Entscheidungsdatum
19.04.2017Index
41/02 Passrecht FremdenrechtNorm
NAG 2005 §28 Abs5Text
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Landesverwaltungsgericht Steiermark hat durch den Richter
Mag. Dr. Kundegraber über die Beschwerde des B M, geb. am xx, vertreten durch Mag. M R, Rechtsanwalt in G, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes der Steiermark vom 14. Dezember 2016, GZ: ABT032-9.M/9740-2016,
z u R e c h t e r k a n n t:
A. Die Beschwerde wird als unbegründet
abgewiesen.
Die Entziehung des Aufenthaltstitels wird nicht gemäß § 28 Abs 6 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) vorgenommen, sondern nach § 28 Abs 5 leg. cit.
B. Die Kosten des beigezogenen Dolmetschers in der Höhe von € 64,00 sind vom Beschwerdeführer zu tragen (§ 17 VwGVG iVm §§ 53b, 74, 76 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz).
C. Gegen das Erkenntnis ist gemäß § 25a Verwaltungsgerichtshofgesetz (VwGG) eine ordentliche Revision unzulässig.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
I. 1. Mit dem in die Beschwerde gezogenen Bescheid wurde der dem Beschwerdeführer erteilte Aufenthaltstitel mit dem Zweck „Rot-Weiß-Rot-Karte – sonstige Schlüsselkraft“ für das Restaurant „O“, gültig vom 27. Juli 2016 bis 26. Juli 2017 gemäß § 28 Abs 6 iVm § 3 Abs 1 des Bundesgesetzes über Niederlassung und Aufenthalt in Österreich (Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz – NAG), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF entzogen.
Begründet wurde dies damit, dass die belangte Behörde nach finanzpolizeilicher Überprüfung feststellte, dass der Bewilligungswerber nicht als Restaurantleiter, sondern als Koch in dem Lokal beschäftigt sei und die damit die für die „„Rot-Weiß-Rot-Karte – sonstige Schlüsselkraft“ angegebene Entlohnung „nur auf dem Papier und nicht tatsächlich besteht“.
2. In der dagegen rechtzeitig eingebrachten Beschwerde vom 20. Jänner 2017 wird im Wesentlichen angeführt, dass der Beschwerdeführer die Aufgaben eines Restaurantleiters wahrnehme und sei für den „operativen Ablauf des täglichen Geschäfts“ zuständig. Der Beschwerdeführer sei zuständig für den Wareneinkauf, Warenübernahme und Warenkontrolle. Er sei als Koch sehr wohl in der Lage als Restaurantleiter tätig zu sein und habe auf dem Berufsfeld jahrelange Erfahrungen. Im Übrigen bestehe keine gesetzliche Verpflichtung zur Auszahlung von Löhnen über ein Bankkonto, wobei jedoch mitgeteilt werde, dass die Gehaltsauszahlung, beginnend mit dem Lohn für Jänner 2017, zur besseren Dokumentation auf Banküberweisung umgestellt würde. Es seien keine Umstände gegeben, die die Behörde heranziehen könne, um ihm den Aufenthaltstitel zu entziehen.
II. 1. Der Beschwerdeführer ist albanischer Staatsbürger und stellte am
22. Februar 2016 einen Antrag gemäß § 41 Abs 2 Z 2 NAG (sonstige Schlüsselkraft). Als Bezeichnung des beabsichtigten Berufes wurde „Restaurantleiter“ angeführt und als erlernter Beruf ebenfalls „Restaurantleiter“. Als berufliche Erfahrungen scheinen im Lebenslauf auf, „lange Erfahrung als Koch und Pizzakoch (Eigene Pizzeria in E, 2008-2012)“.
Mit Bescheid des Arbeitsmarktservice Graz-Ost vom 21. März 2016 wurde der Antrag gemäß § 12b Z 1 Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG) abgewiesen. Mit einem weiteren Bescheid vom 17. Juni 2016 wurde im Rahmen einer Beschwerdevorentscheidung dem Antrag des Beschwerdeführers gemäß § 20d und § 12b Z 1 AuslBG stattgegeben und bestätigt, dass die Voraussetzungen für eine „Rot-Weiß-Rot-Karte“ für sonstige Schlüsselkräfte gemäß § 12b Z 1 AuslBG zutreffen.
Dem Beschwerdeführer wurde somit am 03. August 2016 ein Erstaufenthaltstitel „Rot-Weiß-Rot-Karte – sonstige Schlüsselkraft“ für das Restaurant „O“ erteilt und wurde laut Anmeldung der Gebietskrankenkasse die Erwerbstätigkeit mit 03. August 2016 aufgenommen.
Die belangte Behörde konnte in Erfahrung bringen, dass der Beschwerdeführer bereits im September 2015 beim Restaurant „O“ beschäftigt gewesen ist und hatte hiebei keine arbeitsrechtliche Genehmigung. Der Beschwerdeführer wurde hiefür rechtskräftig nach dem AuslBG und dem ASVG bestraft.
Der erteilte Aufenthaltstitel für den Beschwerdeführer endet am 26. Juli 2017 und hat er angegeben, bei der Firma „O“ als Restaurantleiter ein Bruttogehalt von € 2.930,00 zu beziehen. Die Auszahlung an den Beschwerdeführer für die Gehälter August 2016 bis Dezember 2016 erfolgte in bar und zwar in einem Betrag von € 1.977,50, eine Bestätigung hiefür hat der Beschwerdeführer abgegeben. Ab Jänner 2017 wurde die Auszahlung über ein Bankkonto durchgeführt.
Die Finanzpolizei Graz führte am 20. November 2016 eine arbeitsmarktrechtliche Kontrolle in der „O“ durch, wobei der Beschwerdeführer in der Küche angetroffen wurde. Die belangte Behörde beauftragte den Finanzpolizisten G K Ermittlungen dahingehend anzustellen, ob der Beschwerdeführer Restaurantleiter oder als Koch beschäftigt sei. Das erhebende Organ sprach mit der Hilfskraft K K, die angab, dass sie dort Kellnerin sei und für 30 Stunden in der Woche angemeldet ist. Sie konnte wahrnehmen, dass der Beschwerdeführer in der Küche kocht und keinen Kontakt mit den Gästen hat. An Personalangelegenheiten wendete sie sich an M.
Beim Lokal „O“ wird vom Beschwerdeführer die Küche gemanagt. Er teilt das Personal ein, wobei derzeit außer ihm noch zwei weitere Personen in der Küche arbeiten. Hiebei muss das in der Küche beschäftigte Personal ihn wegen Urlaub fragen bzw. ihm den Krankenstand melden. Bei Krankenständen gibt er diese Meldung dem „Chef, Herrn M, bekannt“. Wenn M nicht im Lokal ist, übernimmt er diese Arbeiten und meldet die Krankenstände dem Steuerberater. Bestellungen für die Küche werden vom Beschwerdeführer durchgeführt, wobei dies von Lebensmitteln bis zu Geschirr und Putzmittel reicht. Den Einkauf selbst tätigt M in einem Großmarkt.
Das Lokal hat einen fixen Speiseplan, jedoch werden hin und wieder Sonderbestellungen für bestimmte Speisen angeordnet. Das Lokal hat in der Winterzeit für 80 Personen Platz und im Sommer mit Gastgarten bis zu
140 Personen. In der Sommerzeit werden 120 bis 130 Essen pro Tag ausgegeben, im Winter zwischen 50 und 60. Der Menüplan wird zusammen mit dem „Chef Herrn M“ erarbeitet.
M ist für die Öffentlichkeitsarbeit des Lokales zuständig und ebenso für die Events, die in dem Lokal stattfinden. Kontakt mit Stammkunden macht ausschließlich Herr M. Ebenso wird von Herrn M der Zahlungsverkehr und das ganze Finanzwesen für das Restaurant gemacht. Der Beschwerdeführer hat keinen Kontakt zum finanziellen Gebaren des Lokales. Ebenso wird der Serviceteil im Restaurant von M geführt und entscheidet dieser auch über Aufnahme von Personal. Der Beschwerdeführer arbeitet in der Küche fünf Tage in der Woche, wobei Montag Ruhetag ist und mittwochs M die Arbeit des Beschwerdeführers in der Küche erledigt.
Geplant ist, dass der Beschwerdeführer die Führung des Lokals übernimmt, jedoch ist sein Deutsch nicht so gut, dass er dies zum jetzigen Zeitpunkt bereits tun kann.
2. Die getroffenen Feststellungen gründen sich insbesondere auf den Inhalt der Aussagen in der Verhandlung vom 23. März 2017, wobei der Beschwerdeführer, die Zeugen G K und K K einvernommen wurden sowie dem vorgelegten Akteninhalt. Insbesondere ist festzuhalten, dass eine Einvernahme des Beschwerdeführers nur unter Beiziehung eines Dolmetsch möglich war, da er die deutsche Sprache teilweise versteht, jedoch sich nicht in der deutschen Sprache ausdrücken kann. Der Beschwerdeführer räumt selbst ein, hiebei noch Defizite aufzuweisen. Der der Entscheidung zu Grunde gelegte Sachverhalt wird selbst vom Beschwerdeführer nachvollziehbar geschildert, in dem er angibt als Koch und damit für sämtliche Agenden in der Küche verantwortlich zu sein, alle anderen Tätigkeiten jedoch werden von M, dem Inhaber des Restaurants, durchgeführt. Dies betrifft den kompletten Servicebereich, den Kontakt mit den Gästen, die Personaleinstellungen, die finanzielle Kalkulation.
Der nach Verhandlungsende gestellte Antrag auf Einvernahme des Zeugen M führt nicht zur „Wiedereröffnung“ des Verfahrens. Zum einen liegt eine eidesstattliche Erklärung von M vom 10. April 2014 vor, welche in die Beweiswürdigung miteinbezogen wurde, zum anderen ist nicht ersichtlich, welche neuen Erkenntnisse das Gericht aufgrund der Zeugeneinvernahme gewinnen sollte.
Dass der Beschwerdeführer den Betrieb in Abwesenheit des M führt, gibt er selbst an und der Nachweis der Bezahlung des Bruttogehaltes von € 2.930,00 ist für das Gericht erwiesen.
III. Rechtliche Beurteilung:
§ 28 Abs 5 NAG lautet:
Rückstufung und Entziehung eines Aufenthaltstitels(5) Aufenthaltstitel sind zu entziehen, wenn die besonderen Erteilungsvoraussetzungen des 2. Teiles nicht mehr vorliegen. Von einer Entziehung kann abgesehen werden, wenn ein Fall des § 27 Abs. 1 bis 3 vorliegt oder dem Fremden im Rahmen eines Zweckänderungsverfahrens (§ 26) ein anderer Aufenthaltstitel zu erteilen ist. § 10 Abs. 3 Z 1 gilt.
Dem Beschwerdeführer wurde für die Zeit vom 27. Juli 2016 bis 26. Juli 2017 die „Rot-Weiß-Rot-Karte“ gemäß § 41 Abs 2 Z 2 NAG erteilt. Der Beschwerdeführer wurde als „Restaurantleiter“ bei der „O“ beschäftigt.
Aus dem Berufsinformationssystem des AMS geht als Haupttätigkeit eines Restaurantleiters Nachfolgendes hervor: „RestaurantleiterInnen sind für den operativen Ablauf des täglichen Geschäftes in einem Restaurant verantwortlich. Ihre Aufgaben umfassen folgende Bereiche: Personalplanung, Mitarbeiterführung, MitarbeiterInnen-Schulung, Erstellung des gastronomischen Angebotes, Kalkulation sowie Gästebetreuung“.
Vorerst stellt das Gericht fest, dass es dahingestellt ist, ob der Beschwerdeführer im Jahr 2016 ein monatliches Bruttogehalt von € 2.930,00 bekommen hat. Feststeht jedenfalls für das Gericht, dass er die Barauszahlung bestätigte und ab Jänner 2017 den Nettobetrag von € 2.009,44 über sein Bankkonto ausbezahlt bekam. Das durchgeführte Ermittlungsverfahren hat jedoch ergeben, dass der Beschwerdeführer nicht als Restaurantleiter, sondern als Koch in dem Restaurant angestellt war. Dies gründet sich insbesondere auf die vom Beschwerdeführer selbst getätigte Aussage, dass M für den Ablauf des täglichen Geschäftes verantwortlich ist. Der Beschwerdeführer führte selbst aus, dass die Personaleinstellung, die Mitarbeiterführung, insbesondere im Servicebereich, die finanzielle Kalkulation sowie die Gästebetreuung von ihm nicht wahrgenommen werden, sondern sich sein Aufgabenbereich ausschließlich auf die Küche beschränkt. Dies schon deshalb, da er selbst einräumt, noch nicht genügend Deutschkenntnisse zu haben und dies auch in der Verhandlung sich manifestierte.
Damit fallen jedoch die Voraussetzungen, mit denen eine „Rot-Weiß-Rot-Karte“ unter dem Titel „sonstige Schlüsselkräfte“ gegeben wurde, weg und war der Aufenthaltstitel mangels der besonderen Erteilungsvoraussetzungen des zweiten Teiles (§ 41 Abs 2 Z 2 NAG), die nicht mehr vorliegen, zu entziehen. Da die Familie des Beschwerdeführers sich ohnehin nicht im Bundesgebiet aufhält, war bei der Entscheidung keine Interessensabwägung durchzuführen. Da auch kein Zweckänderungsverfahren (§ 26 NAG) anhängig war, konnte eine derartige Berücksichtigung ebenfalls nicht durchgeführt werden.
Der Einwand des Beschwerdeführers, dass er als Koch sowohl in der Lage sei als Restaurantleiter tätig zu sein, ist grundsätzlich zuzustimmen, jedoch hat der Beschwerdeführer selbst die einem Restaurantleiter zuständigen Agenden bei seiner Tätigkeit ausgeschlossen (keine Tätigkeit im Servicebereich, keine Personal-
entscheidungen im Servicebereich, keine finanziellen Kalkulationen, kein Kontakt mit Stammkunden).
Da somit die Erteilungsvoraussetzungen der „Rot-Weiß-Rot-Karte“ gemäß § 41
Abs 2 Z 2 NAG nicht (mehr) vorliegen, war der Aufenthaltstitel gemäß § 28 Abs 5 NAG zu entziehen. Mangels einer Mitteilung der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice war der Entzugstatbestand auf § 28 Abs 5 NAG zu gründen und nicht auf § 28 Abs 6 NAG.
Die Kosten des beigezogenen Dolmetschers sind vom Beschwerdeführer zu tragen, da die Beiziehung eines Dolmetschers für die Verhandlung am 23. März 2017 notwendig war. Gemäß § 76 AVG – der auch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren heranzuziehen ist – hat der Beschwerdeführer für die Barauslagen aufzukommen, da dieser den verfahrenseinleitenden Antrag (Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung) gestellt hat.
IV. Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Schlagworte
Aufenthaltstitel, Schlüsselkraft, Entziehung des Aufenthaltstitels, tatsächlich ausgeübte Beschäftigung, ArbeitsmarktserviceEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGST:2017:LVwG.26.3.431.2017Zuletzt aktualisiert am
08.03.2018