TE Vwgh Erkenntnis 2018/1/30 Ra 2017/01/0061

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Veröffentlicht am 30.01.2018
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Index

E000 EU- Recht allgemein;
E3R E19104000;
E6J;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

32013R0604 Dublin-III Art13 Abs1;
62016CJ0490 A. S. VORAB;
62016CJ0646 Jafari VORAB;
AsylG 2005 §5;
EURallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Blaschek, die Hofräte Dr. Kleiser, Dr. Fasching und Mag. Brandl sowie die Hofrätin Mag. Liebhart-Mutzl als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Strasser, über die Revision des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, gegen den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 19. Jänner 2017, Zl. W240 2136691-1/9E, betreffend eine Angelegenheit nach dem AsylG 2005 (mitbeteiligte Partei: M R), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Beschluss wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

1 Der Mitbeteiligte, ein Staatsangehöriger des Iran, begab sich im Jänner/Februar 2016 von der Türkei über Griechenland, Mazedonien und Serbien nach Kroatien, wo er am 19.2.2016 erkennungsdienstlich behandelt wurde ("Eurodac-Treffer der Kategorie zwei"), und weiter über Slowenien und Österreich zunächst nach Deutschland und von dort zurück nach Österreich, wo er am 29.4.2016 einen Antrag auf internationalen Schutz stellte.

2 Am 5.5.2016 richtete die revisionswerbende Behörde ein Aufnahmeersuchen gemäß Art. 13 Abs. 1 Dublin III-Verordnung an Kroatien. Die zuständige kroatische Behörde antwortete auf dieses Aufnahmeersuchen nicht, woraufhin die revisionswerbende Behörde der kroatischen Behörde mit Schreiben vom 8.7.2016 mitteilte, dass nunmehr nach Art. 22 Abs. 7 Dublin III-Verordnung die Verantwortung für die Prüfung des gegenständlichen Asylbegehrens unwiderruflich bei Kroatien liege.

3 Mit Bescheid vom 21.9.2016 wies die revisionswerbende Behörde den Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 5 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005) als unzulässig zurück, sprach aus, dass gemäß Art. 22 Abs. 7 iVm Art. 13 Abs. 1 Dublin III-Verordnung Kroatien zur Prüfung des Antrags zuständig sei, ordnete unter einem gemäß § 61 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) die Außerlandesbringung des Mitbeteiligten an und stellte fest, dass die Abschiebung nach Kroatien gemäß § 61 Abs. 2 FPG zulässig sei.

4 Der dagegen vom Mitbeteiligten erhobenen Beschwerde gab das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) mit dem angefochtenen Beschluss vom 19.1.2017 gemäß § 21 Abs. 3 zweiter Satz BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG) statt, behob den Bescheid der revisionswerbenden Behörde und sprach aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

5 Begründend führte das BVwG im Wesentlichen aus, der Verwaltungsgerichtshof habe in vergleichbaren Fällen Erkenntnisse des BVwG aufgehoben, weil das BVwG vor dem Hintergrund des Vorabentscheidungsersuchens des slowenischen Obersten Gerichtshofes an den Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH), A.S., C-490/16, keine Tatsachenfeststellungen darüber getroffen habe, wie sich die Ein- bzw. Durchreise der Antragsteller in die Europäische Union, insbesondere nach Kroatien gestaltet habe und ob es sich dabei um staatlich organisierte Maßnahmen gehandelt habe, die mit jenen ident oder vergleichbar wären, die dem slowenischen Vorabentscheidungsersuchen zugrunde lägen.

Der konkrete Sachverhalt sei so mangelhaft, dass dessen Ergänzung und damit verbunden eine mündliche Verhandlung unvermeidlich erscheine. Der wegen der unterbliebenen Ermittlungen vorliegende Erhebungsmangel könne aufgrund des zu erwartenden Ermittlungsaufwandes nicht in der für das Zulassungsverfahren gebotenen Eile beseitigt werden. Der Beschwerde sei daher gemäß § 21 Abs. 3 zweiter Satz BFA-VG stattzugeben gewesen.

6 Gegen diesen Beschluss richtet sich die außerordentliche Revision des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluss als rechtswidrig aufzuheben.

Der Verwaltungsgerichtshof hat darüber nach Einleitung des Vorverfahrens und Erstattung einer "Stellungnahme" durch den Mitbeteiligten erwogen:

7 Die Revision ist zur Rechtsfrage des Vorliegens der Voraussetzungen der Beschwerdestattgebung im asylrechtlichen Zulassungsverfahren gemäß § 21 Abs. 3 zweiter Satz BFA-VG im Hinblick auf den sich aus einem Eurodac-Treffer der Kategorie zwei betreffend Kroatien ergebenden Nachweis eines illegalen Grenzübertritts gemäß Art. 13 Abs. 1 Dublin III-Verordnung zulässig und berechtigt.

8 Der Verwaltungsgerichtshof hat unter Berücksichtigung der zu den Rechtssachen Jafari, C-646/16, und A.S., C-490/16, zwischenzeitig ergangenen Urteile des EuGH je vom 26.7.2017 in seinem Erkenntnis vom 20.9.2017, Ra 2016/19/0303, 0304, ausgesprochen, dass ein Drittstaatsangehöriger, der die in einem Mitgliedstaat grundsätzlich geforderten Einreisevoraussetzungen nicht erfüllt, dem aber die Einreise in dessen Hoheitsgebiet gestattet wird, damit er in einen anderen Mitgliedstaat weiterreisen und dort einen Antrag auf internationalen Schutz stellen kann, die Grenzen des erstgenannten Mitgliedstaates im Sinn des Art. 13 Abs. 1 Dublin III-Verordnung "illegal überschritten" hat, unabhängig davon, ob das Überschreiten der Grenzen geduldet, unter Verletzung der einschlägigen Vorschriften gestattet oder aus humanitären Gründen unter Abweichung von den für Drittstaatsangehörige grundsätzlich geltenden Einreisevoraussetzungen gestattet wird. Gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG wird auf die Entscheidungsgründe dieses Erkenntnisses verwiesen.

9 Demnach sind die vom BVwG geforderten Feststellungen zu den Ein- und Durchreisemodalitäten des Mitbeteiligten in die Europäische Union insbesondere nach Kroatien sowie dazu, ob es sich dabei um staatlich organisierte Maßnahmen gehandelt habe, zwecks Klärung, ob ein illegaler Grenzübertritt von Serbien nach Kroatien iSd Art. 13 Abs. 1 Dublin III-Verordnung vorliege und Kroatien zur Prüfung des in Österreich gestellten Antrags des Mitbeteiligten auf internationalen Schutz zuständig sei, nicht erforderlich.

10 In weiterer Folge liegen die Voraussetzungen für die Stattgebung der Beschwerde des Mitbeteiligten gegen die Zurückweisung dessen Antrags auf internationalen Schutz im Zulassungsverfahren gemäß § 21 Abs. 3 zweiter Satz BFA-VG im Hinblick auf den, den Mitbeteiligten betreffenden Eurodac-Treffer nicht vor.

11 Der angefochtene Beschluss war somit gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Wien, am 30. Jänner 2018

Gerichtsentscheidung

EuGH 62016CJ0646 Jafari VORAB
EuGH 62016CJ0490 A. S. VORAB

Schlagworte

Gemeinschaftsrecht Verordnung EURallg5

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2018:RA2017010061.L00

Im RIS seit

07.03.2018

Zuletzt aktualisiert am

21.03.2018
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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