TE Lvwg Erkenntnis 2018/1/23 LVwG 32.35-2714/2017

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Veröffentlicht am 23.01.2018
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Entscheidungsdatum

23.01.2018

Index

40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

VStG §29a
VStG §53b

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Steiermark hat durch die Richterin Mag. Schönegger über die Beschwerde des Herrn B G N, geb. am xx, vertreten durch Dr. W V, Rechtsanwalt, Jplatz, G, gegen den Bescheid der Landespolizeidirektion Steiermark vom 07.09.2017, GZ: VStV/916300959004/2016,

z u R e c h t e r k a n n t :

I.     Gemäß § 27 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (im Folgenden VwGVG) wird der Beschwerde

stattgegeben

und der angefochtene Bescheid infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde behoben.

II.    Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a Verwaltungsgerichtshofgesetz (im Folgenden VwGG) eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs 4 B-VG unzulässig.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.     

Mit Bescheid vom 07.09.2017 hat die Landespolizeidirektion Steiermark (im Folgenden: belangte Behörde) ausgesprochen, dass der Antrag des Herrn B G N (im Folgenden: Beschwerdeführer) vom 23.08.2017 um Bewilligung des Aufschubes des Strafvollzuges der mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Graz-Umgebung, GZ: BHGU-15.1-1393/2015, rechtskräftig verhängten Freiheitsstrafe/ Ersatzfreiheitsstrafe von 18 Stunden gemäß § 54a Abs 1 Verwaltungsstrafgesetz (im Folgenden VStG) abgewiesen wird. Zudem wurde Herr B G N gemäß § 53b Abs 1 VStG aufgefordert, sich nach der Gerichtshaft bei der LPD Steiermark SVA 1 – Strafamt zum Antritt der Freiheitsstrafe/Ersatzfreiheitsstrafe einzufinden; falls er dieser Aufforderung nicht Folgeleiste, werde die zwangsweise Vorführung zum Strafantritt veranlasst. Unter der Überschrift „Begründung“ wird festgehalten, dass es für die Behörde nicht zwingend vorgesehen sei, einem Antrag auf Strafaufschub stattzugeben.

Gegen diese Entscheidung wurde vom rechtsfreundlichen Vertreter des Beschwerdeführers fristgerecht Beschwerde erhoben. In dieser wird vorgebracht, dass sich der Beschwerdeführer seit 12.09.2017 in Strafhaft in der Justizanstalt Graz-Jakomini befinde, wobei im Rahmen dessen die Möglichkeit eröffnet werde, einen elektronisch überwachten Hausarrest zu verbüßen. Er benötige somit nur eine geringe Zeit, um die der Ersatzfreiheitsstrafe zugrundeliegenden finanziellen Mittel aufzubringen, weshalb ein Antrag auf Strafaufschub gestellt worden sei. Moniert wird weiters, dass die belangte Behörde der gesetzlich vorgesehenen Begründungspflicht von Entscheidungen nicht einmal ansatzweise nachkomme. Tatsächlich sei der Beschwerdeführer unterhaltspflichtig für zwei Kinder und bedürfe es unmittelbar nach Haftverbüßung einer Regelung seiner Familienangelegenheit bzw. einer möglichst raschen Regelung seiner finanziellen Situation, um seinen Unterhaltsverpflichtungen wieder nachzukommen, weshalb der Antrag gestellt werde, nach Durchführung einer mündlichen Beschwerdeverhandlung der Beschwerde Folge zu geben und dem Beschwerdeführer einen Strafaufschub um sechs Monate zu bewilligen, in eventu den Bescheid zu beheben und die Angelegenheit an die belangte Behörde zurückzuverweisen.

Die Landespolizeidirektion Steiermark hat die gegenständliche Beschwerde dem Landesverwaltungsgericht am 10.10.2017 zur Entscheidung vorgelegt.

Über Aufforderung des Landesverwaltungsgerichtes vom 19.10.2017 legte die Landespolizeidirektion Steiermark diesem den gegenständlichen Akt der auswärtigen Behörde vor. Ein gleichzeitig ergangener Auftrag zur Darlegung der Gründe, die zur gegenständlichen Entscheidung geführt haben, blieb unbeantwortet.

Aufgrund bestehender Zweifel des Landesverwaltungsgerichtes an der Zuständigkeit der LPD Steiermark zur Erlassung des gegenständlichen Bescheides wurde diese mit Note vom 13.11.2017 um Stellungnahme ersucht, wobei auch dieses Ersuchen unbeantwortet blieb.

Über Auskunftsersuchen des Landesverwaltungsgerichtes Steiermark teilte die BH Graz-Umgebung am 13.12.2017 mit, dass die Weiterleitung des gegenständlichen Verwaltungsstrafaktes an die LPD Steiermark mittels Übermittlung des mit „Vorführung zum Strafantritt“ bezeichneten Schreibens erfolgt ist.

Das Landesverwaltungsgericht Steiermark hat erwogen:

Der gegenständlichen Entscheidung liegt folgender Sachverhalt, der sich aus dem Akteninhalt und dem oben dargestellten Verfahrenslauf ergibt, zugrunde:

Mit Straferkenntnis vom 21.01.2016 hat die BH Graz-Umgebung über B G N unter Bezugnahme auf § 37 Abs 1 und 2a iVm § 14 Abs. 1 Z 1 FSG eine Geldstrafe iHv € 40,00 bzw. im Uneinbringlichkeitsfall eine Ersatzfreiheitsstrafe von 18 Stunden verhängt (BHGU-15.1-1393/2015).

Am 30.06.2016 richtete die BH Graz-Umgebung an Herrn B G N ein mit „Vorführung zum Strafantritt“ bezeichnetes Schreiben. Er wurde daran erinnert, dass er mit Schreiben vom 18.05.2016 aufgefordert wurde, die über ihn verhängte Ersatzfreiheitsstrafe von 18 Stunden unverzüglich nach Erhalt der Aufforderung anzutreten. Da er diese Aufforderung nicht befolgt habe, werde nunmehr seine zwangsweise Vorführung veranlasst, wobei als Rechtsgrundlage § 53b VStG genannt wurde.

Am 23.08.2017 stellte B G N bei der Landespolizeidirektion Steiermark einen Antrag auf Zahlungsaufschub für insgesamt zehn genannte Geschäftszahlen und diverse allfällige, ihm nicht bekannte Akte, worauf die Landespolizeidirektion Steiermark den nunmehr bekämpften Bescheid erließ.

Laut einer Haftauskunft der Justizanstalt Graz-Jakomini vom 23.11.2017 wird der Beschwerdeführer seit 09.03.2016 bis voraussichtlich 06.06.2019 in der Justizanstalt Graz-Jakomini in Strafhaft angehalten.

Beweiswürdigend ist zu bemerken, dass sich der festgestellte Sachverhalt – so auch die Tatsache, dass das zugrundeliegende Straferkenntnis von der BH Graz-Umgebung erlassen wurde- zweifelsfrei aus dem Akteninhalt und dem dargestellten Verfahrenslauf ergibt.

In rechtlicher Hinsicht ist zuallererst festzuhalten, dass gemäß § 1 Abs 1 Verwaltungsvollstreckungsgesetz (im Folgenden VVG) den Bezirksverwaltungs-behörden – vorbehaltlich des § 3 Abs 3 VVG – die Vollstreckung folgender Bescheide obliegt:

?    von ihnen selbst oder von übergeordneten Behörden erlassene Bescheide

?    von anderen Behörden des Bundes oder der Länder erlassene Bescheide

?    von Gemeindebehörden – ausgenommen Behörden der Städte mit eigenem Statut – erlassene Bescheide auf Ersuchen dieser Behörden

?    Zudem obliegt ihnen in bestimmten Fällen die Einbringung von Geldleistungen

(vgl. dazu Hengstschläger, Verwaltungsverfahrensrecht4, Rz 976ff ).

Gemäß § 1 Abs 2 leg cit gilt Abs 1 Z 1 bis 3 auch für die Landespolizeidirektionen innerhalb ihres Wirkungsbereiches.

Das VVG betrifft jedoch (lediglich) die Vollstreckung von Geldstrafen, während für den Vollzug von (Ersatz-)Freiheitsstrafen ausschließlich § 53a VstG zu berücksichtigen ist (vgl. N. Raschauer/ W. Wessely, VStG, Wien (2010) § 53a).

§ 53a VStG ordnet ausdrücklich an, dass alle Anordnungen und Entscheidungen im Zusammenhang mit dem Vollzug der Freiheitsstrafe bis zum Strafantritt der Behörde oder jener Behörde, der der Strafvollzug gemäß § 29a VStG übertragen worden ist, obliegen. Mit Strafantritt stehen diese Anordnungen und Entscheidungen, soweit nicht das Vollzugsgericht zuständig ist, der Verwaltungsbehörde zu, der gemäß § 53 VStG der Strafvollzug obliegt (Strafvollzugsbehörde). Dasselbe gilt für den Vollzug von Ersatzfreiheitsstrafen (vgl. Hengstschläger, Rz 928).

Im gegenständlichen Verfahren hat die den Strafbescheid erlassende Behörde, die BH Graz- Umgebung, an den Beschwerdeführer am 30.06.2016 eine Vorführung zum Strafantritt gerichtet. Dieses Schreiben betrifft bereits den Vollzug der Ersatzfreiheitsstrafe und stellt einen nicht gesondert anfechtbaren Akt der Vollstreckungsbehörde und eine Erinnerung an einen bereits im Strafbescheid enthaltenen Befehl dar (für viele: VfSlg 9046/1981).

Somit wäre unter Beachtung von § 53a VStG grundsätzlich die BH Graz- Umgebung – und nicht die Landespolizeidirektion Steiermark – in weiterer Folge auch zur Entscheidung über den Antrag auf Strafaufschub zuständig gewesen.

Die LPD Steiermark könnte lediglich im Wege einer Delegation des Strafvollzuges gemäß § 29a VStG zuständige Behörde werden. Durch eine rechtmäßige Übertragung des Strafvollzuges – und nur durch diese – wird nämlich die Behörde, auf die übertragen wird, im Fall einer Freiheitsstrafe bzw. Ersatzfreiheitsstrafe Strafvollzugsbehörde im Sinne des § 53a VStG, was eben zur Folge hat, dass ihr alle Anordnungen und Entscheidungen im Zusammenhang mit dem Strafvollzug bis zum Strafantritt obliegen.

Eine Delegation des Strafvollzuges nach § 29a VStG ist grundsätzlich auch länderübergreifend an eine Bezirksverwaltungsbehörde oder LPD, insoweit diese zugleich Sicherheitsbehörde erster Instanz ist, möglich, wenn hiedurch das Verfahren wesentlich vereinfacht oder beschleunigt wird. Die Delegation ist eine Verfahrensanordnung, die eine Änderung der örtlichen Zuständigkeit einer Behörde herbeiführt, und hat gewisse inhaltliche Merkmale aufzuweisen. Ein bloßes Schreiben mit dem Ersuchen um „Kenntnisnahme“ sowie „zuständige Erledigung“ kann beispielsweise mangels Bezugnahme auf ein konkretes Strafverfahren sowie infolge Fehlens jedes Hinweises auf § 29a VStG nicht als verfahrensrechtliche Anordnung in diesem Sinne gewertet werden, auch eine schlüssige Übertragung ist nicht möglich (vgl. Lewisch/Fister/Weilguni, VStG, § 29a Rz 5 ff).

Eine ausdrückliche Delegationsanordnung existiert im gegenständlichen Verfahren jedoch nicht. Auch die im Akteninhalt aufliegende Vorführung zum Strafantritt der BH Graz-Umgebung, die von dieser an die LPD Steiermark übermittelt wurde, kann ohne jeden Zweifel nicht als Delegation im Sinne des § 29a VStG gewertet werden: Eine bloße Übermittlung eines Schreibens ohne jegliche Bezugnahme auf die gesetzliche Bestimmung sowie infolge jeglichen Fehlens eines inhaltlichen Hinweises auf eine Zuständigkeitsübertragung kann in Berücksichtigung der von Lehre und Judikatur formulierten Anforderungen niemals eine solche Verfahrensanordnung darstellen.

Mangels Vorliegen einer Delegation des Strafvollzuges an die LPD Steiermark waren und sind daher sämtliche Anordnungen und Entscheidungen im Zusammenhang mit dem Vollzug der Ersatzfreiheitsstrafe bis zum Strafantritt gemäß § 53a VStG von der BH Graz-Umgebung zu treffen.

Die belangte Behörde hat aus diesen Gründen in unzulässiger Weise eine ihr tatsächlich nicht zukommende Entscheidungskompetenz wahrgenommen.

Das Landesverwaltungsgericht Steiermark hat die Unzuständigkeit der belangten Behörde gemäß § 27 VwGVG selbst dann wahrzunehmen, wenn sie in der Beschwerde nicht geltend gemacht wurde. Hat eine unzuständige Behörde entschieden, so hat das mit Beschwerde angerufene Verwaltungsgericht diese Unzuständigkeit wahrzunehmen und die Entscheidung zu beheben. Eine anstelle dessen erfolgte Entscheidung des Verwaltungsgerichtes in der Sache würde diese mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belasten (VwGH 28.01.2016, Ra 2015/07/0140, mwN). Der bekämpfte Bescheid war daher zu beheben, wobei diese Entscheidung gemäß § 44 Abs. 2 VwGVG ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung getroffen werden konnte.

Der Vollständigkeit halber sei abschließend bemerkt, dass der nach wie vor offene Antrag des Beschwerdeführers vom 23.08.2017 von der LPD Steiermark unter Anschluss des Akteninhaltes gemäß § 24 VStG iVm § 6 AVG an die tatsächlich zur Entscheidung zuständige Behörde weiterzuleiten sein wird.

II.    Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Strafvollzug, Übertragung, Verfahrensanordnung, Strafantritt, Vorführung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGST:2018:LVwG.32.35.2714.2017

Zuletzt aktualisiert am

08.03.2018
Quelle: Landesverwaltungsgericht Steiermark LVwg Steiermark, http://www.lvwg-stmk.gv.at
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