TE Bvwg Erkenntnis 2018/2/23 W103 2102909-2

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Veröffentlicht am 23.02.2018
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Entscheidungsdatum

23.02.2018

Norm

AsylG 2005 §34 Abs4
BFA-VG §21 Abs3 Satz2
B-VG Art.133 Abs4
VwGVG §28

Spruch

W103 2102909-2/3E

W103 2102911-2/3E

W103 2186690-1/2E

W103 2186691-1/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. AUTTRIT als Einzelrichter über die Beschwerde von 1.) XXXX , geb. XXXX , 2.) XXXX , geb. XXXX , 3.) XXXX , geb. XXXX , 4.) XXXX , geb. XXXX , alle Staatsangehörigkeit: Russische Föderation, gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 1.) 07.02.2018, Zahl 1031399506-170865394, 2.) Zahl 1031399408-170866103, 3.) 1142158502-170158116, 4.) 1142158600-170158159 zu Recht erkannt:

A)

Den Beschwerden wird gemäß § 21 Abs. 3 BFA-VG iVm § 34 Abs. 4 AsylG und § 28 VwGVG stattgegeben und die bekämpften Bescheide behoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz, BGBl. Nr. 1/1930 (B-VG), in der Fassung BGBl. I Nr. 51/2012, nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer 1, ein Staatsangehöriger der Russischen Föderation und der tschetschenischen Volksgruppe zugehörig, reiste gemeinsam mit seinem minderjährigen Sohn (BF2) am 15.09.2014 illegal und schlepperunterstützt in das österreichische Bundesgebiet ein und sie stellten am selben Tag Anträge auf internationalen Schutz.

2. Mit Bescheiden des Bundesasylamtes vom 11.02.2015, wies das BFA die Anträge der Beschwerdeführer 1 und 2 auf internationalen Schutz vom 15.09.2014 bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ab (Spruchpunkt I.). Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 wurde der Antrag auf internationalen Schutz auch bezüglich der Zuerkennung des Staus des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Russische Föderation abgewiesen (Spruchpunkt II.) und der Beschwerdeführer gemäß § 10 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Russische Föderation ausgewiesen (Spruchpunkt III.).

Die dagegen erhobenen Beschwerden wurden am 06.06.2017 mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes zu den Zlen. W235 2102909-1/16E und W235 2102911-1, gemäß § 3 Abs. 1 und § 8 Abs. 1 Z 1, § 10 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen.

3. Am 05.02.2017 stellten die Ehefrau ( XXXX Zl. 170158116) und die mj. Tochter ( XXXX Zl. 170158159 des (BF1) einen Antrag auf internationalen Schutz.

4. Am 24.07.2017 beantragte der Erst- und Zweitbeschwerdeführer (abermals) internationalen Schutz.

5. Mit den nunmehr angefochtenen, Bescheiden des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (RD-NOE Wr. Neustadt) jeweils vom 05.02.2018 wurden die Anträge auf internationalen Schutz der beschwerdeführenden Parteien (BF 3 und 4) in Spruchpunkt I. jeweils gemäß § 3 Absatz 1 iVm § 2 Absatz 1 Ziffer 13 Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (AsylG) idgF, hinsichtlich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten abgewiesen. Gemäß § 8 Absatz 1 iVm § 2 Absatz 1 Ziffer 13 AsylG wurden die Anträge auf internationalen Schutz in Spruchpunkt II. jeweils hinsichtlich der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf ihren Herkunftsstaat Russische Föderation abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde den beschwerdeführenden Parteien gemäß § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkte III.). Gemäß § 10 Absatz 1 Ziffer 3 AsylG iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 87/2012 (BFA-VG) idgF, wurde gegen die beschwerdeführenden Parteien jeweils eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Absatz 2 Ziffer 2 Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (FPG) idgF, erlassen und unter einem gemäß § 52 Absatz 9 FPG festgestellt, dass deren Abschiebung gemäß § 46 FPG in die Russische Föderation zulässig ist (Spruchpunkte IV.). Gemäß § 55 Absatz 1 bis 3 FPG wurde eine vierzehntägige Frist für die freiwillige Ausreise ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgelegt (Spruchpunkte V.).

6. Der Folgeantrag der Erst- bis Zweitbeschwerdeführers wurde mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (EAST-Ost) vom 07.02.2018 gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde gemäß § 57 AsylG nicht erteilt.

Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG und § 52 Abs. 2 Z 2 FPG wurde gegen den Erst- bis Zweitbeschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung erlassen. Demzufolge sei gemäß § 52 Abs. 9 FPG die Abschiebung des Erst- bis Zweitbeschwerdeführers in die Russische Föderation zulässig.

I.2. Gegen die oben genannten Bescheide wurde fristgerecht Beschwerde erhoben. Begründet wurde dies wie folgt.

Die Motivation für das Stellen des Folgeantrages, das der BF 1 nach der Ankunft seiner Ehefrau und seiner mj. Tochter eine Familieneinheit anstrebt, wurde unrichtiger Weise als asylrechtlich irrelevant eingestuft. Jedoch hätte gemäß § 34 AsylG ein Familienverfahren für alle 4 Familienmitglieder durchgeführt werden müssen und sei dies daher nicht irrelevant.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Gemäß § 6 Bundesverwaltungsgerichtsgesetz, BGBl. I Nr. 10/2013 (BVwGG), entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gegenständlich liegt Einzelrichterzuständigkeit vor.

Gemäß § 1 VwGVG regelt dieses Bundesgesetz das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes.

Entgegenstehende Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht sind, bleiben unberührt

(§ 58 Abs. 2 VwGVG, in der Fassung BGBl. I Nr. 122/2013).

Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen (§ 28 Abs. 1 VwGVG). Soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist, erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss (§ 31 Abs. 1 VwGVG).

Zu A)

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 21 Abs. 3 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG) ist, wenn der Beschwerde gegen die Entscheidung des BFA im Zulassungsverfahren stattzugeben ist, das Verfahren zugelassen. Der Beschwerde gegen die Entscheidung im Zulassungsverfahren ist auch stattzugeben, wenn der vorliegende Sachverhalt so mangelhaft ist, dass die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint.

Gemäß § 3 Abs. 1 BFA-Einrichtungsgesetz, BGBl. I Nr. 87/2012, obliegt dem Bundesamt

1. die Vollziehung des BFA-VG,

2. die Vollziehung des Asylgesetzes 2005 (AsylG 2005), BGBl. I Nr. 100,

3. die Vollziehung des 7., 8. und 11. Hauptstückes des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100 und

4. die Vollziehung des Grundversorgungsgesetzes - Bund 2005, BGBl. I Nr. 100.

Soweit das Verwaltungsgericht nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet, hat es den angefochtenen Bescheid, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt und die angefochtene Weisung auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen (§ 27 VwGVG).

Über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG hat das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn

1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder

2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist (§ 28 Abs. 2 VwGVG).

Hebt das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid auf, sind die Behörden verpflichtet, in der betreffenden Rechtssache mit den ihnen zu Gebote stehenden rechtlichen Mitteln unverzüglich den der Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichtes entsprechenden Rechtszustand herzustellen (§ 28 Abs. 5 VwGVG).

3.2. Gemäß § 2 Abs. 1 Z 22 Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 100 in der Fassung BGBl. I Nr. 144/2013, ist Familienangehöriger, wer Elternteil eines minderjährigen Kindes, Ehegatte/Ehegattin oder zum Zeitpunkt der Antragstellung unverheiratetes minderjähriges Kind eines/einer Asylwerbers/Asylwerberin oder eines/einer Fremden ist, dem/der der Status des/der subsidiär Schutzberechtigten oder des/der Asylberechtigten zuerkannt wurde, sofern die Familieneigenschaft bei Ehegatten bereits im Herkunftsstaat bestanden hat; dies gilt weiters auch für eingetragene Partner, sofern die eingetragene Partnerschaft bereits im Herkunftsstaat bestanden hat.

Stellt gemäß § 34 Abs. 1 Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 100 in der gültigen Fassung, ein Familienangehöriger (§ 2 Abs. 1 Z 22) von einem/einer Fremden, dem/der der Status des/der Asylberechtigten zuerkannt worden ist; einem/einer Fremden, dem/der der Status des/der subsidiär Schutzberechtigten (§ 8) zuerkannt worden ist oder einem/einer Asylwerber/Asylwerberin einen Antrag auf internationalen Schutz, gilt dieser als Antrag auf Gewährung desselben Schutzes.

Die Behörde hat auf Grund eines Antrages eines Familienangehörigen eines/einer Fremden, dem/der der Status des/der Asylberechtigten zuerkannt worden ist, dem Familienangehörigen mit Bescheid den Status eines/einer Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn dieser nicht straffällig geworden ist (§ 2 Abs. 3); gegen den/die Fremden/Fremde, dem/der der Status des/der Asylberechtigten zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig ist (§ 7) (§ 34 Abs. 2 Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 100 in der gültigen Fassung).

Gemäß § 34 Abs. 3 Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 100 in der gültigen Fassung, hat die Behörde auf Grund eines Antrages eines Familienangehörigen eines/einer Fremden, dem/der der Status des/der subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt worden ist, dem Familienangehörigen mit Bescheid den Status eines/einer subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wenn dieser nicht straffällig geworden ist (§ 2 Abs. 3); gegen den/die Fremden/Fremde, dem/der der Status des/der subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig ist (§ 9) und dem Familienangehörigen nicht der Status eines/einer Asylberechtigten zuzuerkennen ist.

Die Behörde hat Anträge von Familienangehörigen eines/einer Asylwerbers/Asylwerberin gesondert zu prüfen; die Verfahren sind unter einem zu führen; unter den Voraussetzungen der Abs. 2 und 3 erhalten alle Familienangehörigen den gleichen Schutzumfang. Entweder ist der Status des/der Asylberechtigten oder des/der subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wobei die Zuerkennung des Status des/der Asylberechtigten vorgeht, es sei denn, alle Anträge wären als unzulässig zurückzuweisen oder abzuweisen. Jeder/Jede Asylwerber/Asylwerberin erhält einen gesonderten Bescheid. Ist einem/einer Fremden der faktische Abschiebeschutz gemäß § 12a Abs. 4 zuzuerkennen, ist dieser auch seinen Familienangehörigen zuzuerkennen (§ 34 Abs. 4 Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 100 in der gültigen Fassung).

Gemäß § 34 Abs. 5 Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 100 in der gültigen Fassung, gelten die Bestimmungen des Abs. 1 bis 4 sinngemäß für das Verfahren beim Bundesverwaltungsgericht.

Gemäß § 34 Abs. 6 Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 100 in der gültigen Fassung, sind die Bestimmungen dieses Abschnitts nicht anzuwenden auf Familienangehörige, die EWR-Bürger oder Schweizer Bürger sind; auf Familienangehörige eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten oder der Status des subsidiär Schutzberechtigten im Rahmen eines Verfahrens nach diesem Abschnitt zuerkannt wurde, es sei denn es handelt sich bei dem Familienangehörigen um ein minderjähriges lediges Kind, oder um eine Aufenthaltsehe, Aufenthaltspartnerschaft oder Aufenthaltsadoption (§ 30 NAG).

Zu unterschiedlichen Entscheidungsarten innerhalb eines Familienverfahrens äußerte sich der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 25.11.2009, 2007/01/1153, nach Wiedergabe der maßgeblichen Normen folgendermaßen:

" [...] 3. Die Bestimmungen des AsylG 2005 über das Familienverfahren im Inland knüpfen damit im Wesentlichen an die Vorgängerbestimmungen im Asylgesetz 1997, wie sie durch die AsylG-Novelle 2003, BGBl. I Nr. 101/2003, geschaffen wurden, an. Zu diesen Bestimmungen im Asylgesetz 1997 hat der Verwaltungsgerichtshof bereits ausgeführt, dass im Familienverfahren gegenüber allen Familienangehörigen dieselbe Art der Erledigung zu treffen ist, um einen gleichförmigen Verfahrensausgang sicherzustellen (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 28. Oktober 2009, Zlen. 2007/01/0532 bis 0535, mwN).

4. Dies trifft auch auf die Rechtslage nach dem AsylG 2005 zu. Die (mit § 10 Abs. 5 Asylgesetz 1997 nahezu wortgleiche) Bestimmung des § 34 Abs. 4 AsylG 2005, wonach alle Familienangehörigen entweder den gleichen Schutzumfang erhalten oder alle Anträge "als unzulässig zurückzuweisen oder abzuweisen" sind, ist daher dahingehend zu verstehen, dass im Familienverfahren gegenüber allen Familienangehörigen dieselbe Art der Erledigung zu treffen ist. Ist daher der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten nicht zuzuerkennen, so sind entweder alle Anträge zurückzuweisen oder alle Anträge abzuweisen. Diese Gleichförmigkeit des Familienverfahrens, das letztlich der Verfahrensbeschleunigung und somit der Verfahrensökonomie dient (vgl. das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 3. September 2009, U 804/09), wird dabei nicht nur durch § 34 Abs. 4 AsylG 2005, sondern auch durch die (mit § 32 Abs. 7 Asylgesetz 1997 im Wesentlichen übereinstimmende) Bestimmung des § 36 Abs. 3 AsylG 2005 zum Ausdruck gebracht, wonach selbst bei nur einer Berufung eines betroffenen Familienmitglieds diese auch als Berufung gegen die die anderen Familienangehörigen betreffenden Entscheidungen gilt und keine dieser Entscheidungen dann der Rechtskraft zugänglich ist (vgl. zum Ganzen die insoweit auf die Rechtslage nach dem AsylG 2005 übertragbaren Ausführungen im genannten hg. Erkenntnis vom 28. Oktober 2009, Zlen. 2007/01/0532 bis 0535; siehe weiters Feßl/Holzschuster, Asylgesetz 2005, 497f). In diesem Sinne hat der Verwaltungsgerichtshof zu § 34 Abs. 4 AsylG 2005 - in Fortsetzung der Judikatur zum Asylgesetz 1997 - bereits erkannt, dass bei Aufhebung (nur) eines Bescheides eines Familienangehörigen dies (infolge der ex tunc-Wirkung einer Aufhebung nach § 42 Abs. 3 VwGG) auch auf die Bescheide der übrigen Familienangehörigen durchschlägt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 26. Juni 2007, Zl. 2007/20/0281).

5. Nach dem Gesagten hat es somit nicht der Rechtslage entsprochen, dass das Bundesasylamt den Antrag der Erstbeschwerdeführerin alleine und im Gegensatz zu den Sachentscheidungen betreffend die übrigen Familienmitglieder zurückgewiesen hat. Der belangten Behörde war es aber verwehrt, über den Antrag der Erstbeschwerdeführerin selbst meritorisch zu entscheiden, zumal Sache des Berufungsverfahrens nur die Zurückweisung des Antrages durch die Vorinstanz gewesen ist. Sie hätte den Bescheid des Bundesasylamtes betreffend die Erstbeschwerdeführerin daher ersatzlos beheben müssen (vgl. dazu abermals das hg. Erkenntnis vom 28. Oktober 2009, Zlen. 2007/01/0532 bis 0535, mit Verweis auf das hg. Erkenntnis vom 11. November 2008, Zl. 2008/23/1251, mwN). [...]"

Die Folgeanträge auf internationalen Schutz des Erst- und Zweitbeschwerdeführers wurden mit Bescheiden des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 07.02.2018 gemäß

§ 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen.

Die Erstanträge der Ehefrau bzw. Mutter und der mj. Tochter nach dem Asylgesetz auf "Internationalen Schutz" (siehe Seite 2) wurden nach Zulassung des Verfahrens inhaltlich entschieden (siehe Pt. 5).

Die belangte Behörde hätte anstelle von Entscheidungen nach § 68 Abs. 1 AVG für die Beschwerdeführer 1 (Vater) und 2 (mj Sohn) zu treffen, für alle vier Familienmitglieder ein inhaltliches Asylverfahren nach § 3 ff AsylG 2005 durchführen müssen.

Da die belangte Behörde somit die Bestimmungen des Familienverfahrens außer Acht ließ, erweist sich der angefochtene Bescheid als rechtswidrig (vgl. VwGH 9.4.2008, 2008/19/0205 und VfGH 18.09.2015, E1174/2014).

Hinsichtlich de BF 3 und 4 (Ehefrau und mj. Tochter) war da ein Familienverfahren gemäß § 34 Abs. 4 AsylG vorliegt, ebenfalls mit Behebung der Bescheide vorzugehen.

Es waren daher die angefochtenen Bescheide der Erst- bis Viertbeschwerdeführer betreffend entsprechend der soeben zitierten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ersatzlos zu beheben.

Kurz zusammengefasst bedeutet dies für das vorliegenden Familienverfahren, dass wenn ein Familienmitglied (die Mutter bzw. die mj. Tochter "Analog zu einem nachgeborenen Kind") zum Verfahren auf "Internationalen Schutz" zugelassen wird, auch die Verfahren der anderen Familienmitglieder zugelassen und inhaltlich behandelt werden müssen und eine Zurückweisung nach § 68 AVG wegen entschiedene Sache, nicht zulässig ist.

Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985, BGBl. Nr. 10/1985 (VwGG), in der Fassung BGBl. I Nr. 33/2013, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Im konkreten Fall ist die Revision gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG, in der Fassung BGBl. I Nr. 51/2012, nicht zulässig weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Die anzuwendenden gesetzlichen Bestimmungen treffen klare, im Sinne einer eindeutigen Regelungen (vgl. OGH 22.03.1992, 5 Ob 105/90), weshalb keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung vorliegt.

Schlagworte

Behebung der Entscheidung, Ermittlungspflicht, Familienverfahren,
Kassation, mangelnde Sachverhaltsfeststellung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:W103.2102909.2.00

Zuletzt aktualisiert am

07.03.2018
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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