ein Aufenthaltstitel trotz Vorliegens eines Erteilungshindernisses gemäß Abs. 1 Z 3, 5 oder 6 sowie trotz Ermangelung einer Voraussetzung gemäß Abs. 2 Z 1 bis 6 erteilt werden, wenn dies zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (Europäische Menschenrechtskonvention – EMRK), BGBl. Nr. 210/1958, geboten ist. Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:
1.
die Art und Dauer des bisherigen Aufenthalts und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen rechtswidrig war;
2.
das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens;
3.
die Schutzwürdigkeit des Privatlebens;
4.
der Grad der Integration;
5.
die Bindungen zum Heimatstaat des Drittstaatsangehörigen;
6.
die strafgerichtliche Unbescholtenheit;
7.
Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts;
8.
die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Drittstaatsangehörigen in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren;
9.
die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.
Die Beschwerdeführerin führt in ihrem Beschwerdeschriftsatz mehrere Judikate des Verwaltungsgerichtshofes an, in denen der VwGH ausspricht, dass das persönliche Interesse des Fremden an einem weiteren Verbleib in Österreich grundsätzlich mit der Dauer seines bisherigen Aufenthaltes zunimmt (z.B. VwGH vom 18.12.2008, 2007/21/0504, sowie 2008/21/0605, 2011/18/0100). Dabei übersieht die Beschwerdeführerin jedoch, dass die zitierten Entscheidungen Sachverhalte behandeln, die humanitäres Bleiberecht bzw. Ausweisungen nach negativ entschiedenen Asylverfahren betreffen. Die zitierten Entscheidungen sind daher für den gegenständlichen Fall nicht einschlägig.
Der VwGH hat sich jedoch mit der Frage, inwiefern ein langdauernder Aufenthalt eines Fremden, der über Aufenthaltstitel für den Zweck „Student bzw. Schüler“ verfügte, zu werten ist, im Erkenntnis vom 13. November 2007, 2006/18/0301, auseinandergesetzt:
[…] “Bei der Interessenabwägung gemäß § 66 Abs. 1 und Abs. 2 FPG hat die belangte Behörde zu Gunsten des Beschwerdeführers den mehr als elfjährigen inländischen Aufenthalt seit Februar 2005 sowie den inländischen Aufenthalt der Eltern des Beschwerdeführers berücksichtigt. Die aus der Aufenthaltsdauer ableitbaren persönlichen Interessen werden in ihrem Gewicht dadurch entscheidend gemindert, dass der Aufenthalt des Beschwerdeführers bisher ausschließlich zum - vorübergehenden - Zweck des Studiums berechtigt war, er aber nur einen völlig unzureichenden Studienerfolg aufzuweisen hat. Der Behörde ist zuzustimmen, dass die Beziehung zu den Eltern in ihrem Gewicht einerseits durch die Volljährigkeit des Beschwerdeführers und andererseits durch das Fehlen einer Haushaltsgemeinschaft relativiert wird. Die nach dem Beschwerdevorbringen nach wie vor bestehende Krankheit des Beschwerdeführers führt zu keiner relevanten Verstärkung seiner persönlichen Interessen am Verbleib im Bundesgebiet, behauptet er doch nicht, dass eine Behandlung dieser Krankheit nur in Österreich möglich sei.
Den somit trotz der langen Aufenthaltsdauer nicht stark ausgeprägten persönlichen Interessen des Beschwerdeführers am Verbleib im Bundesgebiet steht die dargestellte gewichtige Beeinträchtigung öffentlicher Interessen durch den weiteren Inlandsaufenthalt des Beschwerdeführers gegenüber. Von daher begegnet die Ansicht der belangte Behörde, dass die Ausweisung zur Erreichung von im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Zielen dringend geboten sei (§ 66 Abs. 1 FPG) und die Auswirkungen dieser Maßnahme auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers nicht schwerer wögen als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung (§ 66 Abs. 2 leg. cit.), keinen Bedenken.
5. Dem Vorbringen des Beschwerdeführers, auf Grund seines mehr als elfjährigen inländischen Aufenthalts sei seine Ausweisung gemäß § 55 Abs. 2 FPG unzulässig, ist Folgendes entgegen zu halten:
Nach der genannten Bestimmung dürfen Fremde, die vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhalts bereits acht Jahre ununterbrochen und rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen waren, nur ausgewiesen werden, wenn sie von einem inländischen Gericht wegen Begehung einer strafbaren Handlung rechtskräftig verurteilt wurden und ihr weiterer Aufenthalt die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährden würde.
Wie oben 1. dargestellt, würde der dem Beschwerdeführer zuletzt erteilte Aufenthaltstitel unter dem Regime des NAG als Aufenthaltsbewilligung für Studierende weiter gelten. Eine solche Aufenthaltsbewilligung berechtigt den Fremden gemäß § 8 Abs. 1 Z. 5 NAG zu einem vorübergehenden befristeten Aufenthalt, jedoch - anders als die in den Z. 1 bis 4 dieser Bestimmung geregelten Titel - nicht zur Niederlassung. Fremde, die bisher nur über eine Aufenthaltsbewilligung für Studierende verfügt haben, können daher die Tatbestandsvoraussetzungen des § 55 Abs. 2 FPG schon mangels Niederlassung im Bundesgebiet nicht erfüllen. […]
Aus dieser Entscheidung ist klar erkennbar, dass ein langdauernder Aufenthalt, der auf eine Aufenthaltsbewilligung, die (nur) zu einem vorübergehenden befristeten Aufenthalt berechtigt, bei einer Abwägung gemäß Art. 8 EMRK keinesfalls so schwer wiegen kann, wie etwa bei Aufenthaltstiteln, die den Fremden zu einer Niederlassung berechtigt hätten. Weiters hat der VwGH in dieser Entscheidung sogar trotz des Aufenthalts der Eltern des Beschwerdeführers in Österreich die Zulässigkeit einer Ausweisung des Beschwerdeführers bestätigt. Schon aus diesem Grund kann eine Abwägung im Sinne des § 21 Abs. 3 in Verbindung mit 11 Abs. 3 NAG nur aufgrund der langen Aufenthaltsdauer bzw. der sprachlichen Kenntnisse und der sozialen Kontakte der Beschwerdeführerin nicht das öffentliche Interesse an der Einhaltung eines geordneten Fremdenwesens überwiegen. Insbesondere ist hier auch zu beachten, dass die Beschwerdeführerin trotz rechtskräftiger negativer Entscheidung über ihren letzten Verlängerungsantrag nicht aus Österreich ausgereist ist.
Unrichtig ist auch die Rechtsansicht der Beschwerdeführerin, dass der Abbruch ihres Studiums bzw. der schwierige Wiedereinstieg in das Studium zu einer Unzumutbarkeit der Ausreise und der Auslandsantragstellung führen würden. Dasselbe gilt für finanzielle Einbußen durch die Ausreise. Diesbezüglich hat der VwGH in seiner Entscheidung vom 10.5.2016, RA 2015/22/0158 folgenden Rechtsatz formuliert:
[…] „Mit dem - im Zusammenhang mit einer Aufenthaltsbewilligung "Schüler" nach § 63 NAG 2005 - erstatteten Vorbringen, im Fall der Nichtzulassung der Inlandsantragstellung müsse das laufende Schuljahr unterbrochen werden, wodurch die dortige Fremde viel versäumen würde, sie das Schuljahr nicht abschließen könnte und ihr ein großer finanzieller Aufwand entstünde, werden keine Umstände iSd Art. 8 MRK dargetan, auf Grund derer die Auslandsantragstellung als nicht möglich oder nicht zumutbar zu beurteilen gewesen ist (vgl. E 11. Juni 2014, 2012/22/0034; E 9. September 2013, 2011/22/0328 - großer Zeitverlust im Studium). Dem vom VwG tragend herangezogenen Interesse des Fremden an der Fortsetzung seines Studiums kommt somit für sich genommen keine entscheidungserhebliche Bedeutung bei der vorzunehmenden Abwägung zu. Daran vermag der bereits erzielte Studienerfolg nichts zu ändern. Auch in Verbindung mit den Aspekten der ausreichenden finanziellen Mittel, der Unbescholtenheit und der guten Deutschkenntnisse wäre es nicht geboten gewesen, dem Fremden, der über keine familiären Bindungen in Österreich verfügte, einen aus Art. 8 MRK resultierenden Anspruch auf Erteilung eines Aufenthaltstitels einzuräumen und somit die Inlandsantragstellung zuzulassen. Der vom VwG zugrunde gelegte Umstand, dass der Fremde die Wartezeit auf die Unterlagen aus Pakistan nicht zu verantworten hat, ändert nichts daran, dass er seinen Inlandsaufenthalt über den erlaubten visumfreien Aufenthalt hinaus fortgesetzt hat. Eine Unmöglichkeit oder Unzumutbarkeit der Ausreise iSd § 21 Abs 3 NAG 2005 resultiert daraus nicht.“ […]
Aus diesem Rechtsatz geht klar hervor, dass die von der Beschwerdeführerin ins Treffen geführten Argumente für die Frage, ob im gegenständlichen Fall eine Inlandsantragstellung zulässig war, nicht stichhaltig sind. Der hier gegenständliche Fall ist dem vom VwGH zu RA 2015/22/0158 entschiedenen Fall nahezu identisch gelagert.
Da aufgrund der dargelegten Judikatur weder die von der Beschwerdeführerin ins Treffen geführte langjährige Aufenthaltsdauer, noch ihre Sprachkenntnisse und ihr Studienerfolg bzw. die für eine Auslandsantragstellung notwendige Unterbrechung ihres Studiums und die damit verbundenen finanziellen Einbußen eine Unzumutbarkeit oder Unmöglichkeit der Ausreise zum Zweck einer Antragstellung aus dem Heimatland zu begründen vermögen, war die Beschwerde spruchgemäß abzuweisen.
Da der Sachverhalt unstrittig ist, in der von einem Rechtsanwalt eingebrachten Beschwerde keine neuen Beweismittel angeboten und auch keine mündliche Verhandlung beantragt wurde, die Beschwerde sich primär gegen die Beurteilung einer Rechtsfrage richtet und eine mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, konnte gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung abgesehen werden.
Unzulässigkeit der ordentlichen Revision
Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist die (ordentliche) Revision zulässig, wenn eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vorliegt, insbesondere weil das Erkenntnis des Verwaltungsgerichts von der Rechtsprechung des Verwaltunggerichtshofs abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs nicht einheitlich beantwortet wird.
Ein Vergleich der Regelungen zum Ablehnungsmodell gemäß Art. 131 Abs. 3 B-VG aF mit dem Revisionsmodell nach Art. 133 Abs. 4 B-VG zeigt, dass diese Bestimmungen nahezu ident sind. Zur Auslegung des Begriffs „Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung“ kann auf die bisherige Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs zum Ablehnungsrecht nach Art. 131 Abs. 3 B-VG aF zurückgegriffen werden (in diesem Sinne Thienel, Neuordnung der Verwaltungsgerichtsbarkeit. Die Reform der Verwaltungsgerichtsbarkeit durch die Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012, 74). Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs zu Art. 131 Abs. 3 B-VG aF liegt eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung dann vor, wenn die Entscheidung der Sache im Interesse der Allgemeinheit an einer einheitlichen, auf zusätzliche Argumente gestützte Rechtsprechung liegt. Das ist dann der Fall, wenn eine Rechtsfrage zu entscheiden ist, die auch für eine Reihe anderer gleichgelagerter Fälle von Bedeutung ist und diese durch die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs bisher nicht abschließend geklärt worden ist. Es muss sich um eine aus rechtssystematischen Gründen bedeutsame und auch für die einheitliche Rechtsanwendung wichtige Frage des materiellen oder formellen Rechts handeln (vgl. Paar, ZfV, 892). Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung liegt nicht vor, wenn die Rechtsfrage klar aus dem Gesetz lösbar ist (vgl. Köhler, ecolex 2013, 596, mit weiteren Nachweisen). Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung liegt dann vor, wenn die Klärung dieser Rechtsfrage eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung hat (vgl. Thienel, aaO, 73f).
Da im gegenständlichen Fall eine solche Rechtsfrage nicht vorliegt, sondern auf die zitierte, keineswegs uneinheitliche Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes betreffend die Kriterien für das Vorliegen einer Unzumutbarkeit oder Unmöglichkeit der Auslandsantragstellung im Sinne des § 21 Abs. 3 NAG zurückgegriffen werden konnte, war die (ordentliche) Revision nicht zuzulassen.
Schlagworte
Zulässige Inlandsantragstellung, Abwägung gem. Art. 8 EMRK, öffentliches Interesse an der Einhaltung eines geordneten Fremdenwesens, finanzielle Einbußen durch die Ausreise, notwendige Unterbrechung des Studiums, Unzumutbarkeit oder Unmöglichkeit der Ausreise zum Zweck einer Antragstellung aus dem HeimatlandAnmerkung
VwGH v. 22.2.2018, Ra 2017/22/0086European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGWI:2017:VGW.151.084.387.2017Zuletzt aktualisiert am
09.03.2018