TE Bvwg Beschluss 2018/2/21 W196 2006389-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 21.02.2018
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Entscheidungsdatum

21.02.2018

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §8 Abs1
B-VG Art.133 Abs4
VwGVG §28 Abs3

Spruch

W196 2006389-1/7E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Ursula SAHLING als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Ukraine, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 25.02.2014, Zl. 730953401-14018448, beschlossen:

A) In Erledigung der Beschwerde wird der angefochtene Bescheid gemäß §§ 31, 28 Abs. 3 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz, BGBl. I. Nr. 33/2013 (VwGVG) behoben und in Angelegenheiten zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG

I. Verfahrensgang und Sachverhalt

Die Beschwerdeführerin reiste illegal in das Bundesgebiet ein und stellte am 17.02.2014 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.

Im Zuge der Erstbefragung vor Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes am selben Tag gab die Beschwerdeführerin befragt zu ihren Fluchtgründen an, dass sie wegen der bürgerkriegsähnlichen Situation in ihrer Heimat Angst habe. Auch sei sie wegen der schlechten wirtschaftlichen Situation geflohen. Direkt bedroht worden sei sie nicht.

Nach Zulassung ihres Verfahrens wurde die Beschwerdeführerin am 20.02.2014 vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl niederschriftlich einvernommen und gab sie dabei befragt an, dass sie sich sowohl psychisch als auch physisch in der Lage fühle, der Einvernahme zu folgen und bestätigte die bisher getätigten Angaben im Verfahren. Zu den Lebensumständen in der Ukraine führte sie an, dort geboren und in die Grundschule gegangen zu sein. Sie habe Gelegenheitsarbeiten verrichtet. Sie habe Speisen zubereitet und am Markt verteilt und verkauft. Das habe für die Bestreitung des Lebensunterhaltes gereicht und habe sie in einer Mietwohnung in der Nähe von Lwiw gelebt. Sie habe vor Jahren etwas Deutsch gelernt. Nach ihrer Asylantragsstellung aus dem Jahr 2003 befragt erläuterte die Beschwerdeführerin, dass sie dann bei einer Rechtsberaterin gewesen sei und einen Österreicher habe heiraten wollen. Nachdem sie die erforderlichen Unterlagen besorgt habe, habe sie nach der Heirat im Jahr 2007 keine Beschäftigung bekommen und sei daraufhin ihr Visum abgelaufen. Dann sei sie zurückgekehrt. Weiters gab sie nach ihrer Ehe befragt an, dass sie zwar noch standesamtlich verheiratet seien, aber nicht zusammen leben und auch keinen Kontakt haben würden. Sie wisse nicht einmal wo er leben würde. Das letzte Mal habe er ihr gesagt, dass er in großen finanziellen Schwierigkeiten stecke und habe es seither keinen Kontakt mehr gegeben. Das sei vor mehr als fünf Jahren gewesen. Zum Verlassen des Herkunftsstaates gefragt führte sie an, dass sie die Ukraine am 10. Februar verlassen habe und illegal nach Österreich gereist sei. Sie sei angehalten und in Schubhaft genommen worden. Sie sei niemals in einer politischen Partei oder Teil einer bewaffneten Gruppierung gewesen. Im Herkunftsstaat würden sich die Mutter und die Tochter der Beschwerdeführerin sowie ein Cousin, mit welchem sie zuletzt telefoniert habe, befinden. Ihre Tochter stamme aus ihrer ersten Ehe in Österreich und sei sie von diesem Mann geschieden. Ihre Tochter sei 1993 geboren und wohne weiterhin gemeinsam mit der Mutter der Beschwerdeführerin in der zuvor genannten Mietwohnung. Sie studiere Medizin in Lwiw und unterstütze sie ihr Vater finanziell. Bei der Scheidung hätten sie vereinbart, dass die Beschwerdeführerin auf Alimente verzichten würde und er ihre gemeinsame Tochter bei einem allfälligen Studium unterstützen werde. Die Beschwerdeführerin lebe im Bundesgebiet von der Grundversorgung, habe keine Verwandten, mache keine Kurse oder Ausbildungen und sei nicht Mitglied in einem Verein, einer religiösen Gruppe oder einer sonstigen Organisation. Sie habe auch keine Freunde oder Bekannten. Zu den Gründen für das Verlassen des Herkunftsstaates gab sie weiters befragt an, dass sie am 29. November zu einer Protestkundgebung in Kiew gegangen sei.

Auch am 12.12.2013 habe sie das gemacht und seien sie mit organisierten Bussen aus der Westukraine nach Kiew gefahren. Am 20.01.2014 hätten die Ausschreitungen seitens der Behörden begonnen und habe man auch begonnen, auf die Demonstranten zu schießen. Viele Leute hätten Angst bekommen und seien manche ausgewandert. So wie die Beschwerdeführerin die Situation verstanden habe, hätten alle gesagt, dass sie auf die Barrikaden gehen müssten, Blut fließen müsse und sie vor der Alternative stehe entweder ihr Leben zu riskieren oder aus Sicherheitsgründen das Land zu verlassen. Weil sie habe leben wollen, habe sie sich entschlossen das Land zu verlassen. Das seien ihre Fluchtgründe und habe sie keine ethnischen, politischen oder religiösen Fluchtgründe. Die Frage, ob sie auch am 20.01.2014 teilgenommen habe verneinte die Beschwerdeführerin. Weiters nach ihrer Teilnahme an den Demonstrationen befragt führte sie an, dass sie am 29.11.2013 die ganze Nacht bis 4 Uhr in der Früh dort gewesen sei und am 12.12.2013 hätten sie sehr lange zu Fuß gebraucht, um den Platz zu erreichen und seien sie erst am Abend angekommen. Von Donnerstagabend bis Sonntagmittag sei sie dort gewesen. Es seien sehr viele Leute dort gewesen, sie dachte eine Million, denn der ganze Platz und die Nebenstraßen seien voll Menschen gewesen. Sie habe die Redner gehört, zum Beispiel Klitschko und habe es auch einen Gottesdienst gegeben, an welchem sie teilgenommen habe. Auf die Frage, ob sie bei den Ausschreitungen direkt vor Ort gewesen sei gab sie an, dass es auf diesem Platz keine Ausschreitungen gegeben habe, es seien andere Leute gewesen, die von der Polizei auseinandergejagt worden seien. Sie habe weglaufende Menschen gesehen und wie man diese geschlagen habe. Am 12.12.2013 habe es schon einen kleinen Konflikt gegeben und habe die Polizei den Platz abgeriegelt, aber niemanden verprügelt. Danach gefragt, wie die Beschwerdeführerin die Bewegung danach unterstützt bzw. verfolgt haben will führte sie an, dass sie alles vom Fernseher aus verfolgt habe und einmal bei einer Kundgebung in Lwiw gewesen sei, wo man sie informiert habe, was sich in der Hauptstadt abspiele. Auf den Vorhalt, dass es sich um keine Demonstration gehandelt habe entgegnete die Beschwerdeführerin, dass es sich wohl um eine gehandelt habe. Auf die Frage, wer diese organisiert habe gab sie an, die Vertreter anderer politischer Parteien und viele Leute, die eine demokratische Einstellung hätten. Sie habe davon erfahren, weil viel darüber gesprochen werde und könne sie danach befragt nicht genau sagen, von wem sie das gewusst habe. Auch könne sie nicht sagen, wann diese Demonstration genau gewesen sei, nur irgendwann im Jänner. Auf die frage ob es Probleme mit der Polizei gegeben habe erläuterte die Beschwerdeführerin, dass die Polizei die Menge auseinandergejagt habe und sie gesehen habe, dass Leute geschlagen worden seien. Sie habe keine Dokumente und könne auch nicht mehr zum Sachverhalt angeben. Für den Fall einer Rückkehr fürchte sie den Krieg, denn Putin habe gesagt, dass er nach den Winterspielen mit einem Heer Ordnung schaffen würde. Das habe er nicht offiziell gesagt, jedoch würden die Leute darüber sprechen. Es gäbe Gerüchte und würden alle sagen, dass er dieselbe Situation in der Ukraine schaffen würde, wie es in Tschetschenien der Fall gewesen sei. Am Ende der Befragung fügte die Beschwerdeführerin noch hinzu, dass ihr geschiedener Mann polnische Wurzeln und er versprochen habe, dass er ihre Tochter im Falle der Verschlechterung der Lage nach Polen schicken würde, nur 40 km von ihrer Stadt entfernt. Sie selber sei aber geschieden und habe keine gute Beziehung zu ihm.

Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 25.02.2014 wurde der Antrag der Beschwerdeführerin auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status einer Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 dieser Antrag bezüglich der Zuerkennung des Status einer subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Ukraine abgewiesen (Spruchpunkt II.). Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß §§ 57, 55 AsylG wurden nicht erteilt und gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen die Beschwerdeführerin eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs 2 Z 2 FPG erlassen, ferner die Abschiebung in die Ukraine gemäß § 46 FPG für zulässig erklärt (Spruchpunkt III). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG beträgt die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV.).

Die Identität der Beschwerdeführerin stehe mangels Vorlage eines Identitätsdokumentes nicht fest und seien ihre Angaben zur Nationalität und zu ihrem familiären Umfeld als glaubhaft zu erachten. Der Beschwerdeführerin sei es nicht gelungen die Gründe für das Verlassen des Herkunftsstaates glaubhaft darzulegen. Es habe nicht festgestellt werden können, dass die Beschwerdeführerin aufgrund der behaupteten Teilnahme an Demonstrationen in der Ukraine verfolgt worden sei. Es gebe keine stichhaltigen Gründe, die gegen eine Rückkehr in die Ukraine sprechen würden, zumal sich die Tochter der Beschwerdeführerin noch dort befinden würde. Rechtlich wurde insbesondere ausgeführt, dass die Beschwerdeführerin nicht in der Lage gewesen sei, eine Bedrohungssituation im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention glaubhaft darzulegen. Somit könne auch nicht von einer Gefährdungslage ausgegangen werden und würde sie für den Fall einer Rückkehr auch nicht in eine ausweglose Lage geraten. Zudem stehe ihr eine innerstaatliche Fluchtalternative offen. Im Falle der Beschwerdeführerin würden keine familiären Anknüpfungspunkte vorliegen und könne im Hinblick auf die Aufenthaltsdauer nicht von einer Bindung zu Österreich oder einer fortgeschrittenen Integration, die über einem geordneten Fremdenwesen stehen würde, ausgegangen werden und sei eine Rückkehrentscheidung somit zulässig. Es wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass eine Abschiebung in die Ukraine gemäß § 46 FPG zulässig sei. In der Begründung des Bescheides finden sich Länderfeststellungen zur Volksrepublik China und fehlen jene zum Herkunftsstaat der Beschwerdeführerin.

Mit Verfahrensanordnung vom 27.02.2014 wurde der Beschwerdeführerin vom Amts wegen eine Rechtsberatungsorganisation für das Beschwerdeverfahren zur Seite gestellt.

Mit Schriftsatz vom 17.03.2014 wurde vom rechtsfreundlichen Vertreter gegen den Bescheid fristgerecht Beschwerde erhoben und dieser seinem gesamten Inhalt nach angefochten. Nach Wiedergabe der Fluchtgründe wurde insbesondere moniert, dass die Behörde es unterlassen habe sich mit dem gesamten Vorbringen der Beschwerdeführerin auseinanderzusetzen. Auch im Asylverfahren gelte der Grundsatz der amtswegigen Erforschung des maßgeblichen Sachverhaltes sowie jener der Wahrung des Parteiengehörs. So würden sich Teile der Begründung im angefochtenen Bescheid überhaupt nicht auf die Angaben der Beschwerdeführerin beziehen. Die Mangelhaftigkeit des Ermittlungsverfahrens ergebe sich insbesondere dadurch, dass die Behörde Feststellungen zur Lage in der Ukraine treffe, jedoch 60 Seiten lang ausschließlich die Lage in China anführe. Mit Hinweis auf höchstgerichtlicher Judikatur wurde darauf verwiesen, dass die Beurteilung der Glaubwürdigkeit des Vorbringens stets unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Herkunftsland zu erfolgen habe und sei der Bescheid somit mit Rechtswidrigkeit infolge eines qualifiziert mangelhaften Ermittlungsverfahrens behaftet. Auch seien die Ausführungen zum nicht vorhandenen Privat- und Familienleben der Beschwerdeführerin aktenwidrig, da sie mit einem Staatsbürger verheiratet sei und hätte die Behörde konkrete Feststellungen zu den familiären Bindungen der Beschwerdeführerin in Österreich treffen sollen. Beantragt wurde die Abhaltung einer mündlichen Verhandlung.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Zu A)

1. Zuständigkeit, Entscheidung durch Einzelrichter:

Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 des Bundesgesetzes, mit dem die allgemeinen Bestimmungen über das Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zur Gewährung von internationalem Schutz, Erteilung von Aufenthaltstiteln aus berücksichtigungswürdigen Gründen, Abschiebung, Duldung und zur Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen sowie zur Ausstellung von österreichischen Dokumenten für Fremde geregelt werden (BFA-Verfahrensgesetz - BFA-VG), BGBl I 87/2012 idgF entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl.

Gemäß § 6 des Bundesgesetzes über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz - BVwGG), BGBl I 10/2013 entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Gegenständlich liegt somit mangels anderslautender gesetzlicher Anordnung in den anzuwendenden Gesetzen Einzelrichterzuständigkeit vor.

2. Anzuwendendes Verfahrensrecht

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG erfolgen, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist, die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss. Gemäß Abs. 3 sind auf die Beschlüsse des Verwaltungsgerichtes § 29 Abs. 1 zweiter Satz, Abs. 4 und § 30 sinngemäß anzuwenden. Dies gilt nicht für verfahrensleitende Beschlüsse.

Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit es nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet, den angefochtenen Bescheid, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt und die angefochtene Weisung auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht (Z1) oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist (Z2).

Gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG hat das Verwaltungsgericht im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG wenn die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vorliegen, in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hiebei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.

3. Zur Entscheidungsbegründung:

Obwohl gemäß § 17 iVm. § 58 VwGVG seit 01.01.2014 der § 66 Abs. 2 AVG in Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht nicht mehr anzuwenden ist und gemäß § 58 VwGVG stattdessen § 28 Abs. 3 VwGVG mit genanntem Datum in Kraft trat, womit das Erfordernis des § 66 Abs. 2 leg.cit, wonach die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint, weggefallen ist, und sich die Regelungsgehalte beider Normen somit nicht gänzlich decken, findet die einschlägige höchstgerichtliche Judikatur zu § 66 Abs. 2 AVG grundsätzlich weiterhin Anwendung.

Das Modell der Aufhebung des Bescheides und Zurückverweisung der Angelegenheit an die Behörde folgt konzeptionell jenem des § 66 Abs. 2 AVG, setzt im Unterschied dazu aber nicht auch die Notwendigkeit der Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung voraus. Voraussetzung für eine Aufhebung und Zurückverweisung ist allgemein (nur) das Fehlen behördlicher Ermittlungsschritte. Sonstige Mängel, abseits jener der Sachverhaltsfeststellung, legitimieren nicht zur Behebung auf Grundlage von § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG. (Fister/Fuchs/Sachs, Verwaltungsgerichtsverfahren (2013) § 28 VwGVG Anm. 11).

Der Verwaltungsgerichtshof hat sich in seinem Erkenntnis vom 26.06.2014, Ro 2014/03/0063, mit der Sachentscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte auseinandergesetzt und darin folgende Grundsätze herausgearbeitet:

* Die Aufhebung eines Bescheides einer Verwaltungsbehörde durch ein Verwaltungsgericht komme nach dem Wortlaut des § 28 Abs. 1 Z 1 VwGVG nicht in Betracht, wenn der für die Entscheidung maßgebliche Sachverhalt feststeht. Dies wird jedenfalls dann der Fall sein, wenn der entscheidungsrelevante Sachverhalt bereits im verwaltungsbehördlichen Verfahren geklärt wurde, zumal dann, wenn sich aus der Zusammenschau der im verwaltungsbehördlichen Bescheid getroffenen Feststellungen (im Zusammenhalt mit den dem Bescheid zu Grunde liegenden Verwaltungsakten) mit dem Vorbringen in der gegen den Bescheid erhobenen Beschwerde kein gegenläufiger Anhaltspunkt ergibt.

* Der Verfassungsgesetzgeber habe sich bei Erlassung der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012, BGBl. I 51, davon leiten lassen, dass die Verwaltungsgerichte grundsätzlich in der Sache selbst zu entscheiden haben, weshalb ein prinzipieller Vorrang einer meritorischen Entscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte anzunehmen ist.

* Angesichts des in § 28 VwGVG insgesamt verankerten Systems stelle die nach § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG bestehende Zurückverweisungsmöglichkeit eine Ausnahme von der grundsätzlichen meritorischen Entscheidungszuständigkeit der Verwaltungsgerichte dar. Nach dem damit gebotenen Verständnis stehe diese Möglichkeit bezüglich ihrer Voraussetzungen nicht auf derselben Stufe wie die im ersten Satz des § 28 Abs. 3 VwGVG verankerte grundsätzliche meritorische Entscheidungskompetenz der Verwaltungsgerichte. Vielmehr verlangt das im § 28 VwGVG insgesamt normierte System, in dem insbesondere die normative Zielsetzung der Verfahrensbeschleunigung bzw. der Berücksichtigung einer angemessenen Verfahrensdauer ihren Ausdruck findet, dass von der Möglichkeit der Zurückverweisung nur bei krassen bzw. besonders gravierenden Ermittlungslücken Gebrauch gemacht wird. Eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen wird daher insbesondere dann in Betracht kommen, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhaltes (vgl. § 37 AVG) lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden (etwa im Sinn einer "Delegierung" der Entscheidung an das Verwaltungsgericht).

Der Verwaltungsgerichtshof hat danach mit Erkenntnis vom 10.09.2014, Ra 2014/08/0005 die im Erkenntnis vom 26.06.2014, Ro 2014/03/0063 angeführten Grundsätze im Hinblick auf Aufhebungs- und Zurückweisungsbeschlüsse des Verwaltungsgerichtes gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG nochmals bekräftigt und führte ergänzend aus, dass selbst Bescheide, die in der Begründung dürftig sind, keine Zurückverweisung der Sache rechtfertigen, wenn brauchbare Ermittlungsergebnisse vorliegen, die im Zusammenhalt mit einer allenfalls durchzuführenden mündlichen Verhandlung im Sinn des § 24 VwGVG zu vervollständigen sind.

Ebenso hat der Verfassungsgerichtshof vielfach ausgesprochen, dass willkürliches Verhalten einer Behörde, das in die Verfassungssphäre eingreift, dann anzunehmen ist, wenn in einem entscheidenden Punkt jegliche Ermittlungstätigkeit unterlassen wird oder ein ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren gar nicht stattfindet, insbesondere in Verbindung mit einem Ignorieren des Parteienvorbringens oder dem Außer-Acht-Lassen des konkreten Sachverhaltes. Ein willkürliches Vorgehen liegt insbesondere dann vor, wenn die Behörde den Bescheid mit Ausführungen begründet, denen jeglicher Begründungswert fehlt (vgl. VfSlg. 13.302/1992 m. w. N., 14.421/1996, 15.743/2000).

Die Behörde hat die Pflicht, für die Durchführung aller zur Klarstellung des Sachverhaltes erforderlichen Beweise zu sorgen und auf das Parteivorbringen, soweit es für die Feststellung des Sachverhaltes von Bedeutung sein kann, einzugehen. Die Behörde darf sich über erhebliche Behauptungen und Beweisanträge nicht ohne Ermittlungen und ohne Begründung hinwegsetzen (vgl. Erkenntnis des VwGH v. 10.04.2013, Zl. 2011/08/0169 sowie dazu Walter/Thienel, Verwaltungsverfahren Band I2, E 84 zu § 39 AVG)

Der angefochtene Bescheid erweist sich in Bezug auf den ermittelten Sachverhalt aus folgenden Gründen als mangelhaft:

Aus dem Bescheid ist nicht ersichtlich, dass sich die belangte Behörde hinreichend mit dem entscheidungswesentlichen Vorbringen der Beschwerdeführerin auseinandergesetzt hat. So fehlt im angefochtenen Bescheid die konkrete Auseinandersetzung mit dem Kernvorbringen, wonach die Flucht aus der Ukraine erfolgt sei, da die Beschwerdeführerin an diversen Demonstrationen teilgenommen habe. So konnte aus den von der belangten Behörde festgestellten Länderinformationen zur Lage in der Volksrepublik China keinerlei Auskünfte entnommen werden, die zur Beurteilung der Behaupteten Verfolgung der Beschwerdeführerin wegen unterstellter politischer Gesinnung erforderlich sind. Ebenso verhält es sich bei der Beurteilung einer etwaigen Gewährung subsidiären Schutzes. Aus dem bekämpften Bescheid ist mangels Vorliegens entsprechender Informationen über den Herkunftsstaat der Beschwerdeführerin nicht ersichtlich, wie sie zu dem Schluss kommt, dass ihr für den Fall einer Rückkehr keine Art. 3 EMRK widersprechende Behandlung droht. Hinsichtlich des gänzlichen Fehlens von Länderfeststellungen zur Ukraine ist von der groben Mangelhaftigkeit der Ermittlungen auszugehen.

Die belangte Behörde hat sich schlussendlich aber auch die Möglichkeit genommen umfassend zu beurteilen, ob der Beschwerdeführerin eine Rückkehr in ihren Herkunftsort möglich und zumutbar ist bzw. ob ihr eine innerstaatliche Fluchtalternative an einem anderen Ort in der Ukraine offensteht. Erst nach einer Heranziehung der Feststellungen zur Klärung der maßgeblichen Lage in der Ukraine wäre allenfalls die Beurteilung einer innerstaatlichen Fluchtalternative angebracht, wobei hier aber wiederum die individuelle Situation der Beschwerdeführerin betrachtet werden muss.

Erst nachdem das Bundesamt die allgemeine Lage im Herkunftsstaat der Beschwerdeführerin ermittelt und festgestellt hat, nach allfälligen weiteren Ermittlungsschritten, der Gewährung von Parteiengehör bzw. einer ergänzenden Befragung der Beschwerdeführerin, insbesondere nach der Einholung individueller auf die Aspekte des Vorbringens Bezug nehmender Länderinformationen wird es dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl möglich sein, den entscheidungswesentlichen Sachverhalt vollständig festzustellen und eine schlüssige und nachvollziehbare Entscheidung zu treffen. Basierend darauf wurde eine Auseinandersetzung mit dem Kernvorbringen der Beschwerdeführerin sowie zu ihren Rückkehrbefürchtungen im Lichte der aktuellen Lage unterlassen und ist von einer groben Mangelhaftigkeit der Ermittlungen auszugehen, womit der angefochtene Bescheid mit Rechtswidrigkeit belastet ist.

Durch das mangelhaft geführte Ermittlungsverfahren hat das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl die Vornahme weiterer Ermittlungen bzw. überhaupt die Durchführung des Asylverfahrens auf das Bundesverwaltungsgericht verlagert, weshalb im Einklang mit den vorzitierten Erkenntnissen des VwGH zu § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG, Zlen. Ro 2014/03/0063 und Ra 2014/08/0005, der angefochtene Bescheid zu beheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückzuverweisen war.

Eine Nachholung des durchzuführenden Ermittlungsverfahrens und eine erstmalige Beurteilung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das Bundesverwaltungsgericht kann - im Lichte der oben zitierten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes - nicht im Sinne des Gesetzes liegen.

Dass eine unmittelbare weitere Beweisaufnahme durch das Bundesverwaltungsgericht "im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden" wäre, ist - angesichts des mit dem bundesverwaltungsgerichtlichen Beschwerdeverfahren als Mehrparteienverfahren verbundenen erhöhten Aufwandes - nicht ersichtlich.

Die Voraussetzungen des § 28 Abs. 2 VwGVG sind somit im gegenständlichen Beschwerdefall nicht gegeben.

Gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG konnte eine mündliche Verhandlung unterbleiben, weil bereits auf Grund der Aktenlage feststand, dass der Beschwerde stattzugeben bzw. der angefochtene Bescheid zu beheben war.

Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG entfallen, zumal aufgrund der Aktenlage feststeht, dass der angefochtene Bescheid aufzuheben war.

Es ist somit spruchgemäß zu entscheiden.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Wie sich aus der oben wiedergegebenen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ergibt, besteht zur Frage der Anwendbarkeit des § 28 Abs. 3 VwGVG eine Rechtsprechung. Die vorliegende Entscheidung weicht von dieser Rechtsprechung auch nicht ab.

Es ist somit spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte

Behebung der Entscheidung, Ermittlungspflicht, Kassation, mangelnde
Sachverhaltsfeststellung, Rückkehrsituation

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:W196.2006389.1.00

Zuletzt aktualisiert am

07.03.2018
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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