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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);Norm
AVRAG 1993 §7i Abs10;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Rigler und die Hofräte Dr. Schick und Mag. Samm als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Soyer, über die Revision des Dipl.-Ing. R T in B, vertreten durch Kopp - Wittek Rechtsanwälte GmbH in 5020 Salzburg, Moosstraße 58c, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Salzburg vom 5. Mai 2017, Zlen. 405- 7/51/1/30-2017, 405-7/52/1/35-2017 u 405-7/53/1/29-2017, betreffend Übertretungen des AVRAG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bürgermeister der Landeshauptstadt Salzburg), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 1. Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurde der Revisionswerber als handelsrechtlicher Geschäftsführer und somit als das zur Vertretung nach außen gemäß § 9 VStG berufene Organ der "D Baugesellschaft mbH" (mit Sitz in Deutschland) - in Bestätigung dreier gegen ihn erlassener Straferkenntnisse der belangten Behörde - schuldig erkannt, er habe es hinsichtlich einer von dieser Gesellschaft nach Österreich entsandten Arbeitnehmerin unterlassen, 1) Unterlagen über die Anmeldung der Arbeitnehmerin zur Sozialversicherung am Arbeitseinsatzort bereitzuhalten oder diese den Abgabenbehörden unmittelbar vor Ort in elektronischer Form zugänglich zu machen, 2) spätestens eine Woche vor deren Arbeitsaufnahme in Österreich diese der Zentralen Koordinationsstelle des Bundesministeriums für Finanzen für die Kontrolle illegaler Beschäftigung (ZKO) zu melden, sowie
3) während des Zeitraums der Entsendung (zumindest am 25. September 2015) Lohnunterlagen in deutscher Sprache am Arbeitsort bereitzuhalten oder diese den Kontrollorgangen elektronisch zugänglich zu machen. Dadurch habe er zu 1) gegen § 7b Abs. 5 iVm Abs. 8 Z 3 AVRAG, zu 2) gegen § 7b Abs. 3 iVm Abs. 8 Z 1 AVRAG, sowie zu 3) gegen § 7d Abs. 1 iVm § 7i Abs. 4 Z 1 AVRAG verstoßen. Über ihn wurden deshalb Geldstrafen verhängt und Beiträge zu den Kosten des Verfahrens vor der Behörde sowie zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens vorgeschrieben.
2 Unter einem wurde gemäß § 25a VwGG ausgesprochen, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig sei.
3 Das Verwaltungsgericht legte seiner Entscheidung zugrunde, dass nach wirtschaftlicher Betrachtungsweise insgesamt zweifelsfrei davon auszugehen sei, dass die von der "D Baugesellschaft mbH" entsandte Reinigungskraft ihre Arbeit unter deren vollständiger Kontrolle geleistet und somit in wirtschaftlicher und persönlicher Abhängigkeit erbracht habe, es sich beim vorliegenden, so bezeichneten "Werkvertrag" also um einen reinen Scheinvertrag zur Verschleierung der tatsächlichen Vereinbarung - nämlich einer Verpflichtung zur Erbringung einer bestimmten Anzahl von Arbeitsstunden als Reinigungskraft - gehandelt habe. Die "D Baugesellschaft mbH" sei folglich als faktische Arbeitgeberin zur Einhaltung der entsprechenden Bereithaltungs- und Meldeverpflichtungen nach § 7b bzw. §§ 7d iVm 7i AVRAG verpflichtet gewesen.
4 2.1. Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Auf Beschlüsse der Verwaltungsgerichte ist Art. 133 Abs. 4 B-VG sinngemäß anzuwenden (Art. 133 Abs. 9 B-VG).
5 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
6 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. Diesem Erfordernis wird insbesondere nicht schon durch nähere Ausführungen zur behaupteten Rechtswidrigkeit der bekämpften Entscheidung (§ 28 Abs. 1 Z 5 VwGG) oder zu den Rechten, in denen sich der Revisionswerber verletzt erachtet (§ 28 Abs. 1 Z 4 VwGG), Genüge getan (vgl. VwGH 25.3.2014, Ra 2014/04/0001, und vom 28.2.2015, Ra 2015/08/0008).
7 2.2.1. In der Revision wird zu ihrer Zulässigkeit zunächst vorgebracht, das angefochtene Erkenntnis weiche insofern von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, als die Rechtsansicht vertreten werde, dass es sich bei der entsandten Arbeitskraft um eine Arbeitnehmerin der "D Baugesellschaft mbH" gehandelt habe, sodass das LVwG Salzburg entgegen der "ständigen Rechtsprechung" die Bestimmungen des AVRAG herangezogen habe. Vielmehr wäre die genannte Person im vorliegenden Fall im Rahmen eines Werkvertrages tätig geworden und sei zwischen dieser und der genannten Gesellschaft kein Arbeitsverhältnis im Sinne des AVRAG vorgelegen, insbesondere weil deren Tätigkeit über einfache Hilfstätigkeiten hinausgereicht habe, eine Unterordnung unter den Willen einer anderen Person (gerade) nicht gegen das Vorliegen eines Werkvertrages spreche und die in Rede stehende Arbeits(Reinigungs-)kraft über eine eigene unternehmerische Struktur und eigene Betriebsmittel verfügt habe.
8 Mit diesem Vorbringen wird nicht dargetan, dass die Behandlung der Revision von der Beantwortung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung iSd Art. 133 Abs. 4 B-VG zukommt.
9 Gemäß § 7i Abs. 10 AVRAG ist für die Beurteilung, ob ein Arbeitsverhältnis im Sinne dieses Bundesgesetzes vorliegt, der "wahre wirtschaftliche Gehalt" und nicht die äußere Erscheinungsform des Sachverhalts maßgebend.
10 Damit in Übereinstimmung hat das Verwaltungsgericht bei der Lösung der Frage, ob es sich bei der Vereinbarung zwischen der "D Baugesellschaft mbH" einerseits und der genannten Arbeitskraft andererseits um einen Werk- oder Arbeitsvertrag handelt, den wahren wirtschaftlichen Gehalt dieses Vertrages anhand der für diese Vertragstypen jeweils kennzeichnenden Kriterien im Rahmen einer Gesamtbetrachtung beurteilt (vgl. zum Erfordernis einer "Gesamtbeurteilung" in Fällen der grenzüberschreitenden Entsendung von Arbeitskräften grundlegend VwGH 22.8.2017, Ra 2017/11/0068, mit Verweis auf Judikatur des EuGH).
11 Die dabei vom Verwaltungsgericht für die Beurteilung des Vorliegens eines Werkvertrages oder eines Arbeitsvertrages als maßgeblich erachteten Kriterien weichen auch nicht von den in der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (bzw. des EuGH) als entscheidend herausgearbeiteten Kriterien ab (vgl. zu den maßgebenden Kriterien erneut das zitierte Erkenntnis Ra 2017/11/0068).
12 Die Frage, inwieweit und aus welchen Gründen im Rahmen der jeweils vorzunehmenden Gesamtbetrachtung einzelnen dieser Kriterien im konkreten Fall ein höheres und anderen ein geringeres Gewicht beigemessen wird, stellt eine einzelfallbezogene Beurteilung dar, die im Allgemeinen - wenn sie auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage erfolgte und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde - nicht revisibel ist (vgl. etwa den hg. Beschluss vom 10. Mai 2017, Ra 2017/11/0042).
13 Die Revision zeigt nicht auf, dass die Entscheidung des Verwaltungsgerichtes außerhalb der danach gezogenen Leitlinien stünde.
14 2.2.2. Die Revision bringt zur Zulässigkeit weiters vor, die Rechtsauffassung des Landesverwaltungsgerichtes - wonach es sich bei den vom als Zeugen geladenen Bauleiter der "D Baugesellschaft mbH" geltend gemachten beruflichen Verhinderungsgründen um keinerlei konkrete Verhinderungsgründe handle - bewege sich nicht im Rahmen der "ständigen Rechtsprechung", weil nach dieser eine berufliche Verhinderung sehr wohl dann entschuldige, wenn sie so zwingend sei, dass sie nicht etwa durch entsprechende Dispositionen beseitigt werden könne. Zudem habe die Beschuldigtenvertretung dem Landesverwaltungsgericht mehrfach angeboten, den Zeugen zu diesem Beweisthema stellig zu machen und auch mitgeteilt, an welchen Terminen dieser aufgrund seiner beruflichen Tätigkeit zu einer Verhandlung erscheinen könne. Das Landesverwaltungsgericht hätte den Zeugen jedenfalls dazu auffordern müssen, eine schriftliche Stellungnahme zum beantragten Beweisthema abzugeben bzw. hätte dessen Aussage in der mündlichen Verhandlung nicht verlesen werden dürfen, weil sich das Gericht nicht um dessen Ladung bemüht habe.
15 Auch mit diesem Vorbringen wird nicht dargetan, dass die Behandlung der Revision von der Beantwortung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung iSd Art. 133 Abs. 4 B-VG zukommt.
16 Die Revision übersieht nämlich Folgendes:
17 Das Landesverwaltungsgericht stützte seine Beurteilung der hier entscheidenden (Rechts-)Frage, ob zwischen der Reinigungskraft der Revisionswerberin und dieser selbst ein Arbeitsverhältnis im Sinne des AVRAG vorgelegen sei, auf weitere Sachverhaltselemente, so konkret und im Wesentlichen auf den Inhalt des im Akt befindlichen und so bezeichneten "Werkvertrages", die Aussagen der Kontrollorgane der Finanzpolizei (welche mehrere Kontrollen auf der verfahrensgegenständlichen Baustelle durchführten), sowie die (Erst-)Aussage der Reinigungskraft selbst (welche, wie auch der Bauleiter und beantragte Zeuge der Revisionswerberin, trotz ordnungsgemäßer Ladung zu keinem der Verhandlungstermine vor dem Landesverwaltungsgericht erschien).
18 Die Revision zeigt angesichts der nach der oben zitierten Judikatur vorzunehmenden (und vorliegendenfalls auch vorgenommenen) Gesamtbetrachtung in Fällen der grenzüberschreitenden Entsendung von Arbeitskräften nicht auf (schon im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht wurde kein substantiiertes Tatsachenvorbringen erstattet, aus dem sich Hinweise auf das Vorliegen eines Werkvertrags ergeben hätten), inwiefern das Verwaltungsgericht durch die Einvernahme des Bauleiters zu einem anderen Ergebnis der Gesamtbetrachtung hätte gelangen sollen. Der begründungslose Hinweis in der Revision, die Aussage des Bauleiters zum Beschäftigungsverhältnis der besagten Reinigungskraft wäre "äußerst relevant für den Verfahrensausgang gewesen", ist jedenfalls nicht geeignet, die Relevanz des monierten Verfahrensfehlers zu erweisen.
19 2.3. Der erkennende Senat hat aus diesen Erwägungen beschlossen, die Revision zurückzuweisen.
Wien, am 8. Februar 2018
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2018:RA2017110206.L00Im RIS seit
02.03.2018Zuletzt aktualisiert am
03.01.2019