Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Sailer als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ.-Prof. Dr. Bydlinski, Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger und die Hofrätin Dr. Hofer-Zeni-Rennhofer als weitere Richter in der Familienrechtssache der Antragstellerin A***** D*****, vertreten durch Dr. Stefan Gloß und andere Rechtsanwälte in St. Pölten, gegen den Antragsgegner A***** D*****, vertreten durch Mag. Christian Marchart, Rechtsanwalt in St. Pölten, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Antragstellerin gegen den Beschluss des Landesgerichts St. Pölten als Rekursgericht vom 9. November 2017, GZ 23 R 288/17a-70, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts St. Pölten vom 12. Juni 2017, GZ 1 Fam 64/14a-56, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Dem Rekurs wird teilweise Folge gegeben.
Die Entscheidung des Rekursgerichts wird dahin abgeändert, dass sie in ihrem Punkt 5. lautet:
„5. Die Antragstellerin ist schuldig, dem Antragsgegner einen Ausgleichsbetrag in der Höhe von insgesamt € 140.000,00 zu bezahlen; dieser wird fällig in zwei Teilbeträgen, davon
a) der erste Betrag in der Höhe von € 75.000,00 binnen sechs Monaten ab Rechtskraft,
b) der zweite Betrag in der Höhe von € 65.000,00 binnen 14 Tagen nach Vorlage der grundbücherlichen Löschungsquittungen der Hypothekargläubiger zu Spruchpunkt 4.a) bis d) an die Antragstellerin.
Die Antragstellerin kann sich von der Verpflichtung zu Spruchpunkt 5.a) insoweit befreien, als sie Zahlung unmittelbar an die Gläubiger der unter Spruchpunkt 4.a) – d) genannten Verbindlichkeiten leistet.
Sollte sie ihrer Verpflichtung der unter Spruchpunkt 5.a) festgelegten Ausgleichszahlung nicht innerhalb der festgesetzten Frist entweder durch Direktzahlung an die Gläubiger oder durch Auszahlung an den Antragsgegner erfüllt haben, wird die zu Spruchpunkt 5.b) genannte restliche Ausgleichszahlung binnen 2 Wochen ab Ablauf der unter 5.a) genannten Frist fällig.“
Die Kosten des Revisionsrekursverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.
Text
Begründung:
Das im gleichteiligen Miteigentum der Streitteile stehende Liegenschaftsvermögen hat – unter Herausrechnung des Werts einer allein der Frau geschenkten Liegenschaft – einen Verkehrswert von rund 555.800 EUR. Die Liegenschaften wurden den Ehegatten je zur Hälfte vom Vater der Frau „überschrieben“. An (der Aufteilung unterliegenden) Passiva bestehen Kreditverbindlichkeiten und sonstige Schulden in Höhe von insgesamt rund 458.000 EUR, somit ein Nettovermögen von rund 97.700 EUR. Zu den Verbindlichkeiten gehört unter anderem eine Kreditschuld in Höhe von rund 19.500 EUR aus einem Wohnbauförderungsdarlehen, das zur Finanzierung des Hausbaus auf einer Liegenschaft der Streitteile aufgenommen wurde. Ein erheblicher Teil der Verbindlichkeiten ist grundbücherlich sichergestellt. Man hätte sich zumindest die Verfahrenskosten samt Grundbuchseintragungen (für Verbindlichkeiten im Ausmaß von insgesamt rund 25.000 EUR) ersparen können, wenn der Antragsgegner im Zusammenhang mit diesen Schulden „rechtskonform oder zumindest sorgfältiger“ gehandelt hätte.
In weitgehender Bestätigung der erstgerichtlichen Aufteilungsentscheidung übertrug das Rekursgericht die Hälfteanteile des Mannes an sämtlichen Liegenschaften an die Frau (auf deren Kosten) und erkannte sie schuldig, Verbindlichkeiten im Gesamtausmaß von rund 356.260 EUR alleine zu tragen. Dem Mann wurde die alleinige Zahlung (teilweise pfandrechtlich sichergestelltr) Verbindlichkeiten von rund 101.800 EUR aufgetragen; dazu auch noch von 1.622,84 EUR aus rückständigen Sozialversicherungs-beiträgen, 19.625,37 EUR aus Verbindlichkeiten gegenüber dem Finanzamt und von rund 7.260 EUR (über einen Rechnungsbetrag für Bauleistungen hinausgehende Zinsen und Kosten). Schließlich erkannte es die Frau schuldig, dem Mann eine Ausgleichszahlung in Höhe von 140.000 EUR zu leisten, nämlich 75.000 EUR binnen drei Monaten ab Rechtskraft und 65.000 EUR binnen 14 Tagen nach Vorlage grundbuchsgeeigneter Löschungsquittungen der Hypothekargläubiger zu bestimmten grundbücherlich sichergestellten Schulden, die dem Mann zur alleinigen Zahlung zugewiesen worden waren. Das Rekursgericht erklärte den Revisionsrekurs für nicht zulässig.
Im vorliegenden Fall habe eine gleichteilige Aufteilung stattzufinden. Diese habe auch die von der „Seite der Frau“ stammenden Liegenschaften zu erfassen, seien diese doch beiden Ehegatten je zur Hälfte geschenkt worden. Nach den übereinstimmenden Anträgen der Parteien käme der Frau das gesamte der Aufteilung unterliegende Liegenschaftsvermögen im Wert von 555.800 EUR zu. Unter Berücksichtigung der von ihr zu übernehmenden Verbindlichkeiten in Höhe von rund 356.260 EUR verbleibe ihr ein Nettovermögen von rund 199.500 EUR. Dem Mann verblieben der Aufteilung unterliegende Verbindlichkeiten von insgesamt rund 101.800 EUR, wobei die Verbindlichkeiten gegenüber einem bestimmten Gläubiger lediglich mit dem reinen Rechnungsbetrag für die erbrachten Bauleistungen berücksichtigt werde, seien doch die Zinsen und Kosten auf das „Schleifenlassen“ der finanziellen Angelegenheiten durch den Mann zurückzuführen. Unter Berücksichtigung sämtlicher Aktiva und Schulden ergebe sich insgesamt ein „Nettovermögen“ von rund 97.700 EUR, woraus sich rein rechnerisch eine Differenzzahlung durch die Frau von rund 150.760 EUR ergäbe, um einen finanziellen Ausgleich zu schaffen. Da im Rahmen der Billigkeitserwägungen aber zu berücksichtigen sei, dass die Frau durch die wirtschaftliche Gebarung des Mannes in eine wirtschaftliche Notlage geraten sei, sei die Ausgleichszahlung auf 140.000 EUR zu mindern. Dies sei ungeachtet des Rekursantrags des Mannes möglich, habe dieser doch seinem Begehren auf Festsetzung der Ausgleichszahlung mit 113.000 EUR eine eigene Zahlungspflicht für ein Darlehen im Umfang von rund 42.500 EUR zugrunde gelegt, die vom Rekursgericht aber der Frau auferlegt worden sei. Da sich die Entscheidung auf die Umstände des Einzelfalls gründe und Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung nicht zu behandeln gewesen seien, sei der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig.
Rechtliche Beurteilung
Der dagegen erhobene (vom Antragsgegner bereits beantwortete) Revisionsrekurs der Antragstellerin ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Rekursgerichts zulässig, weil dieses bei Festsetzung der Leistungsfrist auf den für eine angemessene Verwertung der Liegenschaften erforderlichen Zeitraum nicht Bedacht genommen hat. Er ist damit teilweise auch berechtigt.
1. Soweit die Revisionsrekurswerberin zu vier im Einzelnen aufgezählten Verbindlichkeiten ausführt, es handle sich ausschließlich um solche des Mannes und nicht um gemeinsame Verbindlichkeiten, unterliegt sie offenbar einem grundsätzlichen Rechtsirrtum. Ebenso wie es für die Aufteilung ohne Belang ist, wem bestimmte Bestandteile des Aktivvermögens „gehören“, kommt es auch bei Schulden nicht darauf an, welcher Ehegatte gegenüber einem dritten Gläubiger verpflichtet ist. Entscheidend ist ausschließlich, ob es sich im Sinne des § 81 Abs 1 Satz 2 EheG um Schulden handelt, die mit dem ehelichen Gebrauchsvermögen und den ehelichen Ersparnissen in einem inneren Zusammenhang stehen.
Dies ist angesichts der Sachverhaltsfeststellungen zu bejahen, stehen danach doch alle genannten Verbindlichkeiten mit Investitionen in die Liegenschaft mit dem Wohnhaus im Zusammenhang.
Dies gilt auch für das mit 19.484,11 EUR offene Wohnbauförderungsdarlehen, das zudem auf (der Frau zugewiesenen) Liegenschaften sichergestellt ist. Auch hier ist es somit ohne Belang, ob die Frau nur die Pfandurkunde oder auch den Darlehensvertrag unterfertigt hat.
2. Wie die Revisionswerberin selbst erkennt, ist das Scheidungsverschulden (des Mannes) für die Aufteilung nur insoweit von Bedeutung, als es gleichzeitig für die vermögensrechtliche Entwicklung während aufrechter ehelicher Lebensgemeinschaft relevant war (RIS-Justiz RS0057630). Inwieweit ehezerrüttende Handlungen zugleich ungünstige Auswirkungen auf den Umfang des Aufteilungsvermögens gehabt haben könnten, wird allerdings nicht ausgeführt. Konkret wurde vom Erstgericht lediglich festgestellt, dass der Mann bei sorgfältigerem Handeln zumindest die Verfahrenskosten samt Grundbuchseintragungen für bestimmte Gläubigerforderungen abwenden hätte können. Diesem Umstand hat das Rekursgericht aber ohnehin durch eine Verminderung der Ausgleichszahlung Rechnung getragen.
3. Der von der Revisionsrekurswerberin angesprochene Wohlbestehensgrundsatz bedeutet keineswegs, dass ein Ehegatte sein Eigentum entschädigungslos oder gegen eine unverhältnismäßig geringe Ausgleichsleistung aufzugeben hätte (RIS-Justiz RS0057579 [T3]; zuletzt 1 Ob 187/14b; 1 Ob 150/17s ua). Ist – wie im vorliegenden Fall – das Aktivvermögen nur unwesentlich höher als die der Aufteilung unterliegenden Schulden, ist es häufig beiden Ehegatten nicht möglich, das Eigentum an der Ehewohnung zu erhalten. Auch der Billigkeitsgrundsatz bietet keine Grundlage dafür, jenem Ehegatten, dem die Wohnung zugewiesen wird, die an sich zur Herstellung gleichwertiger Verhältnisse gebotene Ausgleichszahlung zu erlassen. Ebenso wie im vorliegenden Fall der Mann genötigt war, sich eine neue Wohnmöglichkeit zu verschaffen, wird dies der Frau nicht erspart bleiben, kann sie doch – wie sie selbst darlegt – die von ihr zu übernehmenden Verbindlichkeiten nicht erfüllen und die angemessene Ausgleichszahlung ohne Veräußerung der Liegenschaften nicht leisten.
Dass diese Ausgleichszahlung in Höhe von 140.000 EUR unter Berücksichtigung der ihr bzw dem Antragsgegner zugewiesenen positiven und negativen Vermögenswerte überhöht wäre, vermag die Revisionsrekurswerberin nicht aufzuzeigen. Der Satz „Zu berücksichtigen ist, dass die in diesem Spruchpunkt 3 genannten Krediten, die die Antragstellerin zu übernehmen hat, noch sinken ab 1. 10. 2014, somit für mehr als drei Jahre dazu zu zählen sind, was allein einen Betrag von mehr als EUR 11.000 ergibt.“ ist unverständlich. Da nicht zu erkennen ist, welchen Bezug diese Argumentation zu den getroffenen Sachverhaltsfeststellungen haben soll, kann darauf inhaltlich nicht eingegangen werden.
4. Zu Recht macht die Revisionsrekurswerberin allerdings in der Sache geltend, dass die Leistungsfrist für die erste Rate der Ausgleichszahlung zu kurz bemessen wurde, wenn sie ausführt, es sei nicht gesichert, dass bei einem Verkauf der Liegenschaften die vom Erstgericht festgestellten Zeitwerte erlöst werden könnten; in der kalten Jahreszeit würden erfahrungsgemäß das Interesse am Kauf von Liegenschaften sinken.
Gemäß § 94 Abs 2 EheG kann das Gericht eine „Stundung“ der Ausgleichszahlung anordnen, wenn dies für den Ausgleichspflichtigen wirtschaftlich notwendig und dem Ausgleichsberechtigten zumutbar ist (vgl dazu jüngst 1 Ob 148/17k). Diese Voraussetzung ist im vorliegenden Fall zu bejahen, sind doch die (von den Tatsacheninstanzen ermittelten) Verkehrswerte jene Beträge, die auf dem Markt unter gewöhnlichen Umständen erzielt werden können. Dazu gehört nach der allgemeinen Lebenserfahrung auch eine ausreichende Zeit zur Bekanntmachung der Kaufgelegenheit und somit zur Interessentensuche. Derjenige, dem Liegenschaftseigentum übertragen wird und der dieses veräußern muss, um die ihm aufgetragene Ausgleichszahlung aufbringen zu können, darf nicht durch Festsetzung einer kurzen Leistungsfrist dazu genötigt werden, sein Eigentum zu einem Schleuderpreis abzugeben. Damit wäre gerade das Bestreben des Aufteilungsrechts, jedem Ehegatten einen angemessenen Anteil am gemeinsam erwirtschafteten Vermögen zukommen zu lassen, durchkreuzt.
Berücksichtigt man, dass die Liegenschaft mit der Ehewohnung rund 500.000 EUR wert ist und Kaufinteressenten in diesem Preissegment nicht in großer Zahl existieren, sowie den Umstand, dass es sich bei den übrigen Liegenschaften um landwirtschaftliche Grundstücke handelt, die grundverkehrsrechtlichen Beschränkungen unterliegen, erscheint eine Leistungsfrist für die erste Rate im Ausmaß von sechs Monaten angemessen, um es der Revisionsrekurswerberin zu ermöglichen, einen ausreichenden Kaufpreis zu erzielen; zudem steht dem Verkäufer von mit Pfandrechten belasteten Liegenschaften der (verbleibende) Kaufpreis regelmäßig erst einige Zeit nach dem Vertragsabschluss zur Verfügung. Insoweit ist daher die angefochtene Entscheidung abzuändern.
5. Für die Kostenentscheidung ist zu berücksichtigen, dass die Revisionsrekurswerberin zwar mit ihrem Antrag auf Verminderung ihrer Zahlungspflicht unterlegen ist, dafür aber einen Verfahrenserfolg in einem anderen wesentlichen und finanziell wohl gewichtigen Punkt erreicht hat. Es ist daher gerechtfertigt, dass die Parteien im Sinne des § 78 Abs 3 letzter Satz AußStrG nach Billigkeit die ihnen im Revisionsrekursverfahren erwachsenen Kosten jeweils selbst zu tragen haben. Ein Aufwand an Pauschalgebühr (TP 12a GGG) wurde nicht verzeichnet.
Textnummer
E120822European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2018:0010OB00240.17A.0130.000Im RIS seit
08.03.2018Zuletzt aktualisiert am
02.10.2018