TE Bvwg Erkenntnis 2018/2/26 W159 2128146-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 26.02.2018
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Entscheidungsdatum

26.02.2018

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §8 Abs1
AsylG 2005 §8 Abs4
B-VG Art.133 Abs4
VwGVG §28 Abs5

Spruch

W159 2128146-1/19E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Clemens KUZMINSKI als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. von Somalia, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 17.05.2016, Zl. XXXX , zu Recht erkannt:

A)

1. Die Beschwerde wird hinsichtlich Spruchteil I. gemäß § 3 Absatz 1 Asylgesetz 2005 idgF als unbegründet abgewiesen.

2. Gemäß § 8 Absatz 1 Asylgesetz 2005 idgF wird XXXX der Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Somalia zuerkannt.

3. Gemäß § 8 Absatz 4 Asylgesetz 2005 idgF wird XXXX eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter bis zum 26.02.2019 erteilt.

4. Die Beschwerde wird hinsichtlich Spruchpunkt III. und IV. stattgegeben und diese ersatzlos behoben.

B)

Die Revision ist gemäß Artikel 133 Absatz 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer, ein Staatsbürger von Somalia, gelangte am 15.06.2014 unter Umgehung der Grenzkontrolle nach Österreich und stellte sogleich einen Antrag auf internationalen Schutz. Ebenfalls am 15.06.2014 wurde er durch das XXXX , einer Erstbefragung nach dem Asylgesetz unterzogen. Dabei gab er zu seinen Fluchtgründen an, dass sein Vater von Islamisten erschossen worden sei und diese ihn aufgefordert hätten, am Heiligen Krieg teilzunehmen. Deshalb habe er sich entschlossen, sein Heimatland zu verlassen.

Am 07.07.2014 erfolgte eine Einvernahme auf der Erstaufnahmestelle Ost des Bundesasylamtes. Dabei wiederholte der Antragsteller sein in der Erstbefragung angegebenes Geburtsdatum ( XXXX ) und gab dazu an, dass ihm seine Eltern dieses Geburtsdatum gesagt hätten. Dokumente besitze er keine. Sein Vater sei bereits im Jahre 2008 verstorben, seine Mutter und seine zwei Schwestern wären in XXXX wohnhaft. Er habe mit diesen aber keinen Kontakt. Dem Beschwerdeführer wurde mitgeteilt, dass Zweifel an der behaupteten Minderjährigkeit bestünden und der Antragsteller einer ärztlichen Untersuchung zwecks Bestimmung des tatsächlichen Lebensalters unterzogen werde.

Das in der Folge eingeholte Altersbestimmungsgutachten des Zentrums für Anatomie und Zellbiologie ( XXXX ) gelangte zu dem Schluss, dass mit Sicherheit ein Mindestalter von 18 Jahren des Antragstellers vorliege und sein Alter mit hoher Wahrscheinlichkeit zwischen 18 und 19 Jahren gelegen sei. Dies wurde dem Beschwerdeführer im Rahmen einer niederschriftlichen Einvernahme am 21.08.2014 vorgehalten, wobei dieser bei dem angegebenen Geburtsdatum blieb und nicht akzeptierte, dass er volljährig sei. Die Behörde setzte daraufhin das Geburtsdatum des Beschwerdeführers (auf Grund der wissenschaftlichen Altersfeststellung) mit XXXX fest, wobei der Beschwerdeführer auch die Unterschriften zur Niederschrift verweigerte.

Nachdem das Verfahren wegen Untertauchens des Beschwerdeführers kurzfristig eingestellt worden war, wurde dieses nach Vorliegen einer ladungsfähigen Anschrift wieder fortgesetzt und am 12.04.2016 eine ausgiebige Einvernahme durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Steiermark, durchgeführt: Der Beschwerdeführer gab an, gesund zu sein. Er habe im Heimatland in XXXX , im Bezirk XXXX gewohnt, und zwar mit seiner Mutter und seinen zwei Schwestern, sein Vater sei bereits 2008 verstorben. 2012 habe er Somalia Richtung Äthiopien mit einem LKW verlassen. Daraufhin habe er acht Monate lang in XXXX als Schuhputzer gearbeitet. In der Folge sei er über den Sudan nach Libyen gekommen. Dort sei er zehn Monate im Gefängnis gewesen. Er habe nach wie vor keinen Kontakt zu seinen Angehörigen.

Zu Lebzeiten seines Vaters habe ihn dieser versorgt. Dann habe er als Tellerwäscher in einem Restaurant gearbeitet und zwar von 2008 bis 2012. Von 2001 bis 2008 habe er eine Schule besucht. Nach dem Tod seines Vaters hätte sich die Familie den Schulbesuch nicht mehr leisten können. Er gehöre dem Clan Sheikhal an. Das Geld für die Ausreise in der Höhe von 2.500 US-Dollar habe er selbst gespart. Er habe ausschließlich mit der Al-Shabaab Probleme gehabt und sei 15 Tage von dieser eingesperrt worden. Al-Shabaab-Mitglieder seien zu ihm in die Arbeit gekommen und hätten ihn aufgefordert mitzukommen und zwar solle er für sie als Spion arbeiten. Es seien zwei normale gekleidete Männer ins Restaurant gekommen. Sie hätten ihn gesucht, er sei aber nicht anwesend gewesen und seien sie dann wieder gegangen. Dann hätten sie ihn auf der Straße mit anderen Jugendlichen Fußball spielen gesehen und ihn gerufen. Nachdem er dies ignoriert habe, seien sie zu ihm gekommen und hätten ihn an der Hand gezogen und in ein stehendes Auto gesteckt. Nach einer Stunde Autofahrt hätten sie ihn auf einen Platz außerhalb der Stadt gebracht. Sie hätten ihn aufgefordert, wichtige Informationen über äthiopische und somalische Soldaten, die in diesem Restaurant Essen gingen, ihnen mitzuteilen. Sie hätten ihn auch zu den Soldaten näher befragt und geschlagen, zum Beispiel mit einer Pistole. Dabei sei er verletzt worden, wobei er eine Narbe auf der Augenbraue vorwies. Er sei dann auf den Boden gefallen. Man hätte Wasser über ihn gegossen. 15 Tage lang sei er dort geblieben. Sie hätten die ganze Zeit versucht, ihn zu überreden, dass er für sie arbeite. Schließlich habe er das akzeptiert. Sie seien dann mit einem Auto bis an den Rand der Stadt gefahren und in die Stadt seien sie zu Fuß gegangen. Sein Bewacher sei dann in ein Restaurant gegangen. Er habe draußen warten sollen, sei aber weggelaufen. Dann sei er zu einer Haltestelle gekommen, wo Kleintransporter Gemüse transportiert hätten. Er sei dort eingeschlafen. Am nächsten Tag in der Früh sei er nach Hause gegangen und hätte seiner Familie erzählt, was passiert sei.

Die Al-Shabaab sei glaublich im Mai 2013 erstmals zu ihm gekommen. In der Folge wurde der Beschwerdeführer zu dem Restaurant, in dem er gearbeitet hat, befragt. Er sei auf einem freien Feld, wo Pflanzen gewesen seien und er einen Fluss gesehen habe, angehalten worden. Sie hätten ihn nicht gefesselt. Er habe frei herumgehen können, sei aber bewacht worden. Es hätte dort zwei Erwachsene gegeben, die gefangen gehalten worden seien. Es seien viele Soldaten dort gewesen. Manche hätten Tarnanzüge angehabt und andere seien als Zivilisten angezogen gewesen. Es habe auch viele Fahrzeuge dort gegeben. Als er weggelaufen sei, habe ihn der Mann, der ihn bewachen hätte sollen, nicht gesehen. Er wisse nicht, ob er von der Al-Shabaab verfolgt worden sei, als er davon gelaufen sei. Er habe sich dann in einer kleinen Baracke unter einem Tisch, auf dem Kath gelegen sei, versteckt. Um ca. 16:30 Uhr seien sie in der Stadt bei dem Restaurant angekommen. Das habe er ungefähr geschätzt. Als der Mann in das Restaurant hineingegangen sei und ihm den Rücken zugedreht habe und in der Folge nicht mehr zu sehen gewesen sei, sei er losgelaufen. Die Reise habe er dadurch finanziert, indem er in Äthiopien gearbeitet habe. Die Fahrt nach Äthiopien habe nichts gekostet. Er sei mit einem Transporter mitgefahren, der ihn kostenlos nach XXXX gebracht habe. In XXXX habe er nicht weiter leben können. Dort sei es noch schlimmer gewesen. Es habe dort Krieg und Auseinandersetzungen gegeben. Der Beschwerdeführer wendete sich gegen den Vorhalt von Länderfeststellungen. Er sei derzeit in Grundversorgung und habe auch schon einen Deutschkurs besucht. Er habe weder in Österreich, noch im EU-Raum Angehörige. In einer schriftlichen Berichtigung berichtigte der Beschwerdeführer seine Aussage hinsichtlich des Datums des erstmaligen Besuchs der Al-Shabaab, wo der Mai 2013 protokolliert worden sei. Zu diesem Zeitpunkt habe er sich jedoch bereits in Libyen aufgehalten und wären diese im August 2011 das erste Mal zu ihm gekommen.

Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Steiermark vom 17.05.2016, Zl. XXXX , wurde unter Spruchteil I. der Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen, unter Spruchteil II. dieser Antrag auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Somalia abgewiesen, unter Spruchteil III. ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigenden Gründen nicht erteilt, eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass die Abschiebung nach Somalia zulässig sei, sowie unter Spruchteil IV. eine Frist von 14 Tagen für die freiwillige Ausreise gesetzt.

In der Begründung des Bescheides wurde der bisherige Verfahrensgang einschließlich der oben bereits im wesentlichen Inhalt wiedergegebenen Einvernahmen dargelegt, sowie Feststellungen zum Herkunftsstaat getroffen. Beweiswürdigend wurde insbesondere ausgeführt, dass die Schilderungen des Antragstellers zu seinem Fluchtvorbringen, insbesondere zur Ausbildung und Verweildauer im Lager der Al-Shabaab sehr vage gewesen wären. Auch habe der Antragsteller die Möglichkeit einer inländischen Fluchtalternative gar nicht in Betracht gezogen. Die Aussagen seien auch nicht ausreichend subtantiiert und konkretisiert gewesen und im Übrigen auch nicht plausibel und nachvollziehbar, sodass die Glaubwürdigkeit habe versagt werden müssen.

Zu Spruchteil I. wurde insbesondere ausgeführt, dass der Antragsteller keine konkret gegen ihn gerichtete Verfolgung oder Verfolgungsgefahr aus den in der GFK genannten Gründen ausdrücklich vorgebracht worden sei, sondern vielmehr, dass er auf Grund der schwierigen wirtschaftlichen Lage nicht mehr im Heimatland hätte bleiben wollen, sodass es zu keiner Asylgewährung habe kommen können. Zu Spruchteil II. wurde insbesondere dargelegt, dass im vorliegenden Fall davon auszugehen sei, dass im Falle der Rückkehr keine reale Gefahr einer Verletzung der Artikel 2 und 3 EMRK, sowie der Zusatzprotokolle Nummer 6 und 13 zur Konvention drohe. Weiters sei den Länderfeststellungen zu entnehmen gewesen, dass der Herkunftsstaat weder in einem internationalen, noch in einem innerstaatlichen Konflikt verwickelt sei, sodass die Lage im Kosovo (?) als stabil eingesetzt werde. Es würde daher keine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit in Folge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes bestehen. Zu Spruchteil III. wurde nach Darlegung der bezughabenden Rechtslage und Judikatur ausgeführt, dass keine familiären oder verwandtschaftlichen Anknüpfungspunkte zu Österreich bestehen würden. Was sein Privatleben betreffe, sei darauf hinzuweisen, dass er sich erst seit Juni 2014 in Österreich aufhalte und die deutsche Sprache erst wenig beherrsche, nicht selbsterhaltungsfähig sei, keine Verwandten in Österreich habe und die Bindungen zu dem Herkunftsland Somalia wesentlich stärker wären, als jene zu Österreich, zumal er auch die Sprache seines Herkunftslandes beherrsche. Die Schutzwürdigkeit des Privatlebens sei daher als gering einzustufen, sodass ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigenden Gründen nicht habe erteilt werden können und diese Entscheidung mit einer Rückkehrentscheidung zu verbinden gewesen sei. Wie bereits dargelegt, ergebe sich im vorliegenden Fall keine Gefährdung im Sinne des § 50 FPG. Schließlich stehe einer Abschiebung nach Somalia auch keine Empfehlung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte entgegen, sodass diese als zulässig anzusehen sei. Auch Gründe für die Verlängerung der Frist für die freiwillige Ausreise wären nicht hervorgekommen.

Gegen diesen Bescheid erhob der Antragsteller fristgerecht gegen alle Spruchpunkte Beschwerde. Nach geraffter Wiedergabe des bisherigen Verfahrensganges wurde die Beweiswürdigung der belangten Behörde konkret kritisiert und dargelegt, dass er sich in seinen Ausführungen weder auf Allgemeinplätze beschränkt habe, noch den Sachverhalt vage geschildert habe. Die Fluchtgeschichte lasse sich auch mit den allgemeinen Verhältnissen in Somalia vereinbaren und wurde diesbezüglich aus einem Bericht von Amnesty International zitiert. Es handle sich bei der Verfolgung durch die Al-Shabaab wohl um keine vom Staat ausgehende Verfolgung. Es könne jedoch in Somalia kein ausreichender Schutz erwartet werden und müsste er bei seiner Rückkehr mit gegen seine Person gerichteten Verfolgungshandlungen rechnen, die hinsichtlich ihrer Intensität asylrechtliche Relevanz erreichen würden, sodass ihm Asyl zuzuerkennen gewesen wäre. In eventu wurde vorgebracht, dass nach den aktuellen Länderinformationen die Versorgungslage in Somalia extrem schwierig sei und auch die Hauptstadt XXXX total überlastet sei und es an einer funktionierenden Infrastruktur völlig fehle. Schließlich sei auch die Sicherheitssituation im gesamten Land prekär und wurde diesbezüglich auch aus allgemeinen Länderberichten zitiert. Ein erheblicher Teil der Bevölkerung leide unter unzulänglicher Versorgung mit Lebensmitteln, Trinkwasser und den wenigen medizinischen Behandlungsmöglichkeiten. Der Beschwerdeführer habe seit Jahren keinen Kontakt mehr zu seiner Mutter und seiner Schwester und wisse er nicht, wo sich diese befinden. Er habe sich diesbezüglich auch an das XXXX gewandt, mit der Bitte, seine Familie zu suchen, was jedoch nicht erfolgreich gewesen sei. Er verfüge daher über kein familiäres oder clanbezogenes Netzwerk, das ihn im Rückkehrfalle unterstützen würde. Es bestünde daher bei der Rückkehr ein Szenario, welches von Ausmaß und Intensität deutlich über der Eingriffsschwelle des Artikel 3 EMRK liege und wurde daher in eventu die Zuerkennung von subsidiärem Schutz beantragt und schließlich auch die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung, um das Bundesverwaltungsgericht von der Glaubwürdigkeit der vorgebrachten Fluchtgründe überzeugen zu können.

Es folgten Anzeigen wegen versuchten Diebstahls, sowie Dokumente über die (Rück)überstellung des Beschwerdeführers aus der Bundesrepublik Deutschland, wo sich dieser zwischenzeitig aufgehalten habe. Schließlich wurde auch eine Verständigung vom Rücktritt der Verfolgung wegen § 27 Absatz 1 SMG vorgelegt.

Das Bundesverwaltungsgericht beraumte eine öffentliche mündliche Beschwerdeverhandlung für den 11.01.2018 an, zu der sich die belangte Behörde wegen Nichtteilnahme entschuldigen ließ und der Beschwerdeführer eine Vollmacht an den XXXX vorlegen ließ. Zu der genannten Beschwerdeverhandlung erschien der Beschwerdeführer in Begleitung eines Vertreters des XXXX , welcher eine Anmeldung für einen Deutschkurs für Anfänger, sowie eine Suchbestätigung des XXXX vorlegte.

Der Beschwerdeführer hielt sein bisheriges Vorbringen aufrecht und verwies auf die bereits schriftlich vorgebrachte Korrektur hinsichtlich des Datums des Erstkontaktes mit der Al-Shabaab. Er sei somalischer Staatsangehöriger, besitze aber darüber kein Dokument. Weiters sei er Moslem/Sunnit und gehöre dem Clan Sheikhal an. In der Folge nannte er auch seinen Subclan und den Sub-Subclan. Zu seinem Clan führte er aus, dass dieser eine Minderheit in Somalia sei. Sie wären nicht bewaffnet und gebe es keinen Ort in Somalia, wo sie in der Mehrheit wären. Er sei in XXXX geboren. Dort würden schon einige Angehörige des Clans Sheikhal leben. Die Sheikhal würden zum Großclan Dir gehören. Traditionelle Berufe hätten sie nicht. Sie würden meistens in der Landwirtschaft arbeiten oder als Koranlehrer. Sie seien streng religiös, darum seien Sie auch Koranlehrer. Er selbst sei persönlich nicht wegen seiner Clanzugehörigkeit benachteiligt worden, aber allgemein würden Sheikhal-Angehörige schon benachteiligt.

Er sei im Jahre XXXX in XXXX geboren. Das habe ihm seine Mutter so gesagt. Dort sei er auch aufgewachsen und habe bis zum Jänner 2012 gelebt. Sie hätten direkt in der Stadt XXXX gewohnt. Es sei eine große Stadt. Es würden dort ca. 30.000 Einwohner leben. Die Stadt habe sechs Bezirke und der Fluss XXXX fließe dort. Auch sei die Grenze zu Äthiopien in der Nähe. Über Vorhalt, dass XXXX tatsächlich mehr als 100.000 Einwohner aufweise, gab er an, dass er dies nur geschätzt habe. Es sei dort ein flaches Land. Am Stadtrand gebe es jedoch ein paar Berge, die Küste sei nicht in der Nähe. Es würden Mais, Bananen, Mango, Tomaten, Sesam und anderes Obst angebaut. Es gebe auch Viehzucht und zwar vor allem von Schafen und Kamelen.

Er habe acht Jahre die Grundschule besucht, sein Vater sei im Jahr 2008 verstorben. Seine Mutter und seine beiden Geschwister hätten sich im Zeitpunkt seines Verlassens des Herkunftslandes noch in Somalia aufgehalten. Ob sie nach wie vor dort leben würden, wisse er nicht. Gefragt, unter welchen Umständen sein Vater 2008 verstorben sei, gab er an, dass sein Vater Soldat der somalischen Armee unter XXXX gewesen sei und seine Mutter ihm erzählt habe, dass er einmal in die Arbeit gegangen sei und dass ihn ein zufälliger Schuss ins Herzen getroffen habe, woran er verstorben sei. Wer diesen Schuss abgegeben habe, wisse er nicht. Er sei damals noch klein gewesen und seine Mutter habe ihm das nicht erzählt. Über Vorhalt, dass er bei der Erstbefragung (AS 21) angegeben habe, dass sein Vater von Islamisten (vermutlich von der Al-Shabaab) erschossen worden sei, gab er an, dass er nicht erwähnt habe, wer seinen Vater getötet habe.

Er habe zwei Schwestern. Beide seien jünger als er. Er sei nicht verheiratet. Sein Vater habe die Familie versorgt. Nach dem Tod seines Vaters habe er als Küchenhilfe bzw. Tellerwäscher gearbeitet. Er habe nur sehr wenig verdient und habe wirtschaftliche Probleme in Somalia gehabt. Politisch betätigt habe er sich nicht. Mit den staatlichen Behörden, wie mit der Polizei, dem Militär oder dem Geheimdienst habe er keine Probleme gehabt.

Seine Probleme mit der Al-Shabaab hätten im August 2011 angefangen. Schon seit 2008 habe er in diesem Restaurant als Tellerwäscher gearbeitet. Es seien dort viele Behördenmitarbeiter und Angehörige der Regierungstruppen als Gäste gewesen. Eines Tages, im August 2011, seien zwei Mitglieder der Al-Shabaab in das Restaurant gekommen und hätten dort etwas gegessen. Einer sei zur Kassa gegangen, um das Essen zu bezahlen, der Andere sei zu ihm in die Küche gegangen, wo er gerade Teller gewaschen habe und habe ihn gefragt, ob er mitarbeiten wolle. Über Nachfrage hätte er dann angegeben, dass er Mitglied der Al-Shabaab sei und dass er im Falle einer Zusammenarbeit viel mehr Geld verdienen würde, als in dem Restaurant und dass er im Falle eines Todes ins Paradies kommen würde. Zuerst habe er zum Besitzer des Restaurants gehen wollen, dann habe er sich gedacht, dass es dadurch noch schlimmer werde. Er sei nach der Arbeit nach Hause gegangen und habe seiner Mutter erzählt, was passiert sei. Seine Mutter habe ihm zunächst nicht geglaubt und habe ihm aber gesagt, dass er noch zu jung sei und dass sie ihn brauchen würde. Dann sei er wieder in die Arbeit gegangen. Nach 12 oder 13 Tagen seien sie wieder zu ihm gekommen. Der Al-Shabaab-Mann habe ihn dann gefragt, warum er nicht mit ihnen zusammenarbeiten wolle. Er müsse gar nicht kämpfen. Er sollte für sie nur Informationen sammeln und ihnen diese übermitteln und dafür Geld bekommen und zwar über Angehörige der Regierungstruppen. Er habe ihm gesagt, dass er das nicht wolle und dass sein Vater bereits verstorben sei und dass er mit dem Lohn aus dem Restaurant seine Familie ernähren könne. Der Al-Shabaab-Mann habe dann nicht geantwortet und sei einfach weggegangen. Er habe dann geglaubt, dass niemand mehr zu ihm kommen würde. Das Restaurant, wo er gearbeitet habe, habe XXXX geheißen.

Am 17.12.2011, es sei ein Freitag gewesen, habe er frei gehabt. Er habe dann meistens wie an freien Tagen am Nachmittag Fußball gespielt. Es seien dann zwei Männer mit einem Geländewagen XXXX zu dem Fußballfeld gekommen und hätten seinen Namen gerufen. Er habe diesen aber nicht gehört. Er habe die Männer auch nicht gekannt. Sie hätten gerufen, dass er mitkommen solle. Als er gefragt habe, wer sie seien, hätten sie ihn gleich ins Auto gezerrt und seien von dort weggefahren und hätten ihn zu einem Al-Shabaab-Stützpunkt gebracht. Er wisse nicht genau, wo dieser gewesen sei, aber die Fahrt habe ca. eine Stunde gedauert. In dem Auto seien nur zwei Männer, der Fahrer und sein Begleiter gewesen. Sie seien normal zivil gekleidet gewesen. Er habe nicht genau gesehen, ob sie bewaffnet gewesen wären, aber in dem Lager, wo sie ihn hingebracht hätten, seien alle Männer bewaffnet gewesen. Es sei nicht wirklich ein Lager gewesen. Sie hätten nur darum einen Holzzaun gemacht. Innerhalb des Zaunes seien ein paar Häuser aus Stein gestanden. Es sei ein größerer Platz gewesen, wo sie gebetet hätten. Dieser Gebetsplatz sei nicht überdacht gewesen. Es habe auch noch ein paar Zelte gegeben. Dort seien ca. 20 bewaffnete Männer gewesen. Sie hätten auch ein paar Autos gehabt, meistens der Marke XXXX . Er wisse nicht, ob dort auch noch andere Gefangene gewesen seien, wo sie ihn eingesperrt hätten, sei er allein gewesen. Er sei in einer Art Hütte eingesperrt gewesen. Es sei nur ein Teppich am Boden gelegen. Vor der Hütte seien immer ein bis zwei Wächter gewesen. Wenn er aus der Hütte hinausgegangen sei, hätten sie ihn immer gefragt, wo er hinwolle.

Erst nach ein paar Tagen hätten sie ihm gesagt, dass er gemeinsam mit ihnen beten solle. Sie hätten ihn auch gefragt, ob er mit ihnen zusammenarbeiten wolle, aber er habe immer wieder betont, dass er nicht in einem Krieg kämpfen wolle. Sie hätten ihm jedoch entgegnet, dass es besser sei, wenn er mit ihnen zusammenarbeite, um das Land und die Religion zu verteidigen. Da er sich geweigert habe, sei er auch verletzt worden. Er sei insgesamt zwei Wochen bei ihnen gewesen. In der ersten Woche hätten sie angefangen, mit ihm darüber zu reden. Ab der zweiten Woche hätten sie aber begonnen, ihn mit dem Stock zu schlagen, manchmal auch mit einer Holzkeule. Sie hätten ihn auch am Kopf verletzt, wo er eine Narbe auf der Stirn habe. Er glaube, er sei mit dem Knauf einer Pistole geschlagen worden. Da sie ihn mehrmals geschlagen hätten, hätte er keine andere Wahl gehabt, als zuzusagen. Die Al-Shabaab hätte gewollt, dass er sie informiere, wenn Regierungstruppen oder Behördenmitarbeiter in das Restaurant, wo er arbeite, kommen würden. Er habe ihnen sagen sollen, wie viele Soldaten kommen und womit sie bewaffnet wären.

Damals im Jahre 2011 sei die Al-Shabaab in XXXX an der Macht gewesen. Über Vorhalt, dass bereits im Juli 2009 XXXX von den Truppen der Übergangsregierung und der äthiopischen Truppen wieder zurück erobert worden wäre, gab er an, dass es stimme, dass die AMISOM zum Beispiel Truppen aus Äthiopien und Dschibuti, dort gewesen wären, aber in der Umgebung von Beledweyne hätte nach wie vor die Al-Shabaab geherrscht. Gefragt, ob er mitgenommen worden sei, weil er Fußball gespielt habe, gab er an, er glaube nicht, sondern er glaube, dass sie ihn wahrscheinlich deswegen mitgenommen hätten, weil sie zu ihm ins Restaurant gekommen wären und er ihnen keine Antwort gegeben habe.

Gefragt nach dem Alltag im Gefängnis der Al-Shabaab gab er an, dass sie ihn um 05:00 Uhr früh aufgeweckt hätten, um zu beten. Dann hätten sie bis um 09:00 Uhr den Koran lesen müssen. Dann habe er ein kleines Frühstück bekommen und der Anführer habe eine Predigt gehalten. Dies habe dann bis ca. 12:00 Uhr mittags gedauert. Dann hätten sie Mittag gegessen und anschließend hätte er wieder zurück in die Hütte gehen können. Ca. um 18:00 Uhr oder um 19:00 Uhr seien sie dann wieder gekommen und hätten ihn gefragt, ob er seine Meinung geändert habe. Am Abend sei er in der Hütte geblieben. Nach ca. zwei Wochen habe er ihnen dann zugesagt, dass er mit ihnen zusammen arbeite, weil er Angst gehabt habe, dass sie ihn töten würden. Sie hätten ihm mehr als dreimal gesagt, dass, wenn er seine Meinung nicht ändern würde und er nicht mit ihnen zusammenarbeiten würde, würden sie ihn auf der Stelle töten.

Ca. 15 Tage lang sei er im Al-Shabaab-Lager gewesen, nachdem er ihnen die Mitarbeit zugesagt habe, hätte ihm die Al-Shabaab ein Handy mit einer SIM-Karte gegeben und sie hätten ihn mit einem Auto mitgenommen und nach XXXX gebracht. Sie hätten ihm gesagt, er solle weiterhin im Restaurant arbeiten und wenn er etwas sehe, solle er anrufen. Sie seien dann am Nachmittag gegen 16:00 Uhr von dem Lager weggefahren und ca. um 18:00 Uhr in XXXX angekommen. Dies sei am 02.01.2012 gewesen. Der Fahrer habe auch Angst gehabt und habe sein Auto am Rand der Stadt geparkt. Sie hätten zu Fuß in die Stadt gehen müssen. Nachdem sie ein paar Minuten zu Fuß gegangen wären, sei er in ein Restaurant gegangen. Er habe nicht gewusst, was der Al-Shabaab-Mann in dem Restaurant gewollt habe, jedenfalls sei er weggelaufen und er habe in einem Kiosk übernachtet. Am nächsten Tag sei er zu einem LKW gegangen und sei mit diesem nach Äthiopien gefahren. Der Fahrer habe ihn gefragt, was er in Äthiopien mache, aber er habe ihm gesagt, dass er dort Arbeit suchen möchte. Daraufhin habe er ihn mitgenommen und habe er nichts dafür bezahlen müssen. Gefragt, ob der Fahrer des Wagens, mit dem er von dem Al-Shabaab-Lager nach XXXX zurückgekehrt sei, ihm nicht nachgelaufen sei, als er davongelaufen sei, gab er an, dass er ihm nicht nachgelaufen sei. Sie hätten gedacht, er würde sie anrufen, wenn er Informationen für sie hätte. Über Vorhalt, dass er beim BFA gesagt hatte, dass sie damals um ca. 16:30 Uhr in XXXX angekommen wären (AS 149) und nunmehr er von 18:00 Uhr spreche, kehrte er wieder zu der ursprünglichen Version vor dem BFA zurück. Das Restaurant, wo der Fahrer verschwunden sei, habe XXXX geheißen. Er sei mit einem XXXX nach XXXX zurückgebracht worden. Gefragt, ob es für ihn nicht gefährlich gewesen sei, einfach in einem Kiosk in XXXX zu übernachten, wo er gerade seinen Bewachern von der Al-Shabaab davongelaufen sei, gab er, dass das nicht gefährlich gewesen sei. Die Al-Shabaab habe gar nicht so schnell daran denken können, dass er fliehen würde.

Er habe dann in Äthiopien gearbeitet, um nach Europa weiterreisen zu können. Auch im Sudan habe er gearbeitet. Die Reise von Äthiopien bis nach Europa habe 2.500 US-Dollar gekostet. Über Vorhalt, dass er beim BFA einerseits angegeben habe, dass die Reise 2.500 US-Dollar gekostet habe und dass er das Geld selbst erspart habe (AS 141) und andererseits, dass er gratis bis nach Äthiopien gefahren wäre und dort gearbeitet habe (AS 149 f), gab er an, dass die heutige Angabe die richtige sei. Von Somalia bis Österreich habe er ca. zwei Jahre, einen Monat und 15 Tage gebraucht.

Zu Familienangehörigen in Somalia habe er, seit er Somalia verlassen habe, keinen Kontakt mehr. Er habe versucht, seine Familienangehörigen über das XXXX zu suchen, habe aber keinen Erfolg gehabt. Er sei in seinem Leben, bevor er ausgereist sei, niemals woanders gewesen, als in XXXX . Auch bei der Ausreise sei er nicht in XXXX gewesen. XXXX liege in der Nähe der äthiopischen Grenze. Er sei von dort gleich nach Äthiopien gefahren. Auch Freunde oder Verwandte habe er nicht in XXXX .

Er habe keine aktuellen gesundheitlichen oder psychischen Probleme. In Österreich sei er zu einem Deutschkurs gegangen und habe auch für die Gemeinde auf der Straße gearbeitet. Manchmal habe er auch Sport gemacht. In einer Ehe oder Lebensgemeinschaft lebe er nicht. Er habe schon einen B1-Kurs besucht und auch schon für die Prüfung antreten wollen, aber dafür hätte er Geld zahlen müssen, das er nicht gehabt habe. Er versuche auch mit Hilfe seines Handys selbst Deutsch zu lernen und lebe in einem kleinen Dorf. Er habe schon ein paar Freunde, mit denen er Fußball spiele. Sie würden ihm auch beim Deutschlernen helfen. Er möchte zuerst die Sprache besser lernen und dann Elektriker werden.

Gefragt, was mit ihm geschehen würde, wenn er nach Somalia zurückkehren würde, gab er an, dass die Lage in Somalia noch immer schlecht sei. Er habe dort niemanden, der ihm helfen könnte. Auch zu seiner Familie habe er überhaupt keinen Kontakt mehr. Außerdem habe er nach wie vor Angst, von der Al-Shabaab gefunden zu werden. Auch in XXXX gebe es nach wie vor viele Mitglieder der Al-Shabaab, die geheim mit dieser zusammenarbeiten würden. Gefragt, ob er noch etwas vorbringen möchte, was ihm für seinen Asylantrag wichtig erscheine und er noch nicht gesagt habe, gab er an, dass er eine lange Narbe am rechten Arm habe. Es habe in der Zeit, wo er in XXXX gewesen sei, eine Auseinandersetzung zwischen Somaliern und Afghanen stattgefunden und sei er gar nicht dabei gewesen, sei aber trotzdem aus dem Lager geworfen worden. Als er nach 24 Stunden zurückkommen habe wollen, hätte ihm ein Lagermitarbeiter mitgeteilt, dass er vier Wochen nicht in das Lager gehen dürfe. Er habe dann einige Wochen am Bahnhof und auf der Straße verbracht und sei dabei so verzweifelt gewesen, dass er sich selbst verletzt habe.

Der Beschwerdeführervertreter hatte keine weiteren Fragen. Verlesen wurde der aktuelle Strafregisterauszug des Beschwerdeführers, in dem keine Verurteilung aufscheint. Ergänzend zu dem bereits übermittelten Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Somalia wurden noch folgende weitere Länderdokumente zur Kenntnis gebracht und eine Frist zur Abgabe einer Stellungnahme von zwei Wochen eingeräumt.

o) Fact Finding Mission Report zu Somalia des schweizerischen Staatssekretariats und des BFA August 2017

o) Wikipedia XXXX

Von der Möglichkeit zur Abgabe einer Stellungnahme machte keine der Verfahrensparteien Gebrauch.

Das Bundesverwaltungsgericht hat wie folgt festgestellt und erwogen:

1. Feststellungen:

Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer ist somalischer Staatsangehöriger, zu seinem Geburtsdatum, seiner Clanzugehörigkeit und Herkunftsregion können keine gesicherten Feststellungen getroffen werden; das Bundesamt hat dem Beschwerdeführer auf Grund einer wissenschaftlichen Altersfeststellung als spätestmögliches Geburtsdatum den XXXX zugeordnet. Der Beschwerdeführer hat sich weder politisch betätigt, noch in Somalia Probleme mit staatlichen Behörden, der Polizei, dem Militär oder dem Geheimdienst gehabt. Zu den Fluchtgründen können ebenfalls mangels an glaubhaften Angaben keine Feststellungen getroffen werden. Es erscheint aber hinreichend glaubhaft, dass der Beschwerdeführer keinen Kontakt mehr zu seinen Familienangehörigen hat und auch nicht in XXXX gelebt hat und auch dort weder über Freunde, noch über Verwandte verfügt.

Der Beschwerdeführer leidet unter keinen aktuellen gesundheitlichen oder psychischen Problemen. Er hat in Österreich Deutschkurse besucht und auch Freiwilligenarbeit für die Gemeinde verrichtet. Die Fragen zur Integration hat der Beschwerdeführer auch bereits teilweise auf Deutsch beantwortet. Er spielt gelegentlich mit Österreichern Fußball, die ihm auch beim Deutschlernen helfen und möchte, wenn er in Österreich bleiben kann, Elektriker werden.

Zu Somalia wird folgendes festgestellt:

1. Neueste Ereignisse - Integrierte Kurzinformationen

KI vom 27.6.2017: Update zur Dürre-Situation

Nachdem über zwei Jahre beide Regenzeiten (Deyr und Gu) ausgeblieben sind, hat sich in Somalia eine humanitäre Katastrophe entwickelt. Das System von Subsistenz-Landwirtschaften in den Flussgebieten von Shabelle und Juba ist teilweise zusammengebrochen; die Preise für Grundnahrungsmittel haben sich verdoppelt; und Millionen Stück Vieh sind verendet (ICG 9.5.2017). Die Behörden Somalilands sprechen von 80% Verlusten beim Viehbestand (BBC 11.5.2017; vgl. TG 24.5.2017), andere Schätzungen sprechen von 50%. Der Außenminister Somalilands gibt an: "Es gab hier schon immer Dürreperioden, aber nur alle zehn Jahre. Jetzt haben wir sie schon alle zwei Jahre. Und die Dürre in diesem Jahr ist die schlimmste Dürre, die wir in Ostafrika jemals hatten." (TG 24.5.2017)

In vielen Städten Süd-/Zentralsomalias sind Nahrungsmittel für IDPs und sehr arme Bevölkerungsteile kaum mehr leistbar (ICG 9.5.2017). Die Dürresituation hält vor allem im Südwesten Somalias weiter an, dort bleibt die Angst vor einer Hungersnot bestehen. In den nördlichen und zentralen Teilen des Landes hat der teils durchschnittliche, teils überdurchschnittliche Regen im Jahr 2017 zur verbesserten Weide- und Wasserlage beigetragen (UNFPA 14.6.2017)

Dafür ist eine massive Hilfsoperation angelaufen, an der zahlreiche ausländische und lokale NGOs beteiligt sind (ICG 9.5.2017). Dank der großzügigen Ressourcen, die von Gebern zur Verfügung gestellt worden sind, konnten nationale und internationale NGOs sowie UN-Agenturen ihre humanitäre Unterstützung in ganz Somalia massiv nach oben fahren. Dabei wird mit den Behörden zusammengearbeitet. In Mogadischu, Baidoa und Garoowe wurden Koordinierungszentren eingerichtet (UNSC 9.5.2017). Koordinierung und Management der Operationen sind angesichts der Fehler in der Vergangenheit (2011) stark verbessert worden (ICG 9.5.2017). Die internationale Unterstützung erfolgte relativ rasch, die Anstrengungen sind besser koordiniert. Auch auf nationaler Ebene wurde reagiert und geholfen. Die Regierung hat Anstrengungen unternommen, selbst Studenten wurden ermutigt, jeweils 10 USD zu spenden. Firmen und Wirtschaftstreibende haben signifikant zu den Hilfskampagnen beigetragen (ICG 9.5.2017).

Die Zahl der Menschen, die durch die Operationen zur Verbesserung des Zugangs zu Nahrungsmitteln erreicht werden, hat sich von 1,1 Millionen im Februar 2017 auf 1,7 Millionen erhöht. Alleine im März konnten 332.000 Kinder von Ernährungsleistungen profitieren. Darunter waren 69.000 schwer unterernährte Kinder unter 5 Jahren. Auch die Versorgung mit sicherem Trinkwasser wurde hochgefahren. Dabei wurden zwischen Jänner und März 2017 knapp 1.150.000 Menschen erreicht. Allein im Februar hat sich die Zahl der Erreichten verdoppelt (UNSC 9.5.2017).

Rund 50% der gewährleisteten Hilfe wurde in Geld geleistet. Damit werden Märkte stabilisiert, wurde das schnelle Hochfahren der Unterstützung gewährleistet, wurden Menschen auch in entlegenen Gebieten erreicht und wurde das Risiko der Plünderung von humanitären Hilfsgütern minimiert (UNSC 9.5.2017). Außerdem ist diese Form der Hilfeleistung billiger. Gelder werden über Mobilfunksysteme ausbezahlt (ICG 9.5.2017).

Trotz aller Bemühungen wurden die gesetzten Ziele aber nicht erreicht, die humanitäre Lage verschlechtert sich weiter. Das Risiko einer Hungersnot besteht weiterhin. 6,2 Millionen Menschen sind akut von Nahrungsmittelknappheit betroffen, 3 Millionen brauchen lebenserhaltende Unterstützung (UNSC 9.5.2017). Seit November 2016 verließen über 740.000 Menschen aufgrund der Dürre ihre Heimatgebiete, darunter 480.000 unter 18jährige (UNHCR 31.5.2017). Aus manchen Regionen wurden Hungertote gemeldet - etwa aus Bay (BBC 4.3.2017).

Einige Schwierigkeiten, die schon im Jahr 2011 vorherrschten, bestehen auch weiterhin. Unsicherheit und mangelnder Zugang zu Hilfsgütern sind problematisch (ICG 9.5.2017). Vor allem in Süd-/Zentralsomalia hindert die schlechte Sicherheitslage Menschen manchmal am Zugang zu humanitärer Hilfe (UNSC 9.5.2017). Dabei ist Süd-/Zentralsomalia wieder das Epizentrum der humanitären Krise. Diese wird dort durch lokale Clan-Konflikte und al Shabaab noch verschärft (ICG 9.5.2017).

Dahingegen waren zwar auch Teile ("pockets") von Somaliland und Puntland schwer von der Dürre betroffen. Dort ist die Situation aber bei weitem weniger schlecht als im Süden (ICG 9.5.2017).

Überhaupt variiert die Abdeckung mit internationaler humanitärer Unterstützung regional. Die meisten Gebiete in Somaliland und Puntland sind besser abgedeckt, die Möglichkeiten in Süd-/Zentralsomalia mehr eingeschränkt (ICG 9.5.2017).

Quellen:

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BBC (11.5.2017): How do you solve a problem like Somalia? http://www.bbc.com/news/world-africa-39855735, Zugriff 27.6.2017

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BBC (4.3.2017): Somalia drought - More than 100 die from hunger in one region, http://www.bbc.com/news/world-africa-39166746, Zugriff 27.6.2017

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ICG - International Crisis Group (): Instruments of Pain (III) - Conflict and Famine in Somalia, https://www.crisisgroup.org/africa/horn-africa/somalia/b125-instruments-pain-iii-conflict-and-famine-somalia, Zugriff 27.6.2017

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The Guardian (24.5.2017): Somaliland's hunger crisis: 'The world doesn't respond until children are dying', https://www.theguardian.com/global-development/2017/may/24/somaliland-hunger-crisis-world-doesnt-respond-until-children-are-dying-foreign-minister-saad-ali-shire, Zugriff 27.6.2017

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UNFPA - UN Population Fund (14.6.2017): UNFPA Situation Report 26th May to 16th June 2017,

http://somalia.unfpa.org/sites/default/files/pub-pdf/Somalia%20SitRep%20%23011%2026th%20May%20-%2016th%20June%202017.pdf, Zugriff 27.6.2017

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UNHCR (31.5.2017): PRMN Drought Displacements, http://reliefweb.int/sites/reliefweb.int/files/resources/57361.pdf, Zugriff 27.6.2017

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UNSC - UN Security Council (9.5.2017): Report of the Secretary-General on Somalia,

http://reliefweb.int/sites/reliefweb.int/files/resources/N1712363.pdf, Zugriff 27.6.2017

KI vom 13.2.2017: Farmaajo neuer Präsident

Der frühere Regierungschef Mohamed Abdullahi Mohamed Farmaajo hat die Präsidentenwahl in Somalia gewonnen. Im zweiten Durchgang der Wahl am Mittwoch ließ der 54-jährige somalisch-amerikanische Doppelstaatsbürger Farmaajo den bisherigen Amtsinhaber Hassan Sheikh Mohamud hinter sich (NZZ 8.2.2017). Tausende Menschen feierten am Mittwochabend (8.2.2017) den Sieg von Farmaajo auf den Straßen von Mogadischu. Es gab Hupkonzerte, und Menschen umarmten Soldaten (FR 10.2.2017; vgl. VOA 9.2.2017). Auch in anderen somalischen Städten sowie in Kenia - in Garissa und Eastleigh - kam es zu spontanen Freudenfeiern, die als Ausdruck aufrichtiger Unterstützung für den neuen Präsidenten durch die Bevölkerung gewertet werden können (VOA 9.2.2017).

Die Wahl von Mohamed Farmaajo kam überraschend, galt doch der Amtsinhaber Hassan Sheikh Mohamud als Favorit (FR 10.2.2017). Letzterer hat jedenfalls seine Niederlage eingestanden (NZZ 8.2.2017; vgl. VOA 9.2.2017), und er forderte alle Somalis dazu auf, den neuen Präsidenten zu unterstützen. Farmaajo wurde unmittelbar angelobt (VOA 9.2.2017).

Die Durchführung einer allgemeinen und freien Wahl war in Somalia zwar nicht möglich gewesen; doch die Zahl von 14.024 Wahlmännern ist ein erheblicher Fortschritt gegenüber früheren Wahlen, als der Sieger unter gerade einmal 135 Clanchefs ausgekungelt wurde. Die Medien konnten hinsichtlich der Wahl relativ frei agieren und Korruption und Wahlverschiebung anprangern - ein gutes Zeichen (DW 10.2.2017).

2010/2011 war Farmaajo acht Monate lang Premierminister von Somalia gewesen. Damals hatte er sich einen Namen als Anti-Korruptionskämpfer erworben (FR 10.2.2017; vgl. VOA 9.2.2017). Seine Entlassung durch den damaligen Präsidenten Ahmed Sheikh Sharif führte zu heftigen Protesten der Bevölkerung (FR 10.2.2017).

Quellen:

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DW - Deutsche Welle (10.2.2017): Kommentar: Farmajo, der neue Präsident Somalias - Wie viele Löcher hat der Käse? http://www.dw.com/de/kommentar-farmajo-der-neue-pr%C3%A4sident-somalias-wie-viele-l%C3%B6cher-hat-der-k%C3%A4se/a-37496267, Zugriff 13.2.2017

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FR - Frankfurter Rundschau (10.2.2017): Hoffnung für Somalia, http://www.fr-online.de/politik/wahl-hoffnung-fuer-somalia,1472596,35147632.html, Zugriff 13.2.2017

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NZZ - Neue Zürcher Zeitung (8.2.2017): Präsidentenwahl zwischen Sandsäcken und Ruinen,

https://www.nzz.ch/international/nahost-und-afrika/mohamud-in-somalia-abgewaehlt-praesidentenwahl-zwischen-sandsaecken-und-ruinen-ld.144287, Zugriff 13.2.2017

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VOA - Voice of America (9.2.2017): Somalis Optimistic About New President,

http://www.voanews.com/a/hopes-high-somalia-s-new-president-will-improve-security/3716301.html, Zugriff 13.2.2017

KI vom 19.1.2017: Dürre

Nach einer schwachen Gu-Regenzeit im Jahr 2016 blieben auch die Regenfälle der Deyr-Regenzeit Ende 2016 aus. Von der Nahrungsversorgungsunsicherheit am schlimmsten betroffen sind landwirtschaftlich genutzte Gebiete im Süden und nomadisch genutzte Gebiete im Nordosten des Landes (FEWSNET 16.1.2017). Alleine im sogenannten South-West-State sind 820.000 Menschen dringend auf humanitäre Hilfe angewiesen. Viele suchen in größeren Städten nach Hilfe. Der Gouverneur der Region Bay schätzt, dass bereits rund 3.000 Familien aus ländlichen Gebieten nach Baidoa geflohen sind (UNSOM 16.1.2017). Dabei ziehen Nahrungsmittelpreise an: Der Preis für Mais liegt in Qoryooley 51% über dem Fünfjahresmittel; für Sorghum in Baidoa um 88% darüber (FEWSNET 16.1.2017).

Die humanitäre Situation in Somalia ist zunehmend fragil. Fünf Millionen Menschen sind auf humanitäre Hilfe angewiesen (UNOCHA 12.1.2017; vgl. UNSOM 16.1.2017) und leiden unter Nahrungsversorgungsunsicherheit (FAO 20.12.2016). 3,9 Millionen davon gelten als "stressed", 1,1 Millionen Menschen leiden unter akuter Nahrungsversorgungsunsicherheit (acutely food insecure) (UNOCHA 12.1.2017) und befinden sich auf den IPC-Stufen drei (Krise) und 4 (Not/Emergency). Alleine im zweiten Halbjahr 2016 hat die Zahl um 20% zugenommen. Prognosen lassen erwarten, dass die Zahl der akut Bedrohten im ersten Halbjahr 2017 um eine weitere Viertelmillion zunehmen wird. Ähnliche Bedingungen hatten im Jahr 2011 zu einer Hungersnot und Hungertoten geführt (FAO 20.12.2016). Folglich fahren humanitäre Organisationen ihre lebensrettenden Maßnahmen hoch, angesammelte Fonds werden angezapft (UNOCHA 12.1.2017).

Eine Entschärfung der Situation ist in rein nomadisch genutzten Gebieten nicht für Mai/Juni zu erwarten; in agro-pastoral genutzten Gebieten nicht vor Juni/Juli. Im schlimmsten anzunehmenden Szenario bleibt auch die Gu-Regenzeit des Jahres 2017 - wie gegenwärtig prognostiziert - schwach und in der Folge sinkt die Kaufkraft auf das Niveau der Jahre 2010/2011. Reicht dann die humanitäre Hilfe nicht aus, wird eine Hungersnot (IPC 5) die Folge sein (FEWSNET 16.1.2017). Bereits jetzt werden vereinzelt Hungertote aus den Regionen Bay (UNSOM 16.1.2017) und Gedo gemeldet (SMN 15.1.2017).

Quellen:

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FAO - Food and Agriculture Organization of the United Nations (20.12.2016): With continued drought, Horn of Africa braces for another hunger season,

http://reliefweb.int/report/somalia/continued-drought-horn-africa-braces-another-hunger-season, Zugriff 19.1.2017

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FEWSNET - Famine Early Warning Systems Network (16.1.2017): Severe drought, rising prices, continued access limitations, and dry forecasts suggest Famine is possible in 2017, http://www.fews.net/east-africa/somalia/alert/january-16-2017, Zugriff 19.1.2017

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SMN - Shabelle Media Network (15.1.2017): A Mother and her kids die of hunger in Gedo,

http://allafrica.com/stories/201701160709.html, Zugriff 19.1.2017

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UNOCHA - UN Office for the Coordination of Humanitarian Affairs (12.1.2017): Somalia: Humanitarian Snapshot (as of 12 January 2017), http://reliefweb.int/sites/reliefweb.int/files/resources/somalia_humanitarian_snapshot_-_january_2017.pdf, Zugriff 19.1.2017

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UNSOM - UN Assistance Mission to Somalia (16.1.2017): Deputy SRSG de Clercq assesses humanitarian crisis in Somalia's South West state,

http://reliefweb.int/report/somalia/deputy-srsg-de-clercq-assesses-humanitarian-crisis-somalia-s-south-west-state, Zugriff 19.1.2017

KI vom 20.9.2016: Dürre (betrifft: Abschnitt 23 / Grundversorgung)

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Die humanitäre Lage in Somalia bleibt prekär. Etwa 38 Prozent der Bevölkerung sind auf Unterstützung angewiesen, eine Million Menschen können ihren grundlegenden Nahrungsbedarf nicht decken. 305.000 Kinder unter fünf Jahren sind akut unterernährt. Zwischen Jänner und Juni wurden ca. 490.000 Menschen mit Nahrungsmittelhilfe versorgt, 125.000 Kinder konnten wegen akuter Unterernährung behandelt werden (UNSC 6.9.2016). UNOCHA stellt hinsichtlich Nahrungsmittelsicherheit nebenstehende aktuelle Karte zur Verfügung (UNOCHA 9.9.2016).

Das Klimaphänomen El Niño führte in Somaliland und in Puntland zu Dürre. Dort sind 385.000 Menschen akut von Nahrungsmittelunsicherheit bedroht, weitere 1,3 Millionen Menschen sind dem Risiko ausgesetzt, ohne Unterstützung in eine akute Bedrohung abzugleiten (UNSC 6.9.2016; vgl. UNOCHA 1.9.2016). In Süd-/Zentralsomalia brachte El Niño hingegen schwere Regenfälle und teilweise Überschwemmungen (UNOCHA 1.9.2016).

Die Regenzeit Gu (März-Juni) brachte für Puntland und Somaliland zwar eine teilweise Entlastung; doch wird für den Zeitraum Juli-Dezember 2016 wieder eine Erhöhung der Nahrungsmittelunsicherheit erwartet (UNSC 6.9.2016). Für eine nachhaltige Besserung bedarf es mehr als nur einer guten Regenzeit. Prognosen zufolge könnte sich die Situation durch das nachfolgende Wetterphänomen La Niña weiter verschärfen. So bietet auch die Nahrungsmittelsicherheit in Süd-/Zentralsomalia zunehmend Grund zur Sorge. Derzeit sind also - v.a. im Norden - noch die Auswirkungen von El Niño zu spüren, während aufgrund von La Niña eine schlechte Deyr-Regenzeit (Oktober-Dezember) erwartet wird. Die schwere Hungersnot der Jahre 2011/2012 war durch La Niña verursacht worden (UNOCHA 1.9.2016).

Quellen:

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UNOCHA - UN Office for the Coordination of Humanitarian Affairs (9.9.2016): Somalia - Humanitarian Snapshot, http://reliefweb.int/sites/reliefweb.int/files/resources/Somalia%20Humanitarian%20Snapshot%20-%20September%202016.pdf, Zugriff 20.9.2016

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UNOCHA - UN Office for the Coordination of Humanitarian Affairs (1.9.2016): Humanitarian Bulletin Somalia, August 2016, http://reliefweb.int/sites/reliefweb.int/files/resources/August%202016%20Somalia%20Humanitarian%20Bulletin.pdf, Zugriff 20.9.2016

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UNSC - UN Security Council (6.9.2016): Report of the Secretary-General on Somalia [S/2016/763], http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1473923936_n1627603.pdf, Zugriff 20.9.2016

2. Politische Lage

Das Gebiet von Somalia ist de facto in drei unterschiedliche administrative Einheiten unterteilt: a) Somaliland, ein 1991 selbstausgerufener unabhängiger Staat, der von der internationalen Gemeinschaft nicht anerkannt wird; b) Puntland, ein 1998 selbstausgerufener autonomer Teilstaat Somalias; c) das Gebiet südlich von Puntland, das Süd-/Zentralsomalia genannt wird (EASO 8.2014). Im Hinblick auf fast alle asylrelevanten Tatsachen ist Somalia in diesen drei Teilen zu betrachten (AA 1.12.2015).

Im Jahr 1988 brach in Somalia ein Bürgerkrieg aus, der im Jahr 1991 im Sturz von Diktator Siyad Barre resultierte. Danach folgten Kämpfe zwischen unterschiedlichen Clans, Interventionen der UN sowie mehrere Friedenskonferenzen (EASO 8.2014). Seit Jahrzehnten gibt es keine allgemeinen Wahlen auf kommunaler, regionaler oder zentralstaatlicher Ebene. Politische Ämter wurden seit dem Sturz Siad Barres 1991 entweder erkämpft oder unter Ägide der internationalen Gemeinschaft, hilfsweise unter Einbeziehung nicht demokratisch legitimierter traditioneller Strukturen (v.a. Clan-Strukturen) vergeben (AA 1.12.2015). Somalia ist keine Wahldemokratie. Es gibt keine demokratischen Institutionen. Das Parlament wurde durch Clan-Repräsentanten ausgewählt, und zwar entlang der sogenannten 4.5-Formel. Diese gibt den vier Hauptclans jeweils gleich viele Sitze, und den kleineren Clans und Minderheiten insgesamt halb so viele Sitze, wie einem Hauptclan. Trotzdem wird die Förderung der Demokratie formell von allen politischen Akteuren - mit der Ausnahme von al Shabaab - akzeptiert. So ist das politische System Somalias weder demokratisch noch autoritär; alles dreht sich um die Repräsentation auf Basis der Clans (BS 2016).

Im August 2012 endete die Periode der Übergangsregierung (BS 2016). Das derzeitige Bundesparlament wurde konsensual unter Einbeziehung traditioneller Eliten bestimmt und hat dann den Präsidenten gewählt (AA 1.12.2015; vgl. USDOS 13.4.2016). Dies ist die erste Regierung Somalias seit 1991, der breite internationale Unterstützung zukommt (BS 2016). Somalia gilt laut dem UN-Repräsentanten nicht mehr als failed state, sondern als fragiles Land. Die Situation hat sich in den vergangenen drei Jahren stabilisiert (AP 23.12.2015; vgl. AA 1.12.2015).

Eigentlich waren für 2016 Wahlen vorgesehen. Der Präsident hat aber im Juni 2015 angekündigt, dass diese "one person, one vote"-Wahlen verschoben werden (USDOS 13.4.2016; vgl. UNSC 8.1.2016). Dagegen hat es im Parlament Proteste gegeben (AI 24.2.2016). Ein von der Regierung einberufenes National Consultative Forum soll über einen anderen Wahlprozess für das Jahr 2016 beraten. Gleichzeitig soll das Forum auf Vorbereitungen für allgemeine Wahlen im Jahr 2020 treffen (UNSC 8.1.2016).

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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