TE Vwgh Beschluss 2018/2/20 Ro 2018/08/0003

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Veröffentlicht am 20.02.2018
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
60/03 Kollektives Arbeitsrecht;
66/01 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz;
70/02 Schulorganisation;

Norm

ArbVG §22;
ASVG §4 Abs1 Z1;
ASVG §4 Abs2;
B-VG Art133 Abs4;
SchOG 1962 §3 Abs2 lita;
VwGG §34 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bachler und den Hofrat Dr. Strohmayer als Richter sowie die Hofrätin Dr. Julcher als Richterin, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Sinai, über die Revision der Mag. K R-D in F, vertreten durch die Haslinger/Nagele & Partner Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Mölker Bastei 5, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 18. Oktober 2017, Zl. G312 2113623-1/19E, betreffend Pflichtversicherung nach dem ASVG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Steiermärkische Gebietskrankenkasse), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis stellte das Bundesverwaltungsgericht - in Bestätigung eines Bescheides der Steiermärkischen Gebietskrankenkasse - fest, dass näher bezeichnete, für die Revisionswerberin tätige Personen in ebenfalls näher bezeichneten Zeiträumen gemäß § 4 Abs. 1 Z 1 iVm Abs. 2 ASVG sowie § 1 Abs. 1 lit. a AlVG der Voll- und Arbeitslosenversicherungspflicht bzw. gemäß § 4 Abs. 1 Z 1 iVm Abs. 2 und § 7 Z 3 lit. a ASVG der Unfallversicherungspflicht unterlegen seien; es stellte weiters fest, dass die Revisionswerberin wegen der festgestellten Meldedifferenzen verpflichtet sei, die in der Beitragsabrechnung vom 25. August 2014 und im Prüfbericht vom 26. August 2014 ausgewiesenen Beträge nach den jeweils angeführten Beitragsgrundlagen sowie Verzugszinsen in Höhe von insgesamt EUR 156.943,35 nachzuentrichten.

2 Begründend führte das Bundesverwaltungsgericht aus, die Revisionswerberin betreibe als Franchisenehmerin ein Nachhilfeinstitut für Schüler aller Schularten von der Volksschule bis zum Maturaniveau. Die Personen, um deren Pflichtversicherung es gehe, seien in den verfahrensrelevanten Zeiträumen als Nachhilfelehrer für sie tätig gewesen. Sie seien von ihr als freie Dienstnehmer zur Pflichtversicheurng angemeldet worden.

3 Das Franchiseunternehmen sei ISO-zertifiziert; dies betreffe verbindlich einzuhaltende Vorgaben wie einheitliche Marketingauftritte, ein einheitliches Erscheinungsbild nach außen, einheitliche Institutseinrichtung, verpflichtende Verwendung des ICAS-Programms, Verwendung von qualifizierten Nachhilfelehrern, Verpflichtung zur Weiterbildung und Richtlinien für die Büroleitung.

4 Die Nachhilfelehrer würden durch Inserate und Mundpropaganda rekrutiert. Vor Beginn der Tätigkeit werde ein Bewerbungsgespräch geführt, in dem unter anderem die Eignung der Bewerber sowie die zeitlichen Möglichkeiten geklärt würden. Nach Fixierung der Arbeitszeit (der Tag und die Uhrzeit des Unterrichts würden zwischen den Nachhilfelehrern und der Revisionswerberin festgelegt), der Vertragsunterzeichnung und Zuteilung der Nachhilfegruppe sei der Nachhilfelehrer für die Gruppe verantwortlich. Durch die Vertragsunterzeichnung hätten die Nachhilfelehrer eine Verschwiegenheitsverpflichtung und ein Konkurrenzverbot unterfertigt.

5 Die Nachhilfe finde ausschließlich in den Räumlichkeiten des Nachhilfeinstituts statt.

6 Die Nachhilfelehrer könnten sich laut schriftlichem Vertrag durch geeignete Personen vertreten lassen; jedoch sei faktisch nur eine Vertretung aus dem Kreis der anderen Nachhilfelehrer zur Anwendung gekommen. Eine Vertretung durch eine andere geeignete Person sei nur in einem sehr geringen Ausmaß gelebt worden. Es gebe eine so genannte Vertreterliste, in die sich neue Nachhilfelehrer freiwillig eintragen könnten. Überwiegend seien die Stunden durch die Nachhilfelehrer selbst abgehalten worden, in Ausnahmefällen seien Stunden verschoben worden, ganz selten würden Einheiten abgesagt. Die Nachhilfelehrer wüssten meist im Voraus, wenn sie nicht könnten, und informierten ihre Schüler im letzten Unterricht oder telefonisch. Es gebe keine (ausdrückliche) Informationspflicht an die Revisionswerberin, faktisch geschehe dies aber - vor allem, weil die Räumlichkeiten dann frei seien und für andere Unterrichtsstunden zur Verfügung stünden. Bei Unterstufenschülern werde die Revisionswerberin von den Nachhilfelehrern beauftragt, die Eltern anzurufen.

7 Die Nachhilfelehrer schrieben ihre Stunden mit und am Monatsende würden die Stundenaufzeichnungen mit einer von der Revisionswerberin geführten Excel-Tabelle verglichen. Nach Erstellung der Honorarnote erhielten die Nachhilfelehrer ihr Gehalt.

8 Die Revisionswerberin kontrolliere, ob die Nachhilfeschüler da seien; wenn ein Unterstufenschüler fehle, rufe sie die Eltern an.

9 Die Nachhilfelehrer benutzten das Sekretariat, das die Kurse organisiere, auch für Absagen und zum Informationsaustausch.

10 In der Regel kämen die Schüler ein- bis zweimal in der Woche für 90 Minuten. Die Gruppe könne sich nur im Rahmen der Vorgaben des Franchiseunternehmens ändern. Es werde mit jedem Schüler individuell gearbeitet, manchmal komme jemand hinzu und manchmal bleibe jemand weg. Die Nachhilfelehrer hätten grundsätzlich die Möglichkeit, die Gruppengröße zu verändern; dies sei jedoch nur in Einzelfällen aufgetreten, zumal diese Möglichkeit durch die Raumkapazität und die Qualitätsverpflichtung beschränkt sei. In den fünf Unterrichtsräumen sei Platz für jeweils sechs Personen. Dort befänden sich jeweils eine Tischgruppe, eine Tafel, Schulbücher, Wörterbücher und zwei Laptops.

11 Die Nachhilfelehrer legten Mappen mit Übungsbeispielen an, wobei sie auch Übungsblätter aus der Schule kopierten. Ein Kopierer stehe ihnen kostenfrei zur Verfügung. Sie kauften auch selbst Unterrichtsmaterial.

12 Die Nachhilfeeinheiten würden von den Lehrern inhaltlich eigenständig konzipiert. Die Tätigkeit beschränke sich nicht nur auf die Abhaltung des Kurses, sondern umfasse auch dessen terminliche Koordination, inhaltliche Planung und Gestaltung sowie die Korrektur der von den Schülern gelösten Fälle. Inhalt und Gestaltung der Kurse würden nicht von der Revisionswerberin beeinflusst, sie seien durch das Franchise-Konzept vorgegeben.

13 Die Revisionswerberin erfasse über das Sekretariat die Elterngespräche und gebe den Nachhilfelehrern deren Inhalt, soweit relevant, weiter. Besprechungen mit den Nachhilfelehrern fänden im Anlassfall statt.

14 Die Revisionswerberin sei durch ihren Franchisevertrag u. a. zur Anwendung des ICAS-Computersystems verpflichtet. Dieses werde zur Einteilung der Gruppen verwendet. Es werde jeder einzelne Schüler mit seinen persönlichen Daten und dem Fach angelegt. Es gebe zwei Zugänge, einen für die Büroleitung und einen anderen, eingeschränkten für die Nachhilfelehrer. Diese könnten im System den Namen des Schülers, die Klasse und die eigenen Eintragungen sehen. Sie trügen zB Noten, Test- und Schularbeitstermine, die Stoffgebiete und Auffälligkeiten der Schüler ein. Das ICAS-System diene der Revisionswerberin zur Qualitätssicherung und den Nachhilfelehrern zur eigenen Absicherung sowie zur Dokumentation des Fortschritts der Schüler, aber auch zum Zweck der Information einer eventuellen Vertretung. Auch wenn die Eintragung in dieses Computersystem nicht ausdrücklich verpflichtend vorgegeben werde, sei es für die Revisionswerberin "lebensnotwendig", um die eigene Verpflichtung gegenüber dem Franchise-Partner einzuhalten. Aus der Natur der Sache ergebe sich eine verpflichtende Eintragung in das ICAS-System. Dies werde auch so gelebt.

15 Die Räumlichkeiten des Instituts seien in den Kernzeiten zwischen 13 und 18 Uhr sowie am Samstagvormittag geöffnet. Werde der Nachhilfeunterricht außerhalb dieser Zeiten durchgeführt, gebe es so genannte Wanderschlüssel für die Nachhilfelehrer.

16 Regelmäßige Teambesprechungen gebe es nicht. Bei verhaltensauffälligen Schülern werde die Revisionswerberin um Rat gefragt.

17 Anschließend an diese Feststellungen gab das Bundesveraltungsgericht den verwendeten Vertragstext wieder. Daraus ergibt sich u.a., dass es den Dienstnehmern einerseits freisteht, gleichartige Tätigkeiten auch für andere Auftraggeber auszuüben, dass es ihnen aber andererseits (auf Grund einer bis 2014 verwendeten Klausel) untersagt ist, Schüler des Instituts, die ihnen auf Grund ihrer Tätigkeit für die Revisionswerberin bekannt geworden sind, für die Erteilung von Nachhilfeunterricht durch sie selbst oder andere abzuwerben. Weiters enthielt der Vertrag bis zum Jahr 2014 eine Verschwiegenheitsverpflichtung.

18 Das Bundesverwaltungsgericht gab außerdem auszugsweise den von der Revisionswerberin abgeschlossenen Franchise-Vertrag wieder, der unter anderem die verpflichtende Vermittlung der von ihr einzuhaltenden Betreuungs- und Unterrichtskonzeption an sie vorsah.

19 In seiner rechtlichen Beurteilung führte das Bundesverwaltungsgericht aus, dass sich die Nachhilfelehrer zur wiederholten Dienstleistung im Nachhilfeinstitut verpflichtet hätten. Die Leistungen seien wöchentlich mehrmals wiederkehrend im Institut erbracht worden. Auch wenn die Nachhilfelehrer die Zeit der Nachhilfe grob frei entscheiden hätten können, seien sie im Grunde den Anforderungen der Revisionswerberin unterworfen gewesen. Die Koordination der Zeiten und Räumlichkeiten sei über das Sekretariat erfolgt. Die Nachhilfelehrer seien auch zur Eintragung in das ICAS-System angehalten worden. Dass die Eintragung nicht verpflichtend gewesen sei, stehe im krassen Gegensatz zur Verpflichtung der Revisionswerberin auf Grund ihres Franchise-Vertrages. Durch diese Eintragungen habe die Revisionswerberin auch die Möglichkeit gehabt, die Tätigkeit der Nachhilfelehrer zu kontrollieren und gegebenenfalls einzugreifen. Die Nachhilfelehrer habe auch eine persönliche Arbeitspflicht getroffen, ein generelles Vertretungsrecht sei nicht gelebt worden. Damit sei auch das berechtigte Anliegen der Revisionswerberin verbunden gewesen, sicherzustellen, dass die vom Nachhilfeinstitut propagierte Lehrmethode und die damit verbundene Erfolgsgarantie von damit vertrauten Nachhilfelehrern gewährleistet würden. Nur die Art der Bezahlung der Nachhilfelehrer weise eher in Richtung freie Dienstverträge.

20 Die Nachhilfelehrer seien in die Betriebsorganisation der Revisionswerberin eingebunden gewesen, indem sie ihre Tätigkeit in ihren Räumlichkeiten nach grundsätzlich verpflichtend einzuhaltenden Stundenplänen abgehalten und am innerbetrieblichen Informationssystem teilgenommen hätten. Die Revisionswerberin habe zwar nicht durch persönliche Weisungen auf das arbeitsbezogene Verhalten der Nachhilfelehrer eingewirkt, jedoch seien sie in die von ihr bestimmte Ablauforganisation am Ort der Arbeitserbringung eingebunden gewesen. Die Dienstnehmer hätten somit nicht die Möglichkeit gehabt, den Ablauf der Arbeit jederzeit selbst zu regeln und auch zu ändern, wie es für den freien Dienstvertrag typisch sei.

21 Eine Abwägung im Sinn des § 4 Abs. 2 ASVG ergebe, dass bei der Tätigkeit der Nachhilfelehrer die Merkmale persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit überwogen hätten.

22 Schließlich bejahte das Bundesverwaltungsgericht mit näherer Begründung die Anwendbarkeit des Mindestlohntarifs für in privaten Bildungseinrichtungen beschäftigte Arbeitnehmer.

23 Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG sprach das Bundesverwaltungsgericht aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig sei. Zum einen mangle es an höchstgerichtlicher Rechtsprechung "zu der Berufsgruppe der Nachhilfelehrer seit der geänderten Judikatur zum Beschäftigungsverhältnis freier Dienstnehmer"; zum anderen bestehe für an einem Nachhilfeinstitut beschäftigte Nachhilfelehrer noch keine höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Anwendbarkeit des Mindestlohntarifs für in privaten Bildungseinrichtungen beschäftigte Arbeitnehmer.

Der Verwaltungsgerichtshof hat nach Erstattung einer Revisionsbeantwortung durch die Steiermärkische Gebietskrankenkasse über die Zulässigkeit der Revision erwogen:

24 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

25 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

26 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden.

27 Auch in der ordentlichen Revision hat der Revisionswerber von sich aus die unter dem Gesichtspunkt einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung maßgeblichen Gründe der Zulässigkeit der Revision aufzuzeigen, sofern er der Ansicht ist, dass die Begründung des Verwaltungsgerichts für die Zulässigkeit der Revision nicht ausreicht oder er andere Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung für relevant erachtet. Das gilt auch dann, wenn sich die Revision zwar auf die Gründe, aus denen das Verwaltungsgericht die (ordentliche) Revision für zulässig erklärt hatte, beruft, diese aber fallbezogen keine Rolle (mehr) spielen oder zur Begründung der Zulässigkeit der konkret erhobenen Revision nicht ausreichen (vgl. VwGH 11.5.2017, Ro 2016/21/0022, mwN).

28 Das ist hier der Fall. Die Entscheidung über das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung im Sinn des § 4 Abs. 2 ASVG ist das Ergebnis einer im Einzelfall vorzunehmenden Gesamtabwägung der maßgeblich für bzw. gegen das Vorliegen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses sprechenden Umstände und Merkmale, die im Allgemeinen nicht revisibel ist (vgl. etwa VwGH 9.11.2017, Ra 2017/08/0115, mwN). Die dazu vom Verwaltungsgerichtshof entwickelten Kriterien sind grundsätzlich unabhängig von bestimmten Berufsgruppen und Tätigkeitsbereichen anzuwenden, sodass das Fehlen höchstgerichtlicher Rechtsprechung zur "Berufsgruppe der Nachhilfelehrer" für sich genommen nicht die Zulässigkeit der Revision begründen könnte. Worin aber die "geänderte Judikatur zum Beschäftigungsverhältnis freier Dienstnehmer" bestehen soll, ist nicht ersichtlich.

29 Die Revision wäre jedoch zulässig, wenn das Bundesverwaltungsgericht die Abgrenzung zwischen freiem und "echtem" Dienstvertrag in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden unvertretbaren Weise vorgenommen hätte. Dies wird in der Revision behauptet, trifft aber nicht zu.

30 Der Verwaltungsgerichtshof hat die Pflichtversicherung von Vortragenden bzw. Lehrenden nach § 4 Abs. 1 Z 1 iVm Abs. 2 ASVG in seiner Rechtsprechung dann bejaht, wenn die Vortragenden in den Betrieb der Auftraggeber organisatorisch eingebunden waren oder ihre Tätigkeit durch Richtlinien determiniert war oder zumindest eine die persönliche Bestimmungsfreiheit des Vortragenden einschränkende Kontrollmöglichkeit bestanden hat (vgl. etwa VwGH 11.7.2012, 2010/08/0204, mwN). Zumindest die erste dieser Voraussetzungen war im vorliegenden Fall auf Basis der insoweit im Wesentlichen unbestrittenen Feststellungen des Bundesverwaltungsgerichts jedenfalls gegeben. Dem Bundesverwaltungsgericht kann auch nicht entgegengetreten werden, wenn es aus der eigenen Verpflichtung der Revisionswerberin gegenüber ihrem Franchisepartner zur Einhaltung von Qualitätsstandards einerseits eine Einschränkung der Bestimmungsfreiheit der Nachhilfelehrer und andererseits das tatsächliche Nichtbestehen eines generellen Vertretungsrechts abgeleitet hat. Dass es im Verhinderungsfall vereinzelt - laut in der Verhandlung vorgelegter Aufstellung vier Mal im Jahr 2010, vier Mal im Jahr 2012 und drei Mal im Jahr 2014 - dennoch zu Vertretungen außerhalb der Vertreterliste der beim Institut beschäftigten Lehrer gekommen ist, ändert daran nichts.

31 Das Bundesverwaltungsgericht ist entgegen dem Revisionsvorbringen auch nicht vom Erkenntnis VwGH 26.5.2004, 2003/08/0149, abgewichen. In diesem trat der Verwaltungsgerichtshof der Auffassung der damals belangten Behörde bei, dass es sich bei den mit den Lehrern eines Nachhilfeinstituts abgeschlossenen Verträgen um Dienstverträge und nicht um Werkverträge gehandelt habe; mit der Frage der Abgrenzung zwischen freiem und echtem Dienstvertrag hatte sich der Verwaltungsgerichtshof nicht zu befassen.

32 Soweit die Revisionswerberin Verfahrensmängel geltend macht, unterlässt sie es, deren Relevanz für den Ausgang des Verfahrens konkret darzulegen. Auch die behauptete Unschlüssigkeit der - nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung getroffenen - Beweiswürdigung ist nicht zu sehen.

33 Soweit die Revisionswerberin rügt, das Bundesverwaltungsgericht habe begründungslos die beantragte Einvernahme des Zeugen M. K. unterlassen, ist ihr zu entgegnen, dass der Antrag in der mündlichen Verhandlung am 5. April 2017 nur "für den Fall des notwendigen Nachweises, dass die Nachhilfelehrer nicht in die TÜV-Zertifizierung einbezogen sind" gestellt worden war. Von einer "Einbeziehung" der Nachhilfelehrer in die Zertifizierung ist das Bundesverwaltungsgericht aber ohnedies nicht ausgegangen, sondern es hat lediglich Schlussfolgerungen aus der Verpflichtung der Revisionswerberin durch den Franchisevertrag abgeleitet.

34 Entgegen der Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts und der Revisionswerberin begründet auch das Fehlen von Rechtsprechung des Verwaltungsgerichthofes zur Anwendbarkeit des Mindestlohntarifs für in privaten Bildungseinrichtungen beschäftigte Arbeitnehmer auf die in Nachhilfeinstituten beschäftigten Lehrer keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung. Der Verwaltungsgerichtshof hat nämlich schon im Erkenntnis VwGH 12.9.2012, 2009/08/0270, klargestellt, dass der genannte Mindestlohntarif einerseits Einrichtungen erfasst, die die Erteilung von Unterricht über Bildungsinhalte gemäß § 3 Abs. 2 lit. a SchOG zum Gegenstand haben, andererseits aber noch zahlreiche weitere Bildungseinrichtungen, wie (unter anderem) Einrichtungen zur Nachholung, Fortführung und Erweiterung der Schulbildung. Die Bestimmung zielt damit auf eine umfassende Einbeziehung von Einrichtungen, die Bildungsziele verfolgen und sich damit von Einrichtungen wie zB Fahrschulen unterscheiden, in denen ausschließlich bestimmte Fertigkeiten unterrichtet werden. Ausgehend davon ist das Bundesverwaltungsgericht frei von Rechtsirrtum zum Ergebnis gelangt, dass im Hinblick auf die dort vermittelten Bildungsinhalte auch die an Nachhilfeinstituten beschäftigten Lehrer diesem Mindestlohntarif unterliegen.

35 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 20. Februar 2018

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2018:RO2018080003.J00

Im RIS seit

08.03.2018

Zuletzt aktualisiert am

04.05.2018
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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