TE Vwgh Erkenntnis 2018/2/13 Ra 2017/18/0332

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Veröffentlicht am 13.02.2018
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Asylrecht;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3;
AVG §68 Abs1;
FrPolG 2005 §52 Abs2 Z2;
FrPolG 2005 §52 Abs2;
FrPolG 2005 §52 Abs3;
FrPolG 2005 §59 Abs5;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer sowie die Hofrätin Mag. Dr. Maurer-Kober und den Hofrat Dr. Sutter als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Wech, über die Revision des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl in 1030 Wien, Modecenterstraße 22, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 9. August 2017, Zl. I403 2121742- 2/2E, betreffend eine Asylangelegenheit (Mitbeteiligter: C E in K, vor dem Bundesverwaltungsgericht vertreten durch den MigrantInnenverein St. Marx), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

1 Der Mitbeteiligte, ein nigerianischer Staatsangehöriger, stellte im Dezember 2014 einen Antrag auf internationalen Schutz, der mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 9. Februar 2016 gemäß §§ 3 und 8 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005) abgewiesen wurde (Spruchpunkte I. und II.). Aufenthaltstitel gemäß §§ 57 und 55 AsylG 2005 wurden nicht erteilt, gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG) wurde gegen den Mitbeteiligten eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Nigeria zulässig sei (Spruchpunkt III.). Gemäß § 55 Abs. 1a FPG wurde keine Frist für die freiwillige Ausreise festgelegt (Spruchpunkt IV.) und einer Beschwerde gegen diese Entscheidung gemäß § 18 Abs. 1 Z 2 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt V.). Gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 1 FPG wurde gegen den Mitbeteiligten ein auf die Dauer von fünf Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt VI.).

2 Aufgrund der dagegen erhobenen Beschwerde änderte das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) mit Erkenntnis vom 17. Mai 2016 Spruchpunkt VI. des angefochtenen Bescheides insoweit ab, als das Einreiseverbot auf die Dauer von zehn Jahren erhöht wurde, im Übrigen wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen (Spruchpunkt A). Die Revision wurde gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG für nicht zulässig erklärt (Spruchpunkt B). Dieses Erkenntnis erwuchs in Rechtskraft.

3 Am 17. April 2017 stellte der Mitbeteiligte den verfahrensgegenständlichen Folgeantrag auf internationalen Schutz.

4 Das Verfahren wurde gemäß § 28 AsylG 2005 zugelassen, wobei dem Mitbeteiligten gemäß § 13 Abs. 1 und 2 AsylG 2005 kein Aufenthaltsrecht zukam.

5 Mit Bescheid vom 4. Juli 2017 wies das BFA diesen Antrag gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurück.

6 Mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 9. August 2017 wurde der Bescheid des BFA gemäß § 28 Abs. 1 und 2 VwGVG behoben (Spruchpunkt A) und ausgesprochen, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei (Spruchpunkt B).

7 Begründend führte das BVwG im Wesentlichen aus, der Verwaltungsgerichtshof habe in seinem Erkenntnis vom 19. November 2015, Ra 2015/20/0082 bis 0087, ausgesprochen, dass § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 52 Abs. 2 Z 2 FPG auch für den Fall der Zurückweisung eines Antrages auf internationalen Schutz wegen entschiedener Sache nach § 68 AVG die Rechtsgrundlage für die Verbindung dieser Entscheidung mit einer Rückkehrentscheidung darstelle. Da das BFA die auf § 68 AVG gestützte Zurückweisung des Folgeantrages des Mitbeteiligten mit einer Rückkehrentscheidung zu verbinden gehabt hätte, sei der angefochtene Bescheid gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG zu beheben gewesen, um den Weg für die Erlassung eines neuen, der Rechtsansicht des Verwaltungsgerichtshofes entsprechenden Bescheides freizumachen.

8 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision des BFA. Diese bringt zu ihrer Zulässigkeit vor, das BVwG sei von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 59 Abs. 5 FPG abgewichen, wonach es bei Vorliegen der Rückkehrentscheidungs-Tatbestände des § 10 AsylG 2005 keiner neuerlichen Rückkehrentscheidung bedürfe, wenn eine rechtskräftige und aufrechte, mit einem Einreiseverbot verbundene Rückkehrentscheidung bestehe.

Außerdem seien die Entscheidungen über internationalen Schutz und über eine Rückkehrentscheidung nach § 10 Abs. 1 AsylG 2005 iVm § 52 Abs. 2 FPG trennbare Spruchpunkte, sodass nicht ersichtlich sei, warum selbst dann, wenn eine Rückkehrentscheidung zu erlassen gewesen wäre, die Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz rechtswidrig gewesen sein sollte.

Weiters fehle es an Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes dazu, ob insbesondere bei Unterbleiben einer Rückkehrentscheidung ein Abspruch nach § 57 iVm § 58 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 erforderlich sei.

9 Der Mitbeteiligte erstattete keine Revisionsbeantwortung.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

10 Die Amtsrevision ist zulässig und begründet. 11 Auch eine (negative) Entscheidung über einen Folgeantrag

ist grundsätzlich mit einer Entscheidung über die Erlassung einer Rückkehrentscheidung zu verbinden. § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 52 Abs. 2 Z 2 FPG stellt auch für den Fall der Zurückweisung eines Antrages auf internationalen Schutz wegen entschiedener Sache nach § 68 AVG die Rechtsgrundlage für die Verbindung dieser Entscheidung mit einer Rückkehrentscheidung dar. Gemäß § 59 Abs. 5 FPG kann jedoch im Falle einer rechtskräftigen und aufrechten, mit einem Einreiseverbot verbundenen Rückkehrentscheidung, die Erlassung einer neuerlichen Rückkehrentscheidung unterbleiben, sofern keine neuen Tatsachen hervorkommen, die eine Neubemessung der Dauer des Einreiseverbotes erforderlich machen (vgl. zu alldem VwGH 19.11.2015, Ra 2015/20/0082 bis 0087, mwN).

12 Fallbezogen wurde im Erstverfahren vor dem BFA gegen den Mitbeteiligten eine mit einem Einreiseverbot verbundene Rückkehrentscheidung erlassen, welche mit Erkenntnis des BVwG vom 17. Mai 2016 - mit einer Maßgabe die Dauer des Einreiseverbots betreffend - bestätigt wurde.

13 Das BVwG hat ausgehend von seiner Auffassung, das BFA wäre nach § 52 Abs. 2 Z 2 FPG verpflichtet gewesen, (selbst) eine Rückkehrentscheidung zu treffen, nicht näher dargelegt, inwieweit seit der Rückkehrentscheidung aus dem Jahr 2016 Umstände hervorgekommen wären, welche eine Neubemessung des Einreiseverbotes erforderlich gemacht hätten. Solche sind auch nicht ersichtlich.

14 Da somit im vorliegenden Fall keine neue Rückkehrentscheidung erforderlich war, hat das BVwG ausgehend von seiner gegenteiligen Ansicht sein Erkenntnis mit Rechtswidrigkeit belastet. Das angefochtene Erkenntnis war bereits aus diesem Grund wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes in einem nach § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

15 Auf die von der Revision in den Zulässigkeitsgründen weiters aufgeworfenen Fragen braucht daher nicht mehr eingegangen werden.

Wien, am 13. Februar 2018

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2018:RA2017180332.L00

Im RIS seit

06.03.2018

Zuletzt aktualisiert am

25.04.2019
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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