TE Bvwg Beschluss 2018/2/23 W221 2183222-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 23.02.2018
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Entscheidungsdatum

23.02.2018

Norm

BDG 1979 §14 Abs1
BDG 1979 §14 Abs2
B-VG Art.133 Abs4
VwGVG §14
VwGVG §28 Abs2
VwGVG §28 Abs3 Satz2
VwGVG §28 Abs5
ZustG §17 Abs3

Spruch

W221 2183222-1/4E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Daniela URBAN, LL.M. als Vorsitzende sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Beate WASCHICZEK und Mag. Johannes PEHAM als Beisitzer über die mit Beschwerdevorentscheidung vom 21.12.2017 zurückgewiesene Beschwerde der XXXX , vertreten durch Dr. Martin Dellasega und Dr. Max Kapferer Rechtsanwälte, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 27.10.2017, BMI-20062/0007-BFA-A/I/1/2017, betreffend Versetzung in den Ruhestand von Amts wegen, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen:

A)

I. Gemäß § 28 Abs. 1 und 2 VwGVG wird die Beschwerdevorentscheidung aufgehoben.

II. In Erledigung der Beschwerde wird der angefochtene Bescheid aufgehoben und die Angelegenheiten gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG zur Erlassung eines neuen Bescheides an den Direktor des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang:

Mit Bescheid vom 27.10.2017 wurde die Beschwerdeführerin gemäß § 14 Abs. 1 Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979 (BDG 1979) mit Ablauf des Monats November 2017 von Amts wegen in den Ruhestand versetzt. Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, dass sie aufgrund der krankheitsbedingten Abwesenheit der Beschwerdeführerin eine Begutachtung durch die Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter (BVA) veranlasst habe. Zusammenfassend sei im ärztlichen Gutachten vom 04.10.2017 im Leistungskalül festgestellt worden, dass eine psychiatrische Erkrankung, die auch durch ein anhaltendes Alkoholproblem ungünstig beeinflusst werde, vorliege. Im Vordergrund der Leistungseinschränkung stehe eine deutlich verminderte Stress- und Frustrationstoleranz, hinzu kämen Panikstörungen und ein eingeschränktes Sozialverhalten. Trotz der nachgewiesenen Behandlungen sei es zu keiner Besserung des Gesundheitszustandes gekommen. Aufgrund der psychischen Defizite könnten zwar Bildschirmarbeiten, jedoch keine Tätigkeiten, die besondere Anforderungen an Flexibilität, hohe Anforderungen an Flexibilität, hohe Anforderungen an Eigenverantwortlichkeit und Eigeninitiative stellen, ausgeführt werden. Jedoch würden diese Anforderungen das zentrale Anforderungsprofil des derzeitigen Arbeitsplatzes darstellen.

Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin Beschwerde, welche am 15.12.2017 bei der belangten Behörde einlangte. Darin führt sie aus, dass die im Bescheid genannten Anforderungen an den Arbeitsplatz nicht in der Dienstplatzbeschreibung enthalten seien. Von der Beschwerdeführerin werde lediglich erwartet zu einer festen Arbeitszeit auf Weisung Tätigkeiten zu verrichten, die weder Eigenverantwortlichkeit noch Eigeninitiative erfordern würden. Die Beschwerdeführerin erfülle niemals Führungsaufgaben, denen diese Eigenschaften zugeschrieben werden könnten. Vielmehr sei sie tatsächlich in einer Weise verwendet worden, die dem genauen Gegenteil der von der belangten Behörde behaupteten Verwendung entspräche. Auch habe die belangte Behörde es unterlassen, Ermittlungen und Feststellungen zu der Frage durchzuführen, ob der Beschwerdeführerin ein anderer Arbeitsplatz zugewiesen werden könne. Stattdessen sei ihr weiterer Einsatz als Verwaltungsbeamtin pauschal ausgeschlossen worden. Eine solche Ermittlungstätigkeit sei vor allem in Anbetracht der Diskriminierung der Beschwerdeführerin am Arbeitsplatz durch ihre Arbeitskollegen geboten gewesen. Ein Schutz der Beschwerdeführerin vor verschiedenen Mitarbeitern hätte bereits ausgereicht, um die gesundheitliche Situation der Beschwerdeführerin so zu verbessern, dass für sie jedenfalls ein Verweisungsarbeitsplatz vorhanden gewesen wäre. Der derzeitige Gesundheitszustand der Beschwerdeführerin sei vor allem Folge eines Mobbings am Arbeitsplatz und der funktionswidrigen Verwendung der Beschwerdeführerin. Die beurteilende Gutachterin der BVA sei im Jahre 2016 noch zu dem Ergebnis gelangt, dass die Beschwerdeführerin für maximal 18 Monate halbtags und danach wieder Vollzeit arbeiten werde können, jedoch sei durch Mobbing am Arbeitsplatz eine nicht näher definierte Arbeitsunfähigkeit eingetreten. Auch gehe die belangte Behörde davon aus, dass die psychiatrische Erkrankung der Beschwerdeführerin durch ein anhaltendes Alkoholproblem ungünstig beeinflusst werde. Jedoch sei dieses nicht anhaltend, da es im Beobachtungzeitraum lediglich einen Rückfall wegen eines schweren privaten Schicksalschlages gegeben habe. Außerdem befinde sich die Beschwerdeführerin diesbezüglich in Behandlung. Gegen die Beschwerdeführerin sei auch nie ein Disziplinarverfahren eingeleitet worden, weswegen eine Ruhestandsversetzung ohne Anhörung der Beschwerdeführerin als erste Maßnahme nicht das gelindeste Mittel darstelle. Im Gutachten der BVA sei festgestellt worden, dass die Beschwerdeführerin Tätigkeiten in hockender Arbeitsposition ausführen könne. Bildschirmarbeiten mit üblichen Pausen seien zulässig. Mäßig schwierige geistige Tätigkeiten könnten unter dem üblichen Zeit- und Leistungsdruck ausgeführt werden. Parteienverkehr sei ausschließlich konfliktarm möglich. Die Beschwerdeführerin sei jedoch entgegen ihrer Arbeitsplatzbeschreibung im Parteienverkehr auf einem hohen Stresslevel trotz bekannter psychischer Erkrankung eingesetzt worden. Aus dem daraus entstandenen verschlechterten Gesundheitszustand eine Ruhestandsversetzung abzuleiten, widerspreche der Fürsorgepflicht. Im Ruhestandsversetzungsverfahren spiele im Rahmen der Sekundärprüfung unter anderem die gesundheitliche Verfassung des Beamten und die Gleichwertigkeit des Verweisungsarbeitsplatzes eine Rolle. Aus dem Gutachten der BVA ergebe sich, dass bei der Beschwerdeführerin eine Restarbeitsfähigkeit vorliege, jedoch habe die belangte Behörde diesbezüglich keine Prüfung durchgeführt und somit Ermittlungen in einem entscheidenden Punkt unterlassen.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom 21.12.2017 wies die belangte Behörde die Beschwerde vom 15.12.2017 als verspätet zurück. Begründend führte sie darin aus, dass der Bescheid vom 27.10.2017 der Beschwerdeführerin per Post zu eigenen Handen (RSa) übermittelt worden sei. Dem Rückschein sei zu entnehmen, dass am 31.10.2017 ein Zustellversuch durch die Post erfolgt sei, bei dem die Beschwerdeführerin nicht angetroffen habe werden können. Der Bescheid sei daher beim Postamt hinterlegt worden, wobei als erster Tag der Hinterlegung der 02.11.2017 angegeben worden sei. Dagegen richte sich die von der Beschwerdeführerin am 15.01.2017 eingebrachte Beschwerde. Nach § 17 Abs. 3 Zustellgesetz (ZustG) würden hinterlegte Dokumente mit dem ersten Tag der Abholfrist als zugestellt gelten. Sie würden nur dann nicht als zugestellt gelten, wenn sich ergebe, dass der Empfänger wegen Abwesenheit von der Abgabestelle nicht rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen habe können, jedoch werde die Zustellung an dem der Rückkehr an die Abgabestelle folgenden Tag innerhalb der Abholfrist wirksam, an dem das hinterlegte Dokument behoben werden könne. Zumal weder der Zustelldienst bei der Zustellung des Bescheides Grund zur Annahme gehabt habe, dass sich die Beschwerdeführerin nicht regelmäßig an der Abgabestelle aufhalte, noch eine sonstige Ortsabwesenheit vorgelegen habe, sei die Zustellung durch Hinterlegung am 02.10.2017 erfolgt. Die Beschwerdefrist habe somit bereits am 30.11.2017 geendet und die Einbringung der Beschwerde am 15.12.2017 sei deshalb als verspätet anzusehen.

Mit Vorlageantrag vom 10.01.2018 führte die Beschwerdeführerin aus, dass die Beschwerde vom 15.12.2017 rechtzeitig eingebracht worden sei. Der angefochtene Bescheid sollte der Beschwerdeführerin an ihre Wohnadresse zugestellt werden. Da sie jedoch am 31.10.2017 vom Zusteller nicht angetroffen worden sei, sei das Dokument bei einem Postamt hinterlegt worden. Die Beschwerdeführerin sei jedoch vom 31.10.2017 bis zum 17.11.2017 nicht an ihrer Wohnadresse anwesend gewesen. Aufgrund ihres schlechten Gesundheitszustandes habe die Beschwerdeführerin im Haus ihrer Eltern betreut werden müssen. Am 17.11.2017 sei sie dann in ihr Wohnhaus zurückgekehrt, habe die Hinterlegungsanzeige vorgefunden und am selben Tag den Bescheid abgeholt. Damit sei die Zustellung gemäß § 17 Abs. 3 ZustG am Samstag den 18.11.2017 wirksam geworden und die vierwöchige Beschwerdefrist habe somit am 18.12.2017 geendet. Die am 15.12.2017 eingebrachte Beschwerde sei daher rechtzeitig gewesen. Dem Vorlageantrag angeschlossen war ein Schreiben vom 09.01.2017, in welchem die Eltern der Beschwerdeführerin den Aufenthalt ihrer Tochter und ihre gesundheitliche Betreuung bestätigen.

Die belangte Behörde legte die Beschwerde samt den Bezug habenden Verwaltungsakten dem Bundesverwaltungsgericht vor.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Die Beschwerdeführerin steht in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund und ist dem Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl zur Dienstleistung zugewiesen.

Die Beschwerdeführerin befindet sich seit März 2016 durchgehend im Krankenstand.

Die Beschwerdeführerin befand sich vom 31.10.2017 bis zum 17.11.2017 aus gesundheitlichen Gründen im Haus ihrer Eltern.

Der angefochtene Bescheid wurde der Beschwerdeführerin am 02.11.2017 an ihrer Wohnadresse hinterlegt.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen ergeben sich aus dem Akt in Verbindung mit dem Beschwerdevorbringen.

Die Feststellung, dass sich die Beschwerdeführerin vom 31.10.2017 bis zum 17.11.2017 aus gesundheitlichen Gründen im Haus ihrer Eltern befand, ergibt sich aus der schriftlichen Erklärung ihrer Eltern vom 09.01.2018.

3. Rechtliche Beurteilung:

1. Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Zufolge § 135a Abs. 1 BDG liegt gegenständlich eine Senatszuständigkeit vor.

Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrages von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 EMRK noch Art. 47 GRC entgegenstehen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits wiederholt ausgesprochen, dass dienstrechtliche Streitigkeiten öffentlich Bediensteter unter den Begriff der "civil rights" im Verständnis des Art. 6 Abs. 1 EMRK fallen, insoweit derartige Streitigkeiten durch die innerstaatliche Rechtsordnung geregelte, subjektive Rechte oder Pflichten des jeweils betroffenen Bediensteten zum Gegenstand haben (vgl. VwGH 13.09.2017, Ro 2016/12/0024 mwN).

Demnach kann eine Verhandlungspflicht gemäß Art. 6 Abs. 1 EMRK nur dann entfallen, wenn die Ausnahmen für nicht übermäßig komplexe Rechtsfragen oder hochtechnische Fragen Platz greifen (vgl. VwGH 21.12.2016, Ra 2016/12/0067).

Da sich im vorliegenden Fall der Sachverhalt aus den Akten ergibt und es sich auch um keine übermäßig komplexe Rechtsfrage handelt, kann von einer mündlichen Verhandlung abgesehen werden.

2. Zur Rechtzeitigkeit der Beschwerde:

§ 17 ZustellG lautet:

"Hinterlegung

§ 17 (1) Kann das Dokument an der Abgabestelle nicht zugestellt werden und hat der Zusteller Grund zur Annahme, daß sich der Empfänger oder ein Vertreter im Sinne des § 13 Abs. 3 regelmäßig an der Abgabestelle aufhält, so ist das Dokument im Falle der Zustellung durch den Zustelldienst bei seiner zuständigen Geschäftsstelle, in allen anderen Fällen aber beim zuständigen Gemeindeamt oder bei der Behörde, wenn sie sich in derselben Gemeinde befindet, zu hinterlegen.

(2) Von der Hinterlegung ist der Empfänger schriftlich zu verständigen. Die Verständigung ist in die für die Abgabestelle bestimmte Abgabeeinrichtung (Briefkasten, Hausbrieffach oder Briefeinwurf) einzulegen, an der Abgabestelle zurückzulassen oder, wenn dies nicht möglich ist, an der Eingangstüre (Wohnungs-, Haus-, Gartentüre) anzubringen. Sie hat den Ort der Hinterlegung zu bezeichnen, den Beginn und die Dauer der Abholfrist anzugeben sowie auf die Wirkung der Hinterlegung hinzuweisen.

(3) Das hinterlegte Dokument ist mindestens zwei Wochen zur Abholung bereitzuhalten. Der Lauf dieser Frist beginnt mit dem Tag, an dem das Dokument erstmals zur Abholung bereitgehalten wird. Hinterlegte Dokumente gelten mit dem ersten Tag dieser Frist als zugestellt. Sie gelten nicht als zugestellt, wenn sich ergibt, daß der Empfänger oder dessen Vertreter im Sinne des § 13 Abs. 3 wegen Abwesenheit von der Abgabestelle nicht rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte, doch wird die Zustellung an dem der Rückkehr an die Abgabestelle folgenden Tag innerhalb der Abholfrist wirksam, an dem das hinterlegte Dokument behoben werden könnte.

(4) Die im Wege der Hinterlegung vorgenommene Zustellung ist auch dann gültig, wenn die im Abs. 2 genannte Verständigung beschädigt oder entfernt wurde."

Gemäß § 17 Abs. 3 vierter Satz ZustellG gelten hinterlegte Dokumente dann nicht als zugestellt, wenn sich ergibt, dass der Empfänger wegen Abwesenheit von der Abgabestelle nicht rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte. Die Zustellung wird in diesem Fall an dem der Rückkehr an die Abgabestelle folgenden Tag innerhalb der Abholfrist wirksam, an dem das hinterlegte Dokument behoben werden könnte.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs ist "rechtzeitig" im Sinne des § 17 Abs. 3 vierter Satz ZustellG dahin zu verstehen, dass dem Empfänger noch jener Zeitraum für ein Rechtsmittel zur Verfügung steht, der ihm auch im Falle einer vom Gesetz tolerierten Ersatzzustellung üblicherweise zur Verfügung gestanden wäre (vgl. VwGH 08.11.2012, 2010/04/0112). Erfolgt die Rückkehr an die Abgabestelle erst sieben Tage nach dem Beginn der Abholfrist, kann jedenfalls nicht mehr gesagt werden, die Partei habe noch "rechtzeitig" im Sinn des § 17 Abs. 3 vierter Satz ZustellG vom Zustellvorgang Kenntnis erlangt (VwGH 25.06.2013, 2012/08/0031).

Im vorliegenden Fall erfolgte die Hinterlegung des Bescheids am 02.11.2017. Die Beschwerdeführerin kehrte jedoch aufgrund ihres krankheitsbedingten Aufenthalts im Haus ihrer Eltern nachweislich erst am 17.11.2017 an ihren Wohnort zurück. In Anbetracht dessen, dass die Beschwerdefrist bei Berechnung ab der Hinterlegung am 30.11.2017 geendet wäre, liegt in Anlehnung an die oben angeführte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs jedenfalls eine sieben Tage übersteigende unzulässige Verkürzung der Beschwerdefrist vor, weshalb der Bescheid nicht als am 02.11.2017 zugestellt betrachtet werden kann.

Gemäß § 17 Abs. 3 ZustG gilt der Bescheid fallbezogen als mit am Tag nach der Rückkehr an die Abgabestelle, somit am 18.11.2017 als zugestellt. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Beschwerdeeinbringung am 15.12.2017 als rechtzeitig dar.

In diesem Sinne hätte aufgrund der Rechtzeitigkeit der Beschwerde die Beschwerdevorentscheidung durch die belangte Behörde nicht in Form einer zurückweisenden Entscheidung ergehen dürfen, weshalb diese zu beheben ist.

Zu A)

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist. Gemäß Abs. 2 leg. cit. hat über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG das Verwaltungsgericht selbst zu entscheiden, wenn 1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder 2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG hat das Verwaltungsgericht im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vorliegen und die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung und Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhaltes unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hiebei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.

Das Modell der Aufhebung des Bescheides und der Zurückverweisung der Angelegenheit an die Behörde folgt konzeptionell jenem des § 66 Abs. 2 AVG, setzt im Unterschied dazu aber nicht auch die Notwendigkeit der Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung voraus. Voraussetzung für eine Aufhebung und Zurückverweisung ist allgemein (nur) das Fehlen behördlicher Ermittlungsschritte. Sonstige Mängel, abseits jener der Sachverhaltsfeststellung, legitimieren nicht zur Behebung auf Grundlage von § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG (Fister/Fuchs/Sachs, Verwaltungsgerichtsverfahren [2013] § 28 VwGVG Anm. 11).

§ 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG bildet damit die Rechtsgrundlage für eine kassatorische Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes, wenn "die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen" hat.

Der Verwaltungsgerichtshof hat sich in seinem Erkenntnis vom 26.06.2014, Ro 2014/03/0063, mit der Sachentscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte auseinandergesetzt und darin folgende Grundsätze herausgearbeitet:

* Die Aufhebung eines Bescheides einer Verwaltungsbehörde durch ein Verwaltungsgericht komme nach dem Wortlaut des § 28 Abs. 2 Z 1 VwGVG nicht in Betracht, wenn der für die Entscheidung maßgebliche Sachverhalt feststeht. Dies wird jedenfalls dann der Fall sein, wenn der entscheidungsrelevante Sachverhalt bereits im verwaltungsbehördlichen Verfahren geklärt wurde, zumal dann, wenn sich aus der Zusammenschau der im verwaltungsbehördlichen Bescheid getroffenen Feststellungen (im Zusammenhalt mit den dem Bescheid zu Grunde liegenden Verwaltungsakten) mit dem Vorbringen in der gegen den Bescheid erhobenen Beschwerde kein gegenläufiger Anhaltspunkt ergibt.

* Der Verfassungsgesetzgeber habe sich bei Erlassung der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012, BGBl. I 51, davon leiten lassen, dass die Verwaltungsgerichte grundsätzlich in der Sache selbst zu entscheiden haben, weshalb ein prinzipieller Vorrang einer meritorischen Entscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte anzunehmen ist.

* Angesichts des in § 28 VwGVG insgesamt verankerten Systems stelle die nach § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG bestehende Zurückverweisungsmöglichkeit eine Ausnahme von der grundsätzlichen meritorischen Entscheidungszuständigkeit der Verwaltungsgerichte dar. Nach dem damit gebotenen Verständnis stehe diese Möglichkeit bezüglich ihrer Voraussetzungen nicht auf derselben Stufe wie die im ersten Satz des § 28 Abs. 3 VwGVG verankerte grundsätzliche meritorische Entscheidungskompetenz der Verwaltungsgerichte. Vielmehr verlangt das im § 28 VwGVG insgesamt normierte System, in dem insbesondere die normative Zielsetzung der Verfahrensbeschleunigung bzw. der Berücksichtigung einer angemessenen Verfahrensdauer ihren Ausdruck findet, dass von der Möglichkeit der Zurückverweisung nur bei krassen bzw. besonders gravierenden Ermittlungslücken Gebrauch gemacht wird. Eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen wird daher insbesondere dann in Betracht kommen, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhaltes (vgl. § 37 AVG) lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden (etwa im Sinn einer "Delegierung" der Entscheidung an das Verwaltungsgericht).

Die maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen des BDG 1979 lauten - auszugsweise - wie folgt:

"Versetzung in den Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit

§ 14. (1) Die Beamtin oder der Beamte ist von Amts wegen oder auf ihren oder seinen Antrag in den Ruhestand zu versetzen, wenn sie oder er dauernd dienstunfähig ist.

(2) Die Beamtin oder der Beamte ist dienstunfähig, wenn sie oder er infolge ihrer oder seiner gesundheitlichen Verfassung ihre oder seine dienstlichen Aufgaben nicht erfüllen und ihr oder ihm im Wirkungsbereich ihrer oder seiner Dienstbehörde kein mindestens gleichwertiger Arbeitsplatz zugewiesen werden kann, dessen Aufgaben sie oder er nach ihrer oder seiner gesundheitlichen Verfassung zu erfüllen imstande ist und der ihr oder ihm mit Rücksicht auf ihre oder seine persönlichen, familiären und sozialen Verhältnisse billigerweise zugemutet werden kann.

(3) Soweit die Beurteilung eines Rechtsbegriffes im Abs. 1 oder 2 von der Beantwortung von Fragen abhängt, die in das Gebiet ärztlichen oder berufskundlichen Fachwissens fallen, ist von der Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter - ausgenommen für die gemäß § 17 Abs. 1a des Poststrukturgesetzes (PTSG), BGBl. Nr. 201/1996, den dort angeführten Unternehmen zugewiesenen Beamtinnen und Beamten - Befund und Gutachten einzuholen. Für die gemäß § 17 Abs. 1a PTSG zugewiesenen Beamtinnen und Beamten ist dafür die Pensionsversicherungsanstalt zuständig.

(4) Die Versetzung in den Ruhestand wird mit Ablauf des Monats, in dem der Bescheid rechtskräftig wird, wirksam.

(5) - (8) [...]"

Voraussetzung für eine amtswegige Ruhestandsversetzung ist gemäß § 14 Abs. 1 BDG 1979 die dauernde Dienstunfähigkeit des Beamten. Unter der bleibenden Unfähigkeit eines Beamten, seine dienstlichen Aufgaben ordnungsgemäß zu versehen, ist alles zu verstehen, was seine Eignung, diese Aufgaben zu versehen, dauernd aufhebt. Die Frage, ob eine dauernde Dienstunfähigkeit vorliegt oder nicht, ist nach ständiger Rechtsprechung eine Rechtsfrage, die nicht der ärztliche Sachverständige, sondern die Dienstbehörde zu entscheiden hat. Aufgabe des ärztlichen Sachverständigen ist es, an der Feststellung des entscheidungswesentlichen Sachverhaltes mitzuwirken, indem er in Anwendung seiner Sachkenntnisse und Erfahrungen - allenfalls unter Zuhilfenahme von Hilfsbefunden -Feststellungen über den Gesundheitszustand des Beamten und die Auswirkungen, die sich aus festgestellten Leiden oder Gebrechen auf die Erfüllung dienstlicher Aufgaben ergeben, trifft, wobei auch eine Prognose über den weiteren Verlauf des Gesundheitszustandes zu treffen ist, um der Dienstbehörde eine Beurteilung der Frage der "dauernden Dienstunfähigkeit" zu ermöglichen. Das ärztliche Sachverständigengutachten muss ausreichend begründet, das heißt aus dem objektiven Befund schlüssig ableitbar sein. Die Dienstbehörde hat anhand der dem Gutachten zugrunde gelegten Tatsachen die Schlüssigkeit des Gutachtens kritisch zu prüfen und einer sorgfältigen Beweiswürdigung zu unterziehen (VwGH 20.05.1985, 84/12/0121; 28.04.1993, 92/12/0055; 17.10.2008, 2007/12/0184).

Die Frage der Dienstunfähigkeit des Beamten ist zunächst in Ansehung seines aktuellen beziehungsweise des zuletzt inne gehabten Arbeitsplatzes zu prüfen. Maßgebend für eine Ruhestandsversetzung ist daher die Klärung der Frage der Dienstfähigkeit unter konkreter Bezugnahme auf die dienstlichen Aufgaben an diesem Arbeitsplatz (Primärprüfung). Ergibt diese, dass der Beamte nicht mehr in der Lage ist, die konkreten dienstlichen Aufgaben seines Arbeitsplatzes in diesem Sinne zu erfüllen, ist zu prüfen, ob die Möglichkeit einer Zuweisung eines tauglichen Verweisungsarbeitsplatzes nach § 14 Abs. 2 BDG 1979 in Betracht kommt (Sekundärprüfung) (vgl. VwGH 14.10.2009, 2008/12/0212; 23.06.2014, 2010/12/0209 mwN).

Der bekämpfte Bescheid erweist sich schon hinsichtlich der Primärprüfung als mangelhaft:

Die Begründung eines Bescheides hat die Erwägungen zu enthalten, aus denen die Behörde zur Überzeugung gelangt, dass ein bestimmter Sachverhalt vorliegt und dass damit der Tatbestand einer bestimmten Rechtsnorm verwirklicht ist. Sie hat Klarheit über die tatsächlichen Annahmen der Behörde und ihre rechtlichen Erwägungen zu schaffen. In sachverhaltsmäßiger Hinsicht hat sie daher alle jene Feststellungen in konkretisierter Form zu enthalten, die zur Subsumtion dieses Sachverhaltes unter die von der Behörde herangezogene Norm erforderlich sind. Denn nur so ist es dem Bescheidadressaten und auch dem Verwaltungsgerichtshof (Anm.: sowie nun auch dem Bundesverwaltungsgericht) möglich, den Bescheid auf seine Rechtsrichtigkeit zu überprüfen (vgl. VwGH 28.06.2002, 99/02/0084, 19.03.2014, 2013/09/0159).

Diesem Erfordernis wird die belangte Behörde mit der im angefochtenen Bescheid enthaltenen, zusammenfassenden Wiedergabe des Leistungskalküls des Gutachtens der BVA vom 04.10.2017 - das sich darüber hinaus nicht einmal im Akt befindet - nicht gerecht. Eine abschließende Beurteilung, ob tatsächlich eine Dienstunfähigkeit vorliegt, kann unter den gegebenen Umständen daher seitens des Bundesverwaltungsgerichts nicht erfolgen.

Weiters geht weder aus dem angefochtenen Bescheid noch aus den vorgelegten Verwaltungsakten hervor, welcher konkrete Arbeitsplatz der Beschwerdeführerin zuletzt dienstrechtlich wirksam zugewiesen war. Auch ist dem Akt weder ein aktuelles Anforderungsprofil noch eine Arbeitsplatzbeschreibung zu entnehmen.

Damit hat die belangte Behörde im Sinne der oben zitierten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes bloß ansatzweise ermittelt.

Die Behörde wird daher im fortgesetzten Verfahren zu ermitteln haben, welche konkrete Minderung der Dienstfähigkeit und welches Restleistungskalkül vorliegen sowie was die konkreten Anforderungen und dienstlichen Aufgaben am Arbeitsplatz der Beschwerdeführerin sind. Anhand dessen ist dann die Frage der Dienstunfähigkeit der Beschwerdeführerin zu prüfen.

Sollte die Behörde nach diesen Ermittlungen weiterhin zum Ergebnis kommen, dass hinsichtlich des von der Beschwerdeführerin innehabenden Arbeitsplatzes eine dauernde Dienstunfähigkeit vorliegt, wird sie dann in einem weiteren Schritt auf die (nachgeordnete) Frage des Vorliegens eines tauglichen Verweisungsarbeitsplatzes (Sekundärprüfung) einzugehen haben. Diesbezügliche Ermittlungen und sich daraus ergebende Erwägungen fehlen dem Bescheid gänzlich.

Dass eine unmittelbare weitere Beweisaufnahme durch das Bundesverwaltungsgericht "im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden" wäre, ist nicht ersichtlich, zumal es sich bei der in Rede stehenden Frage um eine solche handelt, die verwaltungsinterne Vorgänge betrifft, bei der die belangte Behörde besonders "nahe am Beweis" ist (vgl. VwGH 25.01.2017, Ra 2016/12/0109).

Die Voraussetzungen des § 28 Abs. 2 VwGVG sind somit im gegenständlichen Beschwerdefall nicht gegeben.

Da der maßgebliche Sachverhalt noch nicht feststeht, war in Gesamtbeurteilung der dargestellten Erwägungen der angefochtene Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG aufzuheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückzuverweisen.

Es ist daher insgesamt spruchgemäß zu entscheiden.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Abgabestelle, Arbeitsplatz, Begründungsmangel, Beschwerdefrist,
Beschwerdevorentscheidung, dauernde Dienstunfähigkeit, dienstliche
Aufgaben, Ermittlungspflicht, Hinterlegung, Kassation, mangelnde
Sachverhaltsfeststellung, Ruhestandsversetzung,
Sachverständigengutachten, Verweisungsarbeitsplatz, Zustellmangel

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:W221.2183222.1.00

Zuletzt aktualisiert am

07.03.2018
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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