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L7 WirtschaftsrechtNorm
B-VG Art7 Abs1 / VerwaltungsaktLeitsatz
Keine Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte durch die zwangsweise Einräumung der Dienstbarkeit der Führung einer Starkstromleitung über Grundstücke der Erstbeschwerdeführerin; Beschwerdelegitimation auch ihrer Rechtsnachfolger; kein unverhältnismäßiger Eigentumseingriff durch die Regelung über die Bestellung von Dienstbarkeiten an unbeweglichen Sachen im Wege der Enteignung im Oö StarkstromwegeGSpruch
Die Beschwerdeführer sind durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt worden.
Die Beschwerde wird abgewiesen und dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung darüber abgetreten, ob die Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid in einem sonstigen Recht verletzt worden sind.
Kosten werden nicht zugesprochen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I.Mit Bescheid vom 12. April 1994, Z EnRo-100.106/69-1994/Ach/Sch, erteilte die Oberösterreichische Landesregierung der Linzer Elektrizitäts-, Fernwärme- und Verkehrsbetriebe AG (ESG), unter Berufung auf die §§1 bis 3, 7 bis 9 und 22 des OÖ Starkstromwegegesetzes 1970, LGBl. für Oberösterreich 1/1971 - OÖ StWG, unter bestimmten Bedingungen und Auflagen die elektrizitätsrechtliche Bau- und Betriebsbewilligung für die Errichtung und den Betrieb einer 110 kV-Freileitung vom Umspannwerk Friensdorf bis zum geplanten Umspannwerk Freistadt in einer Länge von ca. 17 km. Eine gegen diesen Bescheid von der damaligen Eigentümerin - der nunmehrigen Erstbeschwerdeführerin -, über deren Grundstücke die Leitung führt, erhobene Beschwerde gemäß Art144 Abs1 B-VG wurde mit Beschluß des Verfassungsgerichtshofes vom 27. September 1994, B1440/94-3, wegen Nichterschöpfung des Instanzenzuges zurückgewiesen. Der Antrag, die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof abzutreten, wurde abgewiesen.
Bereits am 17. Jänner 1994 hatte die ESG der Oberösterreichischen Landesregierung mitgeteilt, daß mit der nunmehrigen Erstbeschwerdeführerin über die Grundinanspruchnahme ihrer durch die Errichtung der 110 kV-Leitung berührten Grundstücke kein Einvernehmen hatte erzielt werden können und hatte daher die zwangsweise Einräumung einer Leitungsdienstbarkeit beantragt.
Mit Bescheid vom 3. April 1995, Z EnRo-100.701/20-1995/Ach/Ha, räumte die Oberösterreichische Landesregierung zugunsten der ESG für den dauernden Bestand der bewilligten Starkstromleitung auf den Grundstücken der Beschwerdeführerin Nr. 1504, 1510 und Nr. 1511, je EZ 60, KG Pernau, eine näher beschriebene Dienstbarkeit der Leitungsführung ein und setzte eine Entschädigung fest.
Mit Schriftsatz vom 5. April 1995 stellte die Erstbeschwerdeführerin den Antrag auf Übergang der Zuständigkeit hinsichtlich aller Spruchpunkte mit Ausnahme der Festsetzung der Entschädigung an den Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten.
Nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 18. Oktober 1995 erließ der Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten am 18. April 1996 einen Bescheid mit folgenden Spruchteilen:
"I. Zwangsweise Einräumung von Dienstbarkeiten:
Zugunsten der Linzer Elektrizitäts-, Fernwärme- und Verkehrsbetriebe AG sowie ihrer allfälligen Rechtsnachfolger wird für den dauernden Bestand des mit Bescheid der OÖ. Landesregierung vom 12.4.1994, EnRo-100.106/69-1994/Ach/Sch, bewilligten Neubaues einer 110 kV-Leitung vom Umspannwerk 'Friensdorf' zum geplanten Umspannwerk 'Freistadt' auf den Grundstücken von H Z, ..., die unten näher beschriebene Dienstbarkeit der Leitungsführung gemäß §§17 ff
OÖ. Starkstromwegegesetz, LGBl. 1/1971, eingeräumt:
a) die Grundstücke Nr. ... und ... gemäß der energierechtlich
genehmigten Situation und laut Lageplan Nr. 89SL-077/06/Zieg mit
einer 110 kV-Leitung zu überspannen;
b) diese Hochspannungsfreileitung auf den genannten
Grundstücken Nr. ..., ... und .... zu betreiben, zu überprüfen,
instandzuhalten und zu erneuern;
c) die Grundstücke Nr. ..., ... und ... soweit erforderlich,
jederzeit durch die hiefür bestellten Personen ungehindert betreten bzw. zu befahren und auf diesen Grundstücken alle Vorkehrungen zu treffen, welche zur Errichtung, für den Bestand und zur Benützung der Leitung notwendig oder zweckdienlich sind.
d) Mit Bestellung der beantragten Dienstbarkeit sind die Grundeigentümerin und die dinglich Berechtigten verpflichtet, die Errichtung, den Bestand und den Betrieb der Leitung samt allen Arbeiten und Vorkehrungen im angeführten Umfange zu dulden und alles zu unterlassen, was geeignet ist, jetzt oder in Zukunft der Errichtung oder dem Bestand der Leitung zu schaden oder deren Benützung zu stören. Insbesondere ist die Grundeigentümerin verpflichtet, in einem Bereich von 12,5 m beiderseits der Leitungsachse jene Anpflanzungen zu unterlassen, die die Leitung stören oder beeinträchtigen könnten.
II. Anträge im Ermittlungsverfahren:
a) Die im Verfahren vor der Landesregierung gestellten Anträge der Antragsgegnerin H Z, soweit sie die Leitung selbst betreffen (Seite 14 und 15 der Verhandlungsschrift vom 28.2.1994, lita-d), sowie die im Verfahren vor dem Bundesminister gestellten Beweisanträge auf Einholung von Sachverständigengutachten über die elektrischen und elektromagnetischen Felder am Standort, über die Frage der Erhöhung der Blitzschlaghäufigkeit durch die Errichtung der Hochspannungsleitung sowie über die Auswirkung der Hochspannungsleitung als drohende Gesundheitsgefährdung von Mensch und Tier, werden als nicht verfahrensgegenständlich zurückgewiesen.
b) Der im Verfahren vor der Landesregierung gestellte Antrag der Antragsgegnerin auf Bestellung eines Sachverständigen aus dem Immobilienfach (Seite 16 der Verhandlungsschrift vom 28.2.1994) und der im Verfahren vor dem Bundesminister gestellte Beweisantrag auf Einholung eines Sachverständigengutachtens über die Minderung des Ertragswertes der belasteten Liegenschaft durch eine Dienstbarkeit für eine Hochspannungsleitung werden abgewiesen, da zur endgültigen Feststellung der endgültigen Entschädigung die Antragsgegnerin Z den Gerichtsweg beschritten hat (Verfahren BG Freistadt - 3Nc 52/95 t).
c) Die nachgereichte ergänzende Stellungnahme und Urkundenvorlage der Antragsgegnerin Z, im Ministerium am 22.2.1996 eingegangen, erfolgte nach Ablauf der Fristen und wäre bei fristgerechter Einbringung als nicht verhandlungsgegenständlich zurückzuweisen gewesen, da sie nur jene Tatbestände trifft, die bereits im Bau- und Betriebsbewilligungsbescheid der OÖ. Landesregierung vom 12.4.1994 formell und materiell rechtskräftig entschieden worden sind.
d) Der vom Vertreter der Antragsgegnerin Z abgegebene Widerspruch zum Protokoll in der Verhandlung des Bundesministers wird als Nachtrag zur Verhandlungsschrift bestätigt und wegen sachlicher Unrichtigkeit abgewiesen.
III. Grundbuchrechtliche Feststellungen:
Im Grunde der Bestimmungen des §19 Abs2 des Starkstromwege-Grundsatzgesetzes, BGBl. Nr. 71/1968, ist dieser Bescheid eine Urkunde im Sinne des §33 Abs1 lt. des Allgemeinen Grundbuchgesetzes 1955, BGBl. Nr. 39 i.d.g.F.
IV. Verfahrenskosten:
A) Behördenkosten vor der OÖ. Landesregierung S 14.675,-
B) Kosten der Antragsgegnerin im Verfahren vor der
Landesregierung für die rechtsfreundliche
Vertretung S 16.343,04
C) Das Mehrbegehren lt. Kostennoten vom
15.4.1994 und 22.4.1994, RA Dr. K wird abgewiesen."
II.Gegen diesen Bescheid richtet sich die auf Art144 Abs1 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Unverletzlichkeit des Eigentums (Art5 StGG) und auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz (Art2 StGG) behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt wird.
Zur behaupteten Verletzung des Eigentumsrechtes führt die Beschwerde aus, die Erstbeschwerdeführerin habe im Verwaltungsverfahren mehrfach die Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit des Umfangs der eingeräumten Dienstbarkeiten bestritten. Weiters habe sie dargelegt, daß aufgrund der zu erwartenden Gesundheitsgefährdungen durch die Anlage medizinische Gutachten über die Auswirkungen der Hochspannungsleitung einzuholen seien, da diese Auswirkungen auch Einfluß auf Inhalt und Ausübung der Dienstbarkeiten hätten. Dies deshalb, da die befürchteten negativen Auswirkungen auf Menschen, Tiere und Pflanzen zu einer faktischen Enteignung der von der Leitung betroffenen Grundstücke führen werde.
Die belangte Behörde habe sich mit den Einwänden der Erstbeschwerdeführerin nicht auseinandergesetzt, habe die grundsätzliche Notwendigkeit der zwangsweisen Einräumung der Dienstbarkeitsrechte bejaht und die Alternative zur Dienstbarkeitseinräumung, nämlich die Einräumung von bloßen Leitungsrechten, unter Berufung auf ein Sachverständigengutachten mit dem Argument der unverhältnismäßigen Kosten für eine Verlegung der 110 kV-Leitung verneint.
Da der Bedarf auch durch die Einräumung eines bloßen Leitungsrechtes gedeckt werden könne, sei die zwangsweise Einräumung der über das bloße Leitungsrecht hinausgehenden Dienstbarkeitsrechte tatsächlich nicht erforderlich. Der Bescheid greife deshalb in das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Unverletzlichkeit des Eigentums ein.
Die Beschwerde rügt schließlich die Schlüssigkeit des Gutachtens des Amtssachverständigen und die Tatsache, daß die Behörde das Gutachten im wesentlichen übernommen habe, ohne dessen Schlüssigkeit zu begründen. Dadurch habe sie Willkür geübt und den Gleichheitsgrundsatz verletzt.
III.Die belangte Behörde legte
die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die Abweisung der Beschwerde und den Ersatz des erwachsenen Schriftsatzaufwandes beantragt.
Den Ausführungen der Beschwerde hinsichtlich der behaupteten Verletzung des Eigentumsrechtes hielt die belangte Behörde entgegen, §17 OÖ StWG sehe - im Hinblick auf die von der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes entwickelten Zulässigkeitskriterien der Enteignung - die Enteignung im Hinblick auf das öffentliche Interesse der Bevölkerung oder eines Teiles derselben an der Versorgung mit elektrischer Energie vor. Voraussetzung für die Enteignung sei, daß zwingende technische Gründe oder unverhältnismäßige Kosten einer allfälligen Leitungsverlegung den dauernden Bestand der elektrischen Leitungsanlage unmöglich machten. Die Betonung liege auf "dauernd", da ansonsten fremder Grund durch bloße Leitungsrechte im Sinne der §§14 ff OÖ StWG zu beanspruchen wäre. Daß der dauernde Bestand der Leitungsanlage, die der Versorgung des Großraumes Freistadt diene, im öffentlichen Versorgungsinteresse notwendig sei, gehe bereits aus dem rechtskräftigen Bau- und Betriebsbewilligungsbescheid hervor. Zweck des dem angefochtenen Bescheid zugrundeliegenden Verfahrens sei es nicht gewesen, diese bereits rechtskräftige Feststellung zu wiederholen, sondern - dem Regelungsinhalt der §§17 ff OÖ StWG folgend - zu ermitteln, ob aufgrund des Ergebnisses des Bau- und Betriebsbewilligungsverfahrens die zwangsweise Begründung von Leitungsdienstbarkeiten notwendig sei.
Für das Verfahren nach §17 OÖ StWG sei anzumerken, daß dann, wenn gemäß §7 OÖ StWG die Bau- und Betriebsbewilligung für ein Elektrizitätsleitungsprojekt erteilt wurde, das Ergebnis eines Verfahrens zur zwangsweisen Begründung von Dienstbarkeitsrechten gewissermaßen bereits vorweggenommen ist: Die Bau- und Betriebsbewilligung werde erteilt, wenn die Leitungsanlage für Zwecke der Versorgung der Bevölkerung oder von Gewerbebetrieben mit Energie notwendig sei; werde die Leitungsanlage, da sie dem öffentlichen Interesse an der Versorgung der Bevölkerung mit Energie dienlich ist, im Baubewilligungsverfahren befürwortet, so sei ihr Bestand auch höher zu werten als das Interesse eines Einzelnen am ungestörten Eigentum; daher werde im Enteignungsverfahren quasi nur mehr über die Art und den Umfang einer zwangsweisen Inanspruchnahme der betroffenen Grundstücke entschieden: entweder zwangsweise Begründung von bloßen Leitungsrechten, zwangsweise Begründung von Dienstbarkeitsrechten oder Enteignung in Form einer Abtretung von Grundstückseigentum.
Bloße Leitungsrechte würden von der Behörde immer dann eingeräumt, wenn die tatsächlichen Gegebenheiten aus technischen und wirtschaftlichen Überlegungen heraus für eine Enteignung nicht ausreichten. In der Praxis habe sich gezeigt, daß im überregionalen Bereich in den allermeisten Fällen zur zwangsweisen Einräumung von Dienstbarkeitsrechten gegriffen werden müsse, da derartige Leitungsanlagen in der Regel technisch und wirtschaftlich so aufwendig seien, daß ihre Verlegung größte Anstrengungen erfordern würde, die der Konsenswerberin ESG im Sinne einer effizienten und wirtschaftlichen Energieversorgung nicht zugemutet werden könnten. Es habe daher im gegenständlichen Fall mit bloßen Leitungsrechten nicht das Auslangen gefunden werden können. Die einwandfreie Beantwortung derartiger Fragen falle durchaus in die Fachkompetenz des beigezogenen Amtssachverständigen. Dabei spiele es auch keine Rolle, daß die exakten Kosten einer allfälligen Leitungsverlegung im Verfahren nicht - wie die Erstbeschwerdeführerin verlangt habe - auf den Schilling genau errechnet worden seien, da für die Beurteilung der Zumutbarkeit einer Leitungsverlegung auch ein Größenordnungsvergleich als ausreichend angesehen werden müsse.
Die Einwände der Erstbeschwerdeführerin, die Leitung würde zu Gesundheitsgefährdungen führen, sowie die auf Beiziehung von Sachverständigen zur Beurteilung der Auswirkungen von durch die Leitungsanlage verursachten elektromagnetischen Feldern gerichteten Anträge seien bereits im Bau- und Betriebsbewilligungsverfahren rechtskräftig erledigt worden und seien darüberhinaus im Enteignungsverfahren keinesfalls verhandlungsgegenständlich. Die Beschwerdeführer hätten nicht dargetan, inwieweit beispielsweise die von einer nur durch bloße Leitungsrechte abgesicherten Leitungsanlage ausgehenden elektromagnetischen Felder in ihren Auswirkungen von denen einer durch Leitungsdienstbarkeiten abgesicherten Leitung abweichen würden.
Es liege ein konkreter Bedarf an der Errichtung der von der ESG beantragten Elektrizitätsleitungsanlage vor, dessen Deckung im öffentlichen Interesse liege. Dieser konkrete Bedarf sei ebenso wie das öffentliche Interesse im Baubewilligungsbescheid vom 12. April 1994 rechtskräftig festgestellt worden.
Wie ebenfalls aus dem genannten Bescheid hervorgehe, seien die Grundstücke Nr. ..., (nunmehr) EZ ..., sowie Nr. ... und ..., geeignet, diesen Bedarf unmittelbar zu decken.
Daß es unmöglich gewesen sei, den konkreten, im öffentlichen Interesse gelegenen Bedarf anders als durch die Einräumung von Leitungsdienstbarkeiten zu decken, ergebe sich aus der Größe und Bedeutung der gegenständlichen Leitungsanlage. Je größer und bedeutender eine Leitungsanlage sei, desto eher sprächen technische Gründe sowie auch Kostenerwägungen für die ungestörte Belassung an einem bestimmten Ort. In der Literatur zum Starkstromwegerecht (Sladecek-Orglmeister, Österreichisches Starkstromwegerecht, 98) werde als Richtgröße angenommen, daß bei Überlandleitungen mit einer Betriebsspannung von 30 kV oder mehr keinesfalls mit bloßen Leitungsrechten das Auslangen gefunden werden könne, sondern zur Besicherung der Leitungsanlage die Einräumung von Dienstbarkeitsrechten nötig sei. Daß die projektierte Leitung aufgrund ihrer Größe und Bedeutung nicht ohne weiteres abgetragen und woanders wieder errichtet werde könne und daß daher die Einräumung von Dienstbarkeitsrechten unumgänglich notwendig sei, habe der technische Amtssachverständige in seinem schlüssigen Gutachten nachgewiesen. Damit würden auch die durch die Oberösterreichische Landesregierung bezüglich der Bedeutung der projektierten 100 kV-Leitungsanlage für die Verbesserung und Aufrechterhaltung der Versorgungssicherheit getroffenen Feststellungen bestätigt.
Es sei daher nur mehr die Frage zu beantworten gewesen, ob die benötigten Dienstbarkeitsrechte auch anders als durch Enteignung eingeräumt werden können. Wie sich im Verfahren gezeigt habe, habe die ESG ausgedehnte Bemühungen unternommen, um zu einer privatrechtlichen Vereinbarung über die Dienstbarkeitseinräumung zu gelangen. Diese Bemühungen hätten jedoch nicht zum gewünschten Erfolg geführt. Es sei daher, zumal auch im Verfahren vor dem Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten keine Einigung erzielt werden konnte, die zwangsweise Einräumung der beantragten Dienstbarkeitsrechte auszusprechen gewesen.
Alle der einschlägigen Judikatur des Verfassungsgerichtshofes entsprechenden Voraussetzungen für die Enteignung seien von der belangten Behörde einwandfrei erhoben worden, sodaß für die belangte Behörde nicht erkennbar sei, worin die von den Beschwerdeführern behauptete Willkür bestehen könnte.
IV.Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:
1. Zur Beschwerdelegitimation:
Wie der Verfassungsgerichtshof wiederholt ausgesprochen hat, ist die auch im Zeitpunkt seiner Entscheidung erforderliche Beschwerdelegitimation nur dann gegeben, wenn durch den bekämpften Bescheid irgendein subjektives Recht der beschwerdeführenden Partei verletzt worden sein kann, mithin wenn die bescheidmäßigen Anordnungen oder Feststellungen die subjektive Rechtssphäre berühren, der Bescheid also subjektive Rechte (oder Pflichten) begründet, verändert oder feststellt (VfSlg. 8746/1980 mit weiteren Rechtsprechungshinweisen).
Mit dem Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides wurde
zugunsten der ESG auf den Grundstücken ..., ... und ..., zu
diesem Zeitpunkt alle EZ ..., die Dienstbarkeit der
Leitungsführung eingeräumt. Mit Schenkungsvertrag vom 10. März
1996 hat die Erstbeschwerdeführerin die Grundstücke ... und ...
ihrem Sohn Hz - dem nunmehrigen Drittbeschwerdeführer - geschenkt. Weiters hat sie mit Übergabsvertrag vom gleichen Tag das Grundstück ..., nunmehr EZ ..., ihrem Sohn Hm übertragen und sich selbst das Wohnungsrecht sowie das Ausgedinge vorbehalten.
Obwohl der angefochtene Bescheid nur an die Erstbeschwerdeführerin gerichtet ist, so ist er doch kraft der dinglichen Wirkung der Einräumung eines Dienstbarkeitsrechtes (vgl. §308 ABGB) geeignet, in die Rechtsposition der Rechtsnachfolger im Eigentum an den von der Enteignung betroffenen Liegenschaften einzugreifen. Die Rechtsnachfolger im Eigentum sind daher ebenso wie die Erstbeschwerdeführerin als weiterhin dinglich Berechtigte zur Beschwerdeführung legitimiert.
Da auch die sonstigen Prozeßvoraussetzungen zutreffen, ist die Beschwerde insgesamt zulässig.
2. In der Sache:
2.1. Die für den vorliegenden Fall maßgeblichen Bestimmungen des in Ausführung der Grundsatzbestimmungen des Bundesgesetzes über elektrische Leitungsanlagen, die sich nicht auf zwei oder mehrere Bundesländer erstrecken, BGBl. 71/1968, erlassenen OÖ StWG lauten:
"§11
Leitungsrechte
(1) Jedem, der eine elektrische Leitungsanlage betreiben will, sind von der Behörde auf Antrag an Grundstücken einschließlich der Pivatgewässer, der öffentlichen Straßen und Wege sowie des sonstigen öffentlichen Gutes Leitungsrechte einzuräumen, wenn und soweit dies durch die Bewilligung der Errichtung, Änderung oder Erweiterung einer elektrischen Leitungsanlage notwendig wird.
(2) Dem Antrag ist nicht zu entsprechen, wenn
a) der dauernde Bestand der elektrischen Leitungsanlage an einem bestimmten Ort aus zwingenden technischen Gründen oder mit Rücksicht auf die unverhältnismäßigen Kosten ihrer Verlegung die Enteignung erfordert (§17),
b)
ihm öffentliche Interessen (§7 Abs1) entgegenstehen oder
c)
über die Grundbenützung schon privatrechtliche Vereinbarungen vorliegen.
§12
Inhalt der Leitungsrechte
(1) Die Leitungsrechte umfassen das Recht
a) auf Errichtung und Erhaltung sowie auf Betrieb von Leitungsstützpunkten, Schalt- und Umspannanlagen, sonstigen Leitungsobjekten und anderem Zubehör,
b) auf Führung mit Erhaltung sowie auf Betrieb von Leitungsanlagen im Luftraum oder unter der Erde,
c) auf Ausästung, worunter auch die Beseitigung von hinderlichen Baumpflanzungen und das Fällen einzelner Bäume zu verstehen ist, sowie auf Vornahme von Durchschlägen durch Waldungen, wenn sich keine andere wirtschaftliche Möglichkeit der Leitungsführung ergibt und die Erhaltung und forstgemäße Bewirtschaftung des Waldes dadurch nicht gefährdet wird,
d) auf den Zugang und die Zufahrt vom öffentlichen Wegenetz zu der auf einem Grundstück ausgeführten Anlage.
(2) Der Inhalt des jeweiligen Leitungsrechtes ergibt sich aus dem Bewilligungsbescheid.
...
§14
Ausübung der Leitungsrechte
(1) Bei der Ausübung von Leitungsrechten ist mit tunlichster Schonung der benützten Grundstücke und der Rechte Dritter vorzugehen. Insbesondere hat der Leitungsberechtigte während der Ausführung der Arbeiten auf seine Kosten für die tunlichste Ermöglichung des widmungsgemäßen Gebrauches des benutzten Grundstückes zu sorgen. Nach Beendigung der Arbeiten hat er einen Zustand herzustellen, der keinen Anlaß zu begründeten Beschwerden gibt. In Streitfällen entscheidet die Behörde.
(2) Durch die Leitungsrechte darf der widmungsgemäße Gebrauch der zu benutzenden Grundstücke nur unwesentlich behindert werden. Die Behörde hat auf Antrag des durch das Leitungsrecht Belasteten dem Leitungsberechtigten die Leitungsrechte zu entziehen, wenn dieser Belastete nachweist, daß die auf seinem Grundstück befindlichen elektrischen Leitungsanlagen oder Teile derselben die von ihm beabsichtigte zweckmäßige Nutzung des Grundstückes entweder erheblich erschweren oder überhaupt unmöglich machen.
(3) Sofern die für die Entziehung des Leitungsrechtes geltend gemachte Benützung nicht innerhalb von achtzehn Monaten ab Rechtskraft des Entziehungsbescheides erfolgt, ist dem bisherigen Leitungsberechtigten vom bisherigen durch das Leitungsrecht Belasteten für den erlittenen Schaden Vergütung zu leisten. §21 Abs1 gilt sinngemäß.
§15
Auswirkung der Leitungsrechte
(1) Die Leitungsrechte gehen samt den mit ihnen verbundenen Verpflichtungen auf jeden Erwerber der elektrischen Leitungsanlage, für die sie eingeräumt worden sind, über.
(2) Sie sind gegen jeden Eigentümer des in Anspruch genommenen Grundstückes und sonstige hieran dinglich Berechtigte wirksam. Auch steht ein Wechsel eines Eigentümers oder sonstigen dinglich Berechtigten nach ordnungsgemäßer Ladung zur mündlichen Verhandlung der Wirksamkeit des ein Leitungsrecht einräumenden Bescheides nicht im Wege.
(3) Die Leitungsrechte verlieren ihre Wirksamkeit gleichzeitig mit dem Erlöschen der Bewilligung der elektrischen Leitungsanlage.
§16
Einräumung von Leitungsrechten
(1) In den Anträgen auf behördliche Einräumung von Leitungsrechten sind die betroffenen Grundstücke mit ihrer Katastral- und Grundbuchsbezeichnung sowie deren Eigentümer und sonstige dinglich Berechtigte mit Ausnahme der Hypothekargläubiger nebst Inhalt (§12) der beanspruchten Rechte anzuführen.
(2) Leitungsrechte (§11) sind durch Bescheid einzuräumen.
(3) Anträge gemäß Abs1 können auch nach Einbringung des Ansuchens um Bewilligung der elektrischen Leitungsanlage (§6) gestellt werden.
§17
Enteignung
Wenn der dauernde Bestand der elektrischen Leitungsanlage an einem bestimmten Ort aus zwingenden technischen Gründen oder mit Rücksicht auf die unverhältnismäßigen Kosten ihrer Verlegung die Enteignung erfordert, sodaß mit den Leitungsrechten nach den §§11 ff. das Auslangen nicht gefunden werden kann, hat die Behörde über Antrag die Enteignung für elektrische Leitungsanlagen samt Zubehör einschließlich der Umspann-, Umform- und Schaltanlagen auszusprechen.
§18
Gegenstand der Enteignung
(1) Die Enteignung kann umfassen:
a) die Bestellung von Dienstbarkeiten an unbeweglichen Sachen,
b)
die Abtretung von Eigentum an Grundstücken,
c)
die Abtretung, Einschränkung oder Aufhebung anderer dinglicher Rechte an unbeweglichen Sachen und solcher Rechte, deren Ausübung an einen bestimmten Ort gebunden ist.
(2) Von Abs1 litb darf nur Gebrauch gemacht werden, wenn die übrigen in Abs1 angeführten Maßnahmen nicht ausreichen.
(3) Der Enteignungsgegner kann im Zuge eines Enteignungsverfahrens die Einlösung der durch Dienstbarkeiten oder andere dingliche Rechte gemäß Abs1 in Anspruch zu nehmenden unverbauten Grundstücke oder Teile von solchen gegen Entschädigung verlangen, wenn diese durch diese Belastung die zweckmäßige Benützbarkeit verlieren würden. Würde durch die Enteignung eines Grundstückteiles dieses Grundstück für den Eigentümer die zweckmäßige Benützbarkeit verlieren, so ist auf dessen Verlangen das ganze Grundstück einzulösen."
2.2. Die Einräumung der Dienstbarkeit einer Leitung über ein fremdes Grundstück ist nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes als Einräumung von Zwangsrechten und damit als Enteignung anzusehen (vgl. VfSlg. 7145/1973 und 10236/1984).
Eine Enteignung ist nur dann verfassungsrechtlich erlaubt, wenn und soweit es notwendig ist, Privatrechte zu entziehen, um einem Gebot des allgemeinen Besten zu entsprechen. Es muß demnach ein konkreter Bedarf vorliegen, dessen Deckung im öffentlichen Interesse liegt, es muß weiter das Objekt der Enteignung überhaupt geeignet sein, diesen Bedarf unmittelbar zu decken, und es muß schließlich unmöglich sein, den Bedarf anders als durch Enteignung zu decken (VfSlg. 9763/1983, 10236/1984).
Das OÖ StWG sieht vier Arten von Eigentumseingriffen zugunsten elektrischer Leitungsanlagen vor:
1. Einräumung von bloßen Leitungsrechten an fremden Grundstücken durch Bescheid,
2. Bestellung von über bloße Leitungsrechte hinausgehenden Dienstbarkeiten an unbeweglichen Sachen im Wege der Enteignung,
3.
Abtretung von Eigentum an Grundstücken sowie
4.
Abtretung, Einschränkung oder Aufhebung anderer dinglicher Rechte an unbeweglichen Sachen und solcher Rechte, deren Ausübung an einen bestimmten Ort gebunden ist.
Allen diesen Eingriffen in fremdes Eigentum gemeinsam ist die Tatsache, daß sowohl die bloßen Leitungsrechte als auch die Enteignung nur zugunsten einer konkreten elektrischen Leitungsanlage für Starkstrom eingeräumt werden können, wobei die Bau- und Betriebsbewilligung für eine solche Leitungsanlage ua. nur dann zu erteilen ist, wenn die elektrische Leitungsanlage dem öffentlichen Interesse an der Versorgung der Bevölkerung oder eines Teiles derselben mit elektrischer Energie nicht widerspricht.
Dem dem Eigentumsschutz innewohnenden Verhältnismäßigkeitsprinzip entsprechend, sieht §17 OÖ StWG vor, daß ua. Dienstbarkeiten im Wege der Enteignung erst dann bestellt werden dürfen, wenn mit bloßen Leitungsrechten nicht das Auslangen gefunden werden kann.
Durch bloße Leitungsrechte darf gemäß §14 Abs2 OÖ StWG der widmungsgemäße Gebrauch der zu benutzenden Grundstücke nur unwesentlich behindert werden. Daher hat die Behörde auf Antrag des durch das Leitungsrecht Belasteten dem Leitungsberechtigten die Leitungsrechte zu entziehen, wenn dieser Belastete nachweist, daß die auf seinem Grundstück befindlichen elektrischen Leitungsanlagen oder Teile derselben die von ihm beabsichtigte zweckmäßige Nutzung des Grundstückes entweder erheblich erschweren oder überhaupt unmöglich machen.
Wenn hingegen der dauernde Bestand der elektrischen Leitungsanlage an einem bestimmten Ort aus zwingenden technischen Gründen oder mit Rücksicht auf die unverhältnismäßigen Kosten ihrer Verlegung die Enteignung erfordert, sodaß mit bloßen Leitungsrechten nach den §§11 ff. leg. cit. das Auslangen nicht gefunden werden kann, hat die Behörde gemäß §17 OÖ StWG über Antrag die Enteignung für elektrische Leitungsanlagen auszusprechen.
Bei der geschilderten Rechtslage gelangt der Verfassungsgerichtshof unter dem Blickwinkel des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Unverletzlichkeit des Eigentums zu dem Ergebnis, daß die Regelung des §18 OÖ StWG über die Bestellung von Dienstbarkeiten an unbeweglichen Sachen zugunsten von elektrischen Leitungsanlagen im Wege der Enteignung keinen unverhältnismäßigen Eigentumseingriff vorsieht.
2.3. Die Beschwerde behauptet, durch den Vollzug der Enteignungsbestimmungen im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unverletzlichkeit des Eigentums dadurch verletzt worden zu sein, daß die belangte Behörde kein bloßes Leitungsrecht eingeräumt, sondern im Wege der Enteignung eine über das bloße Leitungsrecht hinausgehende Dienstbarkeit bestellt hat.
Bei der verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit der Rechtsgrundlagen des angefochtenen Bescheides würde dieser das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Unversehrtheit des Eigentums nur verletzen, wenn die Behörde das Gesetz in denkunmöglicher Weise angewendet hätte, ein Fall, der nur dann vorläge, wenn die Behörde einen so schweren Fehler begangen hätte, daß dieser mit Gesetzlosigkeit auf eine Stufe zu stellen wäre (zB VfSlg. 10370/1985, 11470/1987).
Ein derartiger Vorwurf kann jedoch der belangten Behörde nicht gemacht werden. Die belangte Behörde hat sich bei der Beurteilung der Frage, ob der dauernde Bestand der Leitungsanlage die Enteignung erfordert, - soweit diese Frage nicht bereits durch den Bescheid über die elektrizitätsrechtliche Bau- und Betriebsbewilligung präjudiziert ist - auf das Gutachten eines Sachverständigen gestützt, das diese Frage im Hinblick auf die grundlegende Bedeutung der Leitungsanlage für die öffentliche Versorgung des Mühlviertels mit elektrischer Energie einerseits und der unverhältnismäßigen Kosten einer etwaigen Verlegung der Leitungsanlage bejaht hat. Ob das Gutachten des Sachverständigen mängelfrei ist und ob die Behörde das Gesetz richtig ausgelegt hat, ist nicht vom Verfassungsgerichtshof zu beurteilen.
2.4. Die Beschwerde wirft dem Bescheid schließlich eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz vor.
Ein willkürliches Verhalten der Behörde, das in die Verfassungssphäre eingreift, liegt ua. in einer gehäuften Verkennung der Rechtslage, aber auch im Unterlassen jeglicher Ermittlungstätigkeit in einem entscheidenden Punkt oder dem Unterlassen eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens überhaupt, insbesondere in Verbindung mit einem Ignorieren des Parteivorbringens und einem leichtfertigen Abgehen vom Inhalt der Akten oder dem Außerachtlassen des konkreten Sachverhaltes (zB VfSlg. 8808/1980 und die dort angeführte Rechtsprechung; VfSlg. 10338/1985, 11213/1987).
Wie bereits oben ausgeführt, hat die Behörde ein Ermittlungsverfahren durchgeführt, einen Sachverständigenbeweis aufgenommen und ist auf das Parteivorbringen eingegangen.
Die behaupteten Verfahrensmängel (unschlüssiges Gutachten, lückenlose Übernahme des Gutachtens, kein Eingehen auf die Frage der tatsächlichen Kosten einer allfälligen Verlegung der Leitungsanlage) bedeuteten jedoch - selbst wenn sie vorlägen - kein willkürliches Verhalten der Behörde.
3. Die Beschwerde war daher abzuweisen und gemäß Art144 Abs3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof abzutreten.
4. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
5. Der Kostenausspruch gründet sich auf §88 VerfGG. Ein Kostenzuspruch an die belangte Behörde ist im VerfGG nicht vorgesehen (VfSlg. 10003/1984; VfGH 24.9.1996, B2450/95, 25.11.1996, B2326/96).
Schlagworte
VfGH / Legitimation, Enteignung, Energierecht, Elektrizitätswesen, Servituten, SachverständigeEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1997:B1961.1996Dokumentnummer
JFT_10028790_96B01961_00