TE Bvwg Erkenntnis 2018/2/21 W123 2161792-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 21.02.2018
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Entscheidungsdatum

21.02.2018

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1 Z1
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs2

Spruch

W123 2161792-1/12E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Dr. Michael ETLINGER über die Beschwerde des XXXX, geb. XXXX, StA. Afghanistan, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 31.05.2017, Zl 1111418210/160529311, nach Durchführung einer öffentlich mündlichen Verhandlung am 12.01.2018 zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer, ein afghanischer Staatsangehöriger, stellte am 13.04.2016 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.

2. Im Rahmen der am selben Tag durchgeführten Erstbefragung durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes gab der Beschwerdeführer an, dass ihn die Taliban zur Zusammenarbeit aufgefordert hätten. Sein Cousin sei aufgrund seiner Verweigerung zur Zusammenarbeit mit den Taliban getötet worden.

3. Am 24.05.2017 erfolgte die Einvernahme vor der belangten Behörde.

Die Niederschrift lautet auszugsweise:

"[...]

LA: Was war der ausschlaggebende Grund für Ihre Ausreise?

VP: Zwei unbekannte Personen haben mein Auto angehalten. Ich dachte, das sind Passagiere. Sie fingen mit mir zu reden an. Sie sagten, dass sie wüssten, wer ich bin und wo ich wohne. Sie wüssten auch, wer mein Vater sei. Sie meinten, dass sie Hilfe bräuchten, ich etwas in meinem Auto transportieren sollte. Sie waren Mitglieder von Dahesh. Ich habe ihnen gesagt, dass ich darüber nachdenke. Ich ging nach Hause und sprach mit meinem Vater darüber. Er meinte, dass ich ihnen aus dem Weg gehen soll. Er meinte, dass ich zur Polizei gehen soll, falls sie mich nochmals ansprechen.

Ein paar Tage später, mein Auto stand in XXXX beim Bazar. Als ich zum Auto kam, fand ich einen Brief. Ich öffnete den Brief. Ich brachte den Brief zu meinen Vater. In dem Brief stand, dass ich und mein Cousin ihnen helfen müssen. Mein Cousin war ebenfalls der Besitzer des Autos. Der Wagen gehörte uns. Wenn ihr es nicht macht, dann erlauben wir uns, euch zu töten. Das stand im Brief. Ich dachte, dass sie vielleicht die Sache vergessen werden. Cirka 25 Tage später stand mein Wagen wieder am Standplatz. Ich erhielt erneut einen Drohbrief. Ich brachte ihn wieder zu meinem Vater. Mein Vater sagte, dass ich mit dem Brief zur Polizei im Distrikt gehen soll. Bei der Polizei wurde ich nach dem Aussehen der Männer gefragt. Ich erzählte, dass sie lange Bärte haben. Alle drei vier Tage kommen die Polizisten zum Bazar und sie meinten, dass ich ihnen die Personen zeigen soll, falls ich sie sehe. Cirka einen Monat später, ich war auf einer Hochzeit. Etwa um zwei Uhr in der Früh kam ich nach Hause, ich ging schlafen. Um sechs Uhr morgens weckte mich mein Cousin und meinte, dass wir arbeiten gehen müssen. Wir fuhren von zu Hause weg. Ich habe ihm gesagt, dass er heute fährt, da ich müde bin. Ich legte mich auf die Rückbank. Etwa drei Kilometer vor dem Bazar in XXXX kam ein Motorrad nahe zu unserem Wagen und eröffneten Feuer. 8-10 Mal wurde geschossen. Sie waren zu zweit. Mein Cousin wurde auf der linken Brustseite verletzt. Er hat die Kontrolle über das Auto verloren. Wir fuhren gegen einen Baum. Ich habe noch die Motorradgeräusche gehört. Ich versteckte mich im Wagen. Ein paar Minuten später sah ich, dass mein Cousin verletzt ist und blutet. Das Motorrad fuhr weg. Ich stand auf. Auf der anderen Straßenseite waren ein paar Personen, ich bat diese um Hilfe. Sie haben ihn auf die Rückbank eines anderen PKW¿s gelegt. Ich saß neben ihm. Dieser Mann, der uns geführt hat, den kannten wir. Am Weg ins Krankenhaus ist mein Cousin verstorben. Wir haben seinen Leichnam nach Hause zu unserer Familie gebracht. Wir haben ihn begraben. Dann bin ich zu meinem Onkel nach Jalalabad. Mein Vater meinte, dass ich nicht mehr nach Hause kommen soll. Von dort reiste ich dann aus.

LA: Wann hatten Sie erstmalig Kontakt mit den Ihnen unbekannten Männern?

VP: Ich war auf der Straße, in der Nähe des Dorfes XXXX.

Obige Frage nochmals gestellt!

VP: Etwa zweieinhalb bis drei Monate vor meiner Ausreise. Befragt, ein genaues Datum weiß ich nicht.

[...]"

4. Mit dem angefochtenen Bescheid der belangten Behörde wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt. Es wurde gegen den Beschwerdeführer gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG eine Rückkehrentscheidung erlassen, gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt III.) und die Frist für die freiwillige Ausreise zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt IV.).

In ihrer Begründung führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, dass dem Beschwerdeführer keine aktuelle und konkrete Verfolgung aus einem in der Genfer Flüchtlingskonvention aufgezählten Gründe drohe sowie, dass im gegenständlichen Fall keine Anhaltspunkte hervorgekommen seien, aufgrund derer darauf zu schließen sei, dass der Beschwerdeführer im Falle der Rückkehr nach Afghanistan einem erhöhten Gefährdungsrisiko in Hinblick auf die Verletzung einer Art. 2 bzw. Art. 3 EMRK bzw. der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention widersprechenden Behandlung ausgesetzt sein werde. Die Ausweisungsentscheidung gemäß Spruchpunkt III. wurde mit einer zu Lasten des Beschwerdeführers ausgehenden Interessenabwägung nach Art. 8 Abs. 2 EMRK begründet.

5. Gegen den obgenannten Bescheid der belangten Behörde richtet sich die fristgerecht eingebrachte Beschwerde vom 13.06.2017, mit dem Begehren dem Beschwerdeführer den Status eines Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 zuzuerkennen bzw. in eventu den angefochtenen Bescheid zu beheben und zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung an die belangte Behörde zurückzuverweisen bzw. in eventu dem Beschwerdeführer den Status eines subsidiär Schutzberechtigten nach § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 zuzuerkennen bzw. in eventu die gegen ihn gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 52 Abs. 2 Z 2 FPG ausgesprochene Rückkehrentscheidung aufzuheben bzw. in eventu festzustellen, dass die Abschiebung nach Afghanistan unzulässig sei. Zudem wurde die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragt. Der Beschwerdeführer sei von den Taliban aufgefordert worden, Waffen für diese zu transportieren und sei daher ins Blickfeld der Taliban geraten.

6. Am 12.01.2018 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht unter Beziehung einer Dolmetscherin für die Sprache Paschtu eine öffentliche mündliche Verhandlung statt, an welcher der Beschwerdeführer teilnahm. Die belangte Behörde blieb der Verhandlung entschuldigt fern.

Im Rahmen der mündlichen Verhandlung nahm der Beschwerdeführer insbesondere zu seiner Herkunft und seiner Familie Stellung. Zu seinen Fluchtgründen erneut befragt, gab er ua Folgendes wortwörtlich an:

"[...]

R: Sie haben vor dem BFA bereits ausführlich Ihre Fluchtgeschichte erzählt. Nochmals die Frage: Bleiben Sie dabei? Haben Sie Ergänzungen? Haben Sie neue Fluchtgründe?

BF: Ich habe vollständige und wahrheitsgemäße Angaben vor dem BFA zu meinen Fluchtgründen gemacht.

[...]"

7. In der hg. am 17.01.2018 eingelangten Stellungnahme des Beschwerdeführers wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass die Sicherheitslage in Afghanistan nach wie vor höchst volatil sei. Bei der Prüfung der innerstaatlichen Fluchtalternative sei zu berücksichtigen, dass der Beschwerdeführer nur die Sprache Paschtu beherrsche. Es müsse daher davon ausgegangen werden, dass dem Beschwerdeführer internationaler Schutz zu gewähren sei.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen (Sachverhalt):

1.1. Zur Person des Beschwerdeführers und seinen Fluchtgründen:

Der Beschwerdeführer ist volljährig und afghanischer Staatsangehöriger der Volksgruppe der Paschtunen sowie stammt aus der Provinz Nangarhar/Distrikt XXXX. Die Muttersprache des Beschwerdeführers ist Paschtu; er verfügt über geringe Kenntnisse der Sprache Dari.

Die Eltern, die Geschwister sowie zwei Onkel und zwei Tanten mütterlicherseits des Beschwerdeführers sind im Heimatdistrikt des Beschwerdeführers aufhältig; ein Onkel mütterlicherseits des Beschwerdeführers lebt in der Stadt Kabul. Zu seiner Familie unterhält der Beschwerdeführer einmal alle zwei Monate Kontakt. Die Familie des Beschwerdeführers lebt in durchschnittlichen finanziellen Verhältnissen. Seine Onkel und seine Tanten leben von der Arbeit in der Landwirtschaft.

Der Beschwerdeführer besuchte fünf Jahre die Schule sowie arbeitete in der Landwirtschaft und im Baubereich als Tagelöhner. Zudem war der Beschwerdeführer insgesamt vier Jahre als Fahrer tätig, acht Monate lang verwendete der Beschwerdeführer hierfür sein privates Auto.

Der Beschwerdeführer reiste ungefähr im Oktober/November 2015 aus Afghanistan aus, befindet sich seit April 2016 in Österreich und ist arbeitsfähig.

Der Beschwerdeführer war nie politisch tätig und gehörte nie einer politischen Partei an. Er ist in Afghanistan weder vorbestraft noch war er inhaftiert. Seine anderen Cousins, die auf derselben Strecke des Beschwerdeführers als Fahrer tätig waren bzw. sind, hatten bzw. haben auch nach der Flucht des Beschwerdeführers aus Afghanistan keine Verfolgungshandlungen und/oder Bedrohungssituationen zu gewärtigen.

Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer in Afghanistan aufgrund seiner Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischen Gesinnung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit verfolgt werden würde. Nicht festgestellt werden kann, dass aufgrund der Weigerung des Beschwerdeführers, Waffentransporte für die Taliban durchzuführen, bis heute ein besonderes Interesse der Taliban an der Person des Beschwerdeführers besteht bzw. bestehen könnte.

Es kann nicht festgestellt werden, dass dem Beschwerdeführer im Falle der Rückkehr in die Städte Herat, Mazar-e-Sharif oder Kabul ein Eingriff in seine körperliche Unversehrtheit drohen würde. Bei einer Rückkehr kann er mit finanzieller Hilfe seiner Familie, insbesondere seiner Eltern, Geschwister, Tanten und Onkel, rechnen. Mit dieser Unterstützung ist ihm der Aufbau einer Existenzgrundlage in den Städten Herat, Mazar-e-Sharif oder Kabul möglich. Seine Existenz könnte er dort - zumindest anfänglich - mit Hilfs- und Gelegenheitsarbeiten sichern. Er ist auch in der Lage, in den Städten Herat, Mazar-e-Sharif oder Kabul eine einfache Unterkunft zu finden.

Der Beschwerdeführer kann die Hauptstadt Kabul und die Städte Herat und Mazar-e-Sharif - über Kabul - von Österreich aus sicher mit dem Flugzeug erreichen.

Der Beschwerdeführer ist gesund, ledig und unbescholten und finanziert sich seinen Unterhalt in Österreich aus Leistungen der Grundversorgung. Der Beschwerdeführer geht derzeit keiner beruflichen Tätigkeit nach, verfügt über keine schriftliche Einstellungszusage und besucht einen Deutschkurs auf dem Niveau A1.

1.2. Feststellungen zum Herkunftsstaat:

1.2.1. Staatendokumentation (Stand 02.03.2017 inklusive integrierter Kurzinformation vom 21.12.2017)

Aktualisierung der Sicherheitslage in Afghanistan - Q4.2017 (betrifft: Abschnitt 3 Sicherheitslage)

Die Sicherheitslage in Afghanistan ist nach wie vor höchst volatil - der Konflikt zwischen regierungsfeindlichen Kräften und Regierungskräften hält landesweit an (UN GASC 20.12.2017). Zur Verschlechterung der Sicherheitslage haben die sich intensivierende Zusammenstöße zwischen Taliban und afghanischen Sicherheitskräften beigetragen (SIGAR 30.10.2017; vgl. SCR 30.11.2017).

Die afghanischen und internationalen Sicherheitskräfte verstärkten deutlich ihre Luftoperationen (UN GASC 20.12.2017; vgl. SIGAR 30.10.2017), die in 22 Provinzen registriert wurden. So haben sich im Berichtszeitraum der Vereinten Nationen (UN) Luftangriffe um 73% gegenüber dem Vorjahreswert erhöht (UN GASC 20.12.2017). Der Großteil dieser Luftangriffe wurde in der südlichen Provinz Helmand und in der östlichen Provinz Nangarhar erfasst (UN GASC 20.12.2017; vgl. SIGAR 30.10.2017), die als Hochburgen des IS und der Taliban gelten (SIGAR 30.10.2017). Verstärkte Luftangriffe hatten wesentliche Auswirkungen und führten zu hohen Opferzahlen bei Zivilist/innen und regierungsfeindlichen Elementen (UN GASC 20.12.2017). Zusätzlich ist die Gewalt in Ostafghanistan auf die zunehmende Anzahl von Operationen der ANDSF und der Koalitionskräfte zurück zu führen (SIGAR 30.10.2017).

Landesweit kam es immer wieder zu Sicherheitsoperationen, bei denen sowohl aufständische Gruppierungen als auch afghanische Sicherheitskräfte Opfer zu verzeichnen hatten (Pajhwok 1.12.2017; TP 20.12.2017; Xinhua 21.12.2017; Tolonews 5.12.2017; NYT 11.12.2017).

Den Vereinten Nationen zufolge hat sich der Konflikt seit Anfang des Jahres verändert, sich von einer asymmetrischen Kriegsführung entfernt und in einen traditionellen Konflikt verwandelt, der von bewaffneten Zusammenstößen zwischen regierungsfeindlichen Elementen und der Regierung gekennzeichnet ist. Häufigere bewaffnete Zusammenstöße werden auch als verstärkte Offensive der ANDSF-Operationen gesehen um die Initiative von den Taliban und dem ISKP zu nehmen - in diesem Quartal wurde im Vergleich zum Vorjahr eine höhere Anzahl an bewaffneten Zusammenstößen erfasst (SIGAR 30.10.2017).

Sicherheitsrelevante Vorfälle

Die Vereinten Nationen (UN) registrierten im Berichtszeitraum (15.9. - 15.11.2017) 3.995 sicherheitsrelevante Vorfälle; ein Rückgang von 4% gegenüber dem Vorjahreswert. Insgesamt wurden von 1.1.-15.11.2017 mehr als 21.105 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert, was eine Erhöhung von 1% gegenüber dem Vorjahreswert andeutet. Laut UN sind mit 62% bewaffnete Zusammenstöße die Hauptursache aller sicherheitsrelevanten Vorfälle, gefolgt von IEDs [Unkonventionelle Spreng- oder Brandvorrichtung/Sprengfallen], die in 17% der sicherheitsrelevanten Vorfälle Ursache waren. Die östlichen Regionen hatten die höchste Anzahl an sicherheitsrelevanten Vorfällen zu verzeichnen, gefolgt von den südlichen Regionen - zusammen wurde in diesen beiden Regionen 56% aller sicherheitsrelevanten Vorfälle registriert. Gezielte Tötungen und Entführungen haben sich im Vergleich zum Vorjahreswert um 16% erhöht (UN GASC 20.12.2017).

Laut der internationalen Sicherheitsorganisation für NGOs (INSO) wurden vom 1.1.-30.11.2017 24.917 sicherheitsrelevante Vorfälle in Afghanistan registriert (Stand: Dezember 2017) (INSO o.D.).

Zivilist/innen

Im Gegensatz zum Vergleichszeitraum des letzten Jahres registrierte die UNAMA zwischen 1.1. und 30.9.2017 8.019 zivile Opfer (2.640 Tote und 5.379 Verletzte). Dies deutet insgesamt einen Rückgang von fast 6% gegenüber dem Vorjahreswert an (UNAMA 10.2017); konkret hat sich die Anzahl getöteter Zivilist/innen um 1% erhöht, während sich die Zahl verletzter Zivilist/innen um 9% verringert hat (UN GASC 20.12.2017).Wenngleich Bodenoffensiven auch weiterhin Hauptursache für zivile Opfer waren - führte der Rückgang der Anzahl von Bodenoffensiven zu einer deutlichen Verringerung von 15% bei zivilen Opfern. Viele Zivilist/innen fielen Selbstmordattentaten, sowie komplexen Angriffen und IEDs zum Opfer - speziell in den Provinzen Kabul, Helmand, Nangarhar, Kandahar und Faryab (UNAMA 10.2017).

Zivile Opfer, die regierungsfreundlichen Kräften zugeschrieben wurden, sind um 37% zurückgegangen: Von insgesamt 849 waren 228 Tote und 621 Verletzte zu verzeichnen. Im Gegensatz dazu erhöhte sich die Anzahl ziviler Opfer, die regierungsfeindlichen Elementen zugeschrieben werden, um 7%: von den 1.150 zivilen Opfer starben 225, während 895 verletzt wurden. Die restlichen Opfer konnten keiner Tätergruppe zugeschrieben werden (UNAMA 10.2017).

High-profile Angriffe

Am 31.10.2017 sprengte sich ein Selbstmordattentäter in der "Green Zone" der Hauptstadt Kabul in die Luft. Der angebliche Täter soll Quellen zufolge zwischen 12-13 Jahren alt gewesen sein. Mindestens vier Menschen starben bei dem Angriff und ein Dutzend weitere wurden verletzt. Dies war der erste Angriff in der "Green Zone" seit dem schweren Selbstmordattentat im Mai 2017 (BBC 31.10.2017; vgl. Telegraph 31.10.2017). der IS bekannte sich zu diesem Vorfall Ende Oktober 2017 (BBC 31.10.2017; vgl. Telegraph 31.10.2017; UN GASC 20.12.2017)

Am 20.10.2017 sprengte sich ein Angreifer in der Shia Imam Zamam Moschee in Kabul in die Luft; dabei wurden mindestens 30 Menschen getötet und 45 weitere verletzt. Der IS bekannt sich zu diesem Angriff (Independent 20.10.2017; vgl. BBC 21.10.2017; UN GASC 20.12.2017). In dem Distrikt Solaina, in der westlichen Provinz Ghor, wurde ebenso eine Moschee angegriffen - in diesem Fall handelt es sich um eine sunnitische Moschee. Die tatsächliche Opferzahl ist umstritten: je nach Quellen sind zwischen 9 und 39 Menschen bei dem Angriff gestorben (Independent 20.10.2017; vgl. NYT 20.10.2017; al Jazeera 20.10.2017).

Am 19.10.2017 wurde im Rahmen eines landesweit koordinierten Angriffes der Taliban 58 afghanische Sicherheitskräfte getötet: ein militärisches Gelände, eine Polizeistationen und ein militärischer Stützpunkt in Kandahar wären beinahe überrannt worden (Independent 20.10.2017; vgl. BBC 21.10.2017). Einige Tage vor diesem Angriff töteten ein Selbstmordattentäter und ein Schütze mindestens 41 Menschen, als sie ein Polizeiausbildungszentrum in der Provinzhauptstadt Gardez stürmten (Provinz Paktia) (BBC 21.10.2017). In der Woche davor wurden 14 Offiziere der Militärakademie auf dem Weg nach Hause getötet, als ein Selbstmordattentäter den Minibus in die Luft sprengte in dem sie unterwegs waren (NYT 20.10.2017). Die afghanische Armee und Polizei haben dieses Jahr schwere Verlusten aufgrund der Taliban erlitten (BBC 21.10.2017).

Am 7.11.2017 griffen als Polizisten verkleidete Personen/regierungsfeindliche Kräfte eine Fernsehstation "Shamshad TV" an; dabei wurde mindestens eine Person getötet und zwei Dutzend weitere verletzt. Die afghanischen Spezialkräfte konnten nach drei Stunden Kampf, die Angreifer überwältigen. Der IS bekannt sich zu diesem Angriff (Guardian 7.11.2017; vgl. NYT 7.11.2017; UN GASC 20.12.2017).

Bei einem Selbstmordangriff im November 2017 wurden mindestens neun Menschen getötet und einige weitere verletzt; die Versammelten hatten einem Treffen beigewohnt, um den Gouverneur der Provinz Balkh - Atta Noor - zu unterstützen; auch hier bekannte sich der IS zu diesem Selbstmordattentat (Reuters 16.11.2017; vgl. UN GASC 20.12.2017)

Interreligiöse Angriffe

Serienartige gewalttätige Angriffe gegen religiöse Ziele, veranlassten die afghanische Regierung neue Maßnahmen zu ergreifen, um Anbetungsorte zu beschützen: landesweit wurden 2.500 Menschen rekrutiert und bewaffnet, um 600 Moscheen und Tempeln vor Angriffen zu schützen (UN GASC 20.12.2017).

Seit 1.1.2016 wurden im Rahmen von Angriffen gegen Moscheen, Tempel und andere Anbetungsorte 737 zivile Opfer verzeichnet (242 Tote und 495 Verletzte); der Großteil von ihnen waren schiitische Muslime, die im Rahmen von Selbstmordattentaten getötet oder verletzt wurden. Die Angriffe wurden von regierungsfeindlichen Elementen durchgeführt - hauptsächlich dem IS (UNAMA 7.11.2017).

Im Jahr 2016 und 2017 registrierte die UN Tötungen, Entführungen, Bedrohungen und Einschüchterungen von religiösen Personen - hauptsächlich durch regierungsfeindliche Elemente. Seit 1.1.2016 wurden 27 gezielte Tötungen religiöser Personen registriert, wodurch 51 zivile Opfer zu beklagen waren (28 Tote und 23 Verletzte); der Großteil dieser Vorfälle wurde im Jahr 2017 verzeichnet und konnten großteils den Taliban zugeschrieben werden. Religiösen Führern ist es möglich, öffentliche Standpunkte durch ihre Predigten zu verändern, wodurch sie zum Ziel von regierungsfeindlichen Elementen werden (UNAMA 7.11.2017).

ANDSF - afghanische Sicherheits- und Verteidigungskräfte

Informationen zur Stärke der ANDSF und ihrer Opferzahlen werden von den US-amerikanischen Kräften in Afghanistan (USFOR-A) geheim gehalten; im Bericht des US-Sonderbeauftragten für den Aufbau in Afghanistan (SIGAR) werden Schätzungen angegeben:

Die Stärke der ANDSF ist in diesem Quartal zurückgegangen; laut USFOR-A Betrug die Stärke der ANDSF mit Stand August 2017 etwa 320.000 Mann - dies deutet einen Rückgang von 9.000 Mann gegenüber dem vorhergehenden Quartal an. Dennoch erhöhte sich der Wert um

3.500 Mann gegenüber dem Vorjahr (SIGAR 30.10.2017). Die Schwundquote der afghanischen Nationalpolizei war nach wie vor ein großes Anliegen; die Polizei litt unter hohen Opferzahlen (UN GASC 20.12.2017).

Im Rahmen eines Memorandum of Understanding (MoU) zwischen dem afghanischen Verteidigungs- und Innenministerium wurde die afghanische Grenzpolizei (Afghan Border Police) und die afghanische Polizei für zivile Ordnung (Afghan National Civil Order Police) dem Verteidigungsministerium übertragen (UN GASC 20.12.2017). Um sogenanntem "Geisterpersonal" vorzubeugen, werden seit 1.1.2017 Gehälter nur noch an jenes Personal im Innen- und Verteidigungsministerium ausbezahlt, welches ordnungsgemäß registriert wurde (SIGAR 30.10.2017).

Regierungsfeindliche Gruppierungen

Taliban

Der UN zufolge versuchten die Taliban weiterhin von ihnen kontrolliertes Gebiet zu halten bzw. neue Gebiete unter ihre Kontrolle zu bringen - was zu einem massiven Ressourcenverbrauch der afghanischen Regierung führte, um den Status-Quo zu halten. Seit Beginn ihrer Frühjahrsoffensive unternahmen die Taliban keine größeren Versuche, um eine der Provinzhauptstädte einzunehmen. Dennoch war es ihnen möglich kurzzeitig mehrere Distriktzentren einzunehmen (SIGAR 30.10.2017):

Die Taliban haben mehrere groß angelegte Operationen durchgeführt, um administrative Zentren einzunehmen und konnten dabei kurzzeitig den Distrikt Maruf in der Provinz Kandahar, den Distrikt Andar in Ghazni, den Distrikt Shib Koh in der Farah und den Distrikt Shahid-i Hasas in der Provinz Uruzgan überrennen. In allen Fällen gelang es den afghanischen Sicherheitskräften die Taliban zurück zu drängen - in manchen Fällen mit Hilfe von internationalen Luftangriffen. Den afghanischen Sicherheitskräften gelang es, das Distriktzentrum von Ghorak in Kandahar unter ihre Kontrolle zu bringen - dieses war seit November 2016 unter Talibankontrolle (UN GASC 20.12.2017).

Im Rahmen von Sicherheitsoperationen wurden rund 30 Aufständische getötet; unter diesen befand sich - laut afghanischen Beamten - ebenso ein hochrangiger Führer des Haqqani-Netzwerkes (Tribune 24.11.2017; vgl. BS 24.11.2017). Das Haqqani-Netzwerk zählt zu den Alliierten der Taliban (Reuters 1.12.2017).

Aufständische des IS und der Taliban bekämpften sich in den Provinzen Nangarhar und Jawzjan (UN GASC 20.12.2017). Die tatsächliche Beziehung zwischen den beiden Gruppierungen ist wenig nachvollziehbar - in Einzelfällen schien es, als ob die Kämpfer der beiden Seiten miteinander kooperieren würden (Reuters 23.11.2017).

IS/ISIS/ISKP/ISIL-KP/Daesh

Der IS war nach wie vor widerstandsfähig und bekannte sich zu mehreren Angriff auf die zivile Bevölkerung, aber auch auf militärische Ziele [Anm.: siehe High-Profile Angriffe] (UN GASC 20.12.2017). Unklar ist, ob jene Angriffe zu denen sich der IS bekannt hatte, auch tatsächlich von der Gruppierung ausgeführt wurden bzw. ob diese in Verbindung zur Führung in Mittleren Osten stehen. Der afghanische Geheimdienst geht davon aus, dass in Wahrheit manche der Angriffe tatsächlich von den Taliban oder dem Haqqani-Netzwerk ausgeführt wurden, und sich der IS opportunistischerweise dazu bekannt hatte. Wenngleich Luftangriffe die größten IS-Hochburgen in der östlichen Provinz Nangarhar zerstörten; hielt das die Gruppierungen nicht davon ab ihre Angriffe zu verstärken (Reuters 1.12.2017).

Sicherheitsbeamte gehen davon aus, dass der Islamische Staat in neun Provinzen in Afghanistan eine Präsenz besitzt: im Osten von Nangarhar und Kunar bis in den Norden nach Jawzjan, Faryab, Badakhshan und Ghor im zentralen Westen (Reuters 23.11.2017). In einem weiteren Artikel wird festgehalten, dass der IS in zwei Distrikten der Provinz Jawzjan Fuß gefasst hat (Reuters 1.12.2017).

Politische Entwicklungen

Der Präsidentenpalast in Kabul hat den Rücktritt des langjährigen Gouverneurs der Provinz Balkh, Atta Mohammad Noor, Anfang dieser Woche bekanntgegeben. Der Präsident habe den Rücktritt akzeptiert. Es wurde auch bereits ein Nachfolger benannt (NZZ 18.12.2017). In einer öffentlichen Stellungnahme wurde Mohammad Daud bereits als Nachfolger genannt (RFE/RL 18.12.2017). Noor meldete sich zunächst nicht zu Wort (NZZ 18.12.2017).

Wenngleich der Präsidentenpalast den Abgang Noors als "Rücktritt" verlautbarte, sprach dieser selbst von einer "Entlassung" - er werde diesen Schritt bekämpfen (RFE/RL 20.12.2017). Atta Noors Partei, die Jamiat-e Islami, protestierte und sprach von einer "unverantwortlichen, hastigen Entscheidung, die sich gegen die Sicherheit und Stabilität in Afghanistan sowie gegen die Prinzipien der Einheitsregierung" richte (NZZ 18.12.2017).

Die Ablösung des mächtigen Gouverneurs der nordafghanischen Provinz Balch droht Afghanistan in eine politische Krise zu stürzen (Handelsblatt 20.12.2017). Sogar der Außenminister Salahuddin Rabbani wollte nach Angaben eines Sprechers vorzeitig von einer Griechenlandreise zurückkehren (NZZ 18.12.2017).

Atta Noor ist seit dem Jahr 2004 Gouverneur der Provinz Balkh und gilt als Gegner des Präsidenten Ashraf Ghani, der mit dem Jamiat-Politiker Abdullah Abdullah die Einheitsregierung führt (NZZ 18.12.2017). Atta Noor ist außerdem ein enger Partner der deutschen Entwicklungshilfe und des deutschen Militärs im Norden von Afghanistan (Handelsblatt 20.12.2017).

In der Provinz Balkh ist ein militärischer Stützpunkt der Bundeswehr (Handelsblatt 20.12.2017).

Sicherheitslage Kabul

Die Provinzhauptstadt von Kabul und gleichzeitig Hauptstadt von Afghanistan ist Kabul Stadt. Die Provinz Kabul grenzt im Nordwesten an die Provinz Parwan, im Nordosten an Kapisa, im Osten an Laghman, Nangarhar im Südosten, Logar im Süden und (Maidan) Wardak im Südwesten. Kabul ist mit den Provinzen Kandahar, Herat und Mazar durch die sogenannte Ringstraße und mit Peshawar in Pakistan durch die Kabul-Torkham Autobahn verbunden. Die Stadt hat 22 Stadtgemeinden und 14 administrative Einheiten (Pajhwok o.D.z). Die Bevölkerungszahl der Provinz wird auf 4.523.718 geschätzt (CSO 2016)

Distrikt Kabul

Gewalt gegen Einzelpersonen

21

Bewaffnete Konfrontationen und Luftangriffe

18

Selbstmordattentate, IED-Explosionen und andere Explosionen

50

Wirksame Einsätze von Sicherheitskräften

31

Vorfälle ohne Bezug auf den Konflikt

28

Andere Vorfälle

3

Insgesamt

151

(EASO 11.2016)

Im Zeitraum 1.9.2015 - 31.5.2016 wurden im Distrikt Kabul 151 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert (EASO 11.2016).

Provinz Kabul

Gewalt gegen Einzelpersonen

5

Bewaffnete Konfrontationen und Luftangriffe

89

Selbstmordattentate, IED-Explosionen und andere Explosionen

30

Wirksame Einsätze von Sicherheitskräften

36

Vorfälle ohne Bezug auf den Konflikt

1

Andere Vorfälle

0

Insgesamt

161

(EASO 11.2016)

Im Zeitraum 1.9.2015. - 31.5.2016 wurden in der gesamten Provinz Kabul 161 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert (EASO 11.2016).

Die afghanische Regierung behält die Kontrolle über Kabul, größere Transitrouten, Provinzhauptstädte und fast alle Distriktzentren (USDOD 12.2015). Aufständischengruppen planen oft Angriffe auf Gebäude und Individuen mit afghanischem und amerikanischem Hintergrund: afghanische und US-amerikanische Regierungseinrichtungen, ausländische Vertretungen, militärische Einrichtungen, gewerbliche Einrichtungen, Büros von Nichtregierungsorganisation, Restaurants, Hotels und Gästehäuser, Flughäfen und Bildungszentren (Khaama Press 13.1.2017). Nach einem Zeitraum länger andauernder relativer Ruhe in der Hauptstadt, explodierte im Jänner 2017 in der Nähe des afghanischen Parlaments eine Bombe; bei diesem Angriff starben mehr als 30 Menschen (DW 10.1.2017). Die Taliban bekannten sich zu diesem Vorfall und gaben an, hochrangige Beamte des Geheimdienstes wären ihr Ziel gewesen (BBC News 10.1.2017).

In der Provinz Kabul finden regelmäßig militärische Operationen statt (Afghanistan Times 8.2.2017; Khaama Press 10.1.2017; Tolonews 4.1.2017a; Bakhtar News 29.6.2016). Taliban Kommandanten der Provinz Kabul wurden getötet (Afghan Spirit 18.7.2016). Zusammenstößen zwischen Taliban und Sicherheitskräften finden statt (Tolonews 4.1.2017a).

Regierungsfeindliche Aufständische greifen regelmäßig religiöse Orte, wie z.B. Moscheen, an. In den letzten Monaten haben eine Anzahl von Angriffen, gezielt gegen schiitische Muslime, in Hauptstädten, wie Kabul und Herat stattgefunden (Khaama Press 2.1.2017; vgl. auch: UNAMA 6.2.2017).

Erhaltungskosten in Kabul

Die monatlichen Lebenshaltungskosten in Kabul, für eine Person sind abhängig von den Ausgaben und liegen durchschnittlich zwischen 150-250 USD pro Person. Diese Zahlen beziehen sich nur auf Kleidung, Nahrung und Transport, die Unterbringung (Miete) ist dabei nicht berücksichtigt. Die Haus- oder Wohnungsmiete hängt von der Lage ab. Die Unterbringung im Zentrum der Stadt beträgt für eine Ein-Zimmer Wohnung (Bad und Küche) beginnend von 6.000 AFA (88 USD) bis zu 10.000 AFD (146 USD) pro Monat (IOM 22.4.2016). In Kabul sowie im Umland und auch anderen Städten stehen eine große Anzahl an Häusern und Wohnungen zur Verfügung. Die Kosten in Kabul City sind jedoch höher als in den Vororten oder auch anderen Provinzen. Private Immobilienhändler bieten Informationen zu Mietpreisen für Häuser, Apartments etc. an. Rückkehrer können bis zur 2 Wochen im IOM Empfangszentrum in Jangalak untergebracht werden (IOM 2016).

Sicherheitslage Herat

Herat ist eine der größten Provinzen Afghanistans und liegt im Westen des Landes. Herat grenzt im Norden an die Provinz Badghis und Turkmenistan, im Süden an die Provinz Farah, im Osten an die Provinz Ghor und im Westen an den Iran. Die Provinz ist in folgende Bezirke eingeteilt, die gleichzeitig auch die administrativen Einheiten bilden: Shindand, Engeel, Ghorian, Guzra und Pashtoon Zarghoon, werden als Bezirke der ersten Stufe angesehen. Awba, Kurkh, Kushk, Gulran, Kuhsan, Zinda Jan und Adraskan als Bezirker zweiter Stufe und Kushk-i-Kuhna, Farsi, und Chisht-i-Sharif als Bezirke dritter Stufe (o.D.q). Provinzhauptstadt ist Herat City, mit etwa 477.452 Einwohner/innen (UN OCHA 26.8.2015; vgl. auch: Pajhwok 30.11.2016). Die Bevölkerungszahl der Provinz wird auf 1.928.327 geschätzt (CSO 2016).

Herat ist eine vergleichsweise entwickelte Provinz im Westen des Landes. Sie ist auch ein Hauptkorridor menschlichen Schmuggels in den Iran - speziell was Kinder betrifft (Pajhwok 21.1.2017).

Gewalt gegen Einzelpersonen

95

Bewaffnete Konfrontationen und Luftangriffe

197

Selbstmordattentate, IED-Explosionen und andere Explosionen

41

Wirksame Einsätze von Sicherheitskräften

144

Vorfälle ohne Bezug auf den Konflikt

15

Andere Vorfälle

4

Insgesamt

496

Im Zeitraum 1.9.2015 - 31.5.2016 wurden in der Provinz Herat 496 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert (EASO 11.2016).

Herat wird als einer der relativ friedlichen Provinzen gewertet, dennoch sind Aufständische in abgelegenen Distrikten der Provinz aktiv (Khaama Press 2.1.2017; vgl. auch: RFE/RL 6.10.2016; Press TV 30.7.2016; IWPR 14.6.2014). Regierungsfeindliche Aufständische greifen regelmäßig heilige Orte wie Moscheen an. In den letzten Monaten haben eine Anzahl von Angriffen, gezielt gegen schiitische Muslime, in Hauptstädten, wie Kabul und Herat stattgefunden (Khaama Press 2.1.2017).

In der Provinz werden militärische Operationen durchgeführt um manche Gegenden von Aufständischen zu befreien (Khaama Press 18.1.2017; Khaama Press 15.1.2017). Zusammenstöße zwischen Sicherheitskräften und Aufständischen finden statt (AAN 11.1.2017).

Das afghanische Institut für strategische Studien (AISS) hat die alljährliche Konferenz "Herat Sicherheitsdialog" (Herat Security Dialogue - HSD) zum fünften Mal in Herat abgehalten. Die zweitägige Konferenz wurde von hochrangigen Regierungsbeamten, Botschafter/innen, Wissenschaftlern, Geschäftsleuten und Repräsentanten verschiedener internationaler Organisationen, sowie Mitgliedern der Presse und der Zivilgesellschaft besucht (ASIS 17.10.2016).

Sicherheitslage Balkh

Die Provinz Balkh liegt in Nordafghanistan; sie ist geostrategisch gesehen eine wichtige Provinz und bekannt als Zentrum für wirtschaftliche und politische Aktivitäten. Die Hauptstadt Mazar-e Sharif, liegt an der Autobahn zwischen Maimana [Anm.:

Provinzhauptstadt Faryab] und Pul-e-Khumri [Anm.: Provinzhauptstadt Baghlan]. Sie hat folgende administrative Einheiten: Hairatan Port, Nahra-i-Shahi, Dihdadi, Balkh, Daulatabad, Chamtal, Sholgar, Chaharbolak, Kashanda, Zari, Charkont, Shortipa, Kaldar, Marmal, und Khalm. Die Provinz grenzt im Norden an Tadschikistan und Usbekistan. Die Provinz Samangan liegt sowohl östlich als auch südlich. Die Provinz Kunduz lieg im Osten, Jawzjan im Westen und Sar-e Pul im Süden (Pajhwok o.D.y). Balkh grenzt an drei zentralasiatische Staaten an: Turkmenistan, Usbekistan und Tadschikistan (RFE/RL 9.2015). Die Bevölkerungszahl der Provinz wird auf 1.353.626 geschätzt (CSO 2016).

Gewalt gegen Einzelpersonen

30

Bewaffnete Konfrontationen und Luftangriffe

81

Selbstmordattentate, IED-Explosionen und andere Explosionen

26

Wirksame Einsätze von Sicherheitskräften

70

Vorfälle ohne Bezug auf den Konflikt

18

Andere Vorfälle

1

Insgesamt

226

Im Zeitraum 1.1. -

31.8.2015 wurden in der Provinz Balkh 226 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert (EASO 21.1.2016).

Die zentral gelegene Provinz Balkh - mit ihrer friedlichen Umgebung, historischen Denkmälern und wunderschönen Landschaft - wird als einer der friedlichsten und sichersten Orte Afghanistans geschätzt (Xinhua 12.12.2016; DW 4.8.2016). Obwohl Balkh zu den relativ ruhigen Provinzen in Nordafghanistan zählt, versuchen dennoch bewaffnete Aufständische die Provinz zu destabilisieren. In den letzten Monaten kam es zu Vorfällen in Schlüsselbezirken der Provinz (Khaama Press 17.1.2017; vgl. auch: Khaama Press 14.12.2016; Xinhua 11.11.2016; Xinhua 1.10.2016). Laut dem Gouverneur Noor würden Aufständische versuchen, in abgelegenen Gegenden Stützpunkte zu errichten (Khaama Press 30.3.2016). Zusammenstößen zwischen Taliban und Sicherheitskräften finden statt (Khaama Press 30.3.2016; vgl. auch: Tolonews 26.5.2016; Tolonews 18.4.2016). In der Provinz wurden militärische Operationen durchgeführt (Kabul Tribune 5.1.2017). Dabei hatten die Taliban Verluste zu verzeichnen (Khaama Press 14.12.2016; Tolonews 26.5.2016). Auf Veranlassung des Provinzgouverneur Atta Noor wurden auch in abgelegenen Gegenden großangelegte militärische Operationen durchgeführt (Khaama Press 17.1.2017; vgl. auch: Khaama Press 14.12.2016; Khaama Press 7.3.2016).

Die Stadt Mazar-e Sharif ist eine Art "Vorzeigeprojekt" Afghanistans für wichtige ausländische Gäste (Liaison Officer to Ministry of Interior of GIROA 14.11.2014). Balkh ist, in Bezug auf Angriffe der Taliban, zentralasiatischer Aufständischer oder IS-Kämpfer die sicherste Provinz in Nordafghanistan. Grund dafür ist das Machtmonopol, das der tadschikisch-stämmige Gouverneur und ehemalige Warlord Atta Mohammed Noor bis in die abgelegensten Winkel der Provinz ausübt. Nichtsdestotrotz ist die Stabilität stark abhängig von den Beziehungen des Gouverneurs zum ehemaligen Warlord und nunmehrigen ersten Vizepräsidenten Abdul Rashid Dostum. Im Juni 2015 haben sich die beiden Rivalen darauf geeinigt, miteinander zu arbeiten, um die Sicherheit in Nordafghanistan wiederherzustellen. Die Stabilität der Provinz Balkh war ein Hauptfokus der NATO-Kräfte (RFE/RL 8.7.2015). Im Distrikt Balkh wird die Reduzierung von Rebellenaktivitäten der Leistungsfähigkeit der ANSF und des neuen Distriktpolizeichefs zugeschrieben (APPRO 1.2015)

High-profile Angriff

Bei einem Angriff auf das deutsche Konsulat in Mazar-e Sharif waren am 10.11.2016 sechs Menschen getötet und fast 130 weitere verletzt worden (Die Zeit 20.11.2016). Nach Polizeiangaben attackierte am späten Abend ein Selbstmordattentäter mit seinem Auto das Gelände des deutschen Generalkonsulats in Mazar-e Sharif. Die Autobombe sei gegen 23:10 Uhr Ortszeit am Tor der diplomatischen Einrichtung explodiert, sagte der Sicherheitschef der Provinz Balkh. Bei den Toten soll es sich um Afghanen handeln. Alle deutschen Mitarbeiter des Generalkonsulats seien bei dem Angriff unversehrt geblieben (Die Zeit 10.11.2016). Das Gebäude selbst wurde in Teilen zerstört. Der überlebende Attentäter wurde dem Bericht zufolge wenige Stunden später von afghanischen Sicherheitskräften festgenommen (Die Zeit 20.11.2016).

Außerhalb von Mazar-e Sharif, in der Provinz Balkh, existiert ein Flüchtlingscamp - auch für Afghan/innen - die Schutz in der Provinz Balkh suchen. Mehr als 300 Familien haben dieses Camp zu ihrem temporären Heim gemacht (RFE/RL 8.7.2015).

High-profile Angriffe

Als sichere Gebiete werden in der Regel die Hauptstadt Kabul und die regionalen Zentren Herat und Mazar-e Sharif genannt. Die Wahrscheinlichkeit, hier Opfer von Kampfhandlungen zu werden, ist relativ geringer als zum Beispiel in den stark umkämpften Provinzen Helmand, Nangarhar und Kunduz (DW 31.5.2017).

Hauptstadt Kabul

Kabul wird immer wieder von Attentaten erschüttert (DW 31.5.2017):

Am 31.5.2017 kamen bei einem Selbstmordattentat im hochgesicherten Diplomatenviertel Kabuls mehr als 150 Menschen ums Leben und mindestens 300 weitere wurden schwer verletzt als ein Selbstmordattentäter einen Sprengstoff beladenen Tanklaster mitten im Diplomatenviertel in die Luft sprengte (FAZ 6.6.2017; vgl. auch:

al-Jazeera 31.5.2017; The Guardian 31.5.2017; BBC 31.5.2017; UN News Centre 31.5.2017). Bedeutend ist der Angriffsort auch deswegen, da dieser als der sicherste und belebteste Teil der afghanischen Hauptstadt gilt. Kabul war in den Wochen vor diesem Anschlag relativ ruhig (al-Jazeera 31.5.2017).

Zunächst übernahm keine Gruppe Verantwortung für diesen Angriff; ein Talibansprecher verlautbarte nicht für diesen Vorfall verantwortlich zu sein (al-Jazeera 31.5.2017). Der afghanische Geheimdienst (NDS) macht das Haqqani-Netzwerk für diesen Vorfall verantwortlich (The Guardian 2.6.2017; vgl. auch: Fars News 7.6.2017); schlussendlich bekannte sich der Islamische Staat dazu (Fars News 7.6.2017).

Nach dem Anschlag im Diplomatenviertel in Kabul haben rund 1.000 Menschen, für mehr Sicherheit im Land und eine Verbesserung der Sicherheit in Kabul demonstriert (FAZ 2.6.2017). Bei dieser Demonstration kam es zu gewaltsamen Zusammenstößen zwischen den Demonstranten und den Sicherheitskräften (The Guardian 2.6.2017); dabei wurden mindestens sieben Menschen getötet und zahlreiche verletzt (FAZ 2.6.2017).

Auf der Trauerfeier für einen getöteten Demonstranten- den Sohn des stellvertretenden Senatspräsidenten - kam es am 3.6.2017 erneut zu einem Angriff, bei dem mindestens 20 Menschen getötet und 119 weitere verletzt worden waren. Polizeiberichten zufolge, waren während des Begräbnisses drei Bomben in schneller Folge explodiert (FAZ 3.6.2017; vgl. auch: The Guardian 3.6.2017); die Selbstmordattentäter waren als Trauergäste verkleidet (The Guardian 3.6.2017). Hochrangige Regierungsvertreter, unter anderem auch Regierungsgeschäftsführer Abdullah Abdullah, hatten an der Trauerfeier teilgenommen (FAZ 3.6.2017; vgl. auch: The Guardian 3.6.2017).

Herat

Anfang Juni 2017 explodierte eine Bombe beim Haupteingang der historischen Moschee Jama Masjid; bei diesem Vorfall wurden mindestens 7 Menschen getötet und 15 weitere verletzt (Reuters 6.6.2017; vgl. auch: TMN 7.6.2017). Zu diesem Vorfall hat sich keine Terrrorgruppe bekannt (TMN 7.6.2017; vgl. auch: US News 12.6.2017). Sirajuddin Haqqani - stellvertretender Leiter der Taliban und Führer des Haqqani Netzwerkes - verlautbarte, die Taliban wären für diese Angriffe in Kabul und Herat nicht verantwortlich (WP 12.6.2017).

Mazar-e Sharif

Auf der Militärbase Camp Shaheen in der nördlichen Stadt Mazar-e Sharif eröffnete Mitte Juni 2017 ein afghanischer Soldat das Feuer auf seine Kameraden und verletzte mindestens acht Soldaten (sieben US-amerikanische und einen afghanischen) (RFE/RL 17.6.2017).

Die Anzahl solcher "Insider-Angriffe" [Anm.: auch green-on-blue attack genannt] hat sich in den letzten Monaten erhöht. Unklar ist, ob die Angreifer abtrünnige Mitglieder der afghanischen Sicherheitskräfte sind oder ob sie Eindringlinge sind, die Uniformen der afghanischen Armee tragen (RFE/RL 17.6.2017). Vor dem Vorfall im Camp Shaheen kam es dieses Jahr zu zwei weiteren registrierten Insider-Angriffen: der erste Vorfall dieses Jahres fand Mitte März auf einem Militärstützpunkt in Helmand statt: ein Offizier des afghanischen Militärs eröffnete das Feuer und verletzte drei US-amerikanische Soldaten (LWJ 11.6.2017; vgl. auch: al-Jazeera 11.6.2017).

Der zweite Vorfall fand am 10.6.2017 im Zuge einer militärischen Operation im Distrikt Achin in der Provinz Nangarhar statt, wo ein afghanischer Soldat drei US-amerikanische Soldaten tötete und einen weiteren verwundete; der Angreifer wurde bei diesem Vorfall ebenso getötet (BBC 10.6.21017; vgl. auch: LWJ 11.6.2017; DZ 11.6.2017).

"Green Zone" in Kabul

Kabul hatte zwar niemals eine formelle "Green Zone"; dennoch hat sich das Zentrum der afghanischen Hauptstadt, gekennzeichnet von bewaffneten Kontrollpunkten und Sicherheitswänden, immer mehr in eine militärische Zone verwandelt (Reuters 6.8.2017).

Eine Erweiterung der sogenannten Green Zone ist geplant; damit wird Verbündeten der NATO und der US-Amerikaner ermöglicht, auch weiterhin in der Hauptstadt Kabul zu bleiben ohne dabei Risiken ausgesetzt zu sein. Kabul City Compound - auch bekannt als das ehemalige Hauptquartier der amerikanischen Spezialkräfte, wird sich ebenso innerhalb der Green Zone befinden. Die Zone soll hinkün

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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