TE Lvwg Erkenntnis 2018/2/9 VGW-031/085/8315/2017

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 09.02.2018
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

09.02.2018

Index

90/01 Straßenverkehrsordnung

Norm

StVO 1960 §24 Abs1 lite
StVO 1960 §52
StVO 1960 §54 Abs2
StVO 1960 §99 Abs3 lita

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Verwaltungsgericht Wien hat durch seine Richterin MMag. Dr. Salamun über die Beschwerde des Herrn W. V. vom 31.05.2017 gegen das Straferkenntnis des Magistrates der Stadt Wien vom 17.05.2017, Zl. MA 67-RV-034961/7/0, betreffend eine Verwaltungsübertretung der Straßenverkehrsordnung 1960

zu Recht e r k a n n t:

I. Gemäß § 50 VwGVG wird der Beschwerde Folge gegeben, das Straferkenntnis behoben und das Verfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z  2 VStG eingestellt.

II. Gemäß § 52 Abs. 8 VwGVG hat der Beschwerdeführer keinen Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens zu leisten.

III. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof durch die vor dem Verwaltungsgericht Wien belangte Behörde unzulässig.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.

Das angefochtene Straferkenntnis richtet sich gegen den Beschwerdeführer als Beschuldigten und enthält folgenden Spruch:

„Sie haben am 27.1.2017 um 21:48 Uhr in Wien 01, FRIEDRICH-SCHMIDT-PL GGÜ. 1 als Lenker des Kraftfahrzeuges mit dem Kennzeichen MD-... folgende Verwaltungsübertretung begangen:

Abstellen des Fahrzeuges im Haltestellenbereich eines Massenbeförderungsmittels während der Betriebszeiten nicht nur kurz zum Ein- und Aussteigen.

Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschrift verletzt:

§ 99 Abs. 3 lit. a Straßenverkehrsordnung 1960 (StVO) in Verbindung mit
§ 24 Abs. 1 lit. e StVO 1960

Gemäß § 99 Abs. 3 lit. a StVO 1960 wird gegen Sie eine Geldstrafe in der Höhe von EUR 98,00, im Falle der Uneinbringlichkeit 20 Stunden Ersatzfreiheitsstrafe, verhängt.

Es wird Ihnen zudem ein Betrag von EUR 10,00 als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens auferlegt (§ 64 Abs. 2 des Verwaltungsstrafgesetzes).

Der zu zahlende Gesamtbetrag beträgt daher EUR 108,00.“

 

Das gegenständliche Verwaltungsstrafverfahren beruht auf einer dienstlichen Wahrnehmung vom 27. Jänner 2017, der drei Fotos beigelegt wurden.

In Zusammenhang mit der in Rede stehenden Verwaltungsübertretung wurde gegen den Beschwerdeführer eine Strafverfügung erlassen.

Dagegen erhob der Beschwerdeführer Einspruch, in dem er im Wesentlichen ausführte, dass der Vorhalt unrichtig sei.

In weiterer Folge richtete die Behörde an den Beschwerdeführer die Aufforderung zur Rechtfertigung vom 3. Mai 2017, welche dieselbe Tatanlastung wie das angefochtene Straferkenntnis enthält.

Der Beschwerdeführer erstattete am 16. Mai 2017 eine Stellungnahme, in welcher er ausführte, wie das „Beweisfoto“ eindeutig zeige, sei nicht nur er mit seinem PKW, sondern einige Fahrzeuge (die gesamte Seite sei zugeparkt gewesen) an der angegebenen Stelle gestanden. Dies sei zu Recht erfolgt, da für den besagten Abschnitt der Straße ein Halte- und Parkverbot mit der Einschränkung (werkt.) v. 8-20 h ausgenommen Omnibusse zum Aus- u. Einsteigen verfügt und aufgestellt gewesen sei. Er habe am Polizeiball teilgenommen und sei nach 20 h eingetroffen. Der Stellungnahme war ein Foto des Verkehrszeichens beigefügt.

In der Folge erging das gegenständliche Straferkenntnis.

II.

In der gegen dieses Straferkenntnis fristgerecht erhobenen Beschwerde, führte der Beschwerdeführer im Wesentlichen aus, er habe, als er am 27. Jänner 2017 gegen 21.15 Uhr bei Rathaus in Wien angekommen sei und eine Parkmöglichkeit gesucht habe, an der angezeigten Stelle ein Halte- und Parkverbot mit dem Zusatz „(werkt.) v. 5.30-24 h ausgen. Omnibusse zum Aus- u. Einsteigen“ gesehen.

Daher habe er den letzten freien Parkplatz gewählt und dort geparkt. Aufgrund des Zusatzes der Ausnahme für Omnibusse habe er schließen können, dass die Haltestellen nach 20 Uhr nicht mehr als solche in Betrieb sei. Im Übrigen sei ja in der Zwischenzeit auch die Zusatztafel auf den Zusatz von 5 bis 24 h abgeändert worden.

Der Zusammenhang der Halte- und Parkverbotsbeschränkung mit der Haltestelle könne ja wohl nur als eine zum Schutz der Haltestelle verfügte Maßnahme gesehen werden und nicht als unabhängige Verordnung „zum Jux und Tollerei“. Ansonsten würde jeder Autofahrer bei jedem Verkehrszeichen nachforschen müssen, ob dieses ordnungsgemäß verfügt und auch kundgemacht wurde.

Er habe sein Fahrzeug aufgrund der gegebenen Verkehrsschilder zum angezeigten Zeitpunkt zu Recht an dieser Stelle abgestellt. Ein zusätzliches Kontrollieren des ausgehängten Fahrplanes sei in diesem Fall nicht angezeigt gewesen. Dies solle vom Verwaltungsgericht Wien in seinem Urteil bestätigt werden.

Die Verwaltungsbehörde nahm von der Möglichkeit einer Beschwerdevorentscheidung Abstand und legte die Beschwerde samt Verwaltungsakt dem Verwaltungsgericht Wien mit Schreiben vom 7. Juni 2017 vor. Gleichzeitig verzichtete die Verwaltungsbehörde in diesem Schreiben ausdrücklich auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung. Der Beschwerdeführer beantragte in der Beschwerde keine Durchführung einer mündlichen Verhandlung.

III.

Die Magistratsabteilung 46 wurde vom Verwaltungsgericht Wien mit Schreiben vom 28. Juni 2017 um Übermittlung des Verordnungsaktes betreffend das in Rede stehende Verkehrszeichen in Wien 1010, Friedrich-Schmidt-Platz gegenüber Nr. 1, ersucht.

Diese übermittelte am 12. Juli 2017 die Akte zur Zahl MA 46-DEF/194847/2014 und zur Zahl MA 46-DEF362934/16. Dem Akt zur Zahl MA 46-DEF/194847/2014 ist zu entnehmen, dass die Zusatztafel „(werkt.) v. 8-20 h ausgen. Omnibusse zum Aus- u. Einsteigen“ am 8. Mai 2014 kundgemacht wurde. Dem Akt zur Zahl MA 46-DEF362934/16 ist zu entnehmen, dass die Zusatztafel „(werkt.) v. 5.30-24 h ausgen. Omnibusse zum Aus- u. Einsteigen“ am 12. Jänner 2016 kundgemacht wurde. Da dieses Datum unplausibel erschien, wurde auf Nachfrage des Verwaltungsgerichts Wien von der MA 46 der Anforderungsschein an die die Änderung durchführenden Firma eingeholt. Danach wurde die Zusatztafel am 12. Jänner 2017 angebracht.

IV. Das Verwaltungsgericht Wien hat erwogen:

IV.1. Rechtsgrundlagen:

Die maßgeblichen Bestimmungen der Straßenverkehrsordnung 1960 (StVO), BGBl. Nr. 159/1960, in der zum Tatzeitpunkt maßgeblichen Fassung (§ 52 idF BGBl. I Nr. 34/2011, § 99 idF 39/2013), lauten:

§ 2. Begriffsbestimmungen.

(1) Im Sinne dieses Bundesgesetzes gilt als

[...]

26.

Anhalten: das durch die Verkehrslage oder durch sonstige wichtige Umstände erzwungene Zum-Stillstand-Bringen eines Fahrzeuges;

27.

Halten: eine nicht durch die Verkehrslage oder durch sonstige wichtige Umstände erzwungene Fahrtunterbrechung bis zu zehn Minuten oder für die Dauer der Durchführung einer Ladetätigkeit (§ 62);

28.

Parken: das Stehenlassen eines Fahrzeuges für eine längere als die in Z 27 angeführte Zeitdauer;

[...]

§ 24. Halte- und Parkverbote.

(1) Das Halten und das Parken ist verboten:

a)

im Bereich des Vorschriftszeichens „Halten und Parken verboten“ nach Maßgabe der Bestimmungen des § 52 Z 13b,

 [...]

e) im Haltestellenbereich eines Massenbeförderungsmittels, das ist - sofern sich aus Bodenmarkierungen nichts anderes ergibt - der Bereich innerhalb von 15 m vor und nach den Haltestellentafeln, während der Betriebszeiten des Massenbeförderungsmittels,

[...]

(2) Die in Abs. 1 lit. b bis n und Abs. 3 lit. d angeführten Verbote gelten nicht, wenn sich aus Straßenverkehrszeichen oder Bodenmarkierungen etwas anderes ergibt.

[...]

§ 52. Die Vorschriftszeichen

Die Vorschriftszeichen sind

         a)       Verbots- oder Beschränkungszeichen,

         b)       Gebotszeichen oder

         c)       Vorrangzeichen.

a) Verbots- oder Beschränkungszeichen

[...]

13a. „PARKEN VERBOTEN“

              https://www.ris.bka.gv.at/~/Dokumente/Bundesnormen/NOR40128461/image035.png

Dieses Zeichen zeigt mit der Zusatztafel „ANFANG“ den Beginn und mit der Zusatztafel „ENDE“ das Ende eines Straßenabschnittes an, in dem das Parken verboten ist. Das Verbot bezieht sich auf die Straßenseite, auf der sich dieses Zeichen befindet.

Folgende unter dem Zeichen angebrachte Zusatztafeln zeigen an:

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

a)       Eine Zusatztafel mit der Angabe bestimmter Stunden, dass das Verbot während der angegebenen Stunden gilt;

b)       eine Zusatztafel mit der Angabe bestimmter Tage, dass das Verbot an den angegebenen Tagen gilt; beginnt das Verbot nicht um 00 Uhr oder endet es nicht um 24 Uhr, so ist auf der Zusatztafel überdies auch noch der Zeitpunkt des Beginnes oder des Endes des Verbotes anzugeben;

c)       eine Zusatztafel mit Pfeilen den Verlauf des Straßenabschnittes, in dem das Verbot gilt; solche Pfeile können statt auf einer Zusatztafel auch im Zeichen selbst angebracht werden, sind dort aber in weißer Farbe auszuführen. Wenn der Geltungsbereich des Verbotes auf diese Weise unmißverständlich zum Ausdruck gebracht werden kann, so genügt ein Vorschriftszeichen.

Die Anbringung weiterer Angaben auf den unter lit. a bis c angeführten Zusatztafeln sowie die Anbringung von Zusatztafeln mit anderen Angaben ist unbeschadet des § 51 Abs. 3 zulässig.

13b. „HALTEN UND PARKEN VERBOTEN“

             https://www.ris.bka.gv.at/~/Dokumente/Bundesnormen/NOR40128461/image036.png

Dieses Zeichen zeigt mit der Zusatztafel „ANFANG“ den Beginn und mit der Zusatztafel „ENDE“ das Ende eines Straßenabschnittes an, in dem das Halten und Parken verboten ist. Das Verbot bezieht sich auf die Straßenseite, auf der sich dieses Zeichen befindet.

Eine Zusatztafel mit der Aufschrift „AUSGENOMMEN ZUSTELLDIENSTE“ zeigt an, dass das rasche Auf- oder Abladen geringer Warenmengen vom Halteverbot ausgenommen ist.

Eine Zusatztafel mit der Aufschrift „AUSGENOMMEN LADETÄTIGKEIT“ zeigt eine Ladezone an.

Hinsichtlich weiterer Zusatztafeln gelten die Bestimmungen der Z 13a sinngemäß.

[...]

§ 54. Zusatztafeln.

[...]

(2) Die Angaben und Zeichen auf Zusatztafeln müssen leicht verständlich sein. Insbesondere kann auch durch Pfeile in die Richtung der Gefahr oder des verkehrswichtigen Umstandes gewiesen werden.

[...]

§ 99. Strafbestimmungen.

[...]

(3) Eine Verwaltungsübertretung begeht und ist mit einer Geldstrafe bis zu 726 Euro, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Wochen, zu bestrafen,

         a)       wer als Lenker eines Fahrzeuges, als Fußgänger, als Reiter oder als Treiber oder Führer von Vieh gegen die Vorschriften dieses Bundesgesetzes oder der auf Grund dieses Bundesgesetzes erlassenen Verordnungen verstößt und das Verhalten nicht nach den Abs. 1, 1a, 1b, 2, 2a, 2b, 2c, 2d, 2e oder 4 zu bestrafen ist;“

IV.2. Sachverhalt:

Aufgrund des Aktes der belangten Behörde sowie des gegenständlichen Aktes des Verwaltungsgerichts Wien wird folgender entscheidungsrelevanter Sachverhalt als erwiesen festgestellt:

Der Beschwerdeführer stellte zum angelasteten Tatzeitpunkt in 1010 Wien, Friedrich-Schmidt-Platz gegenüber Nr. 1, das Fahrzeug mit dem Kennzeichen MD-... im Haltestellenbereich eines Massenbeförderungsmittels während der Betriebszeiten ab.

Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich aus der vorliegenden Anzeige. Er wird insofern vom Beschwerdeführer auch nicht bestritten.

Der Beschwerdeführer lenkte das Fahrzeug mit dem Kennzeichen MD-... und stellte es in Wien 1010 Wien, Friedrich-Schmidt-Platz gegenüber Nr. 1, im Bereich des Vorschriftszeichens „Halten und Parken verboten“ mit Zusatztafel ab, sodass es am 27. Jänner 2017 um 21:48 Uhr dort gestanden ist. Es kann nicht festgestellt werden, ob das Halte- und Parkverbot durch die Zusatztafel „(werkt.) v. 8-20 h ausgen. Omnibusse zum Aus- u. Einsteigen“ oder durch die Zusatztafel „(werkt.) v. 5.30-24 h ausgen. Omnibusse zum Aus- u. Einsteigen“ eingeschränkt war. Der Fahrplan der Vienna Airport Lines wies einen Halbstundentakt von 5:30 bis 24 Uhr an der Haltestelle am Friedrich-Schmidt Platz aus.

Diese Feststellungen beruhen auf folgenden Erwägungen:

Dass der Beschwerdeführer das og. Fahrzeug an dem angeführten Tatort zu der angelasteten Tatzeit lenkte und abgestellt hatte, ist unstrittig.

Im Übrigen ergibt sich der festgestellte Sachverhalt aus dem Akteninhalt, wobei dieser jedoch insofern widersprüchlich ist, als das die dienstliche Wahrnehmung machende Organ mit der Anzeige vom 27. Jänner 2017 zwar zwei Fotos des geparkten Autos sowie ein Foto des Fahrplanes vorlegte, nicht aber Fotos der Vorschriftszeichen „Halten und Parken verboten“ samt Zusatztafel, die am Anfang und am Ende der Haltestellenbucht aufgestellt sind. Der Beschwerdeführer legte hingegen am 16. Mai 2017 mit seiner Stellungnahme ein Foto des betreffenden Vorschriftszeichens vor, auf welchem klar und deutlich eine Zusatztafel mit der Einschränkung „(werkt.) v. 8-20 h ausgen. Omnibusse zum Aus- u. Einsteigen“ ersichtlich ist. Diese Zusatztafel wurde aber laut dem Verordnungsakt der MA 46 samt Anforderungsschein bereits am 12. Jänner 2017 (und somit vor dem Tatzeitpunkt am 27. Jänner 2017) ausgetauscht und durch die neue Zusatztafel „(werkt.) v. 5:30-24 h ausgen. Omnibusse zum Aus- u. Einsteigen“ ersetzt. Nach der allgemeinen Lebenserfahrung kann nun aber ausgeschlossen werden, dass der Beschwerdeführer das Foto zwei Wochen vor dem Tatzeitpunkt gemacht hat und lässt sich dem Verwaltungsakt auch nicht gegenteiliges entnehmen. Dafür, dass im Tatzeitpunkt bereits die neue Zusatztafel angebracht war, spricht der Anforderungsschein der Firma, welche die Zusatztafel austauschte, allerdings wurde dieser Anforderungsschein erst auf Nachfrage des Verwaltungsgerichts vorgelegt, da der Verordnungsakt der MA 46 das - unschlüssige - Datum „12. Jänner 2016“ enthielt. Nun ist es zwar wahrscheinlich, dass lediglich bei der Angabe der Jahreszahl ein Fehler unterlief, dennoch kann nicht ausgeschlossen werden, dass auch bei den weiteren Datumsangaben im Anforderungsschein ein Fehler geschah. Wäre nämlich bereits die neue Zusatztafel angebracht gewesen, so wäre der Beschwerdeführer um 21:48 Uhr – auch nach seiner Deutung der Zusatztafel – im Parkverbot gestanden und hätte dies wohl auch das die dienstliche Wahrnehmung machende Organ durch weitere – die Vorschriftszeichen „Halten und Parken verboten“ samt neuer Zusatztafel abbildende – Fotos dokumentiert. Da solche Fotos nicht vorgelegt wurden, kann nicht mit der für ein Verwaltungsstrafverfahren erforderlichen Sicherheit festgestellt werden, wann die Zusatztafel tatsächlich ausgetauscht wurde.

Dies kann gegenständlich aber dahinstehen, da bereits die Zusatztafel selbst (in der alten und der neuen Version) eine mehrfache Deutung zulässt: 1. Werktags von 8-20 h (bzw. 5:30-24 h) dürfen Omnibusse stehen bleiben, um Fahrgästen das Ein- und Aussteigen zu ermöglichen. Kraftfahrzeuge dürfen nie halten und parken. 2. Werktags von 8-20 h (bzw. 5:30-24 h) dürfen Omnibusse stehen bleiben, um Fahrgästen das Ein- und Aussteigen zu ermöglichen. Kraftfahrzeuge dürfen werktags von 20-8 h (bzw. 24-5:30 h) sowie an Sonn- und Feiertagen halten und parken. Dabei ist anzumerken, dass die Betriebszeiten der Vienna Airport Lines auch die Sonn- und Feiertage umfassen, sodass diese Deutung letztlich nicht schlüssig wäre.

Auch ist festzuhalten, dass eine Ausnahme vom Halte- und Parkverbot für Omnibusse nicht exakt ist, da es sich beim Zum-Stillstand-Bringen eines Kraftfahrzeuges des Linienverkehrs um kein Halten oder Parken, sondern um ein Anhalten handelt (vgl. VwGH 11. 10.2002, 2000/02/0066).

Zudem ergeben sich aus den Widersprüchen zwischen dem Text der Zusatztafel und den Betriebszeiten des Flughafenbusses in Verbindung mit § 24 Abs. 1 lit e StVO weitere Deutungen, die komplexe rechtliche Fragen aufwerfen wie etwa jene, ob die gesetzliche Bestimmung des § 24 Abs. 1 lit e StVO (Verbot zwischen 5:30-24 h), welche im Stufenbau der Rechtsordnung über der Zusatztafel als Verordnung (Verbot lediglich zwischen 8-20 h werktags in der zweiten Deutung) steht und somit dieser vorgehen würde, oder ob vielmehr aus Überlegungen betreffend die Rechtssicherheit für Normunterworfene allein das Verbotszeichen samt Zusatztafel für die rechtliche Bewertung herangezogen werden müsste. Die Möglichkeit, sich der Norm gemäß zu verhalten, darf jedenfalls nicht davon abhängen, dass zu deren Verständnis außerordentliche methodische Fähigkeiten und eine gewisse Lust zum Lösen von Denksport-Aufgaben erforderlich sind (vgl. VfSlg. 12.420/1990).

Der Anzeigenleger stellte allein auf die Betriebszeiten des Massenbeförderungsmittels ab und erfolgte auch die Bestrafung des Beschwerdeführers aufgrund von § 24 Abs. 1 lit e StVO, ohne dass das Vorschriftszeichen „Halten und Parken verboten“ samt Zusatztafel erwähnt wurde.

IV.3. Rechtliche Beurteilung:

IV.3.1.

Gemäß § 54 Abs. 2 StVO müssen die Angaben und Zeichen auf Zusatztafeln leicht verständlich sein. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann sich der Lenker eines Fahrzeuges, wenn eine unter einem Vorschriftszeichen (hier nach § 52 lit. a Z. 13b StVO) angebrachte Zusatztafel eine "mehrfache Deutung" zulässt, auf die Unkenntnis der Vorschrift berufen und diese fällt nicht ihm, sondern der Behörde zur Last, weil diese die Anordnung des § 54 Abs. 2 StVO, betreffend die leichte Verständlichkeit der Angaben und Zeichen auf Zusatztafeln, nicht befolgt hat (vgl. VwGH 14.06.2005, 2005/02/0047; 19.11.1982, 02/2695/80). Der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes vom 14. Juni 2005, Zl. 2005/02/0047, lag insofern ein ähnlicher Sachverhalt zugrunde, als unter dem Vorschriftszeichen "Halten und Parken verboten" auf einer Zusatztafel folgende Aufschrift angebracht: "Mo.-Fr. (werkt.) v.6-12h ausgen. Ladetätigkeit mit Lastfahrzeugen für verbleibenden Zeitraum ausgenommen Taxi" war. Der Beschuldigte hatte das Fahrzeug an einem Sonntag außerhalb des angegebenen Zeitraumes abgestellt. Für den Verwaltungsgerichtshof änderte die Tatsache, dass der Text "für verbleibenden Zeitraum ausgenommen Taxi" dann keinen Sinn ergäbe, wenn man das Halte- und Parkverbot nur auf die Zeit von Montag bis Freitag (werktags) von 6.00 bis 12.00 Uhr bezöge, nichts an der mangelnden "leichten Verständlichkeit" der Zusatztafel iSd § 54 Abs. 2 StVO. Daraus resultiere die Rechtsfolge des mangelnden Verschuldens des Beschuldigten an der ihm angelasteten Verwaltungsübertretung.

Gegenständlich wurde der Beschwerdeführer zwar nicht aufgrund der Nichtbefolgung des Vorschriftszeichen „Halten und Parken verboten“ samt Zusatztafel bestraft, sondern aufgrund von § 24 Abs. 1 lit. e StVO wegen des Abstellens des Fahrzeuges im Haltestellenbereich eines Massenbeförderungsmittels während der Betriebszeiten nicht nur zum Ein- und Aussteigen. Als Rechtfertigung brachte er jedoch vor, das Parken sei aufgrund der das Halte- und Parkverbot einschränkenden Zusatztafel erlaubt gewesen, sodass in der rechtlichen Beurteilung auch der auf der Zusatztafel kundgemachte Text entscheidungsrelevant ist.

Eine Bestrafung aufgrund einer (klaren) gesetzlichen Bestimmung (hier: § 24 Abs. 1 lit. e StVO), wenn gleichzeitig eine mehrfache Deutung der vor bzw. nach der Haltestelle beim Vorschriftszeichen "Halten und Parken verboten" angebrachten Zusatztafel möglich ist, wäre aus Sicht des Verwaltungsgerichts als Umgehung des Klarheitsgebotes gemäß § 54 Abs. 2 StVO zu werten, da diesfalls das Klarheitsgebot durch die Aufstellung mehrdeutiger Zusatztafeln ausgehebelt werden könnte. Aus rechtsstaatlichen Erwägungen ist zu bedenken, dass von Normunterworfenen nicht erwartet werden kann, dass sie sich beim Einparken mit der Frage auseinandersetzen (sofern diese überhaupt erkannt wird), welche der mehrfachen Deutung der Zusatztafel von der Behörde in einem Strafverfahren vertreten werden würde und ob eine Übereinstimmung der Zusatztafel mit dem Fahrplan des Massenbeförderungsmittels (und somit mit § 24 Abs. 1 lit. e StVO) vorliegt. Dies würde nämlich letztlich dazu führen, dass die Vorhersehbarkeit rechtskonformen Verhaltens für die Normunterworfenen nicht mehr gegeben ist.

IV.3.2.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs entschuldigt gemäß § 5 Abs. 2 VStG die Unkenntnis der Verwaltungsvorschrift, der der Täter zuwidergehandelt hat, nur dann, wenn sie erwiesenermaßen unverschuldet ist und der Täter das Unerlaubte seines Verhaltens ohne Kenntnis der Verwaltungsvorschrift nicht einsehen konnte. Die Unkenntnis des Gesetzes, wie auch eine irrige Gesetzesauslegung, müssen somit unverschuldet sein (vgl. z.B. VwGH 12.8.2014, 2013/10/0203). Es liegt grundsätzlich an der Partei, das Vorliegen von Rechtfertigungs- oder Entschuldigungsgründen durch ein konkretes Vorbringen zu behaupten und der Behörde die für die Beurteilung erforderlichen Informationen an die Hand zu geben (vgl. VwGH 25.9.2014, 2012/07/0214).

Indem sich der Beschwerdeführer in seiner Rechtfertigung auf die von ihm vertretene Deutung des Textes der Zusatztafel bezog, hat er ein hinreichend konkretes Vorbringen erstattet. Da zudem die Zusatztafel (in jeder der beiden Versionen) mehrdeutig wäre (vgl. Punkt IV.2) und der Beschwerdeführer entsprechend seiner Deutung davon ausging, sich rechtskonform zu verhalten, kann ihm die Verwaltungsübertretung auch nicht vorgeworfen werden.

IV.3.3.

Somit ist festzuhalten, dass die Verwaltungsübertretung dem Beschwerdeführer nicht angelastet werden kann.

Da aufgrund des Vorliegens eines Verbotsirrtums Umstände gegeben sind, die die Strafbarkeit aufheben oder ausschließen, war spruchgemäß zu entscheiden und das Verwaltungsstrafverfahren in Stattgebung der Beschwerde gemäß § 45 Abs. 1 Z 2 VStG einzustellen.

IV.3.4.

Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte im Beschwerdefall im Hinblick auf die Bestimmung des § 44 Abs. 2 und Abs. 3 Z 1 VwGVG abgesehen werden. Die Behörde verzichtete auf die Durchführung einer Verhandlung. Im Beschwerdefall war zudem lediglich auf Grund der eindeutigen Aktenlage eine rechtliche Beurteilung zu treffen. Davon dass die Durchführung einer mündlichen Verhandlung zur weiteren Klärung der Rechtssache beigetragen hätte, war nicht auszugehen.

IV.4. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Es war vielmehr aufgrund des vorliegenden Sachverhaltes festzuhalten, dass die Verwaltungsübertretung dem Beschwerdeführer nicht angelastet werden kann, da die unter dem Vorschriftszeichen „Halten und Parken verboten“ (hier nach § 52 lit. a Z. 13b StVO) angebrachte Zusatztafel eine "mehrfache Deutung" zuließ und dem Beschuldigten bei dem Bestreben, sich rechtskonform zu verhalten, aus rechtsstaatlichen Erwägungen nicht zugemutet werden kann, selbst zu beurteilen, ob die Bestimmung des § 24 Abs. 1 lit e StVO oder eine der Deutungen der Zusatztafel vorgeht.

Schlagworte

Abstellen; Fahrzeug; Haltestelle; Omnibus; Kundmachung; Verordnungsakt; Zusatztafel; Mehrfachdeutung; Klarheitsgebot; Einstellung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGWI:2018:VGW.031.085.8315.2017

Zuletzt aktualisiert am

08.03.2018
Quelle: Landesverwaltungsgericht Wien LVwg Wien, http://www.verwaltungsgericht.wien.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten